Filmpodium Programmheft 1. Juli – 18. Sept. 2016 // Filmpodium programme issue July - Sept 2016

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1. Juli –18. September 2016

Remakes Das Kino der jungen BRD


ERFRISCHENDES KINO AUS CHILE AB 25. AUGUST IM KINO

VON PEPA SAN MARTÍN

Patchworkfamilie, na und? AB 14. JULI IM KINO

VON ALEJANDRO FERNÁNDEZ ALMENDRAS

Das fesselnde Jugendporträt.


01 Editorial

Einladung zum Dia(b)log Was im April angekündigt wurde, ist nun Realität. Das Filmpodium hat neben seiner Website, die fast ausschliesslich dem Programm im Kino gewidmet ist und keine Interaktionen erlaubt, neu einen Blog. Sie finden ihn unter der Adresse blog.filmpodium.ch – oder können ihn einfach über den neuen Reiter auf der Website anklicken. Sinn und Zweck dieser Einrichtung sind vielfältig: «Auf der Leinwand»: In dieser Rubrik finden sich Inhalte, die zum Programm des Filmpodiums einen Bezug haben. «Auf dem Schirm»: Hier bringen wir Beiträge ohne direkten Programmbezug, die aber mit Film, Kino und angrenzenden kulturellen Themen zu tun haben und für uns von Interesse sind – für Sie hoffentlich auch. «Das Podium»: Dies ist eine Plattform für offene, zeitlich unbegrenzte Debatten zu Fragen rund um Film und Kino. Da sollen sich Cineastinnen und Filmwissenschaftler, Kritikerinnen, Filmförderer und andere Fachleute auch in längeren Beiträgen austauschen; es gibt viele Themen, die die Filmszene und ihr Publikum bewegen: von der heutigen Rolle der Kritik und der Definition dessen, was Film ist, über Fragen der Filmförderung und der Bewahrung des audiovisuellen Erbes bis zu Sinn und Unsinn von Festivals. «Die Listen»: Hier finden Sie alle möglichen Zusammenstellungen, etwa von Jahrhundertfilmen oder tollen Remakes, die wir nicht zeigen konnten, von Stars, die einer Wiederentdeckung harren, von Kinos, die wir empfehlen, und von Serien, die (fast) so sehenswert sind wie unser Kinoprogramm. Natürlich soll das nicht eine elektronische Bleiwüste werden; vielmehr wird der Blog üppig mit Fotos und Clips bereichert. Zu allen vier Rubriken und den darin enthaltenen Beiträgen können Sie Kommentare abgeben. Gerne nehmen wir unter blog@filmpodium.ch auch ausführlichere Diskussionsbeiträge für das «Podium» entgegen. Auf dem Filmpodium-Blog sind Sie nicht nur Publikum, Sie bekommen auch das Wort. Dafür müssen Sie sich bei keiner Organisation anmelden, und Ihre E-mail-Adresse wird nicht veröffent­ licht; wenn Sie wollen, können Sie unter einem Pseudonym oder User-Namen schreiben. (Übergriffige Äusserungen allerdings werden entfernt.) Wir freuen uns, wenn Sie sich mit uns und untereinander auf diesem neuen virtuellen Film-Podium austauschen. Aber nach wie vor schätzen wir auch einen Schwatz an unserer Bar. Corinne Siegrist-Oboussier & Michel Bodmer Titelbild: Fay Wray aus King Kong (1933) und der CGI-Affe aus King Kong (2005) erschrecken sich auf dem Plakat von Elena Gabriel und Rebecca Wey (ZHdK)


02 INHALT

Remakes

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Das Kino der jungen BRD

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Was einmal im Kino Kasse gemacht hat, das funktioniert bestimmt wieder. Nach dieser Logik operieren viele Produzenten, die denselben Stoff mehr als einmal verfilmen. Manche Remakes sind aber nicht nur neuer Wein in alten Schläuchen: Der intertextuellen Bezüge sind viele, und nicht immer ist das Neue nur ein Abklatsch des Alten. Moderne Neuinterpretationen, transkulturelle Verpflanzungen und andere Veränderungen führen oft zu einem eigenständigen Werk, das über den Rang einer blossen Kopie klar hinauswächst. Unsere Sommerreihe gestattet Vergleiche zwischen einer ganzen Anzahl von Originalen und ihren Remakes – und umgekehrt. Dabei zeigt sich, dass mitunter selbst Klassiker und Meisterwerke auf früheren Filmen beruhen.

1962 verkündeten 26 junge deutsche Filmschaffende an den Kurzfilmtagen Oberhausen: «Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.» Das Filmfestival Locarno widmet seine diesjährige Retrospektive jenem totgesagten Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1963, und dieses erweist sich bei näherer Betrachtung als durchaus vital und vielfältig. Neben Regisseuren des geho­ benen Unterhaltungskinos wie Kurt Hoffmann, Wolfgang Staudte und Hans Heinz König setzten sich auch Remigranten wie Peter Lorre, Fritz Kortner, Frank Wisbar, Fritz Lang und Robert Siodmak kritisch mit der unmittelbaren deutschen Vergangenheit und mit der prekären Gegenwart der BRD auseinander. Wir laden Sie ein, Vorurteile kritisch zu hinterfragen.

Bild: Scent of A Woman

Bild: Der Verlorene


03

Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976

28

Abschied von gestern nimmt Alexander Kluge und Blow-up sprengt Sehgewohnheiten. Django lehnt sich im Western gegen die Mächtigen auf, in La battaglia di Algeri kämpfen Rebellen gegen Frankreichs Armee und La grande vadrouille treibt Spass mit Krieg. Psychische Konflikte prägen Persona und das entzweite Ehepaar in Who’s Afraid of Virginia Woolf? Cría cuervos rechnet mit Franco ab, Im Reich der Sinne mit dem lustfeindlichen Japan. Tanners Jonas erkundet Utopien und Network nimmt die Medienzukunft vorweg. De Niro brilliert in Novecento als Herrensohn und in Taxi Driver als Amokläufer. Bild: Network

Premieren

38

Surire ist das skurril-bildstarke Por­ trät eines einzigartigen Ökosystems, Cemetery of Splendour eine Fabel über Thailands Realität und Mythen.

Reeditionen

40

Drei Herren machen in Spätherbst ­einer Witwe und ihrer Tochter das ­Leben schwer. Mit La macchina ammazzacattivi tötet ein Fotograf die Bösen im Dorf. Nach Anerkennung dürstet in Pyaasa der Dichter Vijay.

Filmpodium für Kinder

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Der pummelige Max fühlt sich wie ein Indianer und hofft, bald als Winnetous Sohn auf der Bühne zu brillieren. Luise und Lotte in Das doppelte Lottchen sind Zwillinge – und im Animationsfilm sehen sie aus wie die Illustrationen der Buchvorlage. Bild: Das doppelte Lottchen



05 Remakes

Das Gleiche, aber anders Remakes sind fast so alt wie das Kino selbst. Oft stehen rein kommerzielle Überlegungen dahinter. Spannender ist es, wenn der Wunsch s­ pür­bar wird, neue technische Möglichkeiten auszureizen, auf ein anderes gesellschaftliches oder politisches Umfeld zu reagieren, oder schlicht eine bekannte Geschichte anders zu erzählen. Unsere Sommerreihe vereinigt ein Dutzend Film-Paare, die dieses Spiel auf ganz unterschied­liche Art spielen und dabei nicht zuletzt das Vorurteil widerlegen, dass «Original» automatisch «besser» heisst. Remakes waren schon immer eine gängige Praxis in Hollywood, hat doch die Filmindustrie einen enormen Bedarf an Stoffen. Da bieten sich bewährte – seien es einheimische oder fremde – Filme für eine Neuadaptation geradezu an. Das heute sowohl bei der Kritik wie beim Publikum weit verbreitete Vorurteil, das «Original» sei der «Kopie» stets vorzuziehen, ist jedoch oft nicht stichhaltig. Alfred Hitchcocks Remake seines eigenen Films The Man Who Knew Too Much (USA 1956) wird bestimmt nicht geringer eingeschätzt als der gleichnamige britische Vorläufer von 1934, der zwar durch ein höheres Erzähltempo und humoristische Einlagen besticht, jedoch nicht an die schauspielerische und dramatische Intensität sowie die Schauwerte des späteren und deutlich längeren Films heranreicht. Es handelt sich hier um einen typischen Fall von «unfinished business»: Hitchcock war unter anderem mit dem Ende seines englischen Films nicht zufrieden, und es scheint, als sei es beim Remake darum gegangen, mehr «Fleisch am Knochen» als beim doch etwas skelettartigen Vorläufer zu haben. Ein Vergleich der beiden Höhepunktszenen in der Royal Albert Hall führt dies eindrücklich vor Augen. Im klassischen Hollywood der 1930er und 40er Jahre wurde der Remake-Status eines Films publizistisch meist unterdrückt: Die Aufmerksamkeit sollte allein dem neuen Film gelten. Heute ist die Situation mit einem stark individualisierten, kenntnisreicheren Publikum sowie der veränderten Struktur der Unterhaltungsindustrie mit einer deutlich längeren Verwertungskette genau umgekehrt: Der Remake-Status samt Verweis auf das Original wird herausgestrichen, auf dass möglichst beide Versionen konsumiert (respektive gekauft) werden.

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Originale: Ben-Hur mit Ramon Novarro und May McAvoy; Psycho mit Anthony Perkins

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Remakes: Psycho mit Vince Vaughn; Ben-Hur mit Stephen Boyd und Charlton Heston


06 Grundlegende technologische Innovationen – wie der Wechsel vom Stummzum Tonfilm oder von Schwarzweiss im Academy-Format zum TechnicolorBreitwandfilm – waren und sind ein beliebter Anlass zu einer Auf­frischung, neben wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen oder künstlerischen Motiven. Fast immer handelt es sich bei der Neuverfilmung um eine Übersetzung, und der Mehrwert der neuen Version soll durch eine Rekontextualisierung des älteren Films zustande kommen. Die Alien-Invasion-Erzählung Invasion of the Body Snatchers (Don Siegel, USA 1956) etwa stellt eine so starke Metapher für Fremdbestimmung zur Verfügung, dass sie im Wandel der Generationen förmlich nach periodischen Neuadaptationen verlangt: von der antikommunistischen Hysterie und dem Konsumismus der fünfziger Jahre zur gross angelegten Verschwörung und Klon-Medizin in den von Paranoia geprägten siebziger Jahren, wie in Philip Kaufmans Version von 1978. Jede Version thematisiert dann die jeweils aktuellen Formen von «mind control» und Gehirnwäsche. Indem diese Remakes die erzählten Storys vorantreiben, lassen sie sich auch nicht scharf von Sequels (Anschlussfilmen) unterscheiden. Sie begründen so ihren eigenen Zyklus oder, im Marketing-Jargon, eine Franchise. Zum Beispiel À bout de souffle und Breathless Bei Breathless (Jim McBride, USA 1983), einem Remake von Godards modernem Schwarzweiss-Klassiker À bout de souffle (F 1960), das die englische Version des Filmtitels beibehält und sich auch dadurch als Neuverfilmung kenntlich macht, handelt es sich um eine filmische Übersetzung vom französischen in den amerikanischen Kulturkontext, von Paris nach Los Angeles. Zugleich erweist Jim McBride, als bekennender Fan, Godards Schlüsselwerk der frühen Nouvelle Vague seine Reverenz. Durch die zeitliche Verschiebung der beiden Werke um eine Generation von Kinogängern haben wir es hier auch mit einer Aktualisierung zu tun, die sich unter anderem durch freizügigere sexuelle Darstellungen auszeichnet. Mit der Besetzung des Stars Richard Gere (vorher Jean-Paul Belmondo) und von Valérie Kaprisky (in der Jean-Seberg-Rolle) mit umgekehrten Vorzeichen – er ist Amerikaner, sie Französin – erhofften sich die Produzenten, ein grösseres Publikum zu erreichen, nicht zuletzt aufgrund der expliziteren Romanze zwischen den Hauptfiguren. Aus wirtschaftlicher Sicht ist schliesslich auf das sogenannte «pre-sold»-Phänomen zu verweisen. Die Bekanntheit des älteren Films, so die Produzentenlogik, beschert dem neuen Film ein zumindest potenziell bereits «abgeholtes» Publikum, das auf die Wiederholung in neuer Gestalt neugierig ist. Und die jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauer, die den Vorläufer nicht kennen, können einen neuen Film sehen, der durchaus auf eigenen Beinen zu stehen vermag.


07 Was wird übernommen, was nicht? Manchmal geraten Remakes in eine gewisse Nähe zur Travestie, weil sie lediglich Inhalt und Handlung der Vorlage, nicht aber Stil und spezifische Ästhetik adaptieren. Was Godards Film vor allem auszeichnete – seine frechen stilistischen Brüche mit den klassischen Hollywood-Konventionen in Form von Achsensprüngen, Jump Cuts, Ellipsen, asynchronem Dialog sowie einer Hauptfigur, die wir nur eingeschränkt sympathisch finden –, wird bei ­McBride nicht übernommen. Stattdessen setzt Breathless auf grelle Primärfarben, die sich einerseits an die Comic-Ästhetik von Marvels Silver-Surfer-Heften anlehnen, die der Protagonist Jesse Lujack verschlingt. Andererseits lässt der Film die amerikanischen fünfziger Jahre assoziieren, was auch durch Jesses Vorliebe für den Rock’n’Roll von Jerry Lee Lewis angezeigt wird. Bei Godard hingegen wird durch Michels Grimassen Bezug genommen auf Humphrey ­Bogart und dessen Detektiv- und Gangsterrollen der vierziger Jahre. Und während Michels Mord an einem Polizisten bei Godard ohne zwingende Erklärung oder Bewertung als einfache Tatsache präsentiert wird, die uns gegenüber dem Protagonisten eher distanziert, wird in Breathless die Tötung des Polizisten als unbeabsichtigter Unfall gezeigt, sodass – der Heldenkonvention entsprechend – Jesse keine moralische Schuld trifft. Mittel der Sensibilisierung Ein ganz besonderer Fall präsentiert sich mit Gus Van Sants «identischem» Remake von Hitchcocks Horrorklassiker Psycho (USA 1960 und 1998). Van Sants künstlerisch «suizidale» Entscheidung bestand darin, den älteren Film nicht bloss in den groben Zügen, sondern Einstellung für Einstellung neu zu drehen, in Farbe und mit anderen Darstellerinnen und Darstellern, aber so weit als möglich mit denselben Dialogen und an den identischen Schauplätzen, wie sie sich heute präsentieren. Hier spielt der Primäreffekt eine starke Rolle: Wenn man den älteren Film kennt, wird er wie ein gespenstisches Double immer durch den neuen Film hindurchscheinen und zu einem irritierenden Doppeltsehen führen. Für ein jüngeres Publikum, das Hitchcocks Version nicht kennt, spielt dies keine Rolle. Ansonsten erlaubt Van Sants Version eine enorme Sensibilisierung für die vielen kleinen Differenzen: Sein Film ist eine geradezu wissenschaftliche Analyse des Originals mit filmischen Mitteln. Henry M. Taylor

Henry M. Taylor ist Film- und Medienwissenschaftler, Privatdozent an der Universität ­Konstanz sowie freier Publizist.


> Fanfaren der Liebe.

> Some Like It Hot.

> The Man Who Knew Too Much (1934).

> The Man Who Knew Too Much (1956).

> Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens.

> Nosferatu, Phantom der Nacht.

> The Shop Around the Corner.

> You’ve Got Mail.


09

Remakes. haus // MIT Klaus Kinski (Graf Dracula), Isabelle Adjani (Lucy

NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS

Harker), Bruno Ganz (Jonathan Harker), Jacques Dufilho (Kapitän), Roland Topor (Renfield).

Deutschland 1922 «Thomas Hutter, Sekretär eines Maklers in Wisborg, reist nach Transsylvanien, um mit dem Grafen Orlok über einen Hauskauf zu verhandeln. Der Schlossherr erweist sich als Vampir, der Pest und Tod nach Wisborg bringt. Erst durch die selbstlose Hingabe von Hutters junger Gattin kann das Unheil gebannt werden. Ein Meisterwerk des deutschen Stummfilmexpressionismus nach Motiven des romantischen Schauerromans von Bram Stoker; genialer Vorläufer und Massstab späterer ‹Dracula›-Verfilmungen. Murnau nutzt virtuos die technischen, poetischen und emotionalen Effekte des Mediums und entwirft – indem er den Einbruch des Dämonischen in die bürgerliche Idylle schildert – ein düsteres Spiegelbild kollektiver Ängste in der Weimarer Republik.» (Lexikon des int. Films) 95 Min / tinted / DCP / Stummfilm mit Musik, dt. Zw’titel // REGIE Friedrich Wilhelm Murnau // DREHBUCH Henrik Galeen, nach dem Roman «Dracula» von Bram Stoker // KAMERA Fritz Arno Wagner, Günther Krampf // SCHNITT Fritz Arno Wagner, Günther Krampf // MIT Max Schreck (Graf Orlok/ Nosferatu), Gustav von Wangenheim (Thomas Hutter), Greta Schröder (Ellen Hutter), Georg Heinrich Schnell (Westrenka), Ruth Landshoff (Lucy Westrenka), Alexander Granach (Häu-

BEN-HUR – A TALE OF THE CHRIST USA 1925 Der jüdische Prinz Ben-Hur lebt zur Zeit von Christi Geburt als reicher Händler in Jerusalem. Als sein römischer Jugendfreund Messala in die Stadt zurückkehrt und ihn zum Verrat am jüdischen Volk zwingen will, wandelt sich die Freundschaft in erbarmungslosen Hass. Messala ver­ urteilt Ben-Hur zu Sklavendienst auf einer Galeere – doch Ben-Hur schwört Rache. «Die Version mit Ramon Novarro und Francis X. Bushman war damals schon ein Remake, aber MGM steckte 5 Millionen Dollar hinein und so viel verblüffenden, gigantischen, umwerfenden und gewaltigen biblischen Prunk, dass endlose Scharen von Zuschauern aus den Socken gehauen wurden. Da gibt es eine Galeere, bemannt mit tausend Sklaven, eine Seeschlacht zwischen Römern und Piraten der Antike, das Tal der Aussätzigen und das Wagenrennen, inszeniert in einem riesigen Stadion, und alle Männer, Frauen und Kinder von L.A. liegen als Statisten herum. Novarro hat seinen jungenhaften Charme und Bushman eine majestätische Römernase.» (Pauline Kael, 5001 Nights at the Movies)

sermakler Knock).

NOSFERATU, PHANTOM DER NACHT BRD/Frankreich 1978 «57 Jahre später geht ein neuer Nosferatu um, noch mächtiger, todbringender als der von Murnau, nicht einmal mehr durch ein Liebesopfer aufzuhalten. (…) Werner Herzog hat diesen neuen Nosferatu erfunden, ein Regisseur, der sich (...) als Erbe der grossen Tradition der zwanziger Jahre versteht, des ‹legitimen deutschen Kinos›, das erst mit seiner Generation würdige Nachfolger fand. Nosferatu – Phantom der Nacht (...) ist der Versuch, eine Verbindung herzustellen zwischen den verschollenen, ausgewanderten, vertriebenen Vätern und den geschichtslosen, ihrer Traditionen beraubten Enkeln.» (Hans-Christoph Blumenberg, Die Zeit, 12.1.1979)

Tag des Kinos am 4. September Am Sonntag, dem 4. September bieten alle Schwei­zer Kinos einen Tag von aussergewöhnlichen Kinoerlebnissen. Das Film-Spektrum reicht vom Studiofilm über Blockbuster und beliebte Klassiker bis hin zu brandneuen Produktionen aller Genres – und zwar zum Vorzugspreis. Das Filmpodium wartet im Rahmen seiner Reihe «Remakes» mit einer Sonderprogrammierung auf: Zum Kinostart von Timur Bekmam­ betovs Neuverfilmung zeigen wir zwei frühere Versionen von «Ben-Hur»: William Wylers Epos von 1959 mit Charlton Heston, und Fred Niblos monumentalen Stummfilm von 1925, exklusiv live vertont vom Noise/Rock/Experimental-Quartett Qu’il vive (Pierre Audétat, Keyboards; Flo Stoffner, E-Gitarre; Louis Schild, E-Bass; Lionel Friedli, Schlagzeug). Eine Kooperation mit dem IOIC. 143 Min / Farbe und sw / Digital HD / Stummfilm, engl. u. dt. Zw’titel // REGIE Fred Niblo // DREHBUCH June Mathis,

107 Min / Farbe / Digital HD / D // REGIE Werner Herzog //

­Carey Wilson, nach dem Roman von Lew Wallace // KAMERA

DREHBUCH Werner Herzog, nach Motiven des Films von

Clyde De Vinna, René Guissart // SCHNITT Lloyd Nosler //

Friedrich Wilhelm Murnau und dem Roman «Dracula» von

MIT Ramon ­Novarro (Ben-Hur), Francis X. Bushman (Mes-

Bram Stoker // KAMERA Jörg Schmidt-Reitwein // MUSIK

sala), May ­McAvoy (Esther), Betty Bronson (Mary), Claire Mc-

Popol Vuh, F ­ lorian Fricke // SCHNITT Beate Mainka-Jelling-

Dowell (Prinzessin von Hur), Kathleen Key (Tirzah).


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Remakes.

BEN-HUR USA 1959 William Wylers Verfilmung ist auch heute noch der Inbegriff des Monumentalfilms, er war die Rekordproduktion seiner Zeit: «Das für damalige Verhältnisse hohe Budget von 16,2 Mio. Dollar umfasste unter anderem über 1 Mio. Requisiten – darunter 50 Galeeren –, 50 000 Komparsen, 40 000 Tonnen Mittelmeersand, über 300 Dekors und ganze 365 Sprechrollen.» (Presseheft) «Auch wenn Ben-Hur einer vierstündigen Sonntagsschulstunde ähnelt, werden wir üppig belohnt, nicht zuletzt natürlich mit dem Wagenrennen. Der Rest wird durch die sexuell höchst ambivalenten Figuren interessant gemacht.» (Scott Meek, Time Out Film Guide)

O’Brien blieben lange über ihre Entstehungszeit hinaus wegweisend. Das künstlich verlängerte Gebrüll des Affen und der langgezogene Schrei von Fay Wray, der «weissen Frau» in der Gewalt des Affen, machten Filmgeschichte. Ungeachtet aller Trickeffekte ist King Kong zugleich ein anrührender Film, der die Geschichte des Monsters als tragische Liebesromanze erzählt. «King Kong ist der Vater von Jurassic Park (…) und unzähligen weiterer Geschichten, in denen die Helden durch kunstfertige Trickaufnahmen in Schrecken versetzt werden. (...) In der Künstlichkeit einiger seiner Spezialeffekte findet man eine Gruseligkeit, wie es sie heute in den makellosen, computergenerierten Bildern nicht mehr gibt.» (Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 3.2.2002) 100 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack // DREHBUCH James Ashmore Creel-

222 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE William Wyler //

man, Ruth Rose, nach einer Idee von Merian C. Cooper, Edgar

DREHBUCH Karl Tunberg, Gore Vidal (ungenannt), nach dem

Wallace // KAMERA Edward Linden, Vernon Walker, J. O. Tay-

Roman von Lew Wallace // KAMERA Robert Surtees // M ­ USIK

lor // MUSIK Max Steiner // SCHNITT Ted Cheesman // MIT

Miklós Rózsa // SCHNITT John Dunning, Ralph E. Winters,

Fay Wray (Ann Darrow), Robert Armstrong (Carl Denham),

Margaret Booth (ungenannt) // MIT Charlton Heston (Judah

Bruce Cabot (John Driscoll), Frank Reicher (Capt. Engle-

Ben-Hur), Stephen Boyd (Messala), Martha Scott (Miriam),

horn), Sam Hardy (Charles Weston), Noble Johnson (Einge-

Haya Harareet (Esther), Jack Hawkins (Quintus Arrius), Hugh

borenenhäuptling), Steve Clemente (eingeborener Hexer).

Griffith (Scheich Ilderim).

KING KONG

KING KONG USA 2005

USA 1933 Ein Filmteam entdeckt eine Insel, in deren Dschungel Urwelttiere hausen. Der König dieser Welt, der Riesen-Gorilla Kong, entführt die schöne Hauptdarstellerin. Nach der Flucht des Mädchens gelingt es, King Kong zu fangen und nach New York zu schaffen, wo er als VaudevilleAttraktion ausgestellt wird. Die fantastischen Dekors der heimatlichen Urwelt Kongs sind in Sachen Licht und Schatteneffekte Radierungen Gustave Dorés (zu Miltons «Paradise Lost») nachempfunden. Die StoptrickSequenzen des Special-Effects-Künstlers Willis

Peter Jackson erzählt nochmals die Geschichte des Riesen-Gorillas, der sich verliebt und von einem ehrgeizigen Regisseur als Publikumsattraktion nach New York verschleppt wird. «Der Film ist glänzende Unterhaltung. Es ist, als ob alle Möglichkeiten des Originals nun vollständig zur Entfaltung kämen. Die Computer werden nicht alleine dazu genutzt, um Special Effects zu kreieren, sondern auch, um Stil und Schönheit zu erzeugen, um eine Ästhetik zu finden, die zur Geschichte passt. Und auch die Figuren sind nicht einfach Stereotype, sondern verschrobene Individuen mit Persönlichkeit. Das Ergebnis ist ein

REFERAT: REMAKES – DAS GLEICHE, ABER ANDERS

MO, 4. JULI | 18.15 UHR

Henry M. Taylor (Universität Konstanz), der Autor der Einführung zu unserer RemakeReihe, befasst sich seit Jahren eingehend mit dieser Form der cineastischen Neuschöpfung. In seinem Referat wird er über die diversen Formen filmischen Recyclings sprechen und diese mit Ausschnitten illustrieren. Zu seinen Beispielen gehören sowohl Filme aus unserer Reihe als auch Kombinationen, die wir (noch) nicht zeigen. Dauer ca. 60 Minuten.


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Remakes. überraschend einnehmender und wunderschöner Film.» (Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 12.12.2005) 187 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Peter Jackson //

der Film immer besser, indem die Sorge über das Wohlbefinden des Jungen allmählich das scheinbare Glück einer Ehe untergräbt, die auf Gewohnheit und Kompromissen gründet.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)

DREHBUCH Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, ­Merian C. Cooper, Edgar Wallace // KAMERA Andrew Lesnie

119 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Alfred Hitchcock //

// MUSIK James Newton Howard // SCHNITT Jamie Selkirk //

DREHBUCH John Michael Hayes, Angus MacPhail, nach einer

MIT Naomi Watts (Ann Darrow), Jack Black (Carl Denham),

Erzählung von Charles Bennett, D. B. Wyndham-Lewis // KA-

Adrien Brody (Jack Driscoll), Andy Serkis (Kong/Lumpy), Tho-

MERA Robert Burks // MUSIK Bernard Herrmann, Arthur

mas Kretschmann (Capt. Englehorn), Colin Hanks (Preston),

Benjamin, Song: Jay Livingston, Ray Evans // SCHNITT

Jamie Bell (Jimmy).

George Tomasini // MIT James Stewart (Dr. Ben McKenna), Doris Day (Josephine Conway «Jo» McKenna), Brenda De

THE MAN WHO KNEW TOO MUCH GB 1934 «Das einzige seiner Werke, von dem Sir Alfred ein Remake zu drehen beliebte: Der Erstling sei die Arbeit eines talentierten Amateurs gewesen, erst der zweite Film trage die Handschrift eines ‹professional›. Vom Standpunkt des Regisseurs aus mag dies nachvollziehbar sein (…), dennoch handelt es sich bei der ersten, britischen Version um den witzigeren, schnelleren, dunkleren, einfallsreicheren Film. Ein englisches Ehepaar weilt auf Urlaub in St. Moritz und erhält zufällig von einem sterbenden Geheimagenten Informationen über einen anstehenden politischen Anschlag – woraufhin ihre kleine Tochter von Anarchisten (…) nach London entführt wird. Dort steht die Royal Albert Hall als Schauplatz eines ‹grande finale› bereit.» (Christoph Huber, Programmheft Österreich. Filmmuseum, Dez. 2007) 76 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREHBUCH Edwin Greenwood, A. R. Rawlinson, nach der Geschichte von Charles Bennett, D. B. Wyndham-Lewis // KAMERA Curt Courant // MUSIK Arthur Benjamin // SCHNITT

Banzie (Lucy Drayton), Bernard Miles (Edward Drayton), Ralph Truman (Kommissar Buchanan), Alfred Hitchcock (Mann auf Marktplatz).

THE SHOP AROUND THE CORNER USA 1940 Ein Mann und eine Frau, die in einem anonymen Briefwechsel miteinander stehen, werden, ohne es zu wissen, Arbeitskollegen in einem kleinen Lederwarengeschäft. Nach einem hintergründigturbulenten Versteckspiel mündet die im Budapest der dreissiger Jahre angesiedelte Geschichte in einen märchenhaften Schluss. «Eine wunderbar zarte und rührende romantische Komödie, in der die verwickelten Intrigen unter den diversen Angestellten des Ladens ihr eigenes erzählerisches Gewicht haben , darunter die besonders ergreifende um Frank Morgan als gehörnten Ladenbesitzer. Obschon völlig anders als To Be or Not to Be ist der Film genauso erheiternd und gehört zu den wenigen, die Lubitschs Ruf für seinen legendären ‹touch› als ganz und gar gerechtfertigt erscheinen lassen.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)

Hugh Stewart // MIT Leslie Banks (Bob Lawrence), Edna Best (Jill Lawrence), Peter Lorre (Abbott), Frank Vosper (Ramon),

99 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Ernst Lubitsch // DREH-

Hugh Wakefield (Clive), Nova Pilbeam (Betty Lawrence).

BUCH Samson Raphaelson, nach einem Bühnenstück von Nikolaus Laszlo // KAMERA William Daniels // MUSIK Werner

THE MAN WHO KNEW TOO MUCH USA 1956

R. Heymann // SCHNITT Gene Ruggiero // MIT James Stewart (Alfred Kralik), Margaret Sullavan (Klara Novak), Frank Morgan (Hugo Matuschek), Joseph Schildkraut (Ferencz Vadas), Felix Bressart (Pirovitch), Sara Haden (Flora), William Tracy

«Die sparsame Handlungsführung und die skurrilen Gesellschaftsbetrachtungen der gleichnamigen britischen Version von 1934 weichen hier weit glanzvolleren ‹production values› und der für die fünfziger Jahre typischen melodramatischen Art, mit der eine Familie einer Prüfung unterzogen wird. James Stewart und Doris Day spielen ein selbstzufriedenes Paar, dessen Sohn von Spionen entführt wird. Beim Versuch, seiner wieder habhaft zu werden, geraten die beiden in eine typisch hitchcocksche Reihe von Suspense-Situationen (…). Nach einem langsamen Anfang (…) wird

(Pepi Katena), Inez Courtney (Ilona).

YOU’VE GOT MAIL USA 1998 Kathleen führt den Kinderbuchladen, den sie von der Mutter geerbt hat; Joe leitet die Kette von Riesenbuchhandlungen, die ihr das Wasser abgräbt. In einem Chatroom lernen sich die beiden kennen und kommen sich online näher, ohne zu ahnen, dass sie im wirklichen Leben Rivalen sind.


> À bout de souffle.

> Breathless.

> Invasion of the Body Snatchers (1956).

> Invasion of the Body Snatchers (1978).

> Fingers.

> De battre mon cœur s’est arrêté.

> Profumo di donna.

> Das doppelte Lottchen (1950).


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Remakes. «Der Reiz von You’ve Got Mail ist so alt wie die Liebe und so neu wie das Web. (...) Der Film ist inspiriert von The Shop Around the Corner, aber vor allem ist er inspiriert von Meg Ryan und Tom Hanks, die mehr einnehmende Lächeln draufhaben als die meisten Menschen Gesichtsausdrücke. Nora Ephron und ihre Koautorin, ihre Schwester Delia, umgeben die Figuren mit kulturellen Bezügen, zu deren Wiedererkennen wir uns selber gratulieren können. (...) Letztlich geht es um zwei Menschen, die das Publikum vereint sehen möchte, und eine Menge Kunstgriffe, die sie zunächst trennen.» (Roger Ebert, Chicago SunTimes, 18.12.1998) 119 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Nora Ephron // DREHBUCH Nora Ephron, Delia Ephron, nach einem Bühnenstück von Nikolaus Laszlo // KAMERA John Lindley // MUSIK George Fenton // SCHNITT Richard Marks // MIT Tom Hanks (Joe Fox), Meg Ryan (Kathleen Kelly), Greg Kinnear (Frank Navasky), Parker Posey (Patricia Eden), Jean Stapleton ­ ­(Birdie Conrad), Steve Zahn (George Pappas).

DAS DOPPELTE LOTTCHEN BRD 1950 Erich Kästner entwickelte während der Nazi-Zeit ein Filmtreatment über zehnjährige Zwillingsschwestern, die nach der Scheidung ihrer Eltern getrennt aufwachsen, sich durch Zufall kennenlernen und heimlich die Rollen tauschen. Erst nachdem Kästner 1949 den Roman «Das doppelte Lottchen» veröffentlicht hatte, konnte Josef von Báky die Adaptation übernehmen. «Als grossartige Geschichte mit sensibler Heiterkeit eng an der literarischen Vorlage entwickelt, erscheint Das doppelte Lottchen einerseits als unterhaltsames Stück einer holprigen Familienzusammenführung, andererseits aber auch als kritische Demontage eines überholten gesellschaftlichen Bildes festsitzender Eltern-KindKonstellationen, die in der damaligen Nachkriegszeit zunehmend zu bröckeln begannen.» (Marie Anderson, kino-zeit.de, 15.5.2009) Remake von 2007: s. Kinderfilmprogramm Seite 44

REMAKES – DIE SPIELREGELN Ein Dutzend Filmpaare vereinigt unser Sommerprogramm. Wir sind überzeugt, dass Sie darunter lohnende Entdeckungen machen und verblüffende Erkenntnisse gewinnen können, dass Sie aber auch das eine oder andere «offensichtliche» Paradebeispiel vermissen werden: Was ist mit His Girl Friday/The Front Page/Switching Channels & Co., wo sind A Star Is Born 1937/1954/1976 oder Yojimbo/Per un pugno di dollari/Miller’s Crossing etc.? Freilich standen diese Titel ebenfalls auf unserer Liste. Da wir jedoch «nur» rund 75 Programmplätze zu besetzen hatten, die Filme nach Möglichkeit aber je dreimal zeigen wollten, haben wir uns für zwölf Remake-Paare entschieden und werden im Laufe des nächsten Jahres immer wieder Remake-Duos, -Trios oder sogar -Zyklen zeigen. Ein Wort noch zu unseren Auswahlkriterien. Beide Filme – Original und Remake – sollten auch für sich allein sehenswert sein, und wir strebten zudem eine geografische und zeitliche Vielfalt an. Dann sollte das Remake klar ein Remake des Films und nicht eine Neuverfilmung einer renommierten literarischen Vorlage sein; bei den ausgewählten Filmen ist das allenfalls zugrundeliegende Buch nur durch die Verfilmung einigermassen bekannt geworden (Ausnahme: «Ben-Hur»). Und schliesslich mussten beide Versionen greifbar sein, was, wie sich herausstellte, auch bei neueren Filmen keine Selbstverständlichkeit ist. Möchten Sie unsere Arbeitsliste einsehen oder über Ihre Vorlieben für Original oder Remake mitdiskutieren, so steht Ihnen unser neuer Blog zur Verfügung: blog.filmpodium.ch


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Remakes. 105 Min / sw / DCP / D // REGIE Josef von Báky // DREHBUCH Erich Kästner, nach seinem Roman // KAMERA Walter Riml,

Diamonds sind die Stützen dieser umwerfenden Farce.» (Buchers Enzyklopädie des Films)

Franz Weihmayr // MUSIK Alois Melichar // SCHNITT Fritz Stapenhorst // MIT Antje Weisgerber (Luiselotte Körner),

120 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Billy Wilder // DREH-

Peter Mosbacher (Ludwig Palfy, Opernkapellmeister), Jutta

BUCH Billy Wilder, I. A. L. Diamond, nach der Geschichte von

Günther (Lotte Körner), Isa Günther (Luise Palfy), Senta

Robert Thoeren, Michael Logan // KAMERA Charles B. Lang

Wengraf (Irene Gerlach), Hans Olden (Hofrat Strobl).

// MUSIK Adolph Deutsch // SCHNITT Arthur P. Schmidt // MIT Marilyn Monroe (Sugar Kane Kowalczyk), Tony Curtis

FANFAREN DER LIEBE BRD 1951 Die arbeitslosen Unterhaltungsmusiker Hans und Peter heuern in Frauenkleidern bei einer Damenkapelle an. Das Täuschungsmanöver gelingt, doch auf der Reise zum nächsten Engagement kommt es im Schlafwagen zu Komplikationen. Zudem vergucken sich «Hansi» und «Petra» in zwei Kolleginnen – und werden ihrerseits von ­einem Mann hofiert. «Der musikalische Verwechslungsschwank des vorzüglichen Komödienregisseurs Kurt Hoffmann wurde zu einem der grössten Lustspielerfolge der Nachkriegszeit. Treffsichere Gags und das ungebremste Tempo der beiden in exzellenter Spiellaune agierenden Hauptdarsteller machen Fanfaren der Liebe zu einem zeitlosen ­Vergnügen.» (Reclams Lexikon des deutschen Films) Das Drehbuch von Heinz Pauck beruhte auf dem Film Fanfare d’amour von Richard Pottier (Frankreich 1935). 91 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Kurt Hoffmann // DREHBUCH Heinz Pauck, nach einem Drehbuch von Robert Thoeren, Michael Logan // KAMERA Richard Angst // MUSIK Franz Grothe // SCHNITT Claus von Boro // MIT Dieter Borsche (Hans Mertens), Georg Thomalla (Peter), Inge Egger

(Joe/Josephine), Jack Lemmon (Jerry/Daphne), George Raft (Gamaschen-Colombo), Pat O’Brien (Det. Mulligan), Joe E. Brown (Osgood E. Fielding III.), Joan Shawlee (Sweet Sue).

DIE SIEBEN SAMURAI (Shichinin no samurai) Japan 1954

Sieben stellungslose Samurai verdingen sich als Schutztruppe eines Bauerndorfes, das alljährlich von einer Räuberbande heimgesucht wird. Zunächst aus Langeweile und Ruhmsucht, später aus aufrichtiger Solidarität mit den Bauern stellen die Krieger ihre Fähigkeiten in den Dienst der Unterdrückten und opfern sich für eine ihnen fremde Sache. Kurosawas Film «gehört zu jenen epochalen Werken des Kinos, die ganze Generationen von Filmschaffenden geprägt haben und das Publikum auch nach fünfzig Jahren noch zu begeistern vermögen. (...) Hinter allem stand einer der grössten Meister der Filmkunst, ein Mann, der als Maler angefangen hatte und auch im bewegten Bild zeit seines Lebens ein Maler blieb und einer, der es verstand, die ureigenen Mittel des Kinos zu gebrauchen: die Zeit, die Montage, den Rhythmus, das Licht, die Bewegung. Kurosawa ist und bleibt einfach grossartig.» (Walter Ruggle, www.trigon-film.ch)

(Gaby Bruck), Grethe Weiser (Lydia d’Estée), Oskar Sima (Hallinger), Ilse Petri (Sabine), Hans Fitz (Friedrich).

206 Min / sw / DCP / Jap/d/f // REGIE Akira Kurosawa // DREHBUCH Akira Kurosawa, Shinobu Hashimoto, Hideo

SOME LIKE IT HOT USA 1959 Zwei mittellose Musiker werden als Mordzeugen von Gangstern verfolgt. Um ihr Leben zu retten, schmuggeln sie sich in eine Damenkapelle ein, was zu haarsträubenden Verwicklungen führt. «Die schnellen und witzigen Dialoge verbinden sich mit einer geschickten Montage zu einer vorzüglichen Komödie. Die Komik des Films arbeitet gleichzeitig auf mehreren Ebenen und reicht vom geistvollen Witz bis zur unverhüllten Farce. Zahlreiche Gags ergeben sich aus den beständigen Zitaten aus früheren Gangsterfilmen (…). Die Darstellungen aller Protagonisten, Wilders fehlerlose rhythmische Kontrolle und ­ das humorvoll-nostalgische Drehbuch I.  A.  L.

Oguni // KAMERA Asakazu Nakai // MUSIK Fumio Hayasaka // SCHNITT Akira Kurosawa // MIT Takashi Shimura (Kambei Shimada), Toshiro Mifune (Kikuchiyo), Yoshio Inaba (Gorobei), Seiji Miyaguchi (Kyuzo), Minoru Chiaki (Heihachi), Daisuke Kato (Shichiroji), Isao Kimura (Katsushiro), Kamatari Fujiwara (Manzo), Kuninori [=Kokuten] Kudo (Gisaku).

THE MAGNIFICENT SEVEN USA 1960 Anstelle der sieben Samurai kämpft in John Sturges’ Remake nun ein Cowboy-Septett unter der Leitung Yul Brynners gegen Banditen, die ein mexikanisches Dorf terrorisieren. «Die Western-Adaptation von Akira Kurosawas Die sieben Samurai, der ein Film gegen japanische Traditionen war (…), markiert den Beginn


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Remakes. des japanischen Zeitalters im Western. Die Einsamkeit des Antihelden, die Faszination der amoralischen Attitüde, der zerbrechliche Zynismus der bezahlten Spezialisten, die brüderliche Verwandtschaft von Held und Schurke, die kalte Unberührtheit, ‹the cool› von Männern, die sich nicht mit überflüssigen Kategorien beschäftigen; eine Bevölkerung von Schafen unter dem Schermesser von Bandidos, die das Abziehen von Wolle genies­ sen.» (Joe Hembus: Das Western-Lexikon, 1976) 129 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE John Sturges // DREHBUCH William Roberts // KAMERA Charles Lang jr. // MUSIK Elmer Bernstein // SCHNITT Ferris Webster // MIT Yul

«Obschon ihr die umwerfende allegorische Mehrdeutigkeit des Klassikers der Science-Fiction-/Polit-Paranoia von 1956 abgeht, ist die Aktualisierung (…) alles andere als ein überflüssiges Remake. Die ausserirdischen Schotenmenschen platzen nun in eine Welt, wo sich scheinbar eh schon jeder dafür begeistert, sein Leben oder seinen Lebensstil zu verändern, und in eine Kinolandschaft, die eh schon mit einer endlosen Folge von Verschwörungen überwuchert ist, während der Film ebenso viel Spass daran hat, mit modernen Denkmustern (Psychologie, Ökologie) herumzuspielen wie mit ausgeklügelten Variationen seines Vorgängers.» (Janet Maslin, New York Times, 22.12.1978)

Brynner (Chris), Eli Wallach (Calvera), Steve McQueen (Vin), Charles Bronson (O’Reilly), Robert Vaughn (Lee), Horst

115 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Philip Kaufman //

Buchholz (Chico), James Coburn (Britt), Brad Dexter (Harry

DREHBUCH W. D. Richter, nach dem Roman «The Body Snat-

Luck), Vladimir Sokoloff (alter Mann).

chers» von Jack Finney // KAMERA Michael Chapman // MUSIK Denny Zeitlin // SCHNITT Douglas Stewart // MIT Donald

INVASION OF THE BODY SNATCHERS USA 1956

Sutherland (Matthew Bennell), Brooke Adams (Elizabeth Driscoll), Jeff Goldblum (Jack Bellicec), Leonard Nimoy (Dr. David Kibner), Veronica Cartwright (Nancy Bellicec), Art Hindle (Geoffrey), Lelia Goldoni (Katherine), Kevin McCarthy

«Die Bewohner einer amerikanischen Kleinstadt werden nach und nach durch gefühllose Doubles ersetzt (...). Auslöser sind rätselhafte Samenkapseln ausserirdischen Ursprungs, die sich der Körper von Menschen bemächtigen und ihre Persönlichkeiten mit dem Keim der Zerstörung infizieren. Nur ein junges Liebespaar hat noch eine Chance zu fliehen und die Aussenwelt zu warnen. Don Siegels Meisterwerk (...) kombiniert die Ästhetik des Film noir mit einer negativen Science-Fiction-Utopie und zeichnet ebenso subtil wie eindringlich die Wirkung geistigen und psychischen Terrors. Zunächst von der Kritik abgelehnt, gilt die vielfach auch politisch interpretierte Produktion (McCarthy-Ära, Angst vor kommunistischer Unterwanderung) heute als Klassiker des Fünfziger-Jahre-Films.» (Henry M. Taylor, Programm Filmpodium Mai/Juni 2005) 80 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Don Siegel // DREHBUCH Daniel Mainwaring, Sam Peckinpah, Richard Collins, nach dem Ro­man «The Body Snatchers» von Jack Finney // KAMERA Ellsworth Fredricks // MUSIK Carmen Dragon // SCHNITT Robert S. Eisen // MIT Kevin McCarthy (Miles Bennell), Dana Wynter (Becky Driscoll), King Donovan (Jack), Carolyn Jones (Theodora), Larry Gates (Dr. Dan Kauffman), Ralph Dumke (Nick Grivett), Jean Willes (Sally), Sam Peckinpah (Charlie Buchholtz).

INVASION OF THE BODY SNATCHERS USA 1978 Sporen aus dem All rieseln auf San Francisco. Bald spriessen allerorts riesige Schoten, in denen Doppelgänger realer Menschen heranwachsen, um diese zu ersetzen.

(rennender Mann), Don Siegel (Taxifahrer).

À BOUT DE SOUFFLE Frankreich 1960 Der Ganove Michel will mit einem gestohlenen Auto nach Italien fahren, doch nachdem er einen Polizisten ermordet hat, muss er in Paris untertauchen. Dort belagert er eine amerikanische Studentin, die er von früher kennt. «Wenn Belmondo, der Spritztourenfahrer, einen Polizisten erschiesst, Freunden und Schulden zu nächtlicher Stunde hinterherjagt und sich in ein literarisch gebildetes Mädchen verliebt, verspinnt Godard eine Persiflage mit Pathos. Seberg zitiert Bücher, Ideen und Namen; Belmondo misst sich an Bogart, bläst seinem Idol Rauch ins Gesicht, versetzt ein gestohlenes Auto und überredet seine Freundin zu einem Darlehen. Die Kamera schlendert in ihrer überbordenden Liebe zu Paris genüsslich die Champs-Élysées entlang, streift Cafés, Häuserreihen und die Silhouetten der Dächer – in der Nachtluft wird Mozart dabei mit Cool-Jazz-Riffs vermischt. Dies ist der ultimative nächtliche ‹Film noir noir noir›.» (Chris Auty, Time Out Film Guide) «Der ganze Film scheint ein Destillat aus alten amerikanischen Gangsterfilmen zu sein; trotzdem spiegelt er die Wirklichkeit der Zeit, in der er spielt und entstand. (...) Godard hat diese Schnittmuster gleichsam über die Realität gelegt.» (Reclams Filmführer). 89 Min / sw / 35 mm / F/d // REGIE Jean-Luc Godard // DREHBUCH Jean-Luc Godard, nach einer Story von François Truf-


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Remakes. faut // KAMERA Raoul Coutard // MUSIK Martial Solal // SCHNITT Cécile Decugis // MIT Jean Seberg (Patricia Franchini), Jean-Paul Belmondo (Michel Poiccard), Van Doude (Journalist), Liliane David (Liliane), Claude Mansard (Ge-

Gespräch mit François Truffaut: «Worauf es mir ankam, war, durch eine Anordnung von Filmstücken, Fotografie, Ton, lauter technische Sachen, das Publikum zum Schreien zu bringen.»

brauchtwagenhändler), Henri-Jacques Huet (Antonio Berruti), Jean-Pierre Melville (Parvulesco, Schriftsteller), Jean-

109 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREH-

Luc Godard (Denunziant).

BUCH Joseph Stefano, nach dem Roman von Robert Bloch // KAMERA John L. Russell // MUSIK Bernard Herrmann //

BREATHLESS USA 1983 «Regisseur und Ko-Drehbuchautor Jim McBride macht das einzig Richtige und versucht erst gar nicht, Godard zu imitieren: Den schroffen Bildern des Originals wird geballt künstlicher 1980erJahre-Schick entgegengesetzt, der existenzialistischen Schwere eine schwebende Leichtigkeit. Obwohl er eigentlich zum US-Mainstream zählt, lässt sich sein Film auch ohne Probleme ins französische ‹Cinéma du look› desselben Jahrzehnts einreihen, das von meist tragischen Protagonisten erzählt, die in einer durchstilisierten Traumwelt leben – Popmärchen ohne sonderlichen Tiefgang, allerdings mit einer überaus starken visuellen Seite (z. B. Subway oder Diva). Und die ausgefeilte, detailverliebte Regie McBrides ist es auch, die in Breathless den Atem raubt: Das fängt beim Vorspann (...) an, geht bei der extrem sinnlichen Inszenierung seiner weiblichen Hauptrolle (...) weiter und hört bei der (unter anderem mit Rückprojektionen deutlich gemachten) geschickten Vermischung zwischen Realität und der abweichenden Wahrnehmung seiner Protagonisten auf.» (Thorsten Hanisch, kino-zeit.de, 12.2.2016)

SCHNITT George Tomasini // MIT Anthony Perkins (Norman Bates), Janet Leigh (Marion Crane), Vera Miles (Lila Crane), John Gavin (Sam Loomis), Martin Balsam (Milton Arbogast), John McIntire (Sheriff Al Chambers), Alfred Hitchcock (Mann mit Cowboyhut).

PSYCHO USA 1998 In seinem Remake übernimmt Gus Van Sant Alfred Hitchcocks Original beinahe Einstellung für Einstellung. Anstatt 40 000 Dollar stiehlt Marion hier zeitgemäss den zehnfachen Betrag, bevor sie im Bates-Motel absteigt. «Einzigartig innerhalb des Studiosystems, lädt Hitchcocks Film den Zuschauer dazu ein, sich selbst zu beobachten. (…) Der Film lotet die Grenzen der Rationalität aus. Das ist der Grund, weshalb ein Remake so verführerisch scheint. Was könnte passender sein als dieser post-postmoderne Psycho? Ein Film, der uns dazu einlädt, zurückzulehnen und unsere eigene Reaktion zu reflektieren.» (Owen Gleiberman, Entertainment Weekly, 21.6.2013) 105 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Gus Van Sant // DREHBUCH Joseph Stefano, Robert Bloch // KAMERA Chris-

100 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Jim McBride //

topher Doyle // MUSIK Bernard Herrmann, Danny Elfman //

DREHBUCH Jean-Luc Godard, Jim McBride, L. M. Kit Carson,

SCHNITT Amy E. Duddleston // MIT Vince Vaughn (Norman

nach einer Story von François Truffaut // KAMERA Richard

Bates), Anne Heche (Marion Crane), Julianne Moore (Lila

H. Kline // MUSIK Jack Nitzsche // SCHNITT Robert Estrin,

Crane), Viggo Mortensen (Sam Loomis), William H. Macy

Rachel Igel // MIT R ­ ichard Gere (Jesse Lujack), Valérie Kap-

(Milton Arbogast), Robert Forster (Dr. Simon), Philip Baker

risky (Monica P ­ oiccard), Art Metrano (Birnbaum), John P.

Hall (Sheriff Chambers).

Ryan (Leutnant Parmental), William Tepper (Paul), Garry Goodrow (Tony Berrutti), James Hong (Verkäufer).

PSYCHO USA 1960 Eine junge Angestellte hat 40 000 Dollar veruntreut und wird auf der Flucht in einem kleinen Motel brutal erstochen. Nachforschungen führen auf die Spur des schizophrenen jungen Motelbesitzers. Ein Meilenstein, der dem Kino der Angst mit einer dramaturgisch hintersinnigen und ästhetisch unerhört einfallsreichen Inszenierung eines freudianisch inspirierten Groschenromans eine neue Dimension erschloss. Hitchcock im

PROFUMO DI DONNA Italien 1974 Begleitet von einem jungen Soldaten bricht der Offizier Fausto, der als Folge eines Granatenunfalls erblindet ist, von Turin nach Neapel auf, wo er etwas Wichtiges zu erledigen hat. Seine Behinderung überspielt er mit Zynismus und Arroganz. «Vittorio Gassman, der in Profumo di donna die Hauptrolle spielte, (…) personifiziert die Sehnsucht der Italiener nach Grösse und ihr Bemühen um Savoir-vivre.» (Mira Liehm: The Changing Image of the Movies) «Bestimmbar sind Dino Risis Komödien in ihrer Wahrnehmung der jeweils aktuellen morali-


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Remakes. schen Krisen eines Jahrzehnts und in der Art, wie eine pathetisch anvisierte Situation umgekehrt wird ins Groteske, ins Närrische auch, ins Satirische fast immer, in einen Humor auch, der das Schaudern lehrt. Einen Höhepunkt seiner kaustischen Ironie hat er mit Profumo di donna erlangt, jener erotisch-irrwitzigen Geschichte eines blinden Offiziers, die 1974 in Cannes ausgezeichnet wurde.» (Martin Schlappner, NZZ, 1997). 100 Min / Farbe / 35 mm / I/d/f // REGIE Dino Risi // DREHBUCH Ruggero Maccari, Dino Risi, nach einem Roman von Giovanni Arpino // KAMERA Claudio Cirillo // MUSIK Armando Trovajoli // SCHNITT Alberto Gallitti // MIT Vittorio

merkwürdig fasziniert ist von der Gewalt, der er begegnet, wenn er Zahlungen für seinen kriminellen Vater einfordert. Die Idee hinter diesem Plot ist nicht allzu originell, und dem Film kann man sicher ein gewisses Macho-Getue und seine kaum übersehbare Frauenfeindlichkeit vorhalten. Und doch: James Toback treibt mit seinem Erstling einige seiner eigenen Dämonen aus, und die verdrehte Überzeugung, die Harvey Keitel seinem gepeinigten Helden verleiht, (…) verhindert, dass der überhitzte Plot ins Lächerliche abstürzt. Keine allzu angenehme, doch eine überaus fesselnde Angelegenheit.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)

Gassman (Fausto Consolo), Alessandro Momo (Giovanni Bertazzi), Agostina Belli (Sara), Moira Orfei (Mirka), Franco Ricci

90 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE James Toback // DREH-

(Raffaele), Elena Veronese (Michelina).

BUCH James Toback // KAMERA Michael Chapman // MUSIK George Barrie, The Drifters, The Chiffons // SCHNITT Robert

SCENT OF A WOMAN USA 1992

Lawrence // MIT Harvey Keitel (Jimmy «Fingers» Angelelli), Tisa Farrow (Carol), Jim Brown (James Dreems), Michael V. Gazzo (Ben Angelelli), Marian Seldes (Ruth Angelelli), Danny Aiello (Butch), Ed Marinaro (Gino), Tanya Roberts (Julie), Geor-

Ein blinder, pensionierter Offizier bricht nach New York auf, um sich noch einmal richtig zu amüsieren, im Schlepptau den ahnungslosen Internatsschüler, der ihn betreuen soll. «Martin Brest und Drehbuchautor Bo Goldman erzählen die Geschichte vom Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwar ohne jene ironische Poesie, mit der Risi den – viel schärferen – Zynismus seines blinden, verbitterten Protagonisten ausbalancierte, aber mit einem hinreissenden Understatement der Gefühle, wie es im amerikanischen Kino rar ist.» (Pia Horlacher, NZZ) «Die Zwiespältigkeit dieser Figur, die einerseits als Blinder Mitleid, andrerseits als grosskotziger Macho Widerwillen erregt, wird von Pacino von Anfang bis Ende konsequent durchgehalten. (...) Einprägsame Charakterstudie eines verzweifelten Menschen (...), der seine inneren Abgründe mit letztlich hohlen Gesten zu überbrücken versucht.» (Gerhart Waeger, TR7) 157 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Martin Brest // DREHBUCH Bo Goldman, Cesare Zavattini // KAMERA Donald E. Thorin // MUSIK Thomas Newman // SCHNITT William Steinkamp, Michael Tronick, Harvey Rosenstock // MIT Al Pacino (Lt. Col. Frank Slade), Chris O’Donnell (Charlie Simms), James Rebhorn (Mr. Task), Gabrielle Anwar (Donna), Philip Seymour Hoffman (George Willis jr.), Bradley Whitford (Randy), Richard

gette Mosbacher (Anita), Carole Francis (Christa).

DE BATTRE MON CŒUR S’EST ARRÊTÉ Frankreich 2005 Der junge Tom tritt in die Fussstapfen seines Vaters, der zwielichtige Immobiliengeschäfte macht. Die Begegnung mit dem Impresario seiner verstorbenen Mutter, einer Konzertpianistin, erinnert ihn an seine verschütteten Talente und Ideale. Er beschliesst, seine abgebrochene Pianistenausbildung nachzuholen und sein Leben zu ändern. «Audiard ist mit diesem Film das seltene Kunststück gelungen, den Stoff von James Tobacks Fingers aus den siebziger Jahren so zu adaptieren, dass der Eindruck entsteht, er liefere das eigentliche europäische Original zum amerikanischen Remake nach.» (Barbara Schweizerhof, Freitag, 23.9.2005) «Audiard (…) schafft es, dass man dem wenig sympathischen Helden irgendwann doch beisteht und hofft, er möge erlöst werden von der Schuld, die auf ihm und allen anderen Figuren so übermächtig zu lasten scheint. Denn das ganze Leben ist bei Audiard eine offene Rechnung.» (Michael Althen, FAZ, 18.2.2005)

Venture (W. R. Slade), Rochelle Oliver (Gretchen). 107 Min / Farbe / 35 mm / F/d // REGIE Jacques Audiard //

FINGERS USA 1978

DREHBUCH Jacques Audiard, Tonino Benacquista, nach dem Originaldrehbuch von James Toback // KAMERA Stéphane Fontaine // MUSIK Alexandre Desplat // SCHNITT Juliette Welfling // MIT Romain Duris (Thomas Seyr), Niels Arestrup

«Fingers ist ein rohes Thriller-Psychodrama über eine gespaltene Persönlichkeit: Harvey Keitel spielt einen aufstrebenden Konzertpianisten, der

(Robert Seyr), Jonathan Zaccaï (Fabrice), Gilles Cohen (Sami), Linh Dan Pham (Miao Lin), Aure Atika (Aline), Emmanuelle Devos (Chris), Anton Yakovlev (Minskov).


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19 Das Kino der jungen BRD

Besser als sein Ruf Nicht erst seit 1962 die Generation des Neuen deutschen Films das Kino ihrer Väter für tot erklärte, geniesst das Filmschaffen der jungen Bundesrepublik Deutschland einen schlechten Ruf. Olaf Möller hat für das d ­ iesjährige Filmfestival Locarno eine Retrospektive kuratiert, die das westdeutsche Kino von 1949–1963 rehabilitieren soll. Das ­Filmpodium zeigt daraus acht Filme sowie einige weitere Werke, die es wert sind, wiederentdeckt zu werden. Zu Beginn von Dominik Graf und Johannes Sieverts Essay «Verfluchte Liebe deutscher Film» (2016) erinnert sich der Regisseur Stefan Lukschy eines Bonmots aus den 1950ern, nach dem das Leben zu kurz sei, um sich deutsche Filme anzuschauen. Er schreibt diesen Satz Fritz Kortner zu, was eine gewisse Glaubwürdigkeit hat angesichts dessen Frustration über die junge Kinoproduktionslandschaft der BRD: Fast alle Werke, an denen Kortner beteiligt war, erwiesen sich als kommerzielle Flops und waren zudem immer wieder – wie auch einige seiner Theaterarbeiten jener Jahre – kritischen Anfeindungen ausgesetzt. Diese Anekdote fasst knapp zusammen, wie es um die gegenwärtige filmhistorische Erinnerung an jene Jahre bestellt ist: trüb. Die BRD war das Land der Hendrik Höfgens, wie Klaus Mann in «Mephisto – Roman einer Karriere» (1936) seinen auf Gustav Gründgens basierenden «symbolischen Typus» genannt hatte. Es ist bezeichnend, dass zu den wenigen Werken jener Ära, die bis in die 1980er hinein relativ regelmässig in den bundesdeutschen Kinos liefen, Peter Gorskis Faust (1960) gehört, die Kino-Adaptation von Gustav Gründgens’ Inszenierung des Stoffes von 1957. Das war der Goethe der «inneren Emigration», der Elite der Nachkriegszeit, mit Gründgens selbst in der Rolle seines Lebens: Mephisto. Kritikerhäme und Publikumserfolg Heraufbeschworen wird bis heute das Bild einer restaurativ gesonnenen Nation von borniert auf Verdrängung Sinnenden, deren Bedürfnissen sich die lokale Kinoindustrie scheinbar hemmungslos unterwarf. Opfer-Geschichten wie die vom dauernd an seiner Entfaltung gehinderten Genie Wolfgang >

Johanna von Koczian, Hansjörg Felmy und Wera Frydtberg (v.l.n.r.) in der Mitläufersatire Wir Wunderkinder < Peter van Eyck und Dawn Addams blicken in Die 1000 Augen des Dr. Mabuse

<

Gustaf Gründgens war nicht nur in Faust mephistophelisch


20 Staudte (Kirmes, 1960) oder von Peter Lorres wenig glücklichem Versuch, im BRD-Kino mit seinem Serienmörder-Trümmer-Noir Der Verlorene (1951) Fuss zu fassen, machten klar, wie schlimm es in den Adenauer-Jahren um den (west-)deutschen Film bestellt war. Viele Kinoschaffende und Kritiker, die in jener Zeit tätig waren, würden diesen Eindruck bestätigen. Die erste Philippika zum Thema erschien denn auch schon 1950, stammte von Wolfdietrich Schnurre und hiess «Rettung des deutschen Films». Bis zum Oberhausener Manifest (1962), der brüsken Grabrede auf den «alten Film» (wie er darin genannt wird), sollte sich an diesem allumfassenden Sackgassen-Gefühl wenig ändern: Nörgeln gehörte zum guten Ton der einheimischen Rezensenten. Die Italiener, Franzosen und Amerikaner konnten ohnehin alles besser. Und was auch immer sich an vielversprechenden Ansätzen zeigte, wie etwa im Fall von Georg Tresslers Die Halbstarken (1956), wurde beim nächsten Film mit Argwohn betrachtet. Nur: Wie passt dieses Bild eines scheinbar kollektiven Versagens zusammen mit der doch erklecklichen Menge an Preisen, die der bundesdeutsche Film jener Jahre gewann? Kurt Hoffmanns fette Mitläufer-Satire Wir Wunderkinder (1958) und Bernhard Wickis weltweit stilbildendes Krieg-Kinder-Action-Melodram Die Brücke (1960) etwa entwickelten sich zu regelrechten Abräumern der jeweiligen Saison. Und wenn der BRD-Film so provinziell, seine Protagonisten so talentlos und unattraktiv waren, wie kommt es dann, dass Schauspielerinnen und Schauspieler wie Cornell Borchers, Romy Schneider, Liselotte Pulver, Curd Jürgens, Hardy Krüger, Horst Buchholz, Mario Adorf oder der gerade erwähnte Wicki internationale Stars wurden? Und dass der bundesrepublikanische Film eine beachtliche Präsenz auf vielen Verleihterritorien hatte, sich teilweise also auch ins Ausland gut verkaufen liess? Was Joe Hembus in seiner berühmt-berüchtigten Abrechnung «Der deutsche Film kann gar nicht besser sein» (1961) sogar noch aufgriff, indem er einige besonders deprimierende ausländische Kritiken zitierte, um zu demonstrieren, welchen Schaden dieses Kino dem Ansehen der Nation zufügte. Wenn es denn so schlimm bestellt gewesen sein soll um das Land im Allgemeinen und den bundesdeutschen Film im Besonderen, warum kamen dann so viele vor den Nazis Geflüchtete dahin, um kreativ an der Entwicklung einer neuen Kultur mitzuarbeiten, wie etwa Robert Siodmak (Nachts, wenn der Teufel kam, 1957), Frank Wisbar (Hunde wollt ihr ewig leben, 1959), Fritz Lang (Die 1000 Augen des Dr. Mabuse, 1960) oder eben gleich zu Beginn Peter Lorre und Fritz Kortner? Man könnte auch fragen: War ein schillerndes Delirium wie Hans Heinz Königs Heimat-Horror-Film Rosen blühen auf dem Heidegrab (1952) bloss eine Ausnahme oder doch eher die Regel eines aufreizend-gefährlichen bundesdeutschen Kinos der Sehnsüchte, Ängste, Neurosen und Brüche, das seiner Kartografierung harrte?


21 Vielfalt und Nuancenreichtum Da passt vieles nicht zusammen, und das passt zu einer Nation, die der spätere Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll in einem Text von 1960 als «ungenau» bezeichnete – eben weil nichts zur Gänze dem entsprach, was man sich erwartete oder erhoffte. Die BRD unter Konrad Adenauer war immer etwas anders als tradiert. Aber wie war sie? In Fritz Kortners einziger bundesrepublikanischer Regiearbeit Die Stadt ist voller Geheimnisse (1954) offenbart sie sich beispielsweise als berauschend vielgestaltig, belebt von Menschen, die alle ihre guten Gründe haben für das, was sie so tun und lassen, als man ihnen eröffnet, dass sie ihre Arbeit verlieren werden. Diese Graustufen und Schattierungen machen auch den Reiz aus von Georg Tresslers Die Halbstarken, der bis heute durch die schöne Hast und Fahrigkeit seiner Inszenierung besticht. Man spürt die Aufregung, das Glück aller Mitwirkenden, an einem künstlerischen Experiment beteiligt zu sein. Zwei Jahre darauf in Endstation Liebe (1958) hat sich Tresslers semi-veristische Methode schon etwas gesetzt, sodass nun charakterliche Nuancen klarer und klüger herausgearbeitet werden können. Zu sehen ist in beiden Werken eine BRD im Aufbruch, wo sich moderne Prachtbauten neben Brachen und Ruinenlandschaften finden. Nicht, dass solche Landschaften etwas BRD-Spezifisches wären: Auch das Liebespaar auf der Suche nach einer Bleibe in Aleksander Fords jazzig-kosmopolitischer Ballade Der achte Wochentag (Ósmy dzień tygodnia, 1958) treibt sich immer wieder in verschattet-schimmelig-kriegsverheerten Teilen Warschaus herum. Eine ähnlich nervöse Energie wie bei Tressler und Ford charakterisiert auch so unterschiedliche Werke wie Robert Siodmaks historisch äusserst zweifelhafte, inszenatorisch allerdings atemberaubende Auslegung des (vermeintlichen) Serienmörderfalls Bruno Lüdke, Nachts, wenn der Teufel kam (1957), Frank Wisbars faszinierend sperriges Stalingrad-Epos Hunde wollt ihr ewig leben (1959) oder Wolfgang Staudtes eiskalte Abrechnung mit der Verdrängungslust zu vieler seiner Landsleute, Kirmes (1960). Die Bundesrepublik Deutschland war eindeutig anders, als man sich das landläufig so erzählt; und auch ihr Kino war anders, sehr anders als das, was man darüber gemeinhin zu wissen glaubt. Wie und auf welche Art anders, das gilt es zu entdecken. Olaf Möller

Olaf Möller. Kölner. Filmkritiker.


> Die Stadt ist voller Geheimnisse.

> Nachts, wenn der Teufel kam.

> Der achte Wochentag.

> Rosen blĂźhen auf dem Heidegrab.


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Das Kino der jungen BRD. 82 Min / sw / 35 mm / D/e // DREHBUCH UND REGIE Hans

DER VERLORENE

Heinz König // KAMERA Heinz Schnackertz, Peter Haller,

BRD 1951

Bertl Höcht // MUSIK Werner Bochmann // SCHNITT Elisa-

«Der Verlorene wäre in praktisch jedem Kontext bemerkenswert gewesen; als Produkt der flauen deutschen Nachkriegs-Filmindustrie ist er absolut phänomenal. Es war Lorres einziger Film als Autor und Regisseur und ist eindeutig sein persönlicher Kommentar zu jener Seite von Deutschland, die ihn 1933 ins Exil drängte, genauso wie seine Darbietung als Hauptdarsteller als Neuinterpretation jener Psychopathenrollen erscheint, die er in M und vielen Hollywoodfilmen verkörpert hatte. Die Handlung, die durchwegs in Rückblenden entwickelt wird, zeigt, wie der Arzt und Forscher Rothe von den Nazis zu politischer Komplizenschaft gezwungen wird, indem sie seine emotionalen und psychischen Schwächen geschickt und kaltblütig ausnützen; alles daran (...) ist durchdrungen vom Geist der deutschen Vergangenheit, bis das heftige Melodrama zum Schluss den Film in die noch trostlosere Gegenwart katapultiert.» (Tony Rayns, Time Out Film Guide)

mina), Hermann Schomberg (Dietrich Eschmann), Armin

98 Min / sw / DCP / D // REGIE Peter Lorre // DREHBUCH ­Peter Lorre, Benno Vigny, Axel Eggebrecht, nach einer Idee von Egon Jameson // KAMERA Václav Vich // MUSIK Willy Schmidt-Gentner // SCHNITT Carl Otto Bartning // MIT Peter Lorre (Dr. Karl Rothe), Karl John (Hösch, ehemals Nowack), Helmut Rudolph (Oberst Winkler), Renate Mannhardt (Inge Hermann), Johanna Hofer (Frau Hermann).

beth Neumann // MIT Ruth Niehaus (Dorothee Aden/WilhelDahlen (Ludwig Amelung), Gisela von Collande (Magd Fiete).

DIE STADT IST VOLLER GEHEIMNISSE BRD 1954 «Die Böhnke-Werke sind in Schwierigkeiten. Sämtlichen Mitarbeitern wird gekündigt. Manche nehmen es leicht. Manche nehmen es tragisch. Alle erleben ein Wochenende, das sie über ihre Position und ihr Leben nachdenken lässt. Ausserdem bekommt die Firma übers Wochenende eine neue Führung, die es noch einmal versuchen will.» (Christa Bandmann/Joe Hembus: Klassiker des deutschen Tonfilms 1930–1960, München 1980) «Kortners Regie versucht, die Schwächen der Vorlage zur Stärke des Films zu machen, indem sie sich der Kolportage-Elemente der Geschich­ te(n) durchaus lustvoll annimmt und den Schauspielern, wo möglich, Raum lässt, die von ihnen verkörperten Klischees im Sinne von Genrezitaten zu entfalten. (…) Die Stadt ist voller Geheimnisse ist nur dem Anschein nach ein Wirtschaftswunderfilm, schon eher ein Film über die Sorgenkinder des Wirtschaftswunders, zumindest zu gleichen Teilen aber ein Film über den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen.» (Ines Steiner in: Armin Loacker/Georg Tscholl (Hg.): Das Gedächtnis des Films, Filmarchiv Austria 2014)

ROSEN BLÜHEN AUF DEM HEIDEGRAB

88 Min / sw / Digital SD / D // REGIE Fritz Kortner // DREH-

BRD 1952

von Curt J. Braun // KAMERA Albert Benitz // MUSIK Michael

BUCH Fritz Kortner, Curt J. Braun, nach dem Theaterstück Jary // SCHNITT Klaus Dudenhöfer // MIT Walther Süssen-

Dorothee liebt Ludwig, der aus der Stadt in sein Heimatdorf zurückgekehrt ist. Doch sie wird auch begehrt vom Bauern Eschmann. Und ihre Vorfahrin Wilhelmina wurde hier einst vergewaltigt. Die Geschichte droht sich zu wiederholen. «Damit ist die Thematik gesetzt: In dieser dunklen Landschaft, in der ein Schritt vom Wege zum Tode führen kann, sind die Leidenschaften unbezwingbar. Beileibe kein Heimatfilm der üblichen Art, keine Klischees, keine niedlichen Touristenbilder. Kameramann Heinz Schnackertz setzt sparsames Licht und liegt mit der Kamera auf dem Boden – nicht nur wirkt dadurch Eschmann umso brutaler und dümmlicher, es ist auch die Perspektive des Im-Moor-Versinkenden. (...) Kein Happy End, keine Lösung. Regisseur Hans Heinz König schenkt dem Zuschauer nichts. Ein vergessener, erstaunlicher Film!» (Falk Schwartz, filmportal.de, 4.6.2014)

guth (Klaus Böhnke), Annemarie Düringer (Ernie Lauer), Grethe Weiser (Frida Binder), Adrian Hoven (Gerhard Scholz), Eva-Ingeborg Scholz (Christl Lauer), Paul Hörbiger (Herbert Klein), Karl Ludwig Diehl (Prof. Siebrecht).

DIE HALBSTARKEN BRD 1956 «Berlin, in den 1950er Jahren. Der 19-jährige Freddy ist von zu Hause abgehauen, weil er die Tyrannei seines kleinbürgerlichen Vaters nicht mehr ertragen konnte. Mittlerweile ist Freddy zum Anführer einer Jugendbande aufgestiegen, die sich mit Gaunereien durchs Leben schlägt. Eines Tages wird Freddy, der gerade seinen ‹grössten Coup› vorbereitet, von seinem jüngeren Bruder gebeten, dem hoch verschuldeten Vater finanziell unter die Arme zu greifen. Seiner Mut-


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Das Kino der jungen BRD. ter zuliebe willigt Freddy ein. Doch der gross angelegte Postraub geht schief.» (filmportal.de) «Angeregt durch Erfolge amerikanischer Vorbilder wie Rebel Without a Cause zeichnet sich der Film durch Aufnahmen an Originalschauplätzen und kompromisslose Darstellung der Verhaltensweisen rebellierender Jugendlicher aus. Keine der folgenden Imitationen erreichte den Ernst und die Qualität dieses Films.» (Reclams Lexikon des deutschen Films) 97 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Georg Tressler // DREHBUCH Will Tremper, Georg Tressler, nach einer Erzählung von Will Tremper // KAMERA Heinz Pehlke // MUSIK Martin Böttcher // SCHNITT Wolfgang Flaum // MIT Horst Buchholz (Freddy Borchert), Karin Baal (Sissy Bohl), Christian Doermer (Jan Borchert), Jo Herbst (Günther), Viktoria von Ballasko (Mutter

bekanntschaften nur Zeitvertreib. (...) Dann aber lernt er Christa kennen, die so ganz anders ist als die Frauen, mit denen er bislang seine Affären hatte. (...) Mecky hat sich verliebt. Mit diesem Gefühl aber muss er erst umzugehen lernen ...» (filmportal.de) «Die erste Hälfte des Films zeigt (...) Frische, Mut zur Improvisation und komödiantisches Talent, wie es der deutsche Film seit Lubitsch selten erlebt hat. Dabei resultiert die Komik aus dem Aufeinanderprallen zweier sozialer Schichten: nämlich des James-Dean-nahen, selbstbewussten Ausreissermilieus Horst Buchholz’ und der spiessbürgerlichen Welt, aus der das Mädchen stammt, das herumzukriegen er mit seinen Arbeitskollegen gewettet hat.» (CineGraph, Lexikon zum deutschsprachigen Film).

Borchert), Stanislav Ledinek (Antonio Garezzo). 85 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Georg Tressler // DREHBUCH

NACHTS, WENN DER TEUFEL KAM BRD 1957

Will Tremper, nach einem Originalstoff von Will Tremper, Axel von Hahn // KAMERA H ­ elmuth Ashley // MUSIK Martin Böttcher // SCHNITT Kurt Zeunert // MIT Horst Buchholz (Mecky Berger), Barbara Frey (Christa), Karin Hardt (Frau

Der Mord an einer Kellnerin führt die Polizei auf die Spur eines psychopathischen Serientäters. SS-Gruppenführer Rossdorf mischt sich in den Fall ein, weil er Argumente für die Ausrottung geistig Behinderter sucht. Als klar wird, dass der unzurechnungsfähige Mörder, Bruno Lüdke, ein Arier ist, versucht Rossdorf die Morde einem Unschuldigen in die Schuhe zu schieben. «Realistisch, feinfühlig und mit überzeugender Skizzierung des zeithistorischen Hintergrunds baute Siodmak den authentischen Kriminalfall zu einer der beklemmendsten Studien über die Verbindung von Totalitarismus, Gewalt und Verbrechen aus, die das deutsche Kino kennt. Hannes Messemer als distinguiert-fanatischer SS-Gruppenführer und Mario Adorf als debiler Mörder setzen die differenziert entworfenen Charaktere kongenial um und erhielten verdiente Bundesfilm­preise als beste Haupt- und Nachwuchsdarsteller.» (Reclams Lexikon des deutschen Films) 104 Min / sw / DCP / D // REGIE Robert Siodmak // DREHBUCH Werner Jörg Lüddecke, nach einem Tatsachenbericht von Will Berthold // KAMERA Georg Krause // MUSIK Siegfried Franz // SCHNITT Walter Boos // MIT Claus Holm (Kriminalkommissar Axel Kersten), Mario Adorf (Bruno Lüdke), Hannes Messe-

Lehnhoff), Franz Nicklisch (Vater Berger), Edith Elmay (Anni), Peter-Uwe Witt (Uli).

DER ACHTE WOCHENTAG (Ósmy dzień tygodnia) Polen/BRD 1958

«Mitte der 1950er Jahre war die polnische Hauptstadt Warschau noch stark von den Kriegszerstörungen gezeichnet. Vor diesem Hintergrund erzählt der Film die Liebesgeschichte eines jungen deutsch-polnischen Paares, das keinen eigenen, gemeinsamen Platz in der Gegenwart finden kann.» (filmportal.de) «Nur mit grossem Argwohn gaben die polnischen Behörden ihre Zustimmung zu einem Film, der das Leben in so abweisender Manier darstellte. Sie befürchteten zudem, er könnte beim deutschen Publikum Feindseligkeit und Verachtung für das moderne Polen auslösen. Gleichwohl kam der Film in Deutschland ins Kino, wo er nicht viel Aufmerksamkeit erregte, doch in Polen wurde er verboten.» (Bolesław Michałek, Frank Turaj: Le cinéma polonais, Centre Georges Pompidou 1992)

mer (SS-Gruppenführer Rossdorf), Peter Carsten (Mollwitz), Karl Lange (Major Wollenberg), Werner Peters (Willi Keun),

84 Min / Farbe + sw / 35 mm / D // REGIE Aleksander Ford //

Annemarie Düringer (Helga Hornung).

DREHBUCH Marek Hlasko, Aleksander Ford, nach der Erzählung «Der achte Tag der Woche» von Marek Hlasko // ­KAMERA Jerzy Lipman, Igor Oberberg // MUSIK Kazimierz

ENDSTATION LIEBE

Serocki // SCHNITT Halina Prugar-Ketling // MIT Sonja

BRD 1958

Ziemann (Agnieszka Walicka), Zbigniew Cybulski (Piotr ­ ­Terlecki), Ilse Steppat (Agnes’ Mutter), Bum Krüger (Agnes’

«Der junge Fabrikarbeiter Mecky Berger glaubt nicht an ‹wahre Liebe›. Für ihn sind seine Frauen-

Vater Stefan), Tadeusz Łomnicki (Agnes’ Bruder Gregor).


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Das Kino der jungen BRD.

WIR WUNDERKINDER

HUNDE WOLLT IHR EWIG LEBEN

BRD 1958

BRD 1959

«Der forsche Nazi-Führer Tiches mutiert nach dem Zweiten Weltkrieg problemlos zum erfolgreichen Wirtschaftswunderrepräsentanten. Sein anständiger, aber von privaten und beruflichen Misserfolgen gebeutelter Jugendfreund kann erst nach dem Krieg seinen Beruf als Journalist wieder aufnehmen und bringt die Karriere Tiches’ an die Öffentlichkeit.» (Heyne Film Lexikon) «Ein kabarettistisch-satirischer Querschnitt durch vier Jahrzehnte deutscher Geschichte, der am Beispiel zweier Menschen, deren Leben völlig gegensätzlich verläuft, Opportunismus und Vorteilshascherei beleuchtet. Ausgezeichnet gespielt, einfallsreich und treffsicher inszeniert.» (Lexikon des int. Films)

«Der junge, nationalsozialistisch geprägte Oberleutnant Wisse wird im Herbst 1942 als Ver­ bindungsoffizier nach Stalingrad versetzt. Die deutschen Truppen haben zwar unter grossen Verlusten die Stadt erobert, werden aber bereits von der Roten Armee eingekesselt. Viele der einfachen Soldaten haben erkannt, dass sie dem Gegner nahezu chancenlos ausgeliefert sind. Doch aufgrund der Befehle von ganz oben glauben die meisten Offiziere unter General Paulus immer noch an einen Sieg.» (filmportal.de) Frank Wysbar, 1938 in die USA emigriert, wo er als Frank Wisbar Billigfilme drehte, kehrte 1956 zurück in die junge BRD. Dort schuf er realistisch inszenierte Filme über den Niedergang des Dritten Reichs. Hunde wollt ihr ewig leben räumt mit Heldenmythen der Herrenrasse auf.

107 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Kurt Hoffmann // DREHBUCH Heinz Pauck, Günter Neumann, nach dem Roman von Hugo Hartung // KAMERA Richard Angst // MUSIK Franz Gro-

98 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Frank Wisbar // DREHBUCH

the // SCHNITT Hilwa von Boro // MIT Johanna von Koczian

Frank Wisbar, Frank Dimen, Heinz Schröter // KAMERA Hel-

(Kirsten Hansen), Hansjörg Felmy (Hans Boeckel), Robert

muth Ashley // MUSIK Herbert Windt // SCHNITT Martha

Graf (Bruno Tiches), Wera Frydtberg (Vera von Lieven), Wolf-

Dübber // MIT Joachim Hansen (Oberleutnant Wisse), Wil-

gang Neuss (Kinoerzähler), Wolfgang Müller (Hugo).

helm Borchert (General Paulus), Wolfgang Preiss (Major Linkmann), Karl Lange (General von Seydlitz), Horst Frank

DIE BRÜCKE BRD 1959 Kurz vor Kriegsende werden sieben Jungen zur Wehrmacht eingezogen und freuen sich auf ein Abenteuer. Von der Front zunächst ferngehalten und angewiesen, in ihrer Heimatstadt eine Brücke zu sichern, werden sie bald von der brutalen Realität des Krieges eingeholt. «Bernhard Wickis Spielfilmdebüt skizziert in eindringlicher Weise sowohl die von Angst und Hoffnung bestimmte Atmosphäre der letzten Kriegstage als auch das psychologische Porträt einer von Ideologie und pubertärer Abenteuerromantik beeinflussten Jugend. Dem auch international äusserst erfolgreichen Film gelang unter Verzicht auf gängige Genreklischees die treffende Analyse der Auswirkungen des Krieges, der ebenso drastisch wie unpathetisch dargestellt wird.» (Reclams Lexikon des deutschen Films) 103 Min / sw / DCP / D // REGIE Bernhard Wicki // DREHBUCH

(Feldwebel Böse), Peter Carsten (Gefreiter Krämer).

DIE 1000 AUGEN DES DR. MABUSE BRD/Italien 1960 Mabuse ist tot, doch sein teuflisches Gedankengut lebt weiter. Sein Nachfolger hypnotisiert die junge Marion, um durch sie den amerikanischen Multimillionär Travers in die Hand zu bekommen. Dazu dient ihm das Hotel Luxor, das mit Kameras gespickt ist, um die Gäste auszuspionieren. «Fritz Langs Die 1000 Augen des Dr. Mabuse, der Abschluss seines Œuvres, worin er mit bitterbösem Sarkasmus den Zustand seiner alten Heimat kommentiert. (...) Man kann den Film als Parabel auf die bundesrepublikanische Realität lesen: Wo die Braven und Friedfertigen wieder einmal dabei sind, den Manipulateuren im Hintergrund anheimzufallen, den Machtsüchtigen, den Geld-Jongleuren.» (Norbert Grob, in: Geschichte des deutschen Films, Stuttgart 1993)

Michael Mansfeld, Heinz Pauck, nach dem Roman von Man-

104 Min / sw / DCP / D // REGIE Fritz Lang // DREHBUCH Fritz

fred Gregor // KAMERA Gerd von Bonin // MUSIK Hans-Mar-

Lang, Heinz Oskar Wuttig, nach der Romanfigur von Norbert

tin Majewski // SCHNITT Carl Otto Bartning // MIT Folker Bohnet (Hans Scholten), Fritz Wepper (Albert Mutz), Michael Hinz

Jacques und einer Idee von Jan Fethke // KAMERA Karl Loeb // MUSIK Bert Grund // SCHNITT Waltraut Wischniewsky,

(Walter Forst), Frank Glaubrecht (Jürgen Borchert), Cordula

Walter Wischniewsky // MIT Dawn Addams (Marion Menil),

Trantow (Franziska), Volker Lechtenbrink (Klaus Hager).

Peter van Eyck (Henri B. Travers), Wolfgang Preiss (Dr. Jordan), Werner Peters (Mistelzweig), Gert Fröbe (Kommissar Kras), Lupo Prezzo (Peter Cornelius).


> Die BrĂźcke.

> Hunde wollt ihr ewig leben.

> Endstation Liebe.

> Kirmes.


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Das Kino der jungen BRD.

FAUST

KIRMES

BRD 1960

BRD 1960

«Die berühmte ‹Faust I›-Inszenierung im Deutschen Schauspielhaus Hamburg unter der Oberleitung von Gustaf Gründgens (...). Peter Gorskis Aufzeichnung will nur bedingt eine eigenständige Verfilmung sein, sondern fesselt überwiegend als Bühnenwiedergabe. Gründgens (1899–1963) war die wohl schillerndste Figur im deutschen Theater der 1930er bis 1950er Jahre. Seine Position als von Göring berufener Intendant des Berliner Staatstheaters im Dritten Reich wird bis heute kontrovers beurteilt. Unbestreitbar aber ist seine Bedeutung als Theatermann, der die Talente eines Schauspielers, Regisseurs und Intendanten genial in sich vereinte. Als Schauspieler verfügte Gründgens über eine viel gerühmte Faszinationskraft; seine Mephisto-Darstellungen sind legendär.» (Programmheft Filmpodium, Januar 2003)

1959 entdeckt man in einem kleinen Dorf in der Eifel bei den Vorbereitungen für die alljährliche Kirmes die sterblichen Überreste eines Soldaten: Robert Mertens, der 1945 desertierte und in sein Heimatdorf floh. Der Fund hat Folgen. «In einer langen Rückblende erzählt der Film von den letzten Tagen dieser Vergangenheit, von Misstrauen, Verzweiflung und Angst, von Opportunismus, Ignoranz, Feigheit, Hass, Verrat und Schuld. (…) Staudte charakterisiert die letzten Tage der Naziherrschaft in Deutschland betont nüchtern. Er moralisiert nicht, er konstatiert. Sein Interesse gilt den Traumata, an denen die Deutschen leiden – als Folge eigener Vergehen, Untaten, Verbrechen. Es gilt den Narben an ihrer Seele, die zu einem falschen, verlogenen Leben zwingen.» (Norbert Grob, in: Geschichte des deutschen Films, Stuttgart 1993)

128 Min / Farbe / 35 mm / D // REGIE Peter Gorski, Gustaf

102 Min / sw / 35 mm / D // REGIE Wolfgang Staudte // DREHBUCH Wolfgang Staudte, nach einer Idee von Claus Hubalek //

­Lot­har // SCHNITT Walter Boos // MIT Will Quadflieg (Faust),

KAMERA Georg Krause // SCHNITT Lilian Seng // MIT

Gustaf Gründgens (Mephisto), Elisabeth Flickenschildt (Mar-

Götz George (Robert Mertens), Juliette Mayniel (Annette),

the Schwerdtlein), Ella Büchi (Gretchen), Eduard Marks

Hans Mahnke (Paul Mertens), Wolfgang Reichmann (Georg

(Wagner), Max Eckard (Valentin), Heinz Reincke (Frosch).

Hölchert), Fritz Schmiedel (Pfarrer).

Professione: reporter (1974/75) , xenix.ch

Gründgens // KAMERA Günther Anders // MUSIK Mark

15. JULI – 20. AUG UST 201 WHAT P 6 EOPLE D O FOR M ONEY


28 Das erste Jahrhundert des Films

1966 & 1976 1966 und 1976 sind Jahrgänge der Grenzüberschreitungen: Michelangelo Antonionis freizügiger Thriller Blow-up und die kompromisslose Theateradaptation Who’s Afraid of Virginia Woolf? sorgen 1966 für Aufruhr und die Einführung einer Altersgrenze in den US-Kinos. Der antikolonialistische Kriegsfilm La battaglia di Algeri veranlasst Frankreich, die Filmfestspiele in Venedig zu boykottieren, wo das Werk am Ende den Hauptpreis erhält. In Sergio Corbuccis Django werden die Versatzstücke des Westerns und die Gewalt, mit denen bereits Sergio Leone spielte, ins Exzessive übersteigert. Bourvil und Louis de Funès zeigen in La grande vadrouille, dass Krieg komisch sein kann, während Ingmar Bergman mit Persona den Zuschauer psychisch fordert und Alexander Kluges Abschied von Gestern endgültig «Papas Kino» begräbt. 20 Jahre nach The Searchers schickt Martin Scorsese 1976 Travis Bickle in Taxi Driver ebenfalls auf einen Rachefeldzug, der in einem Blutbad endet. Gleichzeitig lässt Nagisa Oshimas Im Reich der Sinne Antonionis Sex-Darstellungen bereits eine Dekade später harmlos erscheinen und wird vielerorts verboten. Bernardo Bertolucci stemmt mit Novecento ein Mammutprojekt, das die italienische Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in fünf Stunden Laufzeit erzählt. Auf die Gegenwart nach dem Ende des Franco-­ Regimes blickt Carlos Saura in Cría cuervos, während sich Alain Tanner in Jonas qui aura 25 ans en l’an 2000 acht Utopisten widmet. Network, Sidney Lumets Kritik am damaligen Medienbetrieb, ist aktueller denn je. 1976 mutete der Wutschrei «I’m as mad as hell, and I’m not going to take this anymore» des Fernsehmoderators Howard Beale übertrieben an; heute wirkt er wie ein Slogan der wachsenden Zahl amerikanischer Protestwähler. Marius Kuhn Das erste Jahrhundert des Films In der Dauerreihe «Das erste Jahrhundert des Films» zeigen wir im Lauf von zehn Jahren rund 500 ­wegweisende Werke der Filmgeschichte. Die Auswahl jedes Programmblocks ist gruppiert nach Jahrgängen, woraus sich schliesslich 100 Momentaufnahmen des Weltkinos von 1900 bis 1999 ergeben. ­Referenzzahl ist jeweils der aktuelle Jahrgang, d. h. im Jahr 2016 sind Filme von 1916, 1926, 1936 usw. zu sehen. Weitere wichtige Filme von 1966

Weitere wichtige Filme von 1976

Au hasard Balthazar Robert Bresson, F/Schweden Der junge Törless Volker Schlöndorff, BRD/F Die kleinen Margeriten (Sedmikrásky) Věra Chytilová, ČSSR Le deuxième souffle Jean-Pierre Melville, F Scharf beobachtete Züge (Ostře sledované vlaky) Jiří Menzel, ČSSR The Good, the Bad and the Ugly (Il buono, il brutto, il cattivo) Sergio Leone I/USA Tokyo Drifter (Tokyo nagaremono) Seijun Suzuki, J Uccellacci e uccellini Pier Paolo Pasolini, I

All the President’s Men Alan J. Pakula, USA Brutti, sporchi e cattivi Ettore Scola, I Carrie Brian De Palma, USA Il Casanova di Federico Fellini Federico Fellini, I Im Lauf der Zeit Wim Wenders, BRD Le juge et l’assassin Bertrand Tavernier, F Rocky John G. Avildsen, USA Von Angesicht zu Angesicht (Ansikte mot ansikte) Ingmar Bergman, Schweden


Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

BLOW-UP GB/Italien 1966 London in den 1960er Jahren, den Swinging Sixties: Heimlich fotografiert Thomas ein Liebespaar im Park. Auf den Vergrösserungen der Bilder entdeckt er Indizien dafür, dass er Zeuge eines Mordes geworden ist. Oder doch nicht? Mit seiner (für die damalige Zeit) schonungslosen Darstellung von Sexualität und Drogenkonsum sorgte der Film für einen Skandal. Der Film ist aber nicht zuletzt in seiner kritischen Hinterfragung des fotografierten Bildes von zeitloser Bedeutung. In einer bildüberfluteten Gegenwart hat Blow-up nichts von seiner Aktualität verloren. So sagte bereits Antonioni: «Ich misstraue immer allem, was ich auch sehe, was mir ein Bild zeigt, weil ich mir vorstelle, was dahintersteckt. Und was hinter einem Bild steckt, kann man nicht wissen.» (zitiert nach: Henning Hoff, Die Zeit, 18.8.2006) Die «Realität wird (…) permanent hinterfragt. Und erweist sich als Konstruktion eines äusseren Eindrucks, der sich ganz der Täuschung verschrieben hat. Die schöne Pop-Hülle bietet nichts ausser Falschheit. Auf der Suche nach dem Kern, dem letzten wahren Gehalt, geht auch dieser verloren, weil er im Auge des Betrachters längst feststeht. Rückblickend schon eine Kritik an der

Oberflächlichkeit und Vervielfachung in der Postmoderne, am Verlust des Inhalts, an der Umcodierung ursprünglicher Zeichen. Gleichzeitig eine Hinwendung zum Kino, das diese Elemente ganz klar für sich nutzt. Was Wirklichkeit ist und was Einbildung, verschwimmt auch in Antonionis dichten Bildern wie das Graukorn auf den Fotografien des jungen Mannes. (…) Hier wird das Kino seziert auf der Suche nach der Eindeutigkeit, die sich als trügerisch erweist. (…) Alles an diesem Film ist Blick, ist Sehen und mündet ins Nichts. Mit keinem Ball spielt die Pantomimengruppe zuletzt im Park Tennis, und keinen Ball wirft der junge Mann zurück. Das Sehen ist am Ende und hat da doch gerade erst begonnen. Im Kino.» (Susan Noll, www.schnitt.de) Reedition mit neuer digitaler Kopie 111 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Michelangelo Antonioni // DREHBUCH Michelangelo Antonioni, Tonino Guerra, Edward Bond, nach der Kurzgeschichte «Las babas del diablo» von Julio Cortázar // KAMERA Carlo Di Palma // MUSIK Herbie Hancock // SCHNITT Frank Clarke // MIT David Hemmings (Thomas), Vanessa Redgrave (Jane), Sarah Miles (Patricia), Peter Bowles (Ron), John Castle (Bill, der Maler), Jane Birkin (die Blonde), Gillian Hills (die Brünette), Veruschka von Lehndorff (Fotomodell), Reg Wilkins (Thomas’ Assistent), Harry Hutchinson (Antiquar), Julian Chagrin, Claude Chagrin (Mimen).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

PERSONA

ABSCHIED VON GESTERN

Schweden 1966

BRD 1966

Eine Krankenschwester soll die Schauspielerin Elisabet Vogler, die auf der Bühne unvermittelt verstummt ist, in einem Landhaus am Meer betreuen. «Was aus dem ländlichen Alltag (…) spriesst, ist ein Stück grandios in Szene gesetztes Gespenstertheater, ein Katz-und-Maus-Spiel, an dessen Ende man sich nicht sicher ist, wer Katze ist und wer Maus. (…) Sind die beiden schon von Beginn an eins gewesen, zwei Seiten einer Persönlichkeit? Bergman gibt uns ein Rätsel auf (…). Vielleicht hat er seine Identitätswechsel als eine Doppelbelichtung gemeint, ein Fall illustrierter Schizophrenie. Aber es ist genauso wahrscheinlich, dass die ganze psychiatrische Seite eine Camouflage ist, eine virtuos arrangierte Gaukelei, um das zu verbergen, was Bergman wieder einmal auf dem Herzen gehabt hat: Selbstekel und Märtyrertum des Künstlers. (…) So kehren die Motive bei Bergman von Film zu Film wieder (…), seine fortwährende Beschäftigung mit der eigenen Problematik: Elisabet Vogler, das bin ich.» (Jurgen Schildt, Aftonbladet, 19.10.1966)

«Erlebnisse einer jungen jüdischen Frau, Anita G., die aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland geflohen ist und auch dort in der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, die sie nicht annimmt, ständig auf der Flucht bleibt.» (Lexikon des int. Films) «Obwohl sich ein Handlungsfaden durch alle Episoden des Films hindurchzieht, gibt eine ­Beschreibung des Geschehens nur einen höchst unzulänglichen Eindruck von Abschied von gestern. Der Film ist elliptisch erzählt; die Handlung schreitet in grossen Sprüngen vorwärts, einzelne Szenen wirken wie dokumentarische Aufnahmen und sind es auch. (...) Die Besonderheit des Films liegt aber nicht nur in seiner Struktur, sondern auch in seinem gesellschaftskritischen Engagement, in der Anteilnahme am Schicksal seiner Protagonistin. Es gelingt Kluge, die Situation seiner Anita in grossartige optische Metaphern zu übersetzen.» (Ulrich Gregor, in: Herzog, Kluge, Straub, Hanser Verlag, 1976) 88 Min / sw / DCP / D/e // DREHBUCH UND REGIE Alexander Kluge // KAMERA Edgar Reitz, Thomas Mauch // SCHNITT

84 Min / sw / Digital HD / Schwed/d // DREHBUCH UND REGIE

­Beate Mainka-Jellinghaus // MIT Alexandra Kluge (Anita G.),

Ingmar Bergman // KAMERA Sven Nykvist // MUSIK Lars

Hans Korte (Richter), Edith Kuntze-Peloggio (Bewährungshel-

­Johan Werle // SCHNITT Ulla Ryghe // MIT Bibi Andersson

ferin), Palma Falk (Frau Budek), Günther Mack (Ministerialrat

(Alma), Liv Ullmann (Elisabet Vogler), Margareta Krook (die

Pichota), Eva-Maria Meineke (Frau Pichota), Josef Kreindl

Ärztin), Gunnar Björnstrand (Herr Vogler), Jörgen Lindström

(Chef der Plattenfirma), Käthe Ebner (Frau des Chefs), Peter

(der Junge).

Staimmer (junger Mann), Hans Brammer (Professor).


Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

WHO’S AFRAID OF VIRGINIA WOOLF?

LA BATTAGLIA DI ALGERI

USA 1966

Italien/Algerien 1966

In Edward Albees bekanntem Theaterstück steigern sich die anfangs harmlos scheinenden Plänkeleien eines alternden Akademikerpaares bis «zur schonungslosen Blossstellung und Abrechnung: Mann und Frau zerfleischen sich in Schuldzuweisungen, Zynismus und Selbstmitleid.» (Lexikon des int. Films) Der zuvor am Broadway tätige Mike Nichols lässt in seinem Regiedebüt die im echten Leben verheirateten Elizabeth Taylor und Richard Burton aufeinander los, was sich indirekt auf die Leinwand zu übertragen scheint. Besonders Taylor bricht lustvoll mit jener Grazie, für die sie einst berühmt geworden war – dafür erhielt sie ihren zweiten Oscar. Insgesamt wurde der Film in allen möglichen Kategorien nominiert – was bis heute nur noch dem Pre-Code-Western Cimarron (1931) gelungen ist – und gewann fünf der Preise. «Mike Nichols’ ätzender und bemerkenswerter Film nach dem Theaterstück von Edward Albee müsste vor lauter sauer gewordenem Zorn und alkoholgetränkter Enttäuschung eigentlich unerträglich sein, doch er ist brillant.» (E. B., The Economist, 24.3.2011)

Gillo Pontecorvos 1966 in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneter Film thematisiert die Ereignisse im Jahr 1957, als die französische Armee und die algerisch-nationalistische Rebellenorganisation FLN in der Hauptstadt Algier aufeinandertrafen. La battaglia di Algeri ist «eine vom Neorealismus Roberto Rossellinis und seinem Film Roma, città aperta inspirierte, semidokumentarisch angelegte, in körnigem Schwarzweiss von Wochenschauen gefilmte Studie über einen der Unabhängigkeitskriege, wie sie in den 1960er Jahren in Afrika und Asien zahlreich geführt wurden.» (Bernd Kiefer, Filmgenres: Kriegsfilme, 2006) «Es mag vielleicht eine tiefgreifendere Filmerfahrung sein, als mancher Zuschauer aushalten kann: zu zynisch, zu wahr, zu brutal und herzzerreissend. Es geht um den algerischen Krieg, aber Algerien lässt sich auch durch andere Konfliktherde ersetzen. Der Film hat einen universalen Bezugsrahmen.» (Roger Ebert, Chicago SunTimes, 30.5.1968) 121 Min / sw / 35 mm / I/d/f // REGIE Gillo Pontecorvo // DREHBUCH Franco Solinas, Gillo Pontecorvo // KAMERA Marcello

131 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Mike Nichols // DREHBUCH

Gatti // MUSIK Ennio Morricone, Gillo Pontecorvo // SCHNITT

Ernest Lehman, nach dem Theaterstück von Edward Albee //

Mario Serandrei, Mario Morra // MIT Brahim Haggiag (Ali La

KAMERA Haskell Wexler // MUSIK Alex North // SCHNITT

Pointe), Jean Martin (Oberst Mathieu), Yacef Saadi (Jaffer),

Sam O’Steen // MIT Elizabeth Taylor (Martha), Richard Bur-

Tommaso Neri (Cpt. Dubois), Fawzia El Kader (Halima), Samia

ton (George), Sandy Dennis (Honey), George Segal (Nick).

Kerbash (Fathia), Ugo Paletti (der Kommissar).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

> La grande vadrouille.

LA GRANDE VADROUILLE

DJANGO

GB/Frankreich 1966

Italien/Spanien 1966

1942: Ein britischer Bomber wird über Paris abgeschossen. Der Malermeister Bouvet und der Dirigent Lefort helfen den Soldaten widerwillig bei der Flucht vor der deutschen Wehrmacht. Bis 2008 Bienvenue chez les Ch’tis kam, war die temporeiche Burleske von Gérard Oury mit 17 Millionen Zuschauern der erfolgreichste Film in Frankreich. Bourvil, Louis de Funès und der britische Komiker Terry-Thomas sind in der aufwendigen Grossproduktion in Höchstform. «Pierre Billard beschreibt in ‹L’Express› die Premiere (…) auf diese Weise: ‹Der Produzent Robert Dorfman, der Regisseur Gérard Oury, Bourvil und de Funès brauchten fast dreissig Minuten, um am Ende der Vorstellung die vierzehn Sitzreihen hinaufzugehen, die sie vom Ausgang trennten. (…) Die gesamte Filmwelt, die seit zwei Jahren die Vorbereitung dieses Lachüberfalls mit leichter Ironie verfolgt hatte, war bei diesem Sieg zugegen.›» (Robert Chazal, Louis de Funès, 1979)

In Sergio Corbuccis blutigem Film zieht der titelgebende Antiheld einen Sarg hinter sich her, mit dessen Inhalt er in einer heruntergekommenen Westernstadt gründlich aufräumt. «Wie schon Leone von den Amerikanern, übernimmt Corbucci vieles von seinem Vorgänger und steigert das Ganze ins Exzessive. Django ist noch um einiges brutaler, surrealer und übertriebener (…). Sicherlich sind die späteren Peckinpah’schen Gewaltexzesse ohne Franco Neros manische Tötungsorgie kaum vorstellbar. Vor allem die Darstellung der beiden rivalisierenden Banden überspitzt viele Elemente, die Leone nur andeutete. Aber erst in Django bringen die Arroganz und der Rassismus des aristokratisch angehauchten Grossgrundbesitzers und die Korruptheit und Trägheit der revolutionären Gegenbewegung eine politische Ebene des Rassen- und Klassenkampfes in das Genre (…). Damit schaffte Django den Brückenschlag von abstrakter Genredekonstruktion zu zeitgenössischer politischer Relevanz. Auch das macht den Film zu einem fundamentalen Genreklassiker.» (Martin Holtz, www.schnitt.de)

132 Min / Farbe / Digital HD / F/d // REGIE Gérard Oury // DREHBUCH Gérard Oury, Marcel Jullian, Danièle Thompson // KAMERA Claude Renoir // MUSIK Georges Auric // SCHNITT Albert Jurgenson // MIT Louis de Funès (Stanislas Lefort),

91 Min / Farbe / Digital HD / I/d // REGIE Sergio Corbucci //

Bourvil (Augustin Bouvet), Terry-Thomas (Sir Reginald),

DREHBUCH Sergio Corbucci, Bruno Corbucci, Franco Rossetti

Benno Sterzenbach (Major Achbach), Claudio Brook (Peter

// KAMERA Enzo Barboni // MUSIK Luis Bacalov // SCHNITT

Cunningham), Reinhard Kolldehoff (deutscher Korporal).

Nino Baragli, Sergio Montanari // MIT Franco Nero (Django), José Bódalo (General Hugo Rodriguez), Loredana Nusciak (Maria), Gino Pernice (Jonathan), Eduardo Fajardo (Major Jackson), Ángel Álvarez (Nataniele), José Terron (Ringo).


Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

> Cría cuervos.

CRÍA CUERVOS

NETWORK

Spanien 1976

USA 1976

Die Welt und das Lebensgefühl eines neunjährigen Mädchens und seiner zwei Schwestern, die während langer Sommerferien in einem eltern­ losen, von einer Tante aber penibel verwalteten Grossbürgerhaushalt weit mehr von den Lebenslügen der Erwachsenen mitbekommen, als diese glauben. «Cría cuervos ist Carlos Sauras bester Film, ein makelloser psychologischer und politischer Film. Im proustschen Sinne thematisiert Saura den Verlust von Zeit und Erinnerung; wie Figuren, die nicht miteinander kommunizieren können, und Kinder, die ihre Unschuld verloren haben, mit Repression umzugehen versuchen. (…) Es ist ein hypnotisches Psychodrama, das auf komplexe Art und Weise Realität und Fantasie vermischt und dabei das eindringliche Porträt einer Familie zeichnet, in der vor allem die Frauen die unbewältigte Vergangenheit des Franco-Regimes auf ihren Schultern tragen.» (Dennis Schwartz, Ozus’ World Movie Reviews, 8.1.2009)

Der Nachrichtensprecher Howard Beale soll wegen gesunkener Einschaltquoten gehen. Da kündigt er in seiner nächsten Sendung vor laufender Kamera den eigenen Selbstmord an, worauf die Quoten ungeahnte Höhen erreichen. Beale erhält prompt eine eigene Show als «zorniger Prophet» – schon bald aber wird er den Programmverantwortlichen unbequem. Lumets eindrucksvoller Politkino-Klassiker ist heute, vierzig Jahre nach seiner Premiere, aktueller denn je. Mit scharfem Sezierblick analysiert Lumet die Auswüchse der Fernsehlandschaft und «wechselt kaum merklich den Gang von Satire über Farce bis zu gesellschaftlichem Gräuelporträt: Lumets diskrete Kunstfertigkeit schafft so viel Platz, dass all diese unterschiedlichen charakteristischen Noten und Energie­ niveaus in einem Film zusammenkommen. In anderen Händen hätte dieser Film leicht in viele Teile zerbrechen können – bei Lumet aber wurde er zum Meilenstein.» (Roger Ebert, zit. nach Film Forum New York, Feb. 2005)

110 Min / Farbe / 35 mm / Span/d/f // DREHBUCH UND REGIE Carlos Saura // KAMERA Teodoro Escamilla // MUSIK

120 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Sidney Lumet //

­Federico Mompou // SCHNITT Pablo González del Amo // MIT

DREHBUCH Paddy Chayefsky // KAMERA Owen Roizman //

Ana Torrent (Ana), Geraldine Chaplin (Anas Mutter/Ana als

MUSIK Elliot Lawrence // SCHNITT Alan Heim // MIT Faye

Erwachsene), Conchita Pérez (Irene), Hector Alterio (An-

Dunaway (Diana Christensen), Peter Finch (Howard Beale),

selmo, Anas Vater), Mónica Randall (Paulina, die Tante), Flo-

William Holden (Max Schumacher), Robert Duvall (Frank

rinda Chico (Rosa, die Haushälterin), Mayte Sánchez (Juana),

­Hackett), Wesley Addy (Nelson Chaney), Ned Beatty (Arthur

Mirta Miller (Amelia Garontes), Germán Cobos (Nicolás Ga-

Jensen), Arthur Burghardt (Ahmed Khan), Bill Burrows

rontes).

(Fernsehdirektor), Cindy Grover (Caroline Schumacher), ­William Prince (Edward Ruddy), Marlene Warfield (Laureen Hobbs), Tim Robbins (Attentäter, ungenannt).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

IM REICH DER SINNE (Ai no corrida) Japan/Frankreich 1976

Die sexuelle Besessenheit der Geisha Sada und des Teehausbesitzers Kichizo gipfelt am Ende im Tod des Mannes, als er sich in einer ständig steigernden Ekstase strangulieren und verstümmeln lässt. «Oshima verzichtet sowohl auf narrative Ausschmückung der Handlung als auch auf psychologische Motivation der Figuren. Stattdessen beschreibt der Film in äusserster ästhetischer Reduktion die menschliche Sexualität als eine nicht kontrollierbare, in letzter Konsequenz zerstörerische Kraft.» (Lexikon des int. Films) «Seine zwei Hauptfiguren sind archetypische Oshima-Aussenseiter, die der militaristischen Reali­tät von 1936 den Rücken zukehren und in ihre

eigene erotische Welt abtauchen, die von ihren Fantasien über Hypermännlichkeit und Hypererregung genährt wird. (…) Oshima bricht Tabus nicht in pubertärem Geist, sondern im Wissen, dass die tiefsten Tabus persönlich und nicht gesellschaftlich verankert sind.» (Tony Rayns, Time Out Film Guide) 105 Min / Farbe / 35 mm / Jap/d/f // DREHBUCH UND REGIE Nagisa Oshima // KAMERA Hideo Ito // MUSIK Minoru Miki // SCHNITT Keiichi Uraoka, Patrick Sauvion // MIT Eiko Matsuda (Sada Abe), Tatsuya Fuji (Kichizo Ishida), Aoi Nakajima (Toku, Kichizos Frau), Taiji Tonoyama (alter Bettler), Meika Seri (Matsuko, die Magd), Kanae Kobayashi (Kikuryu, die alte Geisha), Yasuko Matsui (Tagawa), Kyoji Kokonoe (Omiya), Naomi Shiraishi (Geisha Yaeji), Hiroko Fuji (O-Tsune).


Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

JONAS QUI AURA 25 ANS EN L’AN 2000 Schweiz/Frankreich 1976 «Sieben Jahre nach dem Mai 1968 proben acht noch junge Menschen, deren Vornamen mit dem Buchstaben M beginnen, am Stadtrand die verbleibende Kraft der Liebe und der Utopie. (...) Mathieu zieht am Ende des Films, der bis zum Musical alle Register zieht, Bilanz. Sie ist eine Lektion für den kleinen Jonas und eine Warnung an die Mächtigen.» (Martin Schaub) «Alain Tanners liebevolle Studie einer Gruppe von Sechziger-Jahre-Radikalen, bemüht, den Übergang in die siebziger Jahre zu schaffen. ­Tanner kombiniert Godards intellektuelles Enga-

gement mit Renoirs Glauben an die Widerstands-­ fähigkeit des menschlichen Geistes und schafft damit einen erhellenden und zugleich ermutigenden Film. Jonas qui aura 25 ans en l’an 2000 (…) ist lustig, bewegend und lehrreich – und damit eine Seltenheit: ein politischer Film, der das Herz und auch den Geist anspricht.» (Dave Kehr, www.chicagoreader.com) 110 Min / Farbe / 35 mm / F/d // REGIE Alain Tanner // DREHBUCH Alain Tanner, John Berger // KAMERA Renato Berta // MUSIK Jean-Marie Sénia // SCHNITT Brigitte Sousselier // MIT Jean-Luc Bideau (Max), Myriam Mézières (Madeleine), Rufus (Mathieu), Myriam Boyer (Mathilde), Roger Jendly (Marcel), Miou-Miou (Marie), Jacques Denis (Marco), Dominique Labourier (Marguerite), Raymond Bussières (der alte Charles).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

TAXI DRIVER USA 1976 «Ein schlafloser, einzelgängerischer VietnamVeteran übernimmt in New York Nachtschichten als Taxifahrer und ist ebenso fasziniert wie abgestossen von der Verruchtheit der nächtlichen Grossstadt. Nachdem sein Werben um eine kühle blonde Wahlkampfhelferin am Klassenunterschied gescheitert ist, steigert er sich in den Wahn, etwas gegen den allgegenwärtigen Schmutz unternehmen zu müssen. Er rüstet sich für einen blutigen Kreuzzug. Scorseses endgültiger Durchbruch zur Autorschaft und ein Schlüsselfilm des Neuen Hollywood, der das heruntergekommene New York der siebziger Jahre und die amerikanische Befindlichkeit nach Vietnam in Bilder und Töne von ­hypnotischer, zeitloser Intensität fasste. In Michael Chapmans Zeitlupenaufnahmen zu Bernard Herrmanns unterkühltem Jazzscore erscheinen die dampfenden U-Bahn-Schächte, die regennassen Strassen und das pulsierende Treiben um den Times Square traumhaft entrückt; in De Niros Spiel findet sich noch jene magische Mischung von Bubenhaftigkeit und Melancholie, die später zunehmender Härte weichen wird. Alles unterstreicht die Isolation und die verschobene Wahrnehmung dieses Antihelden, der – in Realität oder nur in der eigenen Fantasie? – als uramerikani-

scher Racheengel und Held endet.» (Andreas Furler, Programm Filmpodium, Mai/Juni 2009). «Martin Scorseses Film ist zuerst einmal das bittere, beklemmende Porträt einer amerikanischen Grossstadt, deren kaputte, verseuchte und korrupte Atmosphäre er in kurzen, virtuos gefilmten und montierten Szenen eindrücklich zur Darstellung bringt. Für Typen wie Travis und Iris ist in dieser brutalen, grausamen Welt kein menschenwürdiges Dasein mehr möglich, sie gehen vor die Hunde oder bäumen sich in nutzlosen, gewalttätigen Protesten auf. Überzeugend und psychologisch stimmig zeigt Scorsese – grossartig unterstützt von der subtilen Darstellerleistung Robert De Niros –, wie der Neurotiker Travis von einer kranken, seelenlosen Umwelt in die Enge, in die Schizophrenie getrieben wird.» (Franz Ulrich, Zoom, Juli 1976) Reedition mit neuer digitaler Kopie 113 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Martin Scorsese // DREHBUCH Paul Schrader // KAMERA Michael Chapman // MUSIK Bernard Herrmann // SCHNITT Tom Rolf, Melvin ­Shapiro, Marcia Lucas // MIT Robert De Niro (Travis Bickle), Cybill Shepherd (Betsy), Jodie Foster (Iris Steensma), Peter Boyle (Wizard), Harvey Keitel («Sport» Matthew), Albert Brooks (Tom), Leonard Harris (Charles Palantine), Steven Prince (Andy, der Waffenhändler), Vic Argo (Melio), Diahnne Abbott (Kinoplatzanweiserin), Martin Scorsese (Taxipassagier).


Das erste Jahrhundert des Films: 1966 & 1976.

NOVECENTO (1900) Italien/Frankreich/BRD 1976 Alfredo, der Enkel eines Gutsbesitzers, und Olmo, der uneheliche Sohn einer Bäuerin und eines Landarbeiters, werden am gleichen Tag im Jahr 1901 auf einem Landgut in der Emilia Romagna geboren. Der eine wird Gutsherr, der andere Landarbeiter. Der Film verfolgt ihre Schicksale vom grossen Landarbeiterstreik 1908 bis zur Befreiung vom Faschismus am 25. April 1945 und darüber hinaus. «Kräftig strömt Novecento dahin, und vielsagend bleibt die Bewegung. Zweideutig sind Anfang und Ende. (…) 1½ Jahre für das Drehbuch, fast 1 Jahr Drehzeit, 1 Jahr Montage, 5 Stunden 20 Minuten Spieldauer, die Länge des Films – in den Jahreszeiten teilt sich die Dauer der Bewegung mit: der Zustand des Strömens, der Po und die Plansequenz. Novecento lässt sich erfahren: die Fortdauer der bäuerlichen Emilia-Kultur im ‹Inferno des Neokapitalismus› (Bertolucci), die

Zweitexistenz der Kultur innerhalb der Erst-Zivilisation.» (Dietrich Kuhlbrodt, in: Bernardo Bertolucci, Hanser 1981) Der Film wird in zwei Teilen gezeigt: Novecento – Atto primo und Novecento – Atto secondo.

162 Min + 154 Min / Farbe / Digital HD / I/d // REGIE Bernardo Bertolucci // DREHBUCH Bernardo Bertolucci, Franco ­Arcalli, Giuseppe Bertolucci // KAMERA Vittorio Storaro // MUSIK Ennio Morricone // SCHNITT Franco Arcalli // MIT ­Robert De Niro (Alfredo Berlinghieri), Gérard Depardieu (Olmo Dalcò), Burt Lancaster (Alfredos Grossvater), Dominique Sanda (Ada Fiastri Paulhan), Sterling Hayden (Leo Dalcò), Donald Sutherland (Attila), Francesca Bertini (Schwester ­Desolata), Laura Betti (Regina), Ellen Schwiers (Amelia), ­Stefania Sandrelli (Anita Foschi), Stefania Casini (Neve), ­Werner Bruhns (Ottavio Berlinghieri).

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Cemetery of Splendour Wundersames geschieht in einer Klinik in der thailändischen Provinz: Soldaten leiden an einer seltsamen Schlafkrankheit, deren Ursachen ebenso in der Mythologie des Landes wie in dessen aktueller Politik liegen. Faszinierende Fabel von Palme-d’or-Gewinner Apichatpong Weerasethakul (Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives).

CEMETERY OF SPLENDOUR (Rak ti Khon Kaen) / Thailand/GB/Deutschland/Frankreich/ Malaysia/Südkorea/Mexiko/USA/Norwegen 2015 122 Min / Farbe / DCP / OV/d // DREHBUCH UND REGIE Apichatpong Weerasethakul // KAMERA Diego García // SCHNITT Lee Chatametikool // MIT Jenjira Pongpas Widner (Jenjira), Banlop Lomnoi (Itt), Jarinpattra Rueangram (Keng), Petcharat Chaiburi (Schwester Tet), Tawatchai Buawat (Mediator), Sujittraporn Wongsrikeaw (Göttin 1), Bhattaratorn Senkraigul (Göttin 2), Sakda Kaewbuadee (Teng), Richard Abramson (Richard Widner).

In einer Klinik in der Provinzstadt Khon Kaen pflegt Jenjira als Freiwillige eine Anzahl Soldaten, die einer kuriosen Schlafkrankheit zum Opfer gefallen sind. Itt ist einer der Patienten, der plötzlich aus seinem Koma erwacht, und zwischen seinen Schlafepisoden lernt Jenjira ihn besser kennen. Auch die junge Keng, ein Medium, versucht zu ergründen, was in den Soldaten vorgeht. Entscheidende Hinweise erhält Jenjira jedoch von zwei Göttinnen. «Wie viele von Weerasethakuls Filmen beschwört dieser eine Gegenwart herauf, die von der Vergangenheit heimgesucht wird (...), mit einer berückenden Bildsprache, insbesondere hypnotischen nächtlichen Landschaften. Der Friedhof des Titels beherbergt Könige aus dem Altertum und liegt angeblich unter dem Gebäude der Klinik. In einer der eindrucksvollsten Szenen des Films werden seine Umrisse im überwucherten Garten der Klinik mit Worten markiert von einem Medium, das sich mit Jenjira anfreundet und das für die wunderbarsten komischen Momente des Films sorgt, wenn sie den Angehörigen der Soldaten deren Gedanken und Träume vorliest.» (Isabel Stevens, Sight & Sound, Juli 2015)


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Surire Bettina Perut und Iván Osnovikoff haben mit Surire einen bildstarken und humorvollen Dokumentarfilm über einen Salzsee und die umliegende karg-schöne Andenhochebene geschaffen. An diesem einmaligen Ökosystem, bewohnt von allerlei Getier und komischen Käuzen, nagen auch Lastwagen.

SURIRE / Chile/Deutschland 2015 80 Min / Farbe / DCP / Sp/d // REGIE UND SCHNITT Iván Osnovikoff, Bettina Perut // KAMERA Pablo Valdés.

Der Salar de Surire liegt in Chile auf 4300 Metern Höhe, umgeben von hohen Bergen und überragt von einem Vulkan. Am Salzsee in der spärlich bewachsenen Landschaft tummeln sich Rosaflamingos und wildlebende Lamas neben sprudelnden Thermalwasserquellen, die Touristen anziehen. Auf dem ehemaligen Gebiet der Aymara leben noch wenige Sonderlinge, darunter eine neunzigjährige Frau, die ihrem Hund riskante Haarschnitte verpasst, und ein altes Hirtenpaar, das einen Jungen als Lehrling auszubilden versucht. Obwohl die Region von der UNESCO ins Weltnaturerbe aufgenommen wurde, wird hier Borax abgebaut; wie eine Ameisenstrasse ziehen Lastwagenkolonnen, die den Rohstoff abtransportieren, durch die Szenerie. «Mit einem formal einmaligen, beobachtenden Film, der auf der Verwendung von sehr unterschiedlichen Brennweiten basiert, die Körper und Räume aus der Nähe oder aus weiter Ferne erfassen, sorgen die beiden Filmemacher für ein visuell angespanntes Klima, das den Geist des Ortes und eine ewige Beziehung zwischen Natur, Zeit und Menschen schrittweise einfängt.» (Katalog Visions du réel 2015) Die chilenisch-deutsche Koproduktion wurde 2015 am Santiago Festival Internacional de Cine als bester Film ausgezeichnet und errang am Flahertiana Dokumentarfilmfestival in Perm einen Silver Nanook.


40 Reedition

La macchina ammazzacattivi Fotograf Celestino erhält von einer dubiosen Gestalt die Macht, mit seiner Kamera Menschen zu töten. Sein Kreuzzug gegen die Bösen im Städtchen artet aber bald aus. Roberto Rossellinis La macchina ammazzacattivi lässt sich als Satire über die Macht der Bilder lesen.

LA MACCHINA AMMAZZACATTIVI / Italien 1948 82 Min / sw / DCP / I/d // REGIE Roberto Rossellini // DREHBUCH Roberto Rossellini, Sergio Amidei, Giancarlo Vigorelli, Franco Brusati // KAMERA Tino Santoni, Enrico Betti Berutto // MUSIK Renzo Rossellini // SCHNITT Jolanda Benvenuti // MIT Gennaro Pisano (Celestino Esposito), Marilyn Buferd (junge Amerikanerin), William Tubbs (ihr Vater), Helen Tubbs (ihre Mutter), Giovanni Amato (Bürgermeister), Joe Falletta (Joe), Giacomo Furia (Romano Cuccurullo), Clara Bindi (Giulietta Del Bello).

«Satirische Parabel um die Bewohner eines italienischen Küstendorfs, die nach der Ankunft eines Amerikaners, der dort ein Hotel errichten will, der Geldgier anheimfallen. In der Figur eines widerständlerischen Fotografen, der mit seiner Kamera die Bösen töten kann und am Ende merkt, dass der Teufel seine Hände im Spiel hat, erstellt Regisseur Rossellini ein ironisches Selbstporträt: der italienische Neorealismus im tragikomischen Kampf gegen die kulturelle Kolonisation und die Macht des Geldes.» (Lexikon des int. Films) «Dieses selten gezeigte Frühwerk von Rossellini, eine seiner wenigen Komödien, nimmt mit erstaunlicher Voraussicht die Gedanken zur Fotografie von Godard und andern in den sechziger Jahren vorweg. (...) Rossellini stieg vor der Fertigstellung aus dem Projekt aus, und es wurde ohne seinen Segen geschnitten und ein paar Jahre später herausgebracht. Trotzdem beeindruckt es als bemerkenswert suggestive Fabel.» (Jonathan Rosenbaum, chicagoreader.com)


41 Reedition

Spätherbst Drei ältere Männer wollen die Tochter eines verstorbenen Freundes unter die Haube bringen, weil sie selber die Witwe zu umwerben trachten. Yasujiro Ozu erzählt in Spätherbst subtil von Unterschieden zwischen den Generationen und den Geschlechtern.

SPÄTHERBST (Akibiyori) / Japan 1960 128 Min / Farbe / DCP / Jap/d/f // REGIE Yasujiro Ozu // DREHBUCH Kogo Noda, Yasujiro Ozu, nach einem Roman von Ton Satomi // KAMERA Yuharu Atsuta // MUSIK Kojun Saito // SCHNITT Yoshiyasu Hamamura // MIT Setsuko Hara (Akiko Miwa, die Mutter), Yoko Tsukasa (Ayako, die Tochter), Chishu Ryu (Shukichi, der Onkel), Nobuo Nakamura (Shuzo Taguchi), Mariko Okada (Yuriko, Ayakos Freundin), Keiji Sada (Shotaro Goto), Shin Saburi (Soichi Mamiya), Kuniko Miyake (Nobuko Taguchi).

«Drei eingebildete, reifere ‹Salarymen› besuchen eine Gedenkfeier für einen Altersgenossen, wobei ihre Gefühle für dessen schöne Witwe Akiko offenbar wieder erwachen. Die lästigen Kerle mischen sich ins Leben von Akikos lediger Tochter Ayako ein und wollen diese verheiraten – ein Vorwand, um ihr eigenes Anliegen weiterzutreiben: Akiko selber wieder zu vermählen, und zwar mit dem begehrenswertesten Witwer unter ihnen, angeblich, damit sie nicht mehr einsam sein muss. Sie handeln wie ein Mann, und Ozu zeigt entlarvend, wie sie laufend vergessen, wer von ihnen genau was in Bezug auf Akiko gesagt oder getan hat, sowohl in jungen Jahren wie auch gerade eben. Dieser dysfunktionale Tick zeigt ihre Gruppenmentalität und den tiefen Widerwillen eines jeden, selber Verantwortung für die achtlose Einmischung in Akikos Glück zu übernehmen. (...) Die direkten Blicke in die Kamera und tiefe Kamerawinkel machen Ozus Stil zu einer Art realistischem Kino-Kabuki. Dieses aber übt eine beharrliche Kraft aus, die emotional ins Innerste trifft.» (Peter Bradshaw, The Guardian, 28.1.2010)


42 Reedition

Pyaasa Guru Dutt, einer der eigenwilligsten Cineasten des indischen Kinos, schuf mit seinem letzten, autobiografisch gefärbten Film Pyaasa eine Parabel über Kunst und Aufrichtigkeit in einer verlogenen Welt.

PYAASA (The Thirsty One) / Indien 1957 146 Min / sw / DCP / Hindi/d/f // REGIE Guru Dutt // DREHBUCH Guru Dutt, Abrar Alvi // KAMERA V. K. Murthy // MUSIK S. D. Burman; Liedtexte: Sahir Ludhianvi // SCHNITT Y. G. Chawhan // MIT Guru Dutt (Vijay), Mala Sinha (Meena), Waheeda Rehman (Gulabo), Johnny Walker (Abdul Sattar), Rehman (Mr. Ghosh, Verleger), Kumkum (Juhi, Gulabos Freundin), Shyam Kapoor (Shyam, ein Freund von Mr. Ghosh), Leela Misra (Vijays Mutter), Mehmood und Mayadas (Vijays Brüder).

«Der Dichter Vijay ist so erfolglos, dass seine Brüder seine Manuskripte als Altpapier verkaufen. Er kann das vorherrschende Banausentum nicht ertragen und zieht es vor, auf der Strasse zu leben. Gulabo, eine junge Prostituierte, verliebt sich in ihn und seine Gedichte, während Vijays frühere Freundin Meena sich für Wohlstand und Sicherheit entscheidet und einen arroganten Verleger heiratet. Ein armer Bettler, dem Vijay seinen Mantel gegeben hat, wird tot aufgefunden und für Vijay gehalten. Der Verleger publiziert seine Gedichte, und sie werden zum Bestseller. Alle, die ihn einst zurückgewiesen haben, kommen nun zusammen, um den toten Dichter zu ehren. Vijay unterbricht die Feier mit einem leidenschaftlichen Lied gegen die Scheinheiligkeit, das die gewaltsame Zerschlagung der korrupten Welt fordert.» (Encyclopaedia of Indian Cinema) «Vijay ist ein Perfektionist und will die Welt nur nach seinen Vorstellungen akzeptieren. Vielleicht galt das auch für Regisseur Guru Dutt, der angeblich mit keinem seiner Werke je zufrieden war und sich mit nur 41 Jahren das Leben nahm, bloss sieben Jahre nach seinem grössten Filmerfolg.» (Howard Schumann, talkingpix.co.uk)


43 Filmpodium für Kinder

Winnetous Sohn Ob im Tipi unter dem Esszimmertisch oder im Ferienlager: Max ist fest von seinen Häuptlingsqualitäten überzeugt. Als die Karl-May-Festspiele die Rolle von Winnetous Sohn besetzen müssen, wittert er seine Chance. «Klein, dick und bleichgesichtig – wie ein Indianer sieht der zehnjährige Max nun wirklich nicht aus. Macht aber nichts, denn er ist trotzdem einer. Der Häuptling sogar. Nur seinen Stamm hat er nicht so richtig im Griff: Sein Vater musste vor kurzem aus dem Familientipi ausziehen und seine Mutter wandelt schon auf fremden Pfaden. Da kommt ihm eine Nachricht gerade recht: Die Karl-May-Festspiele suchen einen neuen Darsteller für Winnetous Sohn. Wenn er die Rolle bekommt, wird alles wieder so werden wie früher, davon ist Max überzeugt. Also trainiert er wie besessen für das Casting, wobei ihm ausgerechnet der gleichaltrige Morten hilft, der Indianer eigentlich nur doof findet.» (winnetous-sohn-der-film.de)

WINNETOUS SOHN / Deutschland 2015 92 Min / Farbe / DCP / D / 8/6 J // REGIE André Erkau, Katharina Marie Schubert // DREHBUCH Anja Kömmerling, Thomas Brinx // KAMERA Ian Blumers // MUSIK Gary Marlowe, Daniel Hoffknecht // SCHNITT Anke Berthold // MIT Lorenzo Germeno (Max), Tristan Göbel (Morten), Alice Dwyer (Birte), Christoph Letkowski (Torsten), Tyron Ricketts (George), Uwe Ochsenknecht (General), Armin Rohde (Sheriff), Jytte-Merle Böhrnsen (Assi des Generals), Bernd Moss (Herr Schulze), Kathi Angerer (Frau Schulze), Johannes Allmayer (Olli), Matthias Weidenhöfer (Winnetou), Bastian Semm (Old Shatterhand).


44 Filmpodium für Kinder

Das doppelte lottchen Die bekannte Erich-Kästner-Geschichte als Animationsfilm im gelungenen Retro-Look: Die visuelle Umsetzung orientiert sich an den mittlerweile selbst zu Klassikern avancierten Illustrationen von Walter Trier. «Der Plot wurde (…) nicht der Gegenwart angepasst, sondern ins Jahr 1954 gelegt. Hier begegnen sich die temperamentvolle Luise und die vernünftige Lotte in einem Ferien­internat und brauchen nicht lange, um festzustellen, dass sie Zwillinge sind und nach der Geburt getrennt wurden. Sie tauschen die Rollen, eine fährt zur Mutter nach München, die andere zum Vater nach Wien. (...) Der Autor schlägt sich auf die Seite der kindlichen Heldinnen, gegen die Position der Erwachsenen. Der Film übernimmt diese Komplizenschaft und (…) bietet solide Unterhaltung für Kinder und für manchen Erwachsenen einen nostalgischen Trip in die Vergangenheit.» (Birte Lüdeking, critic.de, 27.4.2007) In der Reihe «Remakes» zeigen wir Das doppelte Lottchen in der ursprünglichen Verfilmung von Josef von Báky aus dem Jahr 1950, s. Seite 13.

DAS DOPPELTE LOTTCHEN / Deutschland 2007 82 Min / Farbe / 35 mm / D / 6 J // REGIE Toby Genkel // DREHBUCH Rolf Dieckmann, nach dem Roman von Erich Kästner // MUSIK JP Genkel // SCHNITT Sascha Wolff-Täger // MIT DEN STIMMEN VON Céline Vogt (Luise/Lotte), Carin C. Tietze (Mutter), Andreas Fröhlich (Vater), Anja Kling (Irene Gerlach), Inra von Wangenheim-Zeise (Frau Muthesius), Wolfgang Völz (Dr. Strobele), Jovita Dermota (Resi), Antonia von Romatowski (Frl. Ulrike/Hexe), Robert Missler (Fotograf/Paule), Robert Tillian (Kellner Franz), Erna Aretz (Frau Wagenthaler), Monty Arnold (Moderator/Chef), Axel Milberg (Erzähler).


45 IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS

in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich LEITUNG Corinne Siegrist-Oboussier (cs), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb) WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Marius Kuhn (mk), Primo Mazzoni (pm), Laura Walde SEKRETARIAT Claudia Brändle // BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 212 13 77 WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 211 66 66 UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin; CAB Productions, Lausanne; CCC Filmkunst, Berlin; Cinélibre, Bern; dctp, Düsseldorf; Deutsches Filminstitut – DIF, Wiesbaden; Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin; Filmoteca Narodowa, Warschau; Goethe Institut, München; Hollywood Classics, London; JMH Distribution, Neuenburg; Kairos Film, München; Kiepenheuer Bühnenvertrieb, Berlin; Kinemathek Le Bon Film, Basel; Paul Kretz, Zürich; Medienarchiv Bielefeld; MFA+ Filmdistribution, Regensburg; Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden; Omnimago, Ingelheim; Park Circus, Glasgow; Severin Rüegg, Zürich; SRF Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich; Stadtkino Basel; Studiocanal, Berlin; Studio Hamburg; Tamasa Distribution, Paris; trigon-film, Ennetbaden; True Colours Glorious Films, Rom; Universal Pictures International, Zürich; Warner Bros. Entertainment Switzerland GmbH, Zürich; Weltkino, Leipzig; Xenix Filmdistribution, Zürich. DATABASE PUBLISHING BitBee Solutions GmbH, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich GESTALTUNG TBS & Partner, Zürich // KORREKTORAT N. Haueter, D. Däuber // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 7000 ABONNEMENTE Filmpodium-Generalabonnement : CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– / U25: CHF 40.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU Jiří Menzel

Neues Kino aus Südkorea

In unserer Reihe zum Prager Frühling Ende

Dass die klassischen Filmnationen Frank-

2014 konzentrierten wir uns auf spannende

reich, Italien, Deutschland und USA nicht

und wegweisende Werke, die weniger be-

mehr die Quellen des innovativsten Kinos

kannt sind als jene Filme, die Ende der sech-

sind, ist bekannt. Dass Südkorea zu jenen

ziger Jahre international Furore machten

Ländern zählt, die dem Einfluss des US-

und Preise einheimsten. Zu den grossen

Mainstreams trotzen und ein ebenso vielfäl-

ČSSR-Cineasten, die in jener Auswahl zu

tiges wie kreatives Kino hervorgebracht ha-

kurz kamen, zählt Jiří Menzel. Robert Kolin-

ben, ist treuen Filmpodiumgästen ebenfalls

sky hat mit To Make a Comedy Is No Fun – Jiří

nicht neu. Nun wirft Fred van der Kooij sei-

Menzel ein schönes Porträt des Cineasten

nen sehr persönlichen Blick auf die breite

geschaffen, das wir mit drei Reeditionen er-

Palette des südkoreanischen Filmschaffens

gänzen: Scharf beobachtete Züge, Ein lau-

und befasst sich mit Autorenfilmern ebenso

nischer Sommer und Lerchen am Faden.

wie mit originellen Vertretern des Genre-Kinos. Als Nachschlag zur Remake-Reihe ste-

Vom 19.–21.9. bleibt das Filmpodium geschlossen.

hen auch die zwei Versionen von Hanyo/The

22.9.–2.10.: Zurich Film Festival.

Housemaid auf dem Programm.


AUGUST 11


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