Filmpodium Februar/März 2022 // Programme booklet February/March

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16. Februar – 31. März 2022

GEORGES FRANJU PENÉLOPE CRUZ


Filmpodium-Highlights Februar/März

LES VAMPIRES EXISTENT...: WISSENSCHAFT UND SURREALISMUS Kurzfilmprogramm / Live-Begleitung Wieslaw Pipczynski FR, 18. FEBRUAR | 20.45 UHR S. 15

ENTLARVUNGEN. ZUR FILMSPRACHE VON GEORGES FRANJU Filmvortrag von Johannes Binotto MO, 21. FEBRUAR | 18.00 UHR S. 10

DOUBLE BILL ON DOUBLE BILL Elisabeth Bronfen und Johannes Binotto im Gespräch Ein Pas de deux zu Les yeux sans visage und Carnival of Souls DO, 3. MÄRZ | 20.00 UHR S. 17

FANTÔMAS Stummfilmmarathon in zwei Teilen mit Livebegleitung in Kooperation mit dem IOIC SA, 12. MÄRZ | 20.45 UHR & SA,19. MÄRZ | 18.00 UHR S. 21

DER WALDMACHER (D 2022) Exklusive Preview in Anwesenheit des Regisseurs Volker Schlöndorff SO, 13. MÄRZ | 11.00 UHR S. 35

VIEWER’S DIGEST Bernd Brehmer präsentiert komprimierte Höhepunkte der Filmgeschichte auf Super-8 in der Filmpodium-Lounge MI, 30. MÄRZ | 20.00 UHR S. 36


01 Editorial

Pour vos beaux yeux! Zum ersten Mal darf ich Sie als Leiterin des Filmpodiums begrüssen. Was für eine Freude, mit dem engagierten Team dieses Kinos das filmische Herz Zürichs zu bespielen! Wir wollen für Sie ein lustvolles Programm mit Tiefgang gestalten, verspielt, aber mit Kanten, überraschend und anregend. Wir wollen neugierig alle Ecken der Filmgeschichte ausleuchten, das Damals mit dem Heute verbinden und nach Zeichen der Zukunft in den Filmen von heute suchen. Mit inspirierenden Gästen, herausfordernden Vorträgen und vergnüglichen Events verteidigen wir das Kino als lebendigen Diskursort und Treffpunkt. Unser aktuelles Programm legt ein schillerndes Netz über 100 Jahre ­Filmgeschichte: In seinem Zentrum steht der zärtliche Anarchist und Visionär Georges Franju. Franju ist einer der einflussreichsten Regisseure des französischen Kinos und doch heute nur noch wenigen bekannt. Wer aber einmal in sein Œuvre eingetaucht ist, wird es nie mehr vergessen. Franju hat überwältigende Bilder für das Unwohlsein seiner Zeit gefunden. Sein Blick entdeckt das Erschreckende im Alltäglichen und entwickelt aus dieser Reibung ein singuläres, poetisches Universum. Wir präsentieren auch Franjus Inspirationsquellen und spüren seinen dunklen Visionen in den zahllosen Werken nach, die er ­beeinflusst hat. Zum Beispiel mit dem neuen Format «Double Bill on D ­ ouble Bill»: Johannes Binotto und Elisabeth Bronfen fragen mit ansteckender Diskussionslust, was Herk Harveys Carnival of Souls (1962) mit Franjus ­ ­Horrorklassiker Les yeux sans visage (1960) verbindet. Als zweiter Zyklus war eine Hommage an die Shapeshifterin Tilda ­Swinton angekündigt. Wir haben die Retro aus gutem Grund verschoben: Tilda Swinton gibt sich am 31. Mai im Filmpodium die Ehre! An ihrer Stelle wird nun Penélope Cruz unser Kino erobern. Funkensprühend souverän hat sie sich vom Klischee der Leinwandschönheit freigespielt und überzeugt aktuell gleich mit zwei sehr unterschiedlichen Filmen. Wir präsentieren die Vielfalt ihrer ­Arbeit für das europäische Arthouse-Kino und die Vorpremiere der Screwball-­ Komödie Competencia oficial. Das ist aber noch nicht alles: Volker Schlöndorff stellt seinen hoch­ aktuellen Essayfilm Der Waldmacher vor und die Woche der Nominierten bringt die richtungsweisenden Schweizer Filmschaffenden ins Filmpodium. Am «Viewer's Digest» schliesslich wird unsere Lounge mit Super-8-Kurzfassungen von Filmklassikern zum Sixties-Home-Cinema: Das Programm bestimmen Sie auf Zuruf! Ich freue mich auf die Begegnungen mit Ihnen und auf das gemeinsame Träumen im dunklen Saal! Nicole Reinhard Titelbild: Les yeux sans visage von Georges Franju


02 INHALT

Georges Franju

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Penélope Cruz

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Vater des modernen Horrorfilms, Held der Nouvelle Vague und Mitgründer der Cinémathèque française: Georges Franju (1912–1987) steht für ein singuläres Werk von atemberaubender Schönheit und Intensität – heute wie damals absolut modern und doch aus der Zeit gefallen. Inspiriert von Surrealismus und Expressionismus schuf Franju mit Les yeux sans visage (1960) einen abgründig-poetischen Horrorklassiker, der zahllose Filmschaffende beeinflusste. Seine legendären kurzen Dokumentarfilme verbinden Poesie und harte Realität zu beissender Gesellschaftskritik. Unser Programm schlägt eine Brücke von den Anfängen des Kinos bis in die Gegenwart: von Louis Feuillade und Jean Epstein über Georges Franju zu David Lynch und Pedro Almodóvar.

Vergangenes Jahr wurde sie bei den Filmfestspielen in Venedig nicht nur für ihre Leistung in Almodóvars Madres paralelas als beste Schauspielerin ausgezeichnet; sie sorgte am Festival auch in der Satire Competencia oficial für Aufsehen. Und bewies damit einmal mehr und en passant, dass sie Drama wie Komödie gleichermassen mühelos beherrscht. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Penélope Cruz vor allem wegen ihrer Schönheit wahrgenommen wurde. Grund genug, Schlaglichter auf eine Karriere zu werfen, deren eindrucksvollste Stationen abseits von Hollywood liegen und die mit vielfältigen Highlights der europäischen Filmkunst aufwarten kann, von Bigas Lunas Jamón Jamón (1992) bis zur Vorpremiere von Competencia oficial (2021).

Bild: Judex

Bild: La reina de España


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The Story of Film: 37 Episoden 14+15

Filmpodium für Kinder: Anne liebt Philipp

In den Episoden 14+15 seiner Serie erkundet Mark Cousins das digitale Filmschaffen der 1990er-Jahre, das Kino der 2000er-Jahre und die Auswirkungen von 9/11 auf den Film. Dazu sind Oliver Stones rabiate ­Tarantino-Adaption Natural Born Killers, David Lynchs Traumfilm Mulholland Drive, Nicolas Philiberts anrührendes Lehrerporträt Être et avoir, Alexander Sokurows Bilderstrom Russian Ark und Gus Van Sants Studie über «school violence» Elephant zu sehen.

Anne verliebt sich Hals über Kopf in den neuen Klassenkameraden Philipp. Doch auch Ellen, ein stets todschick angezogenes Kindermodel, macht ihm schöne Augen. Dazu kommt, dass ­Philipp ausgerechnet in das Haus gezogen ist, in dem sich einst Unheimliches zugetragen haben soll.

Bild: Elephant

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Bild: Anne liebt Philipp

Einzelvorstellungen Preview: Der Waldmacher Viewer’s Digest: Super-8-Filme Sélection Lumière: Lady and the Tramp

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Poesie der Angst – Die Visionen von Georges Franju Georges Franjus abgründig schöne Bilder prägen das Kino und die Filmschaffenden bis heute. Wer sie auch nur einmal gesehen hat, wird sich der hypnotischen Wirkung seiner Filme nicht mehr entziehen können. Franju, selbst einer der besten Kenner der Filmgeschichte, hat als Regisseur eigentliche Operationen am offenen Auge seines Publikums vorgenommen – seither sehen wir für immer anders. Die junge Frau mit weisser Maske anstelle eines Gesichts geht langsam aus ihrem Gefängnis hinaus in den nächtlichen Wald. Das Blut eines geschlachteten Pferdes dampft in der Morgenkälte. Eine Junge springt über Schützengräben, während am Himmel Flammen leuchten. Ein abgeschnittenes Ohr fällt in ein frisches Grab. Ein Mann mit Vogelkopf im Smoking trägt eine tote Taube in der offenen Hand. Es sind Bilder, erschreckend und zauberhaft schön zugleich, von denen man denken würde, dass sie nur aus den eigenen Träumen stammen können, hätten wir sie nicht auf der Kinoleinwand vorgeführt gesehen. «Franju – Le visionnaire» hat André S. Labarthe den Filmemacher, von dem diese Bilder stammen, treffend betitelt. Und tatsächlich scheinen Georges Franjus Filme wie Visionen eines Mystikers: absolut konkret und zugleich ­poetisch überhöht, lassen sie sich niemals zu Ende deuten. Schon in seinem frühen Dokumentarfilm Le sang des bêtes über die Schlachthöfe an der Pariser Peripherie ging es Franju nach eigenen Aussagen nicht nur darum, ohne jede Rücksicht zu zeigen, welche Gewalt den Tieren hier alltäglich widerfährt, sondern, dass zur selben Zeit, nur wenige Hundert Meter entfernt, Kinder Ringelreihen tanzen und Liebende sich küssen. Der Horror und die Zärtlichkeit – sie sind bei Franju keine Widersprüche, sondern immer ein Paar. Und statt mit eindeutigen Antworten bleiben wir verzaubert und schockiert zurück, auf jeden Fall aber für immer verändert. Wer Franjus Visionen gesehen hat, wird sie nicht mehr los. Liebevoller Chirurg Der 1912 geborene Georges Franju war auch im wörtlichen Sinn ein Visionär: ein Vielseher, dessen Filmkenntnisse ihn zu einem der Väter der Filmgeschichtsforschung machten. Gemeinsam mit Henri Langlois gründete er 1935 Verzaubert: Judex Verführt: Blue Velvet


06 den Filmclub Cercle du cinéma – mit La chute de la maison Usher von Jean Epstein, Robert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari und Paul Lenis The Cat and the Canary als erstem Programm. Nur ein Jahr später wird aus dem ­Filmclub die Cinémathèque française und Franju damit zum Mitbegründer der wichtigsten filmhistorischen Institution Europas. Später ist er leitender ­Sekretär der Internationalen Vereinigung der Filmarchive FIAF und Generalsekretär des Institut de cinématographie scientifique. Seine eigenen Filme sind immer wieder direkte Reaktion auf all die Filme, die er in jungen Jahren selbst gesehen und geliebt hat: Er porträtiert beispielsweise den Filmpionier und Kinozauberer Georges Méliès und dreht mit Judex 1963 ein verspieltes Remake jener gleichnamigen Filmserie von Louis Feuillade aus den 1910er-Jahren. Franjus Filme sind immer auch Liebeserklärungen ans Kino seiner Vorläufer. Von den Dokumentarfilmen Jean Painlevés (mit dem er am Institut de cinématographie scientifique zusammenarbeiten wird) lernt Franju früh die Verschränkung von wissenschaftlicher Präzision und poetischen Bildideen und kombiniert sie mit dem Expressionismus Friedrich Wilhelm Murnaus, der träumerisch-anarchischen Verspieltheit Jean Vigos oder dem Surrealismus Luis Buñuels. Alles näht er virtuos zusammen, so wie der Chirurg in Franjus wohl berühmtesten Film Les yeux sans visage, der jungen Frauen das Gesicht wegschneidet, um es seiner Tochter zu transplantieren. Dass das Drehbuch vom Autorenduo Pierre Boileau und Thomas Narcejac stammt, die schon die Vorlage für Henri-Georges Clouzots Les diaboliques und Alfred Hitchcocks Vertigo lieferten, zeigt zusätzlich, wie sehr sich der Film auf die Kinogeschichte bezieht. Zugleich sprengt er jede bis anhin geltende Form. Wo andere Filme nur eine Tonart nutzen, ist Les yeux sans visage ebenso märchenhaft wie schonungslos dokumentarisch, explizit und subtil, brutal und sanft, dunkler Thriller, grell ausgeleuchteter Splatterhorror und trauriges Melodram in einem. Das Werk ist mit seinem zärtlichen Schrecken ein Solitär geblieben und gerade deshalb Inspiration und Herausforderung für andere Filmschaffende: Pedro Almodóvar hat mit La piel que habito eine explizite Variation von Les yeux sans visage gedreht, und wer sich mit Franju im Hinterkopf so unterschiedliche Filme wie Tobe Hoopers berüchtigten The Texas Chain Saw Massacre oder David Lynchs Blue Velvet anschaut, wird sofort erkennen, wie sehr sie beide im Versuch, das unaussprechlich Grauenhafte mit dem wundersam Poetischen zu verbinden, auch Kinder Franjus sind. Mysteriöser Einzelgänger Im Gegensatz zu seinen Nachfahren ist George Franju bis heute einem breiten Publikum weitgehend unbekannt – und das, obwohl er für die Filmgeschichte als Archivar wie als Künstler so einflussreich war. Das liegt auch daran, dass er bis zu seinem Tod 1987 in all seinen Filmen radikal eigenwillig, ja merk-


07 würdig abseitig geblieben ist. Anders als bei den Regisseuren und Regisseurinnen der Nouvelle Vague, die bei ihm zur Schule gingen, waren Franjus Filme nie in Mode, passten nie zum Zeitgeist. Seine Werke sind vielmehr mysteriöse Einzelgänger, so wie der Junge in seinem Film Thomas l’imposteur, der mit gefälschter Uniform und Biografie in den Truppen des Ersten Weltkriegs auftaucht und wieder verschwindet, ohne dass wir seine Motive ganz ergründen könnten. Franjus Kino will sich entziehen wie Thérèse Desqueyroux im gleichnamigen Film, die es im Käfig grossbürgerlicher Wohlanständigkeit nicht mehr aushält, oder wie der junge François, der am Anfang von La tête contre les murs auf seinem Motorrad über die Wiesen rast und einfach nur davonfliegen möchte. Franju, der als 15-Jähriger Fantômas, Freud und Sade studierte, die schon den Surrealisten als Schutzheilige dienten, war mit seiner Affinität für die Anfänge des Kinos entweder zu spät geboren oder in seinem Gefühl für den subtilen Horror, der unter den anständigen Oberflächen lauert, seiner Zeit voraus. Wahrscheinlich hat er uns in seinem sanften Unwohlsein gerade d ­ eshalb heute so viel zu sagen. Wenn wir uns beispielsweise Franjus scheinbar simplen und von der zeitgenössischen Kritik kaum ernst genommenen Krimi Pleins feux sur l’assassin (wieder nach einem Drehbuch von Boileau/Narcejac) anschauen, erkennen wir darin die Vorwegnahme jener New-Media-Paranoia, die aktuell als Black Mirror- oder Squid Game-Episoden auf unseren Bildschirmen laufen, einfach mit Mikrofon und Bandgerät statt Mobiltelefon und Internetüberwachung. Und der alles beobachtende Spielleiter ist bei Franju kein egomanisches Mastermind, sondern ein vergessener Toter in einem Spiegelschrank. Was für eine schaurig-schöne Vorstellung, dass der Blick, den ­dieser Film einnimmt, von Totenaugen hinter einem Spiegel kommt. Möglicherweise ist genau das die visionäre Perspektive Franjus: Es ist der Blick von einem, der aus der Zeit gefallen ist, ein Blick, der dadurch zeitlos bleibt, fähig, uns zärtlich immer wieder neue Schrecken sehen zu lassen. Johannes Binotto

Johannes Binotto, Kokurator dieser Reihe, ist Kultur- und Medienwissenschaftler, ­Videoessayist und Filmpublizist. Seine Spezialgebiete sind die Phänomene des Unheimlichen und die Schnittstellen zwischen Filmtheorie, Technikgeschichte und Psychoanalyse. www.schnittstellen.me


> Mon chien.

> Le sang des bêtes.

> L’Atalante.

> La première nuit.


Georges Franju

ORTSBESUCHE. ­ DIE FRÜHEN DOKUMENTARFILME

PORTRÄTS ZWISCHEN DOKUMENTAR- UND SPIELFILM

Georges Franjus Filmkarriere beginnt mit poetisch-dokumentarischen Ortsbesuchen: der Reise durch die Pariser Metro, die er zusammen mit Henri Langlois realisierte, der Wanderung durch die Landwirtschaft- und Industriegebiete Lothringens oder der Betrachtung der Nebeln des Weltalls, mit denen sein filmisches Gedicht über den Staub Les poussières beginnt. In seinem wohl berüchtigtsten Kurzfilm Les sang des bêtes geht Franju in die Pariser Schlachthäuser vor den Toren von Paris, um der Tötung der Tiere zuzu­ sehen. Der Filmkritiker Amos Vogel hat es «eines der grossen Meisterwerke des subversiven Films» genannt, das sogar das Zerschneiden des Auges in Un chien andalou von Luis Buñuel übertreffe, denn die Zerstörung des Auges war fiktiv, das Blut der Tiere hingegen Wirklichkeit. Die Wirklichkeit einer anderen Schlachterei, jener des Krieges, nimmt Franju kurz darauf mit Hôtel des Invalides in den Blick: Der Film beginnt mit den blitzenden Rüstungen und Schwertern im Museum und endet auf den zerstörten Gesichtern der Weltkriegsveteranen (derselben Kriegsversehrten, die auch zu den Glasaugen in Henri Storcks Pour vos beaux yeux greifen müssen). Die thematischen und visuellen Obsessionen, denen Franju in seinen Spielfilmen nachgeht, sind hier alle schon versammelt, mit heftigster Intensität. (Johannes Binotto)

Wie in seinen Langfilmen vermischt sich auch in Franjus kurzen Porträts Dokumentarisches mit Fiktion auf vielschichtige Weise. In seinem Film über den von ihm so verehrten Georges Méliès wird der Filmpionier von keinem anderen als ­dessen eigenem Sohn gespielt, und auch Méliès’ Witwe tritt selbst im Film auf. Der Film ist Dokumentation, melancholische Liebeserklärung und Reenactment in einem. Auch bei Mon chien, Franjus erstem Spielfilm, ist ungewiss, was hier echt ist und was Fiktion, ist doch die Hauptfigur kein trainierter Schauspieler, sondern ein Deutscher Schäferhund. In Monsieur et Madame Curie werden Spielszenen um das berühmte Wissenschaftspaar mit dokumentarischen Aufnahmen von Experimentalanordnungen kombiniert. In Rendez-vous avec Fantômas bringt Franju schliess­lich Marcel Allain, den Koautor und Miterfinder der legendären Verbrecherfigur Fantômas, vor die Kamera, und zwar ganz ohne Maske. Franju, seit seiner Jugend von den Fantômas-­ Romanen besessen, hat sich immer gewünscht, seine eigene Kinoversion des Stoffes machen zu können. Sein Kurzfilm ist somit die Erfüllung ­dieses alten Traums. Eine Rückkehr zu den Anfängen ist auch La première nuit, der in jener ­Pariser Metro gedreht wurde, die Franju bereits in seinem allerersten Kurzfilm besucht hatte. ­(Johannes Binotto)

LE MÉTRO (1935)

LE GRAND MÉLIÈS (1952)

8 Min / sw / DCP / stumm // DREHBUCH, REGIE, KAMERA,

31 Min / sw / 35 mm / F/e // DREHBUCH UND REGIE Georges

SCHNITT Georges Franju, Henri Langlois.

Franju // KAMERA Jacques Mercanton // MUSIK Georges Van Parys.

LE SANG DES BÊTES (1949) 20 Min / sw / DCP / F/e // REGIE Georges Franju // DREHBUCH

MON CHIEN (1955)

Georges Franju, Jean Painlevé // KAMERA Marcel Fradetal //

25 Min / sw / Digital HD / F/d // REGIE Georges Franju // DREH-

MUSIK Joseph Kosma // SCHNITT André Joseph.

BUCH Georges Franju, Jacques Prévert // KAMERA Georges Delaunay, Jean Penzer // MUSIK Henri Crolla // SCHNITT

EN PASSANT PAR LA LORRAINE (1950)

­Suzanne Sandberg.

31 Min / sw / 16 mm / E // DREHBUCH UND REGIE Georges Franju // KAMERA Marcel Fradetal // MUSIK Joseph Kosma //

MONSIEUR ET MADAME CURIE (1953)

SCHNITT André Joseph.

14 Min / sw / 16 mm / F/e // DREHBUCH UND REGIE Georges Franju // KAMERA Marcel Fradetal // SCHNITT Roland Coste.

HÔTEL DES INVALIDES (1951) 22 Min / sw / Digital HD / F/e // DREHBUCH UND REGIE ­Georges

RENDEZ-VOUS AVEC FANTÔMAS (1966)

Franju // KAMERA Marcel Fradetal // MUSIK Maurice Jarre //

24 Min / sw / Digital HD / F/d // REGIE Georges Franju.

SCHNITT Roland Coste.

LA PREMIÈRE NUIT (1958) LES POUSSIÈRES (1953)

23 Min / sw / DCP / stumm // REGIE Georges Franju // DREH-

22 Min / sw / 16 mm / F/d // DREHBUCH UND REGIE Georges

BUCH Marianne Oswald, Rémo Forlani, Georges Franju // KA-

Franju // KAMERA Jacques Mercanton // MUSIK Jean Wiener

MERA Eugen Schüfftan // MUSIK Georges Delerue // SCHNITT

// SCHNITT Roland Coste.

Henri Colpi, Jasmine Chasney.

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Georges Franju

FILMVORTRAG VON JOHANNES BINOTTO (60 MIN.) ENTLARVUNGEN. MO, 21. FEB. | 18 UHR ZUR FILMSPRACHE VON GEORGES FRANJU

Die Obsession für Masken, Larven, Fälschungen und fingierte Identitäten ist in Georges Franjus Filmen immer auch gekoppelt an ihr scheinbares Gegenteil: an die Lust, mit sezierender Prä­zision das freizulegen, was sich hinter den Fassaden, unter der schützenden Haut befindet. In seinen ­Filmen herrscht ein ständiges Wechselspiel zwischen unheimlicher Verpuppung und entsetzlicher Entblössung. Darin ähnelt Franju seinen Vorbildern Sigmund Freud und Marquis de Sade wie auch dem maskierten Mörder Fantômas. Doch er entwickelt daraus eine ganz eigene Bildund Tonsprache, die viele Filmschaffende vergeblich zu imitieren versuchten. Anhand zahlreicher Filmausschnitte und im Dialog mit Bild- und Textstücken geht der Kultur- und Medienwissenschaftler Johannes Binotto den filmischen Operationen von Georges Franju nach und will gemeinsam mit dem Publikum dem grossen Chirurgen des Kinos bei der Arbeit auf die Finger schauen. Mit einem Vortrags-Ticket besuchen Sie das nachfolgende Kurzfilmprogramm zum reduzierten Preis. Diese Vergünstigung kann nur an der Kinokasse bezogen werden. man von Hervé Bazin // MIT Pierre Brasseur (Dr. Varmont),

LA TÊTE CONTRE LES MURS

Paul Meurisse (Dr. Emery), Jean-Pierre Mocky (François

Frankreich 1958

Gérane), Anouk Aimée (Stéphanie), Jean Galland (Maître ­

«François (Jean-Pierre Mocky, der auch das Drehbuch des Films nach dem Roman von Hervé Bazin verfasst hat) ist ein französischer ‹Rebel Without a Cause›. In seiner schweren Lederjacke donnert er mit seinem Motorrad durch die Gegend, hängt in Beatnik-Clubs ab und hat immer wieder mal flüchtige Liebschaften, unter anderem mit der schönen Stéphanie (Anouk Aimée). François, der seinen wohlhabenden Vater, einen Anwalt, verachtet, wird von diesem erwischt, als er ihm Geld stiehlt, und verbrennt im Streit und Zorn wichtige juristische Dokumente. Entschlossen, dem Sohn eine Lektion zu erteilen, sperrt der Vater ihn in eine psychiatrische Anstalt unter der Aufsicht des tyrannischen Hardliners Dr. Varmont (Pierre Brasseur). François freundet sich mit Heurtevent (Charles Aznavour in seiner ersten Rolle) an, einem epileptischen Mitpatienten, der wie er von der Flucht träumt. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg in die Freiheit ...» (www. newwavefilm.com) «La tête contre les murs ist ein ‹zutiefst empfundener› Film, weil ich Respekt vor sogenannt Geisteskranken habe, weil ich mich ihnen sehr nahe fühle. Da mir das grosse Angst einflösst, habe ich einen Film realisiert, der mir und anderen Angst macht. Der Film La tête contre les murs ist ein wahrhaftiger Film, der ansteckend ist ... kurz gesagt, ein Film des Terrors.» (George Franju, cinéaste, Maison de la Villette 1992)

Elzéar de Chambrelle), Thomy Bourdelle (Colonel Donnadieu).

95 Min / sw / 35 mm / F/d // REGIE Georges Franju // DREHBUCH Jean-Pierre Mocky, Jean-Charles Pichon, nach dem Ro-

­Gérane), Charles Aznavour (Heurtevent), Jean Ozenne (Comte

LES YEUX SANS VISAGE Frankreich/Italien 1960 Der Pariser Chirurg Dr. Génessier verursacht einen Autounfall, bei dem das schöne Gesicht seiner Tochter Christiane schwer entstellt wird. Daraufhin versteckt er die für tot gehaltene junge Frau ausserhalb der Stadt. Zusammen mit seiner Assistentin bringt er Studentinnen in seine Gewalt, um deren Gesichtshaut auf das Gesicht seiner Tochter zu transplantieren, jedoch ohne Erfolg. Eines Tages kommt Christiane hinter das furchtbare Geheimnis ihres Vaters. «Kaum ein Regisseur hat die Psychogeogra­fie des Schreckens so gründlich erforscht wie ­Georges Franju (...). In Eugen Schüfftans exquisiten Schwarzweissbildern finden die quasi-dokumentarischen (eisige Präzision der unmenschlichen Operationen) und fantastischen Interessen von Franju kongenial zusammen: Emotionales Zentrum dieses grausamen Märchens ist die Tochter, durch schimmernde, leere Fluchten wandelnd, das verzweifelte Augenpaar hinter der starren Kabuki-Maske vom langsamen Gleiten in den Wahnsinn berichtend. Ein essenzieller Film über die Poesie des Terrors.» (Christof Huber, filmmuseum.at, 18.10.2005)

 Am Mittwoch, 16. Februar, 20.45 Uhr: Einführung von Nicole Reinhard


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Georges Franju 90 Min / sw / DCP / F/e // REGIE Georges Franju // DREHBUCH Pierre Boileau, Thomas Narcejac, Jean Redon, Claude Sautet // KAMERA Eugen Schüfftan // MUSIK Maurice Jarre // SCHNITT Gilbert Natot // MIT Pierre Brasseur (Dr. Génessier), Alida Valli (Louise), Edith Scob (Christiane Génessier), Juliette Mayniel (Edna Gruber), François Guérin (Dr. Jacques Vernon), Alexandre Rignault (Inspektor Parot), Claude Brasseur (Polizeiinspektor), Béatrice Altariba (Paulette Méroudon), Michel Etcheverry (Dr. Lherminier).

PLEINS FEUX SUR L’ASSASSIN Frankreich 1960 «Als Graf Hervé de Kerloguen spürt, dass sein Ende naht, zieht er seine Malteser-Ritter-Robe an und schliesst sich in einem geheimen Raum im Herzen seines Schlosses ein. Dieser makabre Scherz kommt bei den Nichten und Neffen des Grafen nicht besonders gut an, denn ohne Leiche gibt es kein Erbe. Um die Unterhaltskosten für das Schloss, ein imposantes mittelalterliches Gebäude, zu decken, beschliessen sie, ein Licht- und Tonspektakel zu veranstalten. Doch während der Vorbereitungen zu diesem Event stirbt einer der Erben unter beunruhigenden Umständen. Auf dieses erste Drama folgt ein zweites und schliesslich ein drittes. Die Geschichte der ‹kleinen Negerlein› von Agatha Christie wiederholt sich. Unter den Nichten und Neffen des toten Spassvogels befindet sich offensichtlich ein Mörder. Aber wer ist der Täter?» (Jean de Baroncelli, Le Monde) «Mit Pleins feux sur l’assassin inszenierte Franju eine der schönsten und anmutigsten Genre-Parodien (…), in der sich Horror und Humor in einer Endlosschleife gegenseitig befruchten. (…) Dieses Konzept ist sehr charakteristisch für Pierre Boileau und Thomas Narcejac, das Autorenteam, das sowohl Pleins feux sur l’assassin als auch Franjus Kultfilm Les yeux sans visage und die Romane, die Henri-Georges Clouzots Les diaboliques und Alfred Hitchcocks Vertigo inspirierten, geschrieben hat. (…) Tonal hebt sich Pleins feux sur l’assassin jedoch deutlich von ­ früheren Verfilmungen von Boileaus und ­Narcejacs Werk ab, da er die in Les diaboliques und Vertigo verborgene Komik hier in den Vordergrund rückt.» (Chuck Bowen, slantmagazine. com, 16.6.2017) 95 Min / sw / DCP / F/e // REGIE Georges Franju // DREHBUCH Pierre Boileau, Thomas Narcejac, Georges Franju // KAMERA Marcel Fradetal // MUSIK Maurice Jarre // MIT Pierre Brasseur (Comte Hervé de Kerloguen), Pascale Audret (Jeanne Benoist-Sainval), Jean-Louis Trintignant (Jean-Marie de Kerloguen), Marianne Koch (Edwige), Dany Saval (Micheline), Jean Babilée (Christian de Kerloguen), Georges Rollin (Claude Benoist-Sainval), Gérard Buhr (Henri).

THÉRÈSE DESQUEYROUX Frankreich 1962 «Thérèse lebt in einer Provinzstadt, unglücklich verheiratet mit Bernard, einem langweiligen, aufgeblasenen Mann, dessen einziges Interesse darin besteht, seinen Familiennamen und seinen Besitz zu bewahren. Sie wohnen in einem abgelegenen Landhaus, umgeben von Bediensteten. Thérèses einziger Trost ist ihre Faszination für Bernards Kiefernwald und vor allem ihre Liebe zu ihrer Schwägerin, Bernards Halbschwester Anne, die der Hauptgrund für ihre Heirat war. Der Film erzählt in einer Rückblende die Umstände, die dazu führten, dass Thérèse angeklagt wurde, ihren Mann vergiftet zu haben. » (letterboxd.com) «Eine Frau zögert am Rande eines sich verdunkelnden Dorfplatzes und starrt auf eine regungslose Gestalt im Schatten; zwei weiss gekleidete Mädchen, eine schillernde Andeutung vergangener Unschuld, fahren auf ihren Rädern eine sonnigen Weg entlang; hohe Bäume recken ihre Äste und bilden eine undurchdringliche Barriere gegen den Himmel, Waldtauben kämpfen unter dem Netz eines Jägers um ihre Freiheit. Man hätte keine Angst vor der Widerspenstigkeit von Mauriacs Roman haben müssen, denn die Welt von Thérèse ist unverkennbar die von Franju, eine Vision des Lebens als Käfig, gegen den der Gefangene entweder hilflos anflattert oder an dem er sich in einer verzweifelten Suche nach Identität zerschmettert.» (Tom Milne, Sight & Sound, 4/1965) 109 Min / sw / 35 mm / F/e // REGIE Georges Franju // DREHBUCH François Mauriac, Claude Mauriac, Georges Franju, nach einem Roman von François Mauriac // KAMERA Christian Matras // MUSIK Maurice Jarre // SCHNITT Gilbert Natot // MIT Emmanuelle Riva (Thérèse Desqueyroux), Philippe Noiret (Bernard Desqueyroux), Edith Scob (Anne de la Trave), Sami Frey (Jean Azévédo), Jeanne Perez (Balionte).

JUDEX Frankreich/Italien 1963 Favraux, ein skrupelloser Bankier, erhält einen mit «Judex» gezeichneten Drohbrief, in dem er aufgefordert wird, die Leute, die er betrogen hat, zu entschädigen. Er weigert sich und stirbt scheinbar nach einem mitternächtlichen Trinkspruch auf seinem Maskenball. Judex hat ihn jedoch nur betäubt und eingesperrt. Der mysteriöse Rächer verschont Favraux’ Leben, als dessen Tochter, Jacqueline, ihr Erbe ausschlägt. Währenddessen entführt Diana Monti, die ehemalige Gouvernante bei Favraux, Jacqueline, um an das Geld des Bankiers zu kommen. Doch Judex ist ihr dicht auf den Fersen.


> La chute de la maison Usher.

> Ensayo de un crimen.

> La pieuvre.


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Georges Franju «Franjus Judex ist nicht nur ein verdichtetes Remake von Feuillades gleichnamigem Serial – es gelingt ihm auch, den Spass und die Aufregung des Vorbildes einzufangen. Dabei mischt er das Fantastische mit Sozialkritik. Und doch ist Judex poetischer und unwirklicher, melancholischer und erotischer, gelegentlich auch komischer als Feuillades Werk; zudem kommt der langsamere Rhythmus hinzu, der Judex etwas TraumhaftSchwebendes verleiht. Ein Film wie aus der Zeit gefallen. 1916 oder 1963 – das erscheint mit einem Mal gar nicht wichtig.» (Michael Ranze, filmdienst.de, 15.12.2021)

­ erwandlung, der Träumer erwacht schliesslich V inmitten von Stacheldraht.» (Fernando F. Croce, cinepassion.org) 94 Min / sw / 35 mm / F/e // REGIE Georges Franju // DREHBUCH Michel Worms, Georges Franju, Jean Cocteau, Raphael Cluzel, nach dem Roman von Jean Cocteau // KAMERA ­Marcel Fradetal // MUSIK Georges Auric // SCHNITT Gilbert Natot // MIT Emmanuelle Riva (Princesse de Bormes), Jean Servais (Pasquel-Duport), Fabrice Rouleau (Guillaume ­Thomas de Fontenoy), Sophie Darès (Henriette), Rosy Varte (Madame Valiche), Bernard Lavalette (Dr. Gentil), Jean-Roger Caussimon (Bischof), Hélène Dieudonné (Thomas’ Tante), Jean Ozenne (Comte d’Orange).

97 Min / sw / Digital HD / F/e // REGIE Georges Franju // DREHBUCH Arthur Bernède, Jacques Champreux, nach einem Drehbuch von Louis Feuillade // KAMERA Marcel ­Fradetal // MUSIK Maurice Jarre // SCHNITT Gilbert Natot //

LA FAUTE DE L’ABBÉ MOURET

MIT Channing Pollock (Judex/Vallières), Francine Bergé

Frankreich 1970

­(Diana Monti/Marie Verdier), Edith Scob (Jacqueline Favraux), Théo Sarapo (Morales), Sylva Koscina (Daisy), René Génin ­(Pierre Kerjean), Roger Fradet (Leon), André Méliès (Doktor).

THOMAS L’IMPOSTEUR Frankreich 1965 «Die flatterhafte Prinzessin gibt einen letzten Ball vor dem Ersten Weltkrieg, dann tauscht sie Federn und Pelze gegen einen Krankenschwesternkittel und schliesst sich einer Karawane von Krankenwagen an. Es ist schwieriger als erwartet, die Soldaten an der Front zu erreichen, aber zum Glück gibt es Thomas, dessen Nachname im Kriegsministerium wie ein Sesam-öffne-dich ist. Brennende Städte und Leichenberge erwarten sie, Rousseaus Kriegspferd galoppiert mit brennender Mähne vorbei – nicht gerade das Abenteuer, das sich die Heldin erhofft hat. Sie kehrt in ihrer Romantik erschüttert nach Hause zurück, während der junge Abenteurer weiterzieht, ein mondsüchtiger Schuljunge, der an seine eigenen heroischen Maskeraden glaubt. Ode an Cocteau, Rückkehr ins Hôtel des Invalides. (…) Georges Franju verleiht der flirrenden Erzählung eine bissige Lesart, Entsetzen und Schönheit prägen jede einzelne Bildkomposition. Das belgische Niemandsland erscheint als winterliches, fremdartiges Terrain mit verwüsteten Schützengräben und Giftgaswolken; wer in der Dunkelheit ein Licht anmacht, bekommt eine Kugel in den Kopf. (Die gefährliche Beleuchtung beschert immerhin für ein paar Sekunden den Anblick von Édith Scobs Gesicht, eine engelhafte Vision.) Der Priester zwingt den Mund einer gefrorenen Leiche auf und wirft eine Hostie hinein, ein alter Kriegstreiber springt auf die Bühne und hüllt sich in die Nationalflagge: ‹Unreines Blut soll unsere Furchen tränken!› Fälschung und

«Ein junger französischer Priester, Pater Mouret, übernimmt eine Pfarrei in der Provinz, wo sich die Bauern längst allen möglichen Sünden hingegeben haben. Der Priester selbst sublimiert seine eigenen lüsternen Gedanken erfolgreich im Gebet, bis er eines Tages eine seltsame junge Frau, Albine, kennenlernt, die mit ihrem atheistischen Onkel in den Ruinen eines alten Schlosses inmitten eines magischen Gartens lebt. Eines führt zum anderen, und der arme Pater Mouret verliert sein Gedächtnis lange genug, um sich im Garten mit Albine, die ihn wie Eva verführt, den weltlichen Freuden hinzugeben. Auch wenn Franju in diesem Fall eindeutig für den Apfelverzehr ist, laufen die Dinge schlecht für das Paar.» (Vincent Canby, The New York Times, 21.10.1977) «Eines der bemerkenswertesten Merkmale von Zolas Roman ist der abrupte Stilwechsel, der eintritt, (…) wenn der junge Landpfarrer (…) sein Gedächtnis verliert und einen plötzlichen Identitätswechsel erfährt. Franju empfindet diesen mit einem ähnlich dramatischen Wechsel der eingesetzten filmischen Mittel nach. Die karge Landschaft auf dem Lande, die in einer Palette von trüben Braun- und Grüntönen gefilmt wurde, verwandelt sich plötzlich in einen üppigen Garten Eden, mit kräftigerer Beleuchtung und viel lebendigeren Farben. Viele Aufnahmen sind gelungene Imitationen von Gemälden der Impressionisten Renoir, Monet und Manet.» (James Travers, frenchfilms.org, 2014) 100 Min / Farbe / Digital HD / F/e // REGIE Georges Franju // DREHBUCH Georges Franju, Jean Ferry, nach dem Roman von Émile Zola // KAMERA Marcel Fradetal // MUSIK Jean Wiener // SCHNITT Gilbert Natot // MIT Francis Huster (Serge Mouret), Gillian Hills (Albine), André Lacombe (Archangias), Margo Lion (La Teuse), Lucien Barjon (Barberousse), Fausto Tozzi (Jeanbernat), Tino Carraro (Dr. Pascal).


> Vertigo.

> Thomas l’imposteur.

> La tête contre les murs.


Georges Franju

NUITS ROUGES Frankreich/Italien 1974 «Die Geschichte dreht sich um den mythischen Schatz der Templer, ein Geheimnis, das lange von diesem Geheimbund gehütet wurde und von allen anderen, die seine Existenz vermuten, begehrt wird. Der namenlose Meisterverbrecher (Jacques Champreux), der nur als ‹der Mann ohne Gesicht› bekannt ist, ist einer derjenigen, die diesen Schatz suchen, und er ist bereit, alles zu tun, um ihn zu bekommen. Der Film wurde aus einer achtteiligen Fernseh-Miniserie zusammengeschnitten – Franju hat die Geschichte auf ihre nackte Essenz reduziert und bietet einen schrägen Moment nach dem anderen, ohne sich um Kontinuität zu kümmern. Inmitten all dieser Intrigen und Spionagefilm-Pastiches wird Paul (Ugo Pagliai) wegen ­seines ermordeten Onkels, der den Schatz der Templer bewacht hatte, in das Geheimnis hineingezogen, während Polizeiinspektor Sorbier (Gert Fröbe) versucht, sich einen Reim auf das Ganze zu machen, und der ‹Dichterdetektiv› (was immer das auch sein mag) Séraphin (Patrick Préjean) herumstümpert und alles vermasselt. Franjus visuelle Vorstellungskraft ist durchgehend auf ­ Hochtouren und spinnt eine alberne, endlos einfallsreiche Reihe von farbenfrohen Versatzstücken.» (Ed Howard, Seul-le-cinema, 8.4.2010) «Feuillades Irma Vep taucht in Nuits rouges (...) als ‹la femme› wieder auf, während ihr mysteriöser Partner, ‹l’homme sans visage› (gespielt von Champreux selbst), ein skrupelloser Meister der Verkleidung ist, inspiriert von Mabuse, Fu Manchu und natürlich Fantômas selbst. Kein Wunder also, dass seine fantastische Geheimbasis unter einem Kurzwarenladen in der ‹13, Rue Fantôme› versteckt ist. Franju und Champreux haben ihren lang gehegten Traum, Fantômas zurück auf die grosse Leinwand zu bringen, vielleicht nie verwirklichen können, aber dieses verrückte Pastiche mit seinem furchteinflössenden und entwaffnend zupackenden Antagonisten kommt ihm sehr nahe.» (Anton Bitel, filmint.nu, 1.11.2008) 105 Min / Farbe / Digital HD / F/d // REGIE Georges Franju // DREHBUCH Jacques Champreux // KAMERA Guido Bertoni // MUSIK Georges Franju // SCHNITT Gilles Mathot, Gilbert ­Natot // MIT Gayle Hunnicutt (die Frau), Jacques Champreux

INSPIRATIONEN, WEGGEFÄHRTEN UND BEWUNDERER LES VAMPIRES EXISTENT – WISSENSCHAFT UND SURREALISMUS Der Surrealismus ist nicht das Gegenteil, sondern vielmehr die Übersteigerung des Realismus – so sagt es schon sein Name. Entsprechend schnell kann präzise Beobachtung ins Traumartige kippen. Die Tierfilme von Jean Painlevé gelten nicht nur als Pionierleistungen des dokumentarischen Films, sondern wurden auch als surrealistische Kunstwerke gefeiert, etwa wenn in La pieuvre ein Oktopus mit einem Totenschädel zu kopulieren scheint oder in seinem Fledermausfilm Le vampire plötzlich auch Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu sowie Anspielungen auf die Nazis auftauchen. Painlevé hat nicht nur Georges Franjus Stil inspiriert, in dem sich chirurgische Genauigkeit und surreale Poesie mischen, sondern war auch sein Arbeitskollege am Institut de cinématographie scientifique, dem Franju als General­ sekretär vorstand. Jean Epsteins Klassiker des surrealistischen Stummfilms, die Edgar-AllanPoe-Adaption La chute de la maison Usher, war Teil des ersten Programms des von Franju zusammen mit Henri Langlois gegründeten Filmclubs «Cercle du cinéma». Und ob Franju beim Titel seines Films Les yeux sans visage nicht unweigerlich auch an die vom Gesicht losgelösten Augen aus Glas in Henri Storcks verstörendem Filmgedicht Pour vos beaux yeux denken musste? (Johannes Binotto) LA PIEUVRE (FRANKREICH 1928) 13 Min / sw / Digital HD / stumm, f+d Zw’titel // REGIE UND ­KAMERA Jean Painlevé.

POUR VOS BEAUX YEUX (BELGIEN 1929) 8 Min / sw / Digital HD / stumm // REGIE UND KAMERA Henri Storck // DREHBUCH Félix Labisse // MIT Félix Labisse, Ninette ­Labisse, Henry Van Vyve.

LA CHUTE DE LA MAISON USHER (F/USA 1928) 66 Min / tinted / DCP / stumm, f Zw’titel/e // REGIE Jean ­Epstein, Regieassistenz: Luis Buñuel // DREHBUCH Jean E ­ pstein, nach Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe // KAMERA Georges ­Lucas, Jean Lucas // MIT Marguerite Gance (Lady ­Madeleine

(der Mann ohne Gesicht), Josephine Chaplin (Martine Leduc),

Usher), Jean Debucourt (Sir Roderick Usher).

Ugo Pagliai (Paul de Borrego), Gert Fröbe (Kommissar

LE VAMPIRE (1945)

­Sorbier), Patrick Préjean (Séraphin Beauminon), Raymond Bussières (Käufer), Clément Harari (Dr. Dutreuil).

9 Min / sw / 35 mm / F/e // REGIE UND KAMERA Jean Painlevé // MUSIK Duke Ellington // MIT Jean Painlevé (Erzähler). LIVE-BEGLEITUNG DER STUMMFILME: WIESLAW P ­ IPCZINSKY, KAUFDORF (THEREMIN, AKKORDEON, SYNTHESIZER, PIANO)

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Georges Franju

L’ATALANTE Frankreich 1934 «In einem kleinen Dorf am Fluss heiratet der Lastkahn-Kapitän Jean seine geliebte Juliette. Die junge Frau vom Land folgt ihrem Mann auf die ‹Atalante›, wo ausserdem noch ein kauziger älterer Matrose und der Schiffsjunge leben. Juliette hat offensichtlich kaum eine Vorstellung davon, was sie auf dem Kahn erwartet. Und so leidet sie schon bald unter dem beengten, eintönigen Leben an Bord. Zwar sorgt der eigenwillig tätowierte und katzenvernarrte Père Jules mit seinen Geschichten sowie seiner Kajüte voller absonderlicher Trouvaillen immer mal wieder für Abwechslung, doch Juliette wird weder auf der ‹Atalante› noch auf Frankreichs Kanälen hei­ misch. Und als sie vor den Toren von Paris ankern, stiehlt sie sich mitten in der Nacht vom Schiff, um in die Hauptstadt zu fahren, von der ihr ein Gaukler auf Wanderschaft in den höchsten Tönen vorgeschwärmt hat. Jean, zutiefst verletzt, will nicht auf ihre Rückkehr warten und lichtet den Anker.» (Xenix, Juni/Juli 2015) Georges Franjus Cocteau-Verfilmung Thomas l’imposteur ist viel näher an Jean Vigo als an Cocteaus eigenen überladenen Filmen. Vigos zärtlicher Lakonie, seiner Fähigkeit, eine simple Frachterkajüte – zugleich realistisch und überhöht – als Zauberkammer und ärmliche Behausung erscheinen zu lassen, hat auch Franju immer nachgeeifert. (Johannes Binotto) 89 Min / sw / DCP / F/d // REGIE Jean Vigo // DREHBUCH Jean Vigo, Albert Riéra, nach einer Vorlage von Jean Guinée // KAMERA Boris Kaufman, Louis Berger // MUSIK Maurice Jaubert // SCHNITT Louis Chavance // MIT Jean Dasté (Jean), Dita Parlo (Juliette), Michel Simon (Père Jules), Gilles Margaritis (Strassenhändler), Louis Lefebvre (Schiffsjunge).

ENSAYO DE UN CRIMEN Mexiko 1955 «In Luis Buñuels vergnüglich-perversem Melodram aus dem Jahr 1955 entdeckt der wohlhabende mexikanische Titelheld Archibaldo de la Cruz – durch die ‹Madeleine-artige›, lange verschollene Spieluhr aus seiner Kindheit – erotische Gewaltfantasien wieder, die seine Jugend geprägt haben und die er nun in die Tat umsetzen will. Archibaldo gelingt das nie ganz, aber er gesteht den Behörden trotzdem, und das aus ­ gutem Grund. Sein hartnäckiges Werben um die fromme Heuchlerin Carlota, seine Tändelei mit dem verheirateten Playgirl Patricia und sein leidenschaftliches Begehren der geistreichen Lavinia sind allesamt durchdrungen von dem ab-

grundtief Bösen seiner immer wieder aufs Komischste vereitelten Absichten. Vor dem Hintergrund von Revolution und Restauration, katholischen Mysterien und aristokratischen Sitten findet Buñuel Bilder für verdrängte Sehnsüchte, die an Freud’sche Röntgenaufnahmen erinnern. In Archibaldos prächtig erdachten, sorgfältig geplanten und minutiös inszenierten Plänen scheinen die Kunst des Mordens und die Kunst des Films eng miteinander verbunden zu sein.» (Richard Brody, The New Yorker) Eine Puppe wie die, an der Archibaldo seine Gewaltfantasien auslebt, steht auch am Anfang von Franjus Le sang des bêtes auf dem Feld vor jenem Schlachthaus, in dem man die Tiere zerlegt. Ihr Antlitz aus Porzellan erinnert an Édith Scobs Maske in Les yeux sans visage. Franju hat sich die absurd-abgründigen Bildmotive von Buñuel ausgeliehen und sie so lange weitergedacht, bis aus dessen surrealem Spass sein realer Horror wurde. (Johannes Binotto) 90 Min / sw / 35 mm / Sp/d // REGIE Luis Buñuel // DREHBUCH Luis Buñuel, Eduardo Ugarte Pages, nach dem Roman von Rodolfo Usigli // KAMERA Augustín Jiménez // MUSIK Jorge Pérez // SCHNITT Jorge Bustos // MIT Ernesto Alonso (Archibaldo de la Cruz), Miroslava Stern (Lavinia), Rita Macedo (Patricia Terrazas), Ariadna Welter (Carlota).

VERTIGO USA 1958 «Wegen seiner krankhaften Höhenangst und der vermeintlichen Schuld am Tod eines Kollegen hat Scottie Ferguson den Polizeidienst quittiert. Kurz darauf wird er von seinem ehemaligen Schulfreund Gavin Elster angeheuert, um dessen unter Depressionen leidende Ehefrau Madeleine vor einem möglichen Selbstmord zu bewahren. Scottie folgt ihr heimlich auf ihren Spaziergängen und Fahrten durch San Francisco, die sie immer wieder zu Orten führen, die mit ihrer vor langer Zeit tragisch verstorbenen Urgrossmutter Carlotta in Verbindung stehen. Bald schon muss Scottie die lebensmüde Madeleine aus der Bucht von San Francisco fischen. Die beiden kommen sich durch die Rettungsaktion näher. Doch als Scottie kurze Zeit später mit Madeleine ein altes Kloster besucht, von dem sie in der Nacht geträumt hat, muss er hilflos zusehen, wie sie vom Kirchturm in die Tiefe stürzt. Einige Monate später lernt er Judy Barton kennen, die Madeleine verblüffend ähnlich sieht …» (KinoK, Januar 2021) Georges Franjus Les yeux sans visage hat mit Hitchcocks Film nicht nur das Autorenteam Pierre Boileau und Thomas Narcejac gemein, ­ sondern auch den grausigen Plot, eine verlorene Frau dadurch neu erschaffen zu wollen, dass man


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Georges Franju ihren Körper umoperiert. Was bei Hitchcock noch als melodramatischer Liebeswahn getarnt ist, zeigt sich bei Franju als jene brutale Gewalt, die sie eigentlich ist. Derart explizite Bilder hat sich Hitchcock nie zu machen getraut, auch in Psycho nicht, der im selben Jahr ins Kino kommt wie Franjus Film. (Johannes Binotto) 129 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREHBUCH Alec Coppel, Samuel A. Taylor, nach dem Roman «D’entre les morts» von Pierre Boileau, Thomas Narcejac // KAMERA Robert Burks // MUSIK Bernard Herrmann // SCHNITT George Tomasini // MIT James Stewart (John «Scottie» Ferguson), Kim Novak (Madeleine Elster/Judy Barton), Barbara Bel Geddes (Midge Wood.

CARNIVAL OF SOULS USA 1962 «Die Organistin Mary Henry ist die einzige Überlebende eines Autounfalls. Kurz darauf nimmt sie einen Job in einer anderen Stadt an. Aber schon auf dem Weg dorthin geschehen seltsame Dinge: Ein ihr unbekannter Mann, extrem blass und mit dunkel unterlaufenen Augen, begegnet ihr an den unmöglichsten Stellen. Sie kommt in der Pension der freundlichen Mrs. Thomas unter, wo auch der schmierige Playboy John Linden wohnt , den ausser ihr scheinbar niemand sieht. (…) Auf unerklärliche Weise fühlt sich Mary zu einem entlegenen,

bereits vor langer Zeit aufgegebenen Vergnügungspark am Ufer des Salzsees hingezogen; immer wieder erscheint in ihren Träumen ein Zombie-Ballett, das in den Ruinen des Pavillons neben dem Rummelplatz expressionistische, in Zeitraffer gefilmte Tanzveranstaltungen feiert ... Stil­ sicher bewegt sich Harvey im Niemandsland zwischen den Horrorproduktionen der Drive-in-Kinos und den visuellen Welten des europäischen Kunstfilms.» (Andreas Rauscher, viennale.at) Herk Harvey ist ein noch grösserer Geheimtipp als Franju geblieben, dabei sind die Stilmittel ­dieser beiden Filmemacher durchaus verwandt. Noch stärker als Franju kommt Harvey aus dem Industrie- und Dokumentarfilm, was diesem ­surrealen Alptraum jenen nüchternen, quasidokumentarischen Ton gibt, auf den sich auch Franju spezialisiert hatte. Das Grauen, das führt Carnival of Souls mit seiner kargen Bildsprache so eindrücklich vor wie jeder Film Franjus, ist keine Frage teurer Spezialeffekte, sondern subtiler Verschiebungen. Richtig verrückt wird man langsam. (Johannes Binotto) 78 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Herk Harvey // DREHBUCH John Clifford, Herk Harvey // KAMERA Maurice Prather // MUSIK Gene Moore // SCHNITT Bill de Jarnette, Dan Palmquist // MIT Candace Hilligoss (Mary Henry), Frances Feist (Mrs. Thomas, die Vermieterin), Sidney Berger (John Linden), Stan Levitt (Dr. Samuels), Art Ellison (Pfarrer), Herk Harvey (ein Mann, ungenannt).

DOUBLE BILL ON DOUBLE BILL: LES YEUX SANS VISAGE UND CARNIVAL OF SOULS

DO, 3. MÄRZ | 20 UHR

Im Zwiegespräch aus zwei ganz unterschiedlichen Filmen ein stimmiges Duett machen – das ist das Prinzip des neuen Filmpodium-Formats «Double Bill on Double Bill». Tatsächlich sind die ­Zusammenhänge zwischen Georges Franjus Les yeux sans visage und Herk Harveys Carnival of Souls viel zahlreicher, als man zunächst meinen würde. In naher zeitlicher Nachbarschaft Anfang der 60er-Jahre entstanden, erfinden beide Kultfilme das Horrorgenre radikal neu. Sie werden zu zentralen Inspirationen für Filmschaffende wie David Lynch, George R. Romero oder Christian Petzold und bleiben dabei doch Einzelgänger ohne ihresgleichen. Wie Franju sammelt auch ­Harvey seine Erfahrungen im Dokumentarfilm (dereinst wird er im Laufe seines Lebens rund 400 Lehr-, Industrie- und Dokumentarfilme gedreht haben) und wie Franju verbindet er in seiner reduzierten Bildsprache nüchterne Beobachtung mit albtraumhafter Fantasie. So treffen als «Double Bill» zwei schlafwandlerische Filme aufeinander, die sich beide wie in sanfter Trance bewegen, beide mit jungen Frauen im Zentrum eines unheimlich-schönen Totentanzes. Solchen und vielen anderen Verbindungen gehen die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen und der Medienwissenschaftler Johannes Binotto im Gespräch nach und zeigen die Nähe zweier Filme, die eigentlich immer schon zusammengehörten, auch wenn sie nichts voneinander wussten. Mit dem Double-Bill-Ticket können Sie eine Vorstellung von Carnival of Souls oder Les yeux sans v­ isage zum reduzierten Preis besuchen (nur an der Kinokasse erhältlich).


> Nuits rouges.

> Pleins feux sur l'assassin.

> Fantômas.


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Georges Franju

THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE USA 1974 Bruder und Schwester und ihre drei Freunde sind zu Besuch im ländlichen Texas, um das frühere Haus ihrer Grosseltern zu suchen, und rutschen dabei in eine noch viel grausigere Sippengeschichte: Eine Familie ehemaliger Schlachter, mangels besserer Geschäfte zu Kannibalen geworden, sieht in der Gruppe junger Leute ihre nächsten Opfer. Tobe Hoopers Film, der in den USA erst nach mehreren Anläufen einen Verleih fand und in Deutschland bis 2011 auf dem Index stand, ist mittlerweile längst als einer der wichtigsten Horrorfilme aller Zeiten anerkannt. Hoopers eher stilisiertes als wirklich explizites Schocktheater erinnert mit seinen Dekors an die Ausstellungen der Surrealisten und an das legendäre Grand-Guignol-Theater zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus ist Hoopers Film aber vor allem auch ein böser Kommentar über die Vereinigten Staaten im Vietnamkrieg, von deren moralischen Werten nur noch üble Fratzen geblieben sind: Die amerikanische Kernfamilie, einst Verkörperung puritanischer Ideale, ist nichts als eine degenerierte Urhorde, angeführt von einem bereits zerfallenden Mumien-Vater. Der amerikanische ­ Traum hat sich selber aufgefressen. Das lang anhaltende Verbot von Hoopers Film im deutschsprachigen Raum hat verdeckt, dass dessen Horror tatsächlich gar nie von besonders extremen Ekelbildern herrührt, sondern vielmehr vom Gefühl einer ruhigen, fast schon schläfrigen Zerstückelung. Dass der berüchtigte Skandalfilm eigentlich ein poetisches Gedicht ist, das genauso auch Georges Franju hätte einfallen können, merken alle, die bis zum Schluss sitzen bleiben und sehen, wie hier ein vom Körper abgetrenntes Gesicht durchs Bild tanzt. (Johannes Binotto) 83 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Tobe Hooper // DREHBUCH Tobe Hooper, Kim Henkel // KAMERA Daniel Pearl // MUSIK Tobe Hooper, Wayne Bell // SCHNITT J. Larry Carroll, Sallye Richardson // MIT Marilyn Burns (Sally Hardesty), A ­llen ­Danziger (Jerry), Paul A. Partain (Franklin Hardesty), William Vail (Kirk), Teri McMinn (Pam), Gunnar Hansen (Leatherface).

BLUE VELVET USA 1986 Begleitet von Bobby Vintons titelgebender 60erJahre-Schnulze senkt sich zu Beginn die Kamera vom strahlend blauen Himmel und zeigt in Zeitlupe eine Kleinstadtidylle aus roten Rosen vor einem weissen Gartenzaun, winkenden Feuerwehrmännern und fröhlichen Schulkindern. Kurz darauf wird die ironische Überspitzung gebro-

chen, wenn die Kamera durch das Gras eines gepflegten Vorstadtgartens kriecht und krabbelndes Ungeziefer die Leinwand füllt. Die hier angedeuteten Abgründe hinter der scheinbar heilen Fassade der Kleinstadt Lumberton breiten sich zu einem Strudel der Perversionen aus, als der junge Student Jeffrey Beaumont auf einer Wiese ein abgeschnittenes Ohr findet und dem Fall auf eigene Faust nachgeht. Das abgeschnittene Ohr in der Wiese, in das wir zu Filmbeginn eintauchen – ist vielleicht auch jenes, das in Franjus La faute de l’abbé Mouret ­einer dem anderen vom Kopf schneidet. Auch den Blick des Hobbydetektivs aus dem Schrank in der Wohnung des Opfers finden wir bereits in Pleins feux sur l’assassin. Der Neo-Surrealist Lynch kennt die Filme seines französischen Vorbilds offenbar ganz genau und traut sich, auch noch jene sexuellen Perversionen explizit zu machen, die bei Franju immer nur verkappt ausgelebt werden konnten. (Johannes Binotto) 120 Min / Farbe / 35mm / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE ­David Lynch // KAMERA Frederick Elmes // MUSIK Angelo Badalamenti // SCHNITT Duwayne Dunham // MIT Kyle ­MacLachlan (Jeffrey Beaumont), Isabella Rossellini (Dorothy Vallens), Laura Dern (Sandy Williams), Dennis Hopper (Frank Booth), Dean Stockwell (Ben), Hope Lange (Mrs. Williams).

LA PIEL QUE HABITO Spanien 2011 «Dr. Robert Ledgard (Antonio Banderas) ist ein ‹mad scientist›, ein Hightech-Frankenstein im ­Luxusdomizil. (…) Legards medizinisches Experiment, sein Objekt der Begierde und Rache, ist eine schöne Frau – oder eher eine Kreatur – namens Vera (Elena Anaya), die er in seinem Haus gefangen hält und über diverse Bildschirme beobachtet. Der plastische Chirurg hat eine künstliche, feuerfeste Haut erfunden, die Vera unter einem Ganzkörpertrikot trägt, das sie nackt und doch fremdartig, wie nicht von dieser Welt erscheinen lässt. Vera beschäftigt sich mit Yoga, bastelt mit zerfetzter Frauenkleidung und schreibt per Eyeliner ein Wandtagebuch. Ledgard hat ihr das Antlitz seiner Frau Gal gegeben, die vor zwölf Jahren bei einem Unfall schwere Verbrennungen erlitt und Selbstmord beging, weil sie den Anblick ihres entstellten Gesichts nicht ertragen konnte. Die gemeinsame Tochter Norma (Blanca Suárez) nahm sich nach einer Vergewaltigung ebenfalls das Leben. Grund genug für den Doktor, ein bisschen ‹mad› zu werden, und eigentlich Drama genug für einen Film. Doch es kommt noch mehr, noch viel mehr.» (Bierte Lüdeking, critic.de) Almodóvars Film ist von allen die wohl offensichtlichste Hommage an Georges Franjus Les


> Carnival of Souls.

> La piel que habito.

> The Texas Chain Saw Massacre.


Georges Franju yeux sans visage. Der Spanier dreht dabei die Schraube aber noch weiter: Wo bei Franju der sexuelle Aspekt der chirurgischen Transplantationsversuche höchstens als dumpfer Unterton zu spüren ist, wird er bei Almodóvar zur Hauptsache. Nicht nur Gesichter, auch Geschlechter sollen zerschnitten und neu zusammengesetzt werden. (Johannes Binotto)

120 Min / Farbe / 35 mm / Sp/d/f // REGIE Pedro Almodóvar // DREHBUCH Pedro Almodóvar, Agustín Almodóvar, nach dem Roman «Mygale» von Thierry Jonquet // KAMERA José Luis Alcaine // MUSIK Alberto Iglesias // SCHNITT José Salcedo // MIT Antonio Banderas (Robert Ledgard), Elena Anaya (Vera Cruz), Marisa Paredes (Marilia), Jan Cornet (Vicente), R ­ oberto Álamo (Zeca), Eduard Fernández (Fulgencio).

FANTÔMAS STUMMFILM-MARATHON Frankreich 1913/1914 «Es war nicht Judex, den ich verfilmen wollte. Es war Fantômas. Denn Fantômas kennt keine Grenzen: Er erwürgt, er vergiftet, er erstickt, er zerschmettert, er löst in Säure auf, er verbrennt zu Asche, er ersticht, er erschiesst ...», so hat Georges Franju einmal geschrieben und damit auch jene Faszination auf den Punkt gebracht, die bereits die Surrealisten für die Fantômas-Serie und ihre Verfilmung durch Louis Feuillade empfanden: Fantômas ist kein simpler Verbrecher mit nachvollziehbaren Motiven, sondern die reine anarchische Auflösung. In insgesamt fünf Filmen macht Inspektor Juve Jagd auf den in immer neuen Verkleidungen auftretenden Meisterverbrecher und kann seiner doch niemals habhaft werden, weil Fantômas selbst noch aus der unmöglichsten Situation auszubrechen versteht. Sowieso geht nichts in diesen delirierenden Filmen mit rechten Dingen zu: Wohnungen betritt man nicht durch Türen, sondern immer nur durch Fens­ter und Geheimgänge, und was zählt, ist niemals Handlungslogik, sondern der möglichst verun­ sichernde Effekt. Wenn eine Leiche eingemauert wird, dann nicht, um sie zu verbergen, sondern damit, wenn jemand einen Nagel in die Wand schlägt, Blut aus ihr herausströmt. Gegner bindet man an ­Glockenklöppel, um ihre Körperteile bei der nächsten Sonntagsmesse auf die Kirchgänger herunterregnen zu lassen. Fantômas hat nicht nur das frühe Kino auf­gemischt und sein Publikum in Panik versetzt, sondern er ist auch die erste totale Multime­dia-Konzept-Kunstfigur des 20. Jahrhunderts, die sämtliche Kommunikationskanäle gekapert hat: Zeitungen ebenso wie Plakatsäulen, Druckereien, Comics, Graffiti, Gemäldegalerien und Theaterbühnen, Rundfunk und Fernsehen und eben auch die Filmleinwand. ­Diesem Sog von Fantômas’ ­surrealistischer Verstörungs- und Zerstörungslust kann man sich auch heute nicht entziehen, wenn man sich auf den Rausch der fünf Feuillade-Filme einlässt. Am besten schaut man sie sich in einem einzigen wilden Ritt an, atemlos, mit e ­ iner Flasche Hochprozentigem in der ­einen und einem Sandwich in der anderen Hand. (Johannes Binotto) FANTÔMAS I: À L’OMBRE DE LA GUILLOTINE 54 Min FANTÔMAS II: JUVE CONTRE FANTÔMAS 62 Min FANTÔMAS III: LE MORT QUI TUE 90 Min FANTÔMAS IV: FANTÔMAS CONTRE FANTÔMAS 60 Min FANTÔMAS V: LE FAUX MAGISTRAT 75 Min tinted / DCP / stumm, f Zw’titel/e // REGIE Louis Feuillade // DREHBUCH Louis Feuillade, nach Romanen von Marcel Allain und Pierre Souvestre // KAMERA, SCHNITT Georges Guérin // MIT René Navarre (Fantômas), Edmund Breon (Inspektor Juve), Georges Melchior (Jérôme Fandor), Renée Carl (Lady Beltham), Yvette Andréyor (Joséphine).

Wir präsentieren Fantômas als zweiteiligen Stummfilmmarathon in Kooperation mit dem IOIC: Teil 1 & 2 am Samstag, 12. März, 20.45 Uhr Teil 3, 4 & 5 am Samstag, 19. März, 18.00–23.30 Uhr (inkl. zwei Pausen) Live-Musik: Linda Vogel (Harfe, Stimme), Steve Buchanan (Altsaxofon, Elektronik), Dadaglobal (Elektronik, Piano) & Simon Berz (Schlagzeug, Elektronik) Sie können für beide Abende separate Karten ­erstehen. Ein Einstieg am zweiten Abend ist problemlos möglich, da die Folgen in sich abgeschlossen sind. Am meisten Spass macht Feuillades anarchisch-dunkle Vision aber im Gesamtpaket. Details zu Ticket-Varianten und Verpflegung ­finden Sie zeitnah auf www.filmpodium.ch.

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Penélope Cruz – La reina de nuestros ojos Was sehen wir, wenn wir Penélope Cruz sehen? Die einen erkennen die tolle Schauspielerin, die obendrein hervorragend aussieht, die anderen erblicken die Schönheit, die zudem noch richtig gut spielen kann. Cruz überzeugt als Charakterdarstellerin und als Komödiantin, im Melodrama und im Thriller – vor allem in Werken europäischer Autorenfilmer und Cineastinnen. Ein fröhliches Hochzeitsfest hätte es werden sollen. Doch dann verschwindet in der Nacht Lauras Tochter Irene und bald ist klar, dass es sich um eine Entführung handelt. Aschfahl ist Laura vor lauter Sorge und Verzweiflung; ihr Kummer ist im ganzen Körper sichtbar: als Anspannung in ihrem Gesicht, als Last auf ihren Schultern, als Geistesabwesenheit in ihren Augen und als Ratlosigkeit in ihren Bewegungen. Sie weiss nicht, was sie tun soll, und zugleich ist sie zu allem bereit und fähig – von diesem Widerspruch wird diese Mutterfigur regelrecht zerrissen, während sie das Minenfeld navigiert, als das sich die Familie einmal mehr erweist. Es ist eine komplexe Darbietung, die Penélope Cruz in der Rolle der Laura unter der Regie von Asghar Farhadi in Everybody Knows (Todos lo saben, 2018) zeigt. Nicht, dass es das erste Mal wäre, dass Cruz’ Schauspielkunst ihre Attraktivität etwas in den Hintergrund treten lässt. Selten zuvor aber in einen derart tiefen Schatten. Was möglicherweise dem Umstand geschuldet ist, dass Cruz hier an der Seite ihres Ehemannes Javier Bardem spielt. Es ist schön und auch ein bisschen unheimlich, die beiden Seite an Seite agieren zu sehen, bringen sie in den vertrauten Umgang ihrer Figuren, die in der Vergangenheit eine tiefe Liebe verband, doch die authentische Nähe einer realen Beziehung ein. Und diese Nähe braucht eben auch nicht den kleinsten glamourösen Funken. Schönheit und Tiefgang Wer Augen im Kopf hat, sieht, dass Penélope Cruz schön ist. Grosse Augen, sinnlicher Mund, kurvig, ohne geradezu üppig zu wirken, leicht entflammbares Temperament – auf den ersten Blick entspricht sie perfekt dem Klischeebild der feurigen spanischen Señorita. Aber eben nur auf den ersten. Auf den Traum-Frau: Abre los ojos Gefährliche Leidenschaft: Los abrazos rotos


24 zweiten schon wohnt ihrer Schönheit etwas irritierend Flirrendes inne, flackern Klugheit, Selbstbestimmtheit, Unberechenbarkeit auf, sind Verletzlichkeit und Empfindsamkeit zu erkennen, ebenso Genussfreude und Sinnlichkeit. Da hat eine Frau nicht nur Lust am Leben, da hat eine vor allem Lust am Leben als Frau; eine wie sie lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen, schon gar nicht von den Männern. Auch wenn die ihr natürlich immer zu Füssen liegen und sich zum Narren machen. Als Projektionsfigur, die um ihre eigene Wirklichkeit kämpft, ist sie daher in Elegy, Isabel Coixets Verfilmung von Philip Roths Roman «The Dying Animal», geradezu ideal besetzt. Cruz spielt hier die Literaturstudentin Consuela, die sich in einen um einige Jahrzehnte älteren Professor verliebt, der wiederum aus Angst vor der angenommen unausweichlichen Trennung für das Scheitern der Beziehung sorgt. Der beste Freund des Professors hat eine Theorie zu schönen Frauen: «No one can see them», sagt er; also: erkennen. Es gibt eine Szene in diesem Film, in der Consuela mit schmerzlicher Entschlossenheit ihre Brust enthüllt. Hier sorgt Cruz dafür, dass wir sie erkennen. Wir sind Zeuginnen und Zeugen eines ungeheuer privaten Moments und ­sehen gleichzeitig die bildhafte Verdichtung eines Ausbeutungsverhältnisses. Und wir sehen darüber hinaus eine mutige Frau, die nicht nur ihren Busen blosslegt, sondern auch die Übergriffigkeit des «male gaze». In Interviews kann Penélope Cruz recht ungeduldig werden, wenn wieder mal ein Journalist über ihr Aussehen sprechen will. Sie sei kein Opfer von Besetzungsschubladen, sagt sie, und verwehrt sich gegen Überlegungen, ihr Äusseres könne möglicherweise ihre Rollenauswahl beschränken. Die Sache mit dem guten Aussehen ist ja ein zweischneidiges Schwert. Jede und jeder erblickt gerne eine schöne Frau, sehr viel weniger allerdings wird diese dann auch ernst genommen. (Das trifft im Übrigen auch auf schöne Männer zu wie etwa Brad Pitt oder Leonardo DiCaprio.) Cruz hat diesen Stier von Anfang an bei den Hörnern gepackt und die sexy Ladies, die sich in ihrer Filmografie unvermeidlich finden, immer mit ­genügend Tiefgang ausgestattet, um sich vor der Typecasting-Falle zu retten. Weitestgehend jedenfalls, wobei man konstatieren muss, dass vor allem jene Filme, die sie in den USA drehte, zu den schwächeren zählen. Was zweifellos damit zusammenhängt, dass die Hollywood’sche Filmindustrie mittlerweile zu einem einzigen Stereotypen- und Schablonenzirkus verkommen ist. Die im Filmpodium gezeigte Auswahl präsentiert daher Cruz’ ernst(er) zu nehmende, unabhängig produzierte, überwiegend europäische Arthouse-Arbeiten. Karriere und Familie Geboren wird Penélope Cruz Sánchez am 28. April 1974 als Tochter eines Automechanikers und einer Friseurin in einem Vorort von Madrid. Zur Bühne drängt es sie bereits von Kindesbeinen an; sie absolviert eine Ausbildung als


25 klassische Balletttänzerin; 1989 gewinnt sie den Talentwettbewerb einer Künstleragentur und wird unter Vertrag genommen; Auftritte in Werbespots und Fernsehserien folgen, erste Filmrollen lassen nicht lange auf sich warten. Ihr Spielfilmdebüt gibt die 18-Jährige 1992 als «la hija de puta» (die Tochter der Hure) in Jamón Jamón des eigensinnigen spanischen Auteurs Bigas Luna. Cruz’ unausweichliche Erotik betört schon da Javier Bardem – auch er in ­einer seiner ersten Rollen als Unterhosenmodell, das von einer Karriere als Stierkämpfer träumt. Ein Liebespaar werden sie damals nur auf der Leinwand und auch das nur ganz kurz. Erst bei der gemeinsamen Arbeit an Woody ­Allens Vicky Cristina Barcelona (2008) funkt es, und zwar richtig. Cruz erhält für ihre Darstellung der verlassenen Frau des von Bardem verkörperten Protagonisten den Oscar als beste Nebendarstellerin. Verheiratet sind die beiden seit 2010, sie haben zwei Kinder; äussere Umstände – Muttersein, Familienleben –, die sich inzwischen immer mal wieder auch in Cruz’ Rollenauswahl und -konzeption niederschlagen. Aktuell in dem mediokren Actioner The 355 (Simon Kinberg, 2022), in dem Cruz als Familienmutter agiert und als Agentin wider Willen dem drögen Geschehen immerhin ein paar interessante Momente abringt. Kürzlich, und ungleich bewegender und relevanter, in Madres paralelas, Pedro Almodóvars überraschend gelingender Mischung von prallsattem Melodram und gesellschaftspolitischer Agenda. Für ihre Darstellung der ungeplant Mutter gewordenen Janis, die mit vielerlei Verlust fertig werden muss, wurde Cruz im ­vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen in Venedig mit der Coppa Volpi als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Zu den «chicas Almodóvar», den so­ genannten «Almodóvar-Mädels» – zu denen unter anderen Carmen Maura, Victoria Abril, Rossy de Palma und Marisa Paredes zählen –, stiess Cruz 1997 in Carne trémula; Madres paralelas ist ihre mittlerweile siebte Zusammenarbeit mit dem Cineasten, der oft allzu verkürzend als «Frauen-Regisseur» apostrophiert wird. Penélope Cruz ihrerseits fährt damit fort, nicht nur in Almodóvars Filmen die Grenzen jener Klischees zu pulverisieren, die die Darstellung von Frauenfiguren beengen. Zuletzt in der Rolle der exzentrischen Autorenfilmerin Lola, die in Competencia oficial (Mariano Cohn, Gastón Duprat, 2021) zwei eitlen, alternden Schauspielstars zeigt, wo’s langgeht. Wir folgen gerne! Alexandra Seitz

Alexandra Seitz, geboren in München, lebt in Berlin, manchmal auch in Wien. Freie Filmkritikerin, Autorin von Essays, Buchbeiträgen und Büchern, Redakteurin des Viennale-Pocketguides.


> Jamón Jamón.

> Belle Epoque.

> La niña de tus ojos.


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Penélope Cruz

JAMÓN JAMÓN Spanien 1992 José Luis, das Muttersöhnchen der Unter­ wäschefabrikanten im Ort, verliebt sich in Silvia (Penélope Cruz), eine Näherin aus der Fabrik und Tochter einer Prostituierten, und will sie heiraten. Seine Mutter Conchita will diese Schande verhindern und heuert den strammen Möchtegern-­ Torero Raúl an, damit er Silvia von José Luis weg verführt. Aber das, was Raúl in der Unterhose hat, reizt auch Conchita. Und José Luis ist Kunde bei Silvias Mutter … «Jamón Jamón ist ein Film, wie ich sie sehr gernhabe. Er ist ehrlich unverschämt, er hat den Mut, Anstoss zu erregen, er hat keine Angst vor Sex und er haut in fast jeder Szene über die Stränge. Natürlich ist er geschmacklos, natürlich ist er vulgär, natürlich widerspricht er allem, was anständig ist, und natürlich ist genau das der Sinn der Sache.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 11.2.1994) 95 Min / Farbe / DCP / Sp/e // REGIE Josep Juan Bigas Luna // DREHBUCH Cuca Canals, Josep Juan Bigas Luna, Quim Monzó // KAMERA José Luis Alcaine // MUSIK Nicola Piovani // SCHNITT Teresa Font // MIT Stefania Sandrelli (Conchita, die Hurenmutter), Anna Galiena (Carmen, die Mutterhure), Juan Diego (der Vater), Penélope Cruz (Silvia, die Hurentochter), Javier Bardem (Raúl, der Hanswurst), Jordi Mollà (José Luis, der Rotzbengel), Tomás Martín (Freund von Raúl).

BELLE EPOQUE Spanien/Portugal/Frankreich 1992 1931, zwischen dem Ende der Monarchie und dem Aufkommen des Faschismus in Spanien, verschlägt es den jungen Deserteur Fernando in die schäbige, aber gemütliche Villa des alten Künstlers Manolo, der sich schnell mit ihm anfreundet. Als Fernando weiterziehen sollte, kommen die vier hübschen Töchter Manolos zu Besuch, und der junge Mann beschliesst zu bleiben. «Die Töchter sind Clara, die seit Kurzem verwitwet ist, aber ihren Kummer allmählich überwindet, Violeta, die, wie wir vermuten, lesbisch ist, Rocío, sinnlich und temperamentvoll, und Luz (Penélope Cruz), die Jüngste, die unschuldig ist, es aber gerne nicht mehr wäre. Früher oder später verlocken sie alle Fernando, während der alte Manolo so tut, als würde er es nicht bemerken, und den jungen Mann in nächtliche Gespräche verwickelt. (…) Als ich diesen Film sah, wurde ich daran erinnert, dass Erotik im Kino einmal ein Selbstzweck war und nicht nur das Vorspiel zu ­einer Slasher-Szene. Hier ist ein Film, der so einladend ist, dass man mit dem alten Manolo und

seinem Freund, dem Priester, in der Sonne sitzen und über die grossen Fragen des Lebens reden möchte. Und über seine Töchter.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 15.4.1994) 109 Min / Farbe / 35 mm / Sp/d/f // REGIE Fernando Trueba // DREHBUCH Rafael Azcona, José Luis García Sánchez, Fernando Trueba // KAMERA José Luis Alcaine // MUSIK ­Antoine Duhamel // SCHNITT Carmen Frías // MIT Fernando Fernán Gómez (Manolo), Jorge Sanz (Fernando), Penélope Cruz (Luz), Miriam Díaz-Aroca (Clara), Gabino Diego (­ Juanito), Michel Galabru (Danglard), Ariadna Gil (Violeta), Agustín ­González (Don Luis), Maribel Verdú (Rocío).

ABRE LOS OJOS Frankreich/Spanien/Italien 1997 «César heisst der von Eduardo Noriega gespielte Held, und vielleicht deutet schon dieser Name auf den Grössenwahn hin, der bald seine Haupt­ figur befallen wird: Der wohlhabende junge Mann ist ein Frauenheld. Nuria, mit der er gerade liiert ist, geht ihm schon auf die Nerven, da wird er zum ersten Mal in seinem Leben von einem anderen Menschen wirklich berührt: Sofía (Penélope Cruz). Nachdem sie beide eine keusche Nacht miteinander verbringen, wird Césars Gesicht bei einem Unfall entstellt, an dem Nuria Schuld trägt. Jetzt kann er sein Gesicht nicht mehr ertragen, zieht sich zunehmend in die Schattenwelt des Inneren zurück, zugleich versucht er die Beziehung zu Sofía aufrechtzuerhalten, deren Blicke auf sein neues Gesicht er doch nicht erträgt. (…) Unser und Césars Blick konzentriert sich ganz auf Sofía, die dadurch einerseits jedes Gefühl besetzt und einem auf merkwürdige Weise doch immer wieder entschwindet, erst recht zum Traumgeschöpf wird. Zugleich betont Amenábar das Doppelgänger-Motiv, das in der Spaltung zwischen normalem Gesicht und hässlicher, unter einer Maske verborgener Fratze aufscheint.» (Rüdiger Suchsland, artechock.de) Césars Entstellung durch einen Autounfall und die Maske, die er danach trägt, verweisen klar auf Georges Franjus Les yeux sans visage. (S. 10) 117 Min / Farbe / DCP / Sp/e // REGIE Alejandro Amenábar // DREHBUCH Alejandro Amenábar, Matéo Gil // KAMERA Hans Burmann // MUSIK Alejandro Amenábar, Mariano Marín // SCHNITT María Elena Sáinz de Rozas // MIT Eduardo Noriega (César), Penelope Cruz (Sofía), Fele Martínez (Pelayo), Najwa Nimri (Nuria), Cheta Lera (Antonio), Gerard Barray (Mann im Fernsehen).


> Non ti muovere.

> Blow.

> Todo sobre mi madre.


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Penélope Cruz

LA NIÑA DE TUS OJOS Spanien 1998 1938 tobt in Spanien der Bürgerkrieg. Als Symbol der Zusammenarbeit zwischen General Franco und Adolf Hitler lädt Deutschland eine Gruppe von Filmemachern, die mit dem neuen Regime sympathisieren, ein, in den Berliner UFA-Studios das andalusische Musical «La niña de tus ojos» zu drehen. Der aufstrebende Star Macarena ­Granada (Penélope Cruz), umschwärmt von Josef Goebbels, gerät in einen Gewissenskonflikt und bringt sich und die spanische Crew in Gefahr. «Eine ehrgeizige, einnehmende Grossproduktion. (...) Trueba vermeidet jegliche Film-imFilm-Spielchen, abgesehen von einer ergreifenden Sequenz, in der Macarena, nachdem sie eine Todesszene schlecht gespielt hat, erfährt, dass ihr Vater gestorben ist, und diese Szene noch einmal spielen muss. Wenn es noch einer Bestätigung bedarf, dass Cruz in erster Linie eine Schauspielerin ist und erst in zweiter Linie ein hübsches Gesicht, dann findet man sie hier.» (Jonathan ­Holland, variety.com, 15.11.1998) 121 Min / Farbe / DCP / Sp/e // REGIE Fernando Trueba // DREHBUCH Rafael Azcona, Manuel Ángel Egea, Carlos López, David Trueba, Fernando Trueba // KAMERA Javier Aguirresarobe // MUSIK Antoine Duhamel // SCHNITT Carmen Frías // MIT Penélope Cruz (Macarena Granada), Antonio Resines (Blas Fontiveros), Jorge Sanz (Julián Torralba), Rosa María Sardà (Rosa Rosales), Santiago Segura (Castillo), Loles León (Trini Morenos), Jesús Bonilla (Marco Bonilla).

TODO SOBRE MI MADRE Spanien/Frankreich 1999 Manuela lädt ihren Sohn Esteban zum 17. Geburtstag zu einer Aufführung von Tennessee Williams’ «Endstation Sehnsucht» ein. Nach der Vorstellung wird Esteban von einem Auto überfahren und stirbt. Manuela verlässt Madrid und macht sich auf die Suche nach Estebans Vater, dem Transsexuellen Lola, der nie etwas von seiner Vaterschaft erfahren hat. In Barcelona findet sie nicht nur alte Freunde, sondern auch neuen Sinn für ihr Leben. «Penélope Cruz als Schwester Rosa, mit einem Gesicht so frisch und offen wie eine Kamelie, ist die Essenz der Reinheit (ob jungfräulich oder nicht), ohne süsslich zu wirken. Sie kann urkomisch sein. (...) Sie hat auch einen Moment im Film, der einen aus der Fassung bringt, als sie ihrem von Alzheimer verwirrten Vater auf der Strasse begegnet, der mit dem Familienhund Gassi geht. Der Hund erinnert sich an sie, aber der Vater nicht, und die verletzte Hinnahme in ihrem Gesicht sagt mehr über die Figur aus, als

jede Dialogzeile es je könnte.» (Stephanie Zacharek, salon.com, 19.11.1999) 99 Min / Farbe / 35 mm / Sp/d/f // DREHBUCH UND REGIE ­Pedro Almodóvar // KAMERA Affonso Beato // MUSIK Alberto Iglesias // SCHNITT José Salcedo // MIT Cecilia Roth (Manuela), Marisa Paredes (Huma Rojo), Penélope Cruz ­ (Schwester Rosa), Eloy Azorín (Esteban), Candela Peña (Nina), Antonia San Juan (Agrado), Rosa Maria Sardà (Rosas Mutter), Fernando Fernán Gómez (Rosas Vater).

BLOW USA/Mexiko 2001 «Voll auf Risiko gehen. Das tat der Kleinstädter George Jung aus Neuengland, als er anfing, kolumbianisches Kokain in die USA zu schmuggeln, und in den 1980er-Jahren als Gringo-Version von Pablo Escobar mehr als 100 Millionen Dollar verdiente. Und genau das tun auch Johnny Depp, der George spielt, und Ted Demme, der bei diesem dreisten Biopic Regie führt, mit Blow. (...) Und sie haben diese Geschichte in einen Fiebertraum von einem Film verpackt, der wie der Teufel versucht, vier Jahrzehnte drogengetriebenen Hedonismus auf den Punkt zu bringen in einer Form, die s­ owohl intim als auch episch anmutet. (...) Wenn Sie aufgrund ihrer mässigen US-Filme (All the Pretty ­Horses, The Hi-Lo Country) nicht verstehen, was für ein Aufhebens um die üppige Spanierin Penélope Cruz gemacht wird, wird Sie ihre D ­ arstellung von Georges Frau Mirtha umstimmen. Das ist eine stürmische, schwelende Tour de Force. Warten Sie nur, bis Sie hören, wie eine zugekokste, schwangere Mirtha zu einer Menschenmenge sagt: ‹Lasst uns feiern, Motherfuckers.›» (Peter Travers, ­rollingstone.com, 6.4.2001) 124 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Ted Demme // DREHBUCH David McKenna, Nick Cassavetes, nach dem Buch von Bruce Porter // KAMERA Ellen Kuras // MUSIK Graeme Revell // SCHNITT Kevin Tent // MIT Johnny Depp (George Jung), ­Penélope Cruz (Mirtha Jung), Franka Potente (Barbara Buckley), Rachel Griffiths (Ermine Jung), Paul Reubens (Derek ­Foreal), Jordi Mollà (Diego Delgado), Cliff Curtis (Escobar).

NON TI MUOVERE Italien/Spanien/GB 2004 «Dieses erschütternde Drama des Schauspielers und Regisseurs Sergio Castellitto ist von der ersten Szene an packend und lässt nie nach. Ein 15-jähriges Mädchen liegt im strömenden Regen bewusstlos auf der Strasse, ihr Motorroller ist zertrümmert, ihr Kopf aufgeschlagen. Sie wird ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht, in dem auch ihr Vater Timoteo als Chirurg arbeitet.


> Vicky Cristina Barcelona.

> Volver.

> Elegy.


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Penélope Cruz Während seine Tochter unter dem Messer liegt, geht der scheinbar sanftmütige Timoteo durch den Korridor und denkt über seine nicht gerade heile Vergangenheit nach – seine Lügen, seine leere Ehe und seine verunglückte Affäre mit der mittellosen Italia (Penélope Cruz), einer geschädigten Seele, die er viele Jahre zuvor ausgenutzt und missbraucht hat, in die er sich aber schliesslich verliebt hat. Dies ist Castellittos Film (...), aber es ist Cruz, die wirklich heraussticht. Sie verkörpert als Italia perfekt die Unschuld eines kleinen, verlorenen Mädchens und verleiht ihr gleichzeitig den stählernen Kern einer Überlebenskünstlerin, einer Person, die ihr ganzes Leben lang schlecht behandelt wurde, aber immer noch da ist, um der Welt den Stinkefinger zu zeigen. Cruz war noch nie besser oder, dank der Make-up-Leute, weniger glamourös. Mit ihrer schuppigen Haut, den schlechten Zähnen und dem strähnigen Haar ist sie fast nicht wiederzuerkennen. (...) Der Film ist düster und manchmal schwer anzuschauen, aber er ist auch schön und auf seltsame Weise erhebend.» (Gary Duncan, eyeforfilm. co.uk, 13.2.2005) 125 Min / Farbe / 35 mm / I/d/f // REGIE Sergio Castellitto // DREHBUCH Sergio Castellitto, Margaret Mazzantini, nach dem Roman von Margaret Mazzantini // KAMERA Gianfilippo Corticelli // MUSIK Lucio Godoy // SCHNITT Patrizio Marone // MIT Penélope Cruz (Italia), Claudia Gerini (Elsa), Sergio Castellitto (Timoteo), Angela Finocchiaro (Ada), Marco Giallini (Manlio).

VOLVER

preave (Tía Paula), Antonio de la Torre (Paco), Carlos Blanco (Emilio), María Isabel Díaz (Regina), Neus Sanz (Inés).

VICKY CRISTINA BARCELONA USA/Spanien 2008 Zwei Amerikanerinnen in Barcelona: Die dunkelhaarige, pragmatische Vicky, mit einem New Yorker Geschäftsmann verlobt, sieht ihre Zukunft als graues Einerlei, während sich die blonde, frei denkende Cristina auf der ewigen Suche nach dem Glück mit dem Künstler Juan Antonio einlässt. Das romantische Wochenend-Idyll gerät ins Wanken, als Juan Antonios Exfrau María Elena (Penélope Cruz) auftaucht und das Paar in eine Ménage-à-trois treibt. «Der Film spielt grösstenteils im Künstler­ milieu, in einer Art Restaurant- und AtelierBohème (...). Was in dieser Welt passiert, wenn man mehr verspricht, als man erfüllen kann, zeigt sich mit tragikomischen Folgen an der Figur von Juan Antonios ehemaliger Frau María Elena, die hochintelligent und begabt ist, aber so stürmisch, dass sie überall Chaos stiftet. (Sie ist wie eine Frida Kahlo ohne die Arbeitsdisziplin.) (...) María Elena inszeniert ihr eigenes Unglück; sie macht Anschuldigungen, überschreitet sexuelle Grenzen, zückt Messer und Pistolen. So etwas hat Cruz noch nie gemacht: Mit ihrer Dauerschnute und ihrem wilden schwarzen Haar wirkt sie hexenhaft und nicht schön. Für Vicky und Cristina ist das geschiedene Paar eine Vision von Himmel und Hölle zugleich.» (David Denby, newyorker.com, 4.8.2008)

Spanien 2006 96 Min / Farbe / 35 mm / E+Sp/d/f // DREHBUCH UND REGIE

Raimunda (Penélope Cruz) arbeitet hart, um sich, ihre pubertierende Tochter und den arbeitslosen Ehemann durchzubringen. Eines Tages ersticht die Tochter den sexuell zudringlichen Vater – Mutter und Tochter verheimlichen die Tat und ­verstecken den Leichnam im Kühlschrank. Dazu erscheint auch noch der Geist der Grossmutter und fördert schmerzliche Geheimnisse zutage. «Es ist erfrischend, Cruz in ihrer eigenen Kultur und Sprache agieren zu sehen. Wie bei Sophia Loren in den 1950er-Jahren hat Hollywood versucht, Cruz in eine Reihe von Showbiz-Kategorien zu zwingen, obwohl sie sich offensichtlich am wohlsten in der Rolle einer derjenigen Frauen fühlt, wie sie sie kannte, mit denen sie aufgewachsen ist und die sie hätte werden können.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 21.11.2006) 121 Min / Farbe / 35 mm / Sp/d/f // DREHBUCH UND REGIE Pedro Almodóvar // KAMERA José Luis Alcaine // MUSIK ­Alberto Iglesias // SCHNITT José Salcedo // MIT Penélope Cruz (Raimunda), Carmen Maura (Irene), Lola Dueñas (Sole), Blanca Portillo (Agustina), Yohana Cobo (Paula), Chus Lam-

Woody Allen // KAMERA Javier Aguirresarobe // MUSIK Giulia y los Tellarini, Paco de Lucía, Isaac Albéniz u. a. // SCHNITT Alisa Lepselter // MIT Scarlett Johansson (Cristina), Rebecca Hall (Vicky), Javier Bardem (Juan Antonio Gonzalo), Penélope Cruz (María Elena), Patricia Clarkson (Judy Nash), Kevin Dunn (Mark Nash), Chris Messina (Doug).

ELEGY USA 2008 «Seit jeher wird der charismatische Professor Kepesh von schönen Studentinnen umschwärmt. Sowenig er einer heissen Affäre je abgeneigt war, so sehr pflegt er seine Eroberungen auf Distanz zu halten. Das ändert sich mit dem Auftauchen von Consuela Castillo (Penélope Cruz), die dem alternden Professor auch intellektuell gewachsen ist. Er verliert zusehends die Kontrolle, mehr und mehr entwickelt sich seine Zuneigung zu einer wahren Obsession. Doch seine rasende Eifersucht zerstört die Beziehung, deren Scheitern Kepesh als seelisches Wrack zurücklässt. Zwei Jahre spä-


> Madres paralelas.

> xxxxxxxxxx.

> Competencia oficial.

> Everybody Knows.


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Penélope Cruz ter aber taucht Consuela unvermittelt wieder in seinem Leben auf – mit einem dringlichen Wunsch, der alles verändern wird.» (zff.com) «In diesen Szenen ist Cruz auf leise Art kraftvoll und sehr wahrhaftig. Man versteht, warum die spanische Regisseurin Isabel Coixet sich für Cruz entschieden hat und nicht etwa für eine 19-Jährige. Eine Schauspielerin braucht Tiefe und Lebenserfahrung, um diese Szenen zu spielen, und Cruz hat beides.» (Roger Ebert, roger­ ebert.com, 21.8.2008) 112 Min / Farbe / 35 mm / Sp/d/f // REGIE Isabel Coixet // DREHBUCH Nicholas Meyer, nach dem Roman «The Dying Animal» von Philip Roth // KAMERA Jean-Claude Larrieu // SCHNITT Amy E. Duddleston // MIT Penélope Cruz (Consuela Castillo), Ben Kingsley (David Kepesh), Dennis Hopper (George O’Hearn), Patricia Clarkson (Carolyn), Peter Sarsgaard (Kenny Kepesh), Debbie Harry (Amy O’Hearn).

LOS ABRAZOS ROTOS Spanien 2009 «Schon beim Casting für seinen neusten Film verliebt sich der junge Regisseur Mateo Blanco leidenschaftlich in die wunderschöne Hauptdarstellerin Lena (Penélope Cruz). Eine gefährliche Leidenschaft, denn Lena ist mit einem Bankier ­liiert, der jeden ihrer Schritte argwöhnisch überwachen lässt. Und auch Mateos treue Assistentin Judit reagiert eifersüchtig. Die Lage spitzt sich bei den Dreharbeiten immer weiter zu und gipfelt in einem tragischen Autounfall, bei dem Lena ihr Leben und Mateo sein Augenlicht verliert. 14 Jahre später führt Mateo unter neuer Identität ein ruhiges Leben als Autor und scheint seine Vergangenheit erfolgreich verdrängt zu haben. Als er aber nach einem Unfall seines Sohnes an dessen Krankenbett wachen muss, beginnt er sich plötzlich zu erinnern – und zu erzählen …» (kultkino.ch) «Pedro Almodóvar liebt das Kino mit Lust und Hingabe und dem Geschick eines erfahrenen Liebhabers. Los abrazos rotos ist ein wollüstiger Film, der sich an Primärfarben berauscht, Penelope Cruz liebkost und die Mittel eines Hitchcock nutzt, um uns mit Oberflächen abzulenken, während sich das Unheimliche darunter entwickelt. Während ich mich von ihm hinreissen liess, sehnte ich mich nach einem Standbild, um auch mal eine Einstellung geniessen zu können. (…) Penélope Cruz ist seit Carne trémula (1997) Almodóvars treue Muse. Nie war sie deutlicher der Pinsel, den er benutzt, die Leinwand, die er bemalt, und der Gegenstand seiner Kunst.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 16.12.2009) 127 Min / Farbe / 35 mm / Sp/d/f // DREHBUCH UND REGIE Pedro Almodóvar // KAMERA Rodrigo Prieto // MUSIK

­Alberto Iglesias // SCHNITT José Salcedo // MIT Penélope Cruz (Lena), Lluís Homar (Mateo Blanco/Harry Caine), Blanca Portillo (Judit García), José Luis Gómez (Ernesto Martel), Rubén Ochandiano (Ray X), Tamar Novas (Diego), Ángela ­Molina (Lenas Mutter).

LA REINA DE ESPAÑA Spanien 2016 Achtzehn Jahre nach ihrer Flucht aus NaziDeutschland kehrt die zum gefeierten Hollywoodstar aufgestiegene Schauspielerin Macarena Granada (Penélope Cruz) in ihr Heimatland Spanien zurück, das unter der Diktatur Francos steht. Sie soll in einem grossen Historienfilm die Rolle der Königin Isabella von Kastilien spielen. Am Set trifft sie viele ihrer früheren Freundinnen und Freunde aus der Filmbranche wieder. Als einer von ihnen in ein Arbeitslager verschleppt wird, überschlagen sich die Ereignisse. «Wie La niña de tus ojos ist auch La reina de ­España eine Komödie übers Filmgeschäft, in der Zeit- und Filmgeschichte ineinander übergehen. Ging es in La niña de tus ojos um die enge Zusammenarbeit der Franco-Diktatur mit dem NS-Regime und um jene Folklore-Dramen, die Ende der 1930er-Jahre entstanden, so ist in der Fortsetzung Franco längst ein treuer Verbündeter der USA geworden; sein diktatorisches Regime wird als antikommunistischer Verbündeter von den Westmächten geduldet. (...) Das Drehbuch von Fernando Trueba steckt voller Anspielungen auf die Filmgeschichte. (…) Getragen wird das Werk insbesondere durch Penélope Cruz; schon allein wegen der Begegnung ihrer Figur mit Franco vor der gespenstischen Kulisse der halb fertigen faschistischen Gedenkstätte lohnt es sich, den Film anzusehen.» (Wolfgang Hamdorf, filmdienst.de) 128 Min / Farbe / Digital HD / Sp+E/e // DREHBUCH UND REGIE Fernando Trueba // KAMERA José Luis Alcaine // MUSIK Zbigniew Preiser // SCHNITT Marta Velasco // MIT Penélope Cruz (Macarena Granada), Antonio Resines (Blas Fontiveros), Neus Asensi (Lucía Gandía), Ana Belén (Ana), Javier Cámara (Pepe Bonilla), Chino Darín (Leo), Cary Elwes (Gary Jones), Loles León (Trini Morenos), Mandy Patinkin (Jordan Berman).

EVERYBODY KNOWS (Todos lo saben) Spanien/Frankreich/Italien/Argentinien 2018 «Zur Hochzeit ihrer Schwester kommt Laura ­(Penélope Cruz) nach Jahren zurück in ihr Heimatdorf nahe von Madrid. Sie hat ihre beiden ­Kinder dabei, ihr Mann ist in Argentinien geblieben. Man begrüsst sich, begegnet sich, und ob man es will oder nicht, werden alte Wunden aufgerissen. Laura hatte einst eine heisse Affäre mit


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Penélope Cruz Paco, einem Jugendfreund, doch sie verliess ihn und ging mit ihrem jetzigen Mann ins Ausland. Heute ist Paco glücklich verheiratet und hat es als Weinbauer zu einigem Ansehen gebracht. Im Dorf weiss jeder alles über jeden, das soziale Gefüge steht auf dünnem Eis. Als Lauras Tochter entführt wird, wird es plötzlich wichtig, wer wann was über wen gewusst hat.» (kultkino.ch) «Javier Bardem und vor allem Penélope Cruz beeindrucken in den ihnen auf den Leib geschriebenen Rollen; ihre Chemie, aber auch ihre Melancholie über das, was hätte sein können, ist spürbar, während ihre Sorgen über das Schicksal der Entführten ihre Gefühle noch verkomplizieren.» (Boyd van Hoeij, hollywoodreporter.com, 8.5.2018) 133 Min / Farbe / DCP / Sp+E+Katalanisch/d/f // DREHBUCH UND REGIE Asghar Farhadi // KAMERA José Luis Alcaine // MUSIK Javier Limón // SCHNITT Hayedeh Safiyari // MIT ­Penélope Cruz (Laura), Javier Bardem (Paco), Ricardo Darín (Alejandro), Eduard Fernández (Fernando), Bárbara Lennie (Bea), Inma Cuesta (Ana), Elvira Mínguez (Mariana).

MADRES PARALELAS Spanien/Frankreich 2021 Janis (Penélope Cruz), eine Fotografin Ende dreissig, lernt den forensischen Anthropologen Arturo kennen, der mit dem Aufspüren verborgener Gräber aus der Zeit des Franco-Regimes beschäftigt ist. Sie hat mit Arturo eine Affäre und wird schwanger. «Auf der Entbindungsstation freundet sie sich mit einer anderen werdenden Mutter an, dem Teenager Ana, deren Kind unter ganz anderen Umständen gezeugt wurde. Beide bringen am selben Tag Mädchen zur Welt, und in der Zeit kurz vor und unmittelbar nach der Entbindung tauschen sie sich aus und helfen sich gegenseitig durch diese seltsame Zeit des Übergangs, während sie diese kleinen, sofort geliebten Fremden in ihr Leben aufnehmen. Die Geschichte, die Almodóvar erzählt, handelt von einer schockierenden Entdeckung und der Wahrung von Geheimnissen sowie von der Art und Weise, wie die Mutterschaft Frauen zusammenbringen kann, nur um sie dann auf unterschiedliche Wege zu führen. (…) Cruz ist hier verblüffend, in der vielleicht besten Darbietung ihrer bisherigen Karriere. Janis’ Zerbrechlichkeit und ihre Stärke sind zwei Seiten derselben Medaille, und Cruz kann im Handumdrehen von der einen zur anderen wechseln. Gerade als Janis glaubt, alles zu haben, was sie sich gewünscht und nie für möglich gehalten hat – sie ist endlich Mutter geworden, nachdem sie geglaubt hatte, es würde nie dazu kommen –, wird sie mit einer neuen Prüfung und der Möglichkeit des Verlusts konfrontiert.» (Stephanie Zacharek, time.com, 1.9.2021)

123 Min / Farbe / DCP / Sp/d/f // DREHBUCH UND REGIE ­Pedro Almodóvar // KAMERA José Luis Alcaine // MUSIK ­Alberto Iglesias // SCHNITT Teresa Font // MIT Penélope Cruz (Janis), Milena Smit (Ana), Israel Elejalde (Arturo), Aitana Sánchez-Gijón (Teresa), Rossy de Palma (Elena), Julieta ­Serrano (Brígida), Ainhoa Santamaría (Au-pair).

VORPREMIERE: COMPETENCIA OFICIAL Spanien/Argentinien 2021 «Um ein bleibendes Vermächtnis zu schaffen, beschliesst ein milliardenschwerer Geschäfts­ mann, einen Film zu produzieren. Dafür heuert er nur die besten der Besten an: eine schillernde Crew rund um die exzentrische Autorenfilmerin Lola Cuevas (Penélope Cruz) und die renommierten Schauspielstars Félix Rivero und Iván Torres, beide ausgestattet mit enormem Talent – und noch grösseren Egos. Während der selbstverliebte Félix in Hollywood Karriere macht, gilt der prätentiöse Iván als radikaler Bühnenkünstler. Die gegensätzlichen Arbeitsauffassungen der beiden Selbstdarsteller sowie Lolas immer ausgefallenere Schauspielübungen bringen sämtliche Beteiligten schon bald an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Competencia oficial ist ein herrlich satirischer und bildstarker Abgesang auf das Filmgeschäft.» (zff.com) «Die pudelgrosse Dauerwelle auf dem Kopf verleiht Cruz sofortige komische Präsenz. Sie hat ganz offensichtlich Spass daran, die Elfenbeinturm-Eitelkeiten und Manierismen der grossen Autorenfilmer, mit denen sie im Laufe der Jahre gearbeitet hat, auf die Schippe zu nehmen. Es ist eine Darbietung von sprudelndem, rasendem, körperlich elastischem Erfindungsreichtum, wobei sie Lola nicht zur kompletten Karikatur macht: Ihre bekloppten künstlerischen Ambitionen haben allen schwierigen und kompromittierenden Umständen zum Trotz eine menschliche Aufrichtigkeit an sich, die sympathisch ist. Die beiden männlichen Hauptdarsteller sind derweil in der Selbstparodie vereint.» (Guy Lodge, variety.com, 5.9.2021) Wir danken Pathé Schweiz für die freundliche Genehmigung dieser Vorpremiere. 114 Min / Farbe / DCP / Sp/d/f // DREHBUCH UND REGIE ­Mariano Cohn, Gastón Duprat // KAMERA Arnau Valls Colomer // SCHNITT Alberto del Campo // MIT Penélope Cruz (Lola Cuevas), Antonio Banderas (Félix Rivero), Oscar Martínez (Iván Torres), José Luis Gómez (Humberto Suárez), Manolo Solo (Matía), Nagore Aranburu (Julia), Irene Escolar (Diana Suárez), Pilar Castro (Violeta).


35 SO, 13. MÄRZ | 11.00 UHR

PREVIEW

DER WALDMACHER In

Volker

men, um Themen wie wirtschaftliche Aus-

Schlön­dorff den Australier Tony Rinaudo,

beutung, Geschlechtergerechtigkeit, Um-

der für seine innovativen Projekte zur Wie-

weltzerstörung und Migration möglichst

deraufforstung von Wüstengebieten 2018

vielschichtig darstellen zu können.

Der Waldmacher

porträtiert

mit dem «alternativen Nobelpreis», dem

Der Waldmacher zeigt gewöhnliche Men-

Right Livelihood Award, ausgezeichnet

schen, die aussergewöhnliche Dinge tun,

wurde. Zusammen mit Bäuerinnen und

und lehrt uns den Wert von Gemeinschaft,

Bauern in der Sahelzone reaktiviert Rinaudo

Selbstermächtigung und Hoffnung.

seit Jahrzehnten unterirdische Reste von

Regisseur Volker Schlöndorff wird am

Waldsystemen und sorgt für das nachhal-

13. März im Filmpodium diesen beeindru-

tige Wachstum von Bäumen, die das Ökosy-

ckenden und hochaktuellen Film als exklu-

stem wiederbeleben. Schlöndorff ­ arbeitet

sive Preview persönlich präsentieren.

mit afrikanischen Filmschaffenden zusam-

DER WALDMACHER / Deutschland 2022 89 Min / Farbe + sw / DCP / D+E+afrikanische Sprachen/d // REGIE Volker Schlöndorff, Alassane Diago, Idriss Diabaté, ­Laurene Manaa Abdallah // DREHBUCH Volker Schlöndorff, Axel Schneppat // KAMERA Stefan Ahrens, Michael Kern, V ­ olker Schlöndorff, Jonas Aly Sagnon // MUSIK Bruno Coulais, Ablaye Cissoko // SCHNITT Anette Fleming // MIT Volker Schlöndorff, Tony Rinaudo, Angela Winkler (Erzählstimme), Asirat Anja, Tesfamariyam Antoniyo.


36 MI, 30. MÄRZ | 20.00 UHR IN DER FILMPODIUM-LOUNGE

VIEWER’S DIGEST

Bernd Brehmer präsentiert komprimierte

zu nehmen. Was allerdings seinen Preis

Höhepunkte der Filmgeschichte auf Super-8.

hatte, denn für 20 Minuten Schmalfilm musste man gut und gerne über 100 Fran-

Psycho in 20 Minuten? Alien auf 120 Meter?

ken lockermachen. Bei solchen Meterprei-

Die zehn Gebote schwarzweiss und die Marx

sen ist leicht nachvollziehbar, dass die Kurz-

Brothers ohne Ton, aber dafür untertitelt?

form von Langfilmen für viele Haushalte

Ja, geht denn das? Ja, darf man das? Und

die einzige erschwingliche Home-Cinema-

wie! Denn tatsächlich gäbe Hitchcocks

Lösung war.

­Klassiker einen brillanten Kurzfilm ab, mal

Das Filmpodium und Bernd Brehmer

vorausgesetzt, man kennt das Original

(Werkstattkino München und Kodirektor

nicht! Und Cecil B. DeMilles Monumental-

UnderDox) nehmen Sie mit auf eine aben-

schinken erhält durch diese Transformation

teuerliche und amüsante (Zeit-)Reise in die

quasi avantgardistische Qualitäten. Dass in

Prähistorie des Home-Entertainments! Wir

den Kurzfassungen erfolgreicher Katastro-

bauen in der Lounge des Filmpodiums den

phenfilme oftmals nur noch die Katastrophe

Super-8-Projektor auf, und Sie dürfen bei

übrig blieb, liegt in der Natur der Sache.

einem Drink gemütlich in die Stühle gefläzt

Diese Viewer’s-Digest-Form grosser Ki-

selber mit Zurufen das Abendprogramm

noerfolge wurde in den 60er- und 70er-Jah-

aus der reichen Filmsammlung von Herrn

ren, auf Super-8 angeboten und entsprach

Brehmer bestimmen.

dem Wunsch, ein Stück Kino mit nach Hause

Eintritt frei, Platzzahl beschränkt.


37 The Story of Film: An Odyssey

Episoden 14 +15 (1990–2010) Der nordirische Dokumentarfilmer und Autor Mark Cousins beschäf­tigt sich seit dreissig Jahren mit den unterschiedlichsten Aspekten des Kinos. In The Story of Film: An Odyssey (2011) erzählt er in 17 einstündigen Episoden die Filmgeschichte nach, den Kern bilden dabei kommentierte Filmausschnitte und Interviews mit verschiedenen Filmgrössen, Schauspielerinnen und Schauspielern. Mit seinen präzisen Beobachtungen und umfangreichen Analysen schafft es Cousins, unseren Blick auf die 125-jährige Filmgeschichte zu schärfen. In den ersten drei Episoden machte er sich auf zu den diversen Geburtsorten des Films und brachte uns zum Staunen darüber, wie rasch und vielfältig sich die neue Kunstform entwickelte – nur um jäh mit dem Schock, den der Schritt zum Tonfilm darstellte, zu enden. In den Episoden 4 bis 13 schilderte er, wie sich Filmgenres herausbildeten, wie sich danach die sogenannten Neuen Wellen weltweit ausbreiteten, und er thematisierte das Kino der 70er-, der 80erund der 90er-Jahre. Im aktuellen Programm zeigen wir die Episoden 14+15: Cousins studiert das digitale Filmemachen in den 90er-Jahren und richtet seinen Fokus anschliessend auf die 2000er-Jahre. Zu jeder (unabhängig funktionierenden) Episode zeigen wir jeweils eine Auswahl der vorgestellten Filme.

THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 14 – NEW AMERICAN INDEPENDENTS & THE DIGITAL REVOLUTION

THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 15 – CINEMA TODAY AND THE FUTURE GB 2011

GB 2011 Die 1990er-Jahre: Das digitale Filmemachen erlaubte die Gestaltung von Szenen, die sonst nicht möglich gewesen wären. Quentin Tarantino brachte die Postmoderne in den amerikanischen Film, Baz Luhrmann spricht über Romeo & Julia und Moulin Rouge.

Die 2000er-Jahre: Nach 9/11 wurde das Kino ernster, und rumänische Filme traten ins Rampenlicht. David Lynchs Mulholland Drive wurde zu einem der komplexesten Traumfilme aller Zeiten, und Inception machte den Film zum Spiel. 60 Min / Farbe + sw / Digital HD / E/d // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Mark Cousins // SCHNITT Timo Langer.

Die Episoden 14 und 15 von The Story of Film werden im Doppelpack gezeigt (siehe Programmübersicht oder www.filmpodium.ch).


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The Story of Film

NATURAL BORN KILLERS USA 1994 Auf einer Odyssee durch die Einöde von New Mexico hinterlässt das verliebte Killerpärchen Mickey und Mallory eine Spur der Verwüstung: Aus purer Mordlust töten sie 52 Menschen. Bei ihren Massakern lassen sie jeweils eine überlebende Person zurück, die von ihnen berichten soll. Der Cop Jack Scagnetti ist den beiden Serien­ mördern auf den Fersen; die sensationsgeilen Medien machen die Bluttaten zu einer Topstory und die «M&M-Killer» zu Stars. «Während Quentin Tarantino die Struktur und die Dialoge amerikanischer Drehbücher in den 1990er-Jahren beeinflusste, war er weniger innovativ, wenn es um die Platzierung der Kamera und den visuellen Stil ging. Oliver Stones Natural Born Killers, der auf Tarantinos Drehbuch basiert, ­veranschaulicht das. Während Tarantino innovativ schrieb und klassisch drehte, ging der 1946 in New York City geborene ehemalige US-Infanterist und Drehbuchautor Stone viel weiter und experimentierte in mehreren seiner Filme aus den 1990er-Jahren mit visuellen Texturen. In Zusammenarbeit mit Kameramann Robert Richardson drehte er auf 8-mm-Amateurfilm, auf schwarz-

weissem 16-mm-Material, das früher für Fernsehnachrichten verwendet wurde, und auf ver­ ­ schiedenen Videoformaten und kombinierte diese mit 35-mm-Breitwandbildern. Traditionellere F ­ ilmemacher wie Steven Spielberg hatten lange Zeit die Maxime akzeptiert, dass die Körnung der Filmbilder für das Publikum nicht sichtbar sein sollte, weil ihm das die Illusion rauben würde, die Ereignisse auf der Leinwand tatsächlich zu erleben, indem es daran erinnert wird, dass man nur bewegte Bilder sieht. Richardson und Stone zerschmetterten diese Auffassung, indem sie den gewalttätigen Amoklauf eines jungen Paares als Mosaik aus Medien- und Filmmaterial darstellten.» (Mark Cousins: The Story of Film, Pavilion 2020) 114 Min / Farbe + sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Oliver Stone // DREHBUCH Richard Rutowski, Oliver Stone, Quentin Tarantino, David Veloz // KAMERA Robert Richardson // MUSIK Brent ­Lewis // SCHNITT Brian Berdan, Hank Corwin // MIT Woody Harrelson (Mickey Knox), Juliette Lewis (Mallory Knox), Robert Downey Jr. (Wayne Gale), Tommy Lee Jones (Dwight McClusky), Tom Sizemore (Jack Scagnetti), Edie McClurg (Mallorys Mutter).


The Story of Film

MULHOLLAND DRIVE Frankreich/USA 2001 Die naive Betty ist soeben aus Kanada nach Los Angeles gezogen, um Filmstar zu werden. Doch in der Wohnung ihrer Tante liegt schon jemand im Bett: eine geheimnisvolle Schönheit, die sich nach einem grauenvollen Autounfall an nichts mehr erinnern kann, nicht einmal an ihren eigenen ­ ­Namen. Fortan werden die beiden Frauen durch eine Kette rätselhafter Ereignisse zusammen­ geschweisst – dabei wird auch anderen der Boden der Realität unter den Füssen weggerissen. «Mulholland Drive, der beste Traumfilm des neuen Jahrtausends, wirkt so, als hätte jemand den The Wizard of Oz-Traum geträumt. Es geht um eine junge Frau, die den Hügel des Starruhms ­erklimmen will – den Mulholland Drive, wo alle Filmstars leben –, aber stattdessen einschläft und in ihr eigenes Bewusstsein abtaucht. In den Tiefen dieses Bewusstseins erfahren wir von einem Tanz in Ontario, als sie ein Mädchen war. (...) Doch das Mädchen wird erwachsen, verliebt sich in eine andere junge Frau und wird so eifersüchtig auf sie, dass sie einen Auftragskiller bittet, sie zu töten. David Lynch lässt die Szene in einem Café namens Winkies auf konventionelle

Art und Weise filmen: Schuss-Gegenschuss, fast natürliches Licht, Halbnah-Einstellungen. Doch aus dem Augenwinkel heraus sieht das Mädchen diesen Mann. Er sieht sie an, während sie den Mord arrangiert. Peng. Es ist, als sähe er sie das Verbrechen begehen, das Gedankenverbrechen. Und so sehen wir in ihrem langen Traum ihn – und nicht sie –, wie er hinter einer Wand im hinteren Teil des Cafés Winkies etwas Schrecklichem gegenübersteht. Handkamera. Ein Brüllen auf der Tonspur. Ein derart grosser Schock, dass alles verstummt. (...) Mulholland Drive war so innovativ, weil hier The Wizard of Oz in die schwarze Nacht des Film noir und in den Kaninchenbau von David Lynchs Gehirn gestürzt wurde.» (Mark Cousins, in: The Story of Film: An Odyssey, Ep. 15) 147 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE ­David Lynch // KAMERA Peter Deming // MUSIK Angelo ­Badalamenti // SCHNITT Mary Sweeney // MIT Naomi Watts (Betty Elms), Laura Elena Harring (Rita), Justin Theroux (Adam Kesher), Ann Miller (Coco Lenoix), Robert Forster (Det. Harry McKnight), Dan Hedaya (Vincenzo Castigliane).

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The Story of Film

ÊTRE ET AVOIR Frankreich 2002 Eine kleine Dorfschule in der Auvergne: Georges Lopez, der Lehrer einer altersgemischten Klasse, widmet sich voller Anteilnahme den individuellen Bedürfnissen seiner vier- bis elfjährigen Schülerinnen und Schüler. Er lehrt die Kinder nicht nur lesen, schreiben und rechnen, sondern auch Traktor fahren und Pfannkuchen backen, und er besucht mit ihnen das Collège, um sie auf die nächste Schulstufe vorzubereiten. Auch in seinem letzten Schuljahr vor der Pensionierung kümmert er sich dabei liebevoll, gerecht und bestimmt um «seine» Kinder und bringt ihnen bei, eigenständig zu denken und zu handeln. «Dokumentarfilme haben einige Jahre lang die Leinwand beherrscht. Dieser Film, Être et avoir, der kurz vor Fahrenheit 9/11 entstand, war ein klassischer, beobachtender, charakterbezogener Film. Es ist das Ende des Schuljahres in einer ländlichen Schule. Der Lehrer Lopez geht bald in den Ruhestand. Es ist das letzte Mal, dass er die Kinder sehen wird. Die Kamera ist auf der Höhe eines Kindes, dann kippt sie nach oben. Seine Traurigkeit. Während Helden in Spielfilmen oft losziehen und die Welt retten müssen, steht

Lopez einfach nur da. Und doch war er im Jahr 2002 einer der einprägsamsten Menschen auf der Leinwand.» (Mark Cousins, in: The Story of Film: An Odyssey, Ep. 15) 104 Min / Farbe / 35 mm / F/d // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Nicolas Philibert // KAMERA Laurent Didier, Katell Djian, Hugues Gemignani, Nicolas Philibert // MUSIK Philippe ­ ­Hersant // MIT Georges Lopez (Lehrer) und den Kindern Alizé, Axel, Guillaume, Jessie, Johann, Jonathan, Julien, Laura, Létitia, Marie-Elizabeth, Nathalie.


The Story of Film

RUSSIAN ARK (Russkij kowtscheg) Deutschland/Russland 2002 Auf wundersame Weise findet sich ein Filmemacher in der Eremitage in St. Petersburg wieder und trifft auf einen zynischen französischen Aristokraten aus dem 19. Jahrhundert. Gemeinsam begeben sie sich auf eine aufregende Reise durch den Palast und die turbulente Geschichte Russlands, von der Zarenzeit bis zur Revolution. Russian Ark ist «vielleicht der einfallsreichste Film, der je gedreht wurde. Der grösste ‹Gorilla› der Filmgeschichte. Wir befinden uns in der Eremitage, Ende des 19. Jahrhunderts. Die zaristischen Aristokraten haben die ganze Nacht gefeiert und strömen nun, einem Fluss ähnlich, die Treppen hinunter. Doch die Revolution naht. Dies wird der letzte der grossen Bälle sein. Bald werden sie tot sein. (...) Sokurow sah den Film als letzten Atemzug dieser Zivilisation und so drehte er den ganzen Film verblüffenderweise in einer einzigen Einstellung. Es gab im ganzen Film keinen einzigen Schnitt. Die Kamera legte für die Einstellung 1300 Meter zurück, durchquerte 33 Galerien und filmte dabei 867 Personen – über 90 Minuten lang Kavaliere, Museumsbeamte, ­Spione, grosse Bälle und Vorzeichen der kom-

menden Schrecken. Sokurow und sein Team probten sechs Monate lang. Die Dreharbeiten fanden am 23. Dezember statt, als es nur vier Stunden Tageslicht gab. Dies ermöglichte nur zwei Takes. Take eins musste nach fünf Minuten abgebrochen werden. Dann Take zwei, der sich entfalten konnte. Unglaubliche Spannung. Die Steadicam ist so schwer, dass der Kameramann vor Schmerzen fast in den Knien einknickt. (...) Sokurow ist einer der ernsthaftesten Filmemacher des 21. Jahrhunderts und einer der stilistisch wagemutigsten. Er und verwandte Filmemacher geben den Anschein, dass die Zukunft des Kinos in provokativen Händen liegt.» (Mark Cousins, in: The Story of Film: An Odyssey, Ep. 15) 99 Min / Farbe / 35 mm / Russ/d/f // REGIE Alexander Sokurow // DREHBUCH Alexander Sokurow, Anatoli Nikiforow, Boris Chaimski, Swetlana Proskurina // KAMERA Tilman Büttner // MUSIK Sergei Jewtuschenko // SCHNITT Stefan Ciupek, Betina Kuntzsch, Sergei Iwanow // MIT Sergei Dreiden (Marquis de Custine), Marija Kuznezowa (Katharina die Grosse), Leonid Mosgowoi (der Spion), Michail Piotrowski (Direktor der Eremitage), David Giorgobiani (Orbeli), Alexander Tschaban (Boris Piotowski), Maksim Sergejew (Peter der Grosse), Natalja ­Nikulenko (Katharina die Erste), Anna Alexachina (Alexandra Fiodorowna), Wladimir Baranow (Nikolaus II.).

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The Story of Film

ELEPHANT USA 2003 Ein ganz normaler Tag an einer amerikanischen Highschool – die Jugendlichen treffen in den Korridoren ihrer Schule aufeinander, büffeln in der Bibliothek oder essen in der Cafeteria zusammen zu Mittag. Sie ahnen nicht, dass dieser Tag in einem Blutbad enden wird. Gus Van Sants Elephant ist eine der eindringlichsten Darstellungen von «school violence» und «gleichzeitig von einer beiläufigen Poesie (...). Da man ahnt, was passieren wird, laden sich die ­Bilder vom Schulalltag mit einer immer unerträglicheren Spannung auf. Zum einen, weil man lange nicht weiss, wer Opfer und wer Täter sein wird, zum anderen, weil sich die Wege der Schüler nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich überschneiden. In langen Einstellungen folgt ihnen die Kamera über den Campus und durch die Schule, und an den Schnittpunkten sieht man dasselbe Geschehen aus verschiedenen Perspektiven. (...) So oder so ist Elephant ein filmischer Schock.» (Michael Althen, viennale.at) «Van Sants typischster Film, Elephant, handelte vom Sündenfall junger Männer. Kein Film der 90er-Jahre war auf komplexere Weise mit der

Filmgeschichte verbunden. Elephant war eine Reaktion auf den Amoklauf an der Columbine ­ High School. Der Film ist im unzeitgemässen Bildformat 4:3 gedreht. Van Sant folgt den jungen Männern mit einer Steadicam. Es gibt kaum ­Dialoge. Die Gewalt bleibt unerklärt. 14 Jahre zuvor hatte der britische Regisseur Alan Clarke mit einer Steadicam einen Kurzfilm namens Elephant gedreht, um das getriebene, fast tranceartige ­Gehen bewaffneter Männer in Nordirland zu zeigen (...). Das ständige Gehen in Clarkes Elephant beeinflusste das Vorwärtsgehen in Echtzeit ohne viele Schnitte in Van Sants Elephant und in seinem früheren Film Gerry. Diese Filme muteten in gewisser Weise wie Videospiele an, die einen neuen Einfluss auf das Kino der 90er-Jahre ausübten.» (Mark Cousins, in: The Story of Film: An Odyssey, Ep. 14) 81 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Gus Van Sant // KAMERA Harris Savides // MIT Alex Frost (Alex), Eric Deulen (Eric), John Robinson (John McFarland), Elias McConnell (Elias), Jordan Taylor (Jordan), Carrie Finn (Carrie), Nicole George (Nicole), Brittany Mountain (Brittany), Alicia Miles (Acadia), Timothy Bottoms (Mr. McFarland), Matt Malloy (Mr. Luce).


43 Filmpodium für Kinder

Anne liebt Philipp

Können Zehnjährige sich verlieben? Sicher nicht. Und wenn doch …? Die zehnjährige Anne mag es, das Gegenteil von dem zu machen, was die anderen von ihr erwarten. Und sie mag es nicht, dass alle über die Liebe reden. Die Liebe, das ist etwas für Erwachsene. Aber dann kommt Philipp, der Neue in ihrer Schulklasse, und es ist um Anne geschehen. Auch Ellen, das schönste Mädchen der Schule, bemüht sich um Philipps Aufmerksamkeit. Und dass er mit seinem Vater ausgerechnet in das seit Langem leer stehende Haus gezogen ist, in dem einst jemand eingemauert worden sein soll, macht die Sache auch nicht einfacher. Doch für die Liebe geht Anne aufs Ganze, und das tut weh, ist chaotisch und kompliziert, aber auch wunderschön. (pm)

ANNE LIEBT PHILIPP (Jørgen + Anne = sant) / Norwegen/Deutschland 2011 83 Min / Farbe / DCP / D / ab 8/10 // REGIE Anne Sewitsky // DREHBUCH Kamilla Krogsveen, nach dem Roman «Tilla liebt ­Philipp» von Vigdis Hjorth // KAMERA Anna Myking // MUSIK Marcel Noll // SCHNITT Christoffer Heie // MIT Maria Annette Tanderø B ­ erglyd (Anne Lunde), Otto Garli (Philipp Ruge), Aurora Bach Rodal (Beate), Vilde Fredriksen Verlo (Ellen), Kristin Langsrud (Tone), Peder Holene (Knut), Sigurd Saethereng (Einar), Torkil Høeg (Ole), Adrian Holte Kristiansen (Dag), Anna Jahr Svalheim (Helga). Altersfreigabe: Zutritt ab 8 Jahren, empfohlen ab 10 (Begleitung durch Erwachsene generell empfohlen). Kinderfilm-Workshop Im Anschluss an die beiden Vorstellungen vom 12. und 19. März bietet das Filmpodium einen Film-Workshop für Kinder unter der Leitung der Filmwissenschaftlerin Julia Breddermann an (ca. 30 Min., gratis, keine Voranmeldung nötig). Die Kinder erleben eine Entdeckungsreise durch die Welt der Filmsprache und werden an einzelne Szenen und Themen des Films herangeführt.


44 SÉLECTION LUMIÈRE

DI, 8. MÄRZ | 20.45 UHR

LADY AND THE TRAMP

SO, 20. MÄRZ | 15.00 UHR

Kindern ist dieser Disney-Animationsfilm

wie eine warmherzige romantische Komö-

als Susi und Strolch geläufig. Das Original,

die der 1930er-Jahre als wie ein typischer

Lady and the Tramp, hat vor allem dank der

Kinderfilm.

Songs von Peggy Lee auch Qualitäten, die ein erwachsenes Publikum ansprechen.

Es gibt Augenblicke in diesem Film – ein Spaghetti-Essen unter den Sternen sticht heraus –, die den Geist von Jean Arthur und Charles Boyer in Frank Borzages History Is Made at Night oder von Cary Grant und Katharine Hepburn in George Cukors ­ ­Holiday heraufbeschwören. Die amerikanische Liebesgeschichte schlechthin – die zwischen der verwöhnten Erbin und dem spontanen, lebenslustigen Mann aus ärmlichen Verhältnissen – ist selten eleganter und unterhaltsamer erzählt worden. (...) Dennoch vernachlässigt Disney seine natürliche Anhängerschaft nicht. Es gibt eine Nebenhandlung, in der es um ein neues Baby daheim bei Lady geht, das ihr das Ge-

LADY AND THE TRAMP / USA 1955

fühl gibt, von ihren Herrchen Besitzern

76 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Clyde Geronimi, Wilfred

nicht geliebt zu werden, eine einfühlsame

Jackson, Hamilton Luske // DREHBUCH Ward Greene,

­

und aufschlussreiche Darstellung kind-

Grant, Dick Huemer, Louis Pollock, Frank Tashlin, Sam

licher Eifersucht, wie sie nie besser verfilmt

­Cobean // MUSIK Oliver Wallace // SCHNITT Donald Halliday

worden ist.

­Erdman Penner, Joe Rinaldi, Ralph Wright, Don DaGradi, Joe

// MIT Peggy Lee (Stimme von Darling/Si/Am/Peg), Larry Roberts (Stimme von Tramp), Bill Baucom (Stimme von ­

Disney war zweifellos der grösste Ani-

Trusty), Verna Felton (Stimme von Aunt Sarah), George Givot

mationsfilmproduzent in der Geschichte

(Stimme von Tony), Lee Millar (Stimme von Jim Dear/Hunde-

des Kinos, aber seine technischen Fähig-

fänger), Barbara Luddy (Stimme von Lady).

keiten machten nur eine Hälfte seines Genies aus. Die andere Hälfte lag in einem

«Lady and the Tramp, der 1955 erstmals ins

tiefen, unerschütterlichen Mitgefühl für ­

Kino kam, ist so etwas wie eine Ausnahme

die Seelenlage von Kindern.» (Dave Kehr,

in der grossen Reihe der Disney-Zeichen-

chicagotribune.com, 19.12.1986)

trick-Klassiker. Mit seinen fünf Peggy-LeeSongs, dem städtischen Schauplatz und der

 am Dienstag, 8. März, 20.45 Uhr:

witzig und gefühlvoll gezeichneten Liebes-

Einführung von Julia Marx

geschichte zwischen einem reinrassigen Cockerspaniel (‹Lady›) und einem Hinterhofköter (‹The Tramp›) wirkt der Film eher


45 IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS

in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich LEITUNG Nicole Reinhard (nr), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb) WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm), Flurina Gutmann SEKRETARIAT Claudia Brändle BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 412 31 25 WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 415 33 66 UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Les Acacias, Paris; Armor Films, Les Mureaux; ­Mireille Champreux; Cinematek, Brüssel; La Cinémathèque de Grenoble; La Cinémathèque française – Musée du cinéma, ­Paris; Les Documents Cinématographiques, Paris; Drop-out Cinema, Mannheim; Éditions René Chateau, Paris; EGEDA, ­Madrid; Les Films du Losange, Paris; Films sans frontières, Paris; Fondation Henri Storck, Brüssel; Forum des images, Paris; Frenetic Films, Zürich; Gaumont, Neuilly sur Seine; Gaumont Pathé Archives, Saint-Ouen; INA - Institut national de l'audiovisuel, ­Bry-sur-Marne; Kinemathek Le Bon Film, Basel; Österreichisches Filmmuseum, Wien; Park Circus, Glasgow; Pathé Films, Zürich; Praesens-Film, Zürich; Stamm Film, Zürich; Tamasa Distribution, Paris; trigon-film, Ennetbaden; Video Mercury Films, Madrid; Warner Bros. Entertainment Switzerland GmbH, Zürich; West End Films, Harrow; zero one film GmbH, Berlin. DATABASE PUBLISHING BitBee Solutions GmbH, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT Nina Haueter, Daliah Kohn // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 5000 ABONNEMENTE & VERGÜNSTIGUNGEN Filmpodium-Generalabonnement: CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // alle unter 25 Jahre & Kulturlegi: CHF 9.– // Programm-Pass: CHF 60.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen einer Programmperiode) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU: TILDA SWINTON ZU GAST IM FILMPODIUM – UND ... Cinema Seen Through the Eyes of:

Pier Paolo Pasolini

Joanna Hogg

Pier Paolo Pasolini wäre im März 2022

Joanna Hogg zeigt Kino. Mit ihrem autobio-

100 Jahre alt geworden. Viele der Filme, die

grafisch geprägten Filmprojekt The Souvenir

er in den 60er- und 70er-Jahren inszenierte,

ist die britische Autorinnenfilmerin derzeit

stellten die Werte einer industrialisierten,

eine der aufregendsten weiblichen Stimmen

immer konsumorientierteren Gesellschaft in

im Kino. Ihre Werke sind von scharfsinnigen

Frage und sorgten damals für Skandale.

Beobachtungen und einer atemberaubenden,

Heute sind Werke wie Accattone (1961),

eigenwilligen visuellen Poesie geprägt. Für

Il vangelo secondo Matteo (1964) und Salò o le

unser neues Programmformat wählt Hogg

120 giornate di Sodoma (1975) moderne Klas-

zehn Werke aus, die für sie Wendepunkte der

siker. Weniger bekannt sind die Filme, die an-

Filmgeschichte sind und die auch einen Blick

dere inszenierten, die Pasolini aber als Autor

in die Zukunft der Kunstform Film werfen.

der Vorlage oder des Drehbuchs mitprägte.

Das Programm findet in Kooperation mit dem

Wir zeigen den provokativen Cineasten auch

Xenix statt, das ihr zeitgleich eine Retrospek-

als grosszügigen Mentor und präsentieren

tive widmet. Joanna Hogg wird in beiden Ki-

dazu Werke seiner Zeit- und Gesinnungs­

nos zu Gast sein.

genossen.


N AT H A LI E Á LVA R E Z M E S ÉN CO S TA R I CA

ÄR Z AB M NO IM KI

«Getragen von der leidenschaftlichen Darbietung der Tänzerin Wendy Chinchilla Araya, bewegt sich das Drama auf ganz eigenem Terrain, das von magischem Realismus gefärbt ist und tief in die Welt der Sinne eintaucht.» T H E H O LLY WO O D R EP O RT ER

Fürs Home Cinema empfehlen wir filmingo.ch oder unseren DVD-Shop auf trigon-film.org


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