Filmpodium Programmheft Oktober/November 2020 // Programme issue oct/nov 2020

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5. Oktober –18. November 2020

Zhang Yimou Louise Brooks


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RINGVORLESUNG

Klingende Bilder – Musik und Film

mit Beat Blaser, Adrian Marthaler, Thomas Meyer, Jean Perret, Alexander Schiwow

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01 Editorial

Back to Filmpodium Vielleicht freuen wir uns zu früh, aber wir wollen unsere Freude, solange sie währt, doch mit Ihnen teilen: Das Virus hat sich auch beim Filmpodium in den Eintrittszahlen niedergeschlagen, aber merklich weniger heftig als bei den kommerziellen Kinos. Im Juli und August verzeichneten wir knapp zwei ­Drittel des durchschnittlichen Publikumsvolumens der letzten Jahre. Das ist ansehnlich und liegt wohl daran, dass wir zum einen nicht von Premieren neuer Filme abhängig sind, die (noch) nicht gezeigt werden können, zum andern ein wirklich treues Stammpublikum haben. Diesem sind wir sehr dankbar – und bitten es gleichzeitig, auch wieder mehr zur Konkurrenz zu gehen, denn die Premierenkinos haben es dieses Jahr noch schwerer als sonst. Streaming ist pandemiehalber für immer mehr Menschen zur Norm in Sachen Filmkonsum geworden, und die Auswertungsfenster fürs Kino verkürzen sich zusehends. Manche Filme starten inzwischen gleichzeitig online und im Kino oder gar zuerst online, sodass die Säle ungewollt immer mehr Platz für Social Distancing aufweisen. Also kommen Sie bitte nicht nur «back to Filmpodium», sondern gehen Sie generell «back to cinema». Nicht, dass das Filmpodium im Oktober/November-Programm wenig zu bieten hätte – im Gegenteil; ganz nach dem Motto «aufgeschoben ist nicht aufgehoben» bringen wir nun jene schönen Filmreihen, die wir Ihnen eigentlich im Frühjahr kredenzen wollten: Vor der Kamera verlockt Louise Brooks, die Ikone der – in diesem Jahr immer noch als Bezugspunkt relevanten – Roaring Twenties und modernste Schauspielerin des Stummfilms. Mit ganz wenigen Ausnahmen zeigt unsere Retrospektive alles, was von ihrer kurzen, kometenhaften Karriere erhalten ist, vieles davon begleitet mit Live-Musik. Hinter der Kamera beeindruckt Kira Muratowa, die noch während der Sowjetzeit ebenso unbequeme wie innovative Filme drehte und deren Schaffen erst nach der Perestroika gebührend gewürdigt werden konnte. Geschüttelt und gerührt werden Sie schliesslich von Zhang Yimou, dem erfolgreichsten und in mancher Hinsicht bedeutendsten chinesischen ­Filmemacher der Gegenwart. Seine farbigen Historiengemälde, akrobatischen Wuxia-Filme und nüchternen Alltagsstudien stellen ein Wechselbad der Formen und Stimmungen dar. Zhangs jüngster Film, Shadow, den wir als Kinopremiere zeigen, kommt visuell atypisch, nahezu monochrom daher und erinnert mit seiner Doppelgängerthematik an Kurosawas Meisterwerk Kagemusha, das gleichzeitig in unserer Jahrhundertreihe zu sehen ist. Michel Bodmer Titelbild: Der Fluch der goldenen Blume von Zhang Yimou


02 INHALT

Zhang Yimou

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Er ist der erfolgreichste Vertreter der sogenannten «Fünften Generation» des chinesischen Kinos, die – aufgewachsen während der Kulturrevolution – in den 1980er-Jahren den Blick auf das vergessene Filmland China öffnete. Von bildgewaltigen Historiendramen (Rotes Kornfeld, Ju Dou, Raise the Red Lantern) über neorealistisch anmutende Gegenwartsfilme wie Qiu Ju – eine chinesische Frau oder Keiner weniger – Not One Less bis zu opulenten Wuxia-Epen wie Hero oder House of Flying Daggers – Zhang Yimou hat sich in den 35 Jahren seiner Karriere immer w ­ ieder neu erfunden. Als Zürcher ­Kinopremiere ist Zhangs jüngster Film Shadow zu sehen, eine düstere Doppelgänger-Geschichte über Macht und Korruption, die mit einigen höchst originellen Kampfkunsteinlagen aufwartet. Bild: House of Flying Daggers

Kira Muratowa

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Kira Muratowa (1934–2018) gehört zu den prägenden Regiegestalten des sowjetischen und ukrainischen Kinos. Kompromisslos und experimentierfreudig, hat sie sich der ideologischen Vereinnahmung stets verweigert und einen unerbittlichen Blick auf die Welt ge­ worfen. Internationale Anerkennung fand Muratowas Schaffen erst nach der Perestroika.

Louise Brooks

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Louise Brooks (1906–1985) wurde zur Ikone der Roaring Twenties; als Schauspielerin war sie ihrer Zeit voraus. Hollywood setzte Brooks vor allem in Komödien ein; in Beggars of Life bewies sie ihre Fähigkeiten im ernsten Fach. Erst in Europa entstanden ihre legendärsten Filme: Die Büchse der Pandora, Tagebuch einer Verlorenen und Prix de beauté. Bild: Louise Brooks


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Das 1. Jh. des Films: 1980

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1980 beweisen Martin Scorsese mit seinem Boxerdrama Raging Bull und David Lynch mit seiner Ausgrenzungsfabel Elephant Man, dass Schwarzweiss nach wie vor starke Bilder und beklemmende Stimmungen erzeugt. In Spanien allerdings tritt Pedro Almodóvar mit Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón eine besonders farbenfrohe Karriere an. Maurice Pialat erzählt in Loulou von Liebe in der Klassen­ gesellschaft und Akira Kurosawa entlarvt in Kagemusha Machtgier und Korruption. Bild: Raging Bull

Filmpodium für Kinder: 41 Ente gut! Mädchen allein zu Haus Mama muss dringend nach Vietnam. Die beiden Kinder Linh und Tien bleiben allein zu Haus in Deutschland und müssen nicht nur den Haushalt, sondern auch den Familienimbiss schmeissen. Ein bisschen Drama, ein bisschen Komödie, ein bisschen Krimi. Bild: Ente gut! Mädchen allein zu Haus

Einzelvorstellungen Filmbuff-Quiz 2020 Internationaler Tag des Anima­tionsfilms Sélection Lumière: 12 Angry Men

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Zhang Yimou Es gibt wohl keinen Regisseur, der die vielfältigen Entwicklungen der letzten 35 Jahre im Filmschaffen der Volksrepublik China so gut verkörpert wie der 1950 (oder, je nach Quelle, 1951) geborene Zhang Yimou. Sein Œuvre umfasst sowohl ethnografische Arthouse-Filme als auch kommerzielle Mainstreamproduktionen. Veränderungen im Filmwesen hat sich Zhang nicht nur angepasst, zum Teil hat er sie sogar mit­ initiiert, doch ist es ihm dabei gelungen, seiner Handschrift und seinem künstlerischen Credo treu zu bleiben. 1978 nahm die Filmschule in Peking zum ersten Mal wieder Studierende auf, nachdem sie während der zehn Jahre dauernden und für die Filmkunst verheerenden Kulturrevolution brachgelegen war. 1982 verliess so eine neue Generation die Filmschule, die nach der chinesischen Zählweise als «fünfte» bezeichnet wird. Sie interessierte sich nicht nur für Inhalte, sondern auch für Form und Ästhetik – aber sehr wenig dafür, was die kommunistische Führung sich unter idealer Filmkunst vorstellte. Zusammen mit seinem Schulkameraden Chen Kaige, der ebenfalls als Student während der Kulturrevolution aufs Land geschickt worden war und für den er anfänglich als Kameramann arbeitete, widmete sich Zhang ab Mitte der 80er-Jahre dem vom chinesischen Kino vergessenen oder propagandistisch verklärten Landleben. So etwa in Rotes Kornfeld (1987), Ju Dou (1990) und Raise the Red Lantern (1991), alles Literaturverfilmungen, die in den 1920er-Jahren angesiedelt sind und das Schicksal von Frauen ins Zentrum stellen, die mit den verkrusteten, menschenunwürdigen Strukturen des feudalen und patriarchalen Chinas zu kämpfen haben. Ju Dou, der erste chinesische Film, der als bestes fremdsprachiges Werk ins Rennen um die Oscars ging, wurde auf Technicolor-Material gedreht, ein Verfahren, das zwar längst überholt war, den Farben aber zu einer ungemeinen Intensität verhilft. Eigenwillige Farbkompositionen Raise the Red Lantern verdeutlicht die Essenz des Filmstils von Zhang Yimou: Der Regisseur erzählt seine Geschichten vor allem in Bildern, eigenwilligen Stilisierungen und Kompositionen. Die Starre des feudalen Systems wird in einer Abfolge zentralperspektivischer und symmetrischer Einstellungen visualisiert, welche die Figuren zu Marionetten macht: eine kalkulierte Ästhetik, die ebenso betörend schön wie psychologisch einengend ist. < >

Düsteres Doppelgänger-Drama: Shadow Farbige Fabel um Liebe und Krieg: Rotes Kornfeld


06 Auch Qiu Ju – eine chinesische Frau (1992), der erneut eine beharrliche weibliche Hauptfigur hat, spielt auf dem Land, jedoch in der kommunistischen Gegenwart. Zwar fehlt auch hier die perfekte visuelle Orchestrierung nicht, doch kehrt Zhang zu einem zurückhaltenderen, fast neorealistischen Ausdruck zurück. Verblüffend ist, dass die sonst so schillernd und strahlend inszenierte Hauptdarstellerin Gong Li hier als Bäuerin ihres Glamours fast gänzlich beraubt ist. Der Film erhielt in Venedig den Goldenen Löwen und Gong Li den Preis als beste Darstellerin. Als Schauspielerin, Muse und ­Lebensgefährtin war sie untrennbar mit den ersten sechs Filmen Zhangs verbunden: «Wann immer ich eine neue Idee hatte, fragte ich mich: Kann sie das spielen? Ist die Rolle gut für sie? Werden wir streiten?», erklärte Zhang offen in einem Interview. Die Trennung von Gong Li 1995, mit der er erst viel später noch zweimal zusammenarbeiten würde (2006 in Der Fluch der goldenen Blume, 2014 in Coming Home), war mit ein Grund, weshalb Zhang sich neuen Themen widmete: Nun wollte er sich mehr dem Alltag und den einfachen Leuten zuwenden. Eine neue Schaffensphase So griff Zhang für Keiner weniger – Not One Less (1999), der die prekäre Unterrichtssituation in abgelegenen Landschulen aufzeigt, ausschliesslich auf Laiendarsteller zurück. Es war auch sein erster Film, den die staatlichen Kultur­stellen vollumfänglich unterstützten. Obwohl darin durch den Wirtschaftsboom entstandene Ungleichheiten moniert werden, verdächtigte man Zhang vor allem im Westen einer gewissen Regimehörigkeit. Der Regisseur wehrte sich in einem öffentlichen Statement, seine Filme würden besonders im Westen stets in einem politischen Licht gesehen und in «staatstreu» oder «staatsfeindlich» eingeteilt. Nach der etwas sentimentalen Liebeskomödie Happy Times (2000), die die urbane Konsumgesellschaft aufs Korn nimmt, vollzog Zhang 2002 erneut eine für die gesamte Filmbranche Chinas signifikante Kehrtwende, indem er mit Hero (2002) versuchte, der immer mächtiger werdenden Hollywoodkonkurrenz die Stirn zu bieten. Mit enormem Budget, zugkräftigen HongkongStars und einer gezielten Marketingkampagne wollte er selbst einen dapian realisieren. Diese mit «grosser Film» zu übersetzende chinesische Bezeichnung entspricht dem amerikanischen Blockbuster. Der Plan ging auf: Der Schwertkampffilm wurde zum erfolgreichsten chinesischen Film aller Zeiten. Viele folgten diesem Beispiel, und bis heute kommt es regelmässig vor, dass grosse einheimische Filme Hollywood an der Kinokasse überflügeln. Kunst und Kommerz – Widersprüche? Dennoch ist Hero ein Beweis dafür, wie schwierig es auch bei Zhang Yimou wäre, Kunst gegen Kommerz auszuspielen. Denn trotz seiner pekuniären Am-


07 DER LANGE SCHATTEN DER KULTURREVOLUTION

EINFÜHRUNG ZU COMING HOME VON LUC SCHAEDLER DO, 15. OKT. | 18.00 UHR

Der Anthropologe und Filmemacher Luc Schaedler hat sich in seinen Filmen immer wieder intensiv mit China und der Kulturrevolution auseinandergesetzt – wie jüngst in seinem ­Dokumentarfilm A Long Way Home. In seiner Einführung zu Coming Home legt er die wichtigsten Eckdaten der chinesischen Kulturrevolution dar und zeigt deren weitreichende Auswirkungen anhand von Filmausschnitten aus Werken Zhang Yimous und eigenen Dokumentationen auf.

bitionen schuldet der Film seinen Erfolg vor allem der Handschrift des Regisseurs. Besonders die opulente Verwendung von Farbe, die den Film in fünf unterscheidbare Abschnitte teilt und für die extra Wong Kar-wais Kameramann, der Farbspezialist Christopher Doyle, verpflichtet wurde, erregt bis heute bei Publikum wie Kritik Aufsehen. Auch in den letzten 15 Jahren gelang es Zhang Yimou immer wieder, sowohl im Arthouse-Bereich mit Werken wie Coming Home (2014) als auch mit grösseren, kommerzieller ausgerichteten Produktionen, etwa The Flowers of War (2011) mit Christian Bale in der Hauptrolle, das heimische und das internationale Publikum zu erreichen. Dass Zhang Yimou inzwischen auch bei der chinesischen Parteiführung als Aushängeschild gilt, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass er 2008 mit der Inszenierung der Eröffnungs- und Schlussfeier der Olympischen Spiele in Peking sowie kürzlich mit der Schlussfeier zum 70-jährigen Bestehen der Volksrepublik beauftragt wurde. Doch Ruhm und Anerkennung schützen nicht vor (mutmasslichem) staatlichem Zugriff, wie das Schicksal des seit neun Monaten fertiggestellten One Second zeigt. Der Film, der laut wenigen informierten Quellen als einer der persönlichsten von Zhang bezeichnet wird, behandelt erneut die Kulturrevolution – ein in China nach wie vor heikles Thema. Er wurde im letzten Moment aus nicht näher definierten «technischen Gründen» aus dem Wettbewerb der diesjährigen Berlinale zurückge­ zogen und liegt trotz Anpassungen immer noch auf Eis. Dennoch müssen wir uns keine Sorgen machen: Zhang Yimou, der diesen November seinen 70. (oder vielleicht erst 69.) Geburtstag feiert, wird dieses Hindernis überwinden und uns auch in Zukunft überraschen. Till Brockmann Till Brockmann ist Filmwissenschaftler und Japanologe, arbeitet als Dozent u. a. an der UZH; daneben ist er auch als Filmjournalist tätig. Vielen Dank an das Stadtkino Basel, von dessen Vorarbeit wir beim Zusammenstellen dieser Reihe und der Texte profitieren konnten.


> Shanghai Serenade.

> Ju Dou.

> Qiu Ju.

> Leben!.

> Raise the Red Lantern.


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Zhang Yimou 95 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou, Yang

ROTES KORNFELD

Fengliang // DREHBUCH Liu Heng, Yang Fengliang, nach der

(Hong Gaoliang) China 1987

Novelle «Fuxi, Fuxi» von Liu Heng // KAMERA Gu Changwei,

«Ein Bauer verkauft seine Tochter einem leprakranken Schnapsbrenner für einen Esel zur Braut. Nach alter chinesischer Sitte wird sie in e ­ iner Sänfte ihrem zukünftigen Mann gebracht. Auf der Reise verliebt sie sich in einen der Träger. Unter mysteriösen Umständen stirbt der ungeliebte zukünftige Gatte. Die Braut übernimmt die Schnapsbrennerei, gewinnt das Vertrauen der ungehobelten Arbeiter und heiratet den Sänftenträger. (…) Dem ländlichen Glück (…) setzen die japanischen Besatzungstruppen ein brutales Ende.» (Rolf Hürzeler, Zoom 21, 1988) «Eine künstlerisch ausdrucksstarke Mischung aus Epos und derbem Bauerntheater (...); eindrucksvoll auch durch die aussergewöhnlich agile Kamera und die ausgereifte Farbdramaturgie.» (Lexikon des int. Films) 1988 in Berlin mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet, verhalf Zhang Yimous Regiedebüt dem chinesischen Film zu neuem Stellenwert.

(Yang Jin-shan), Zhang Yi (Yang Tianbai als Kind), Zhen Jian

92 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Chen Jianyu, Zhu Wei, Mo Yan, nach dem Roman von Mo Yan // KAMERA Gu Changwei // MUSIK Zhao Jiping // SCHNITT Du Yuan // MIT Gong Li (Nine, meine Grossmutter), Jiang Wen (Yu, mein Grossvater), Teng Rujun (Onkel ­Luohan), Liu Ji (Douguan, mein Vater), Qian Ming (Nines V ­ ater), Ji Chunhua (Bandit Sampao), Zhai Chunhua (Huer).

JU DOU China/Japan 1990

Yang Lun // MUSIK Zhao Jipin, Xia Ru-jin // SCHNITT Du Yuan // MIT Gong Li (Ju Dou), Li Baotian (Yang Tian-quing), Li Wei (Yang Tianbai als Jugendlicher).

RAISE THE RED LANTERN (Da hong deng long gao gao gua) China/Hongkong/Taiwan 1991 «Im China der 1920er-Jahre ist die 19-jährige Songlian dazu gezwungen, nach dem Tod ihres Vaters ihr angefangenes Studium aufzugeben und den 31 Jahre älteren, wohlhabenden Feudalherrn Chen zu ehelichen. Doch auch wenn Songlian als vierte Ehefrau auf dem weitläufigen Anwesen einen eigenen Gebäudeflügel und eine Bedienstete zugewiesen bekommt, ist sie letztendlich nur eine Gefangene im goldenen Käfig, in welchem Neid und Intrigen den Alltag beherrschen.» (Ulf Lepelmeier, filmstarts.de) «Regisseur Zhang Yimou erweist sich als Meister symbolträchtiger Bilder. Die strenge, optisch brillante Kameraführung reflektiert eine eigenartig fremde Welt, in der die Emotionen eines Eifersuchtsdramas nicht nach aussen sichtbar werden dürfen. Stattdessen entladen sie sich in tödlichen Aktionen.» (Arte, 22.4.2004) Raise the Red Lantern gewann 1991 den Silbernen Löwen beim Filmfestival in Venedig. 125 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Zhen Ni, nach einem Roman von Tong Su // KAMERA Zhao Fei, Yang Lun // MUSIK Zhao Jiping, Naoki Tachikawa // SCHNITT Du Yuan // MIT Gong Li (Songlian, die vierte

«Ein prächtiges Melodrama (...) von Ehebruch und Rache (...), angesiedelt in einer Färberei in einem abgelegenen Städtchen der 1920er-Jahre, wo die junge Frau des alten, impotenten und sadistischen Färbers dessen adoptierten Neffen zu ihrem Liebhaber und Beschützer macht. Selbst als sie ein Kind erwartet, bleibt die Affäre geheim; doch nachdem der Alte nach einem Unfall eine teilweise Lähmung davongetragen hat, stellen sie ihre Liebe offen zur Schau, sodass die einzige Hoffnung des Gehörnten darin besteht, das Kind gegen seine Eltern aufbringen zu können. (...) Es ist genau diese Vision – unterstrichen durch eine fantastische Direktheit der Schauspieler und unvergesslich leuchtende Farben –, welche Zhangs Film die schiere Wucht einer griechischen Tragödie verleiht.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide) In China zunächst verboten, schickte der japanische Koproduzent den Film 1990 ins Rennen um einen Oscar, worauf China vergeblich versuchte, die Einreichung zurückzuziehen.

Ehefrau), He Saifei (Meishan, die dritte Ehefrau), Cao Cuifen (Zhuoyan, die zweite Ehefrau), Ma Jingwu (Meister Chen), Qi Zhao (Haushälter), Lin Kong (Yan‘er, Songlians junge Dienerin), Jin Shuyuan (Yuru, die erste Ehefrau), Ding Weimin (Songlians Mutter), Cao Zhengyin (Songlians alter Diener), Cui Zhihgang (Dr. Gao), Xiao Chu (Feipu, Chens ältester Sohn).

QIU JU – EINE CHINESISCHE FRAU (Qiu Ju da guan si) China/Hongkong 1992 «Weil der Dorfvorsteher ihrem Mann ins Gemächt getreten hat, fordert Bäuerin Qiu Ju eine Entschuldigung. Der Täter denkt nicht dran. Auf ihr Recht pochend, zieht die schwangere Frau von Amt zu Amt – bis zum Obersten Gerichtshof in Peking.» (cinema.de) «Anders als die früheren Werke Zhang Yimous handelt der zur Hälfte mit versteckter Kamera gedrehte und mit Ausnahme der Hauptrollen von


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Zhang Yimou Laiendarstellern gespielte Film in der Gegenwart. Die dokumentarisch genaue und liebevolle Darstellung einer von Solidarität wie imprägnierten Dorfgemeinschaft in Nordchina wurde 1992 in Venedig mit zwei Goldenen Löwen ausgezeichnet: Bester Film und Beste Darstellerin (Gong Li).» (Zeno Cavigelli, Zoom 10, 1992) 100 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Liu Heng, nach der Kurzgeschichte «Wan jia ­susong» («Die Klage der Familie Wan») von Chen Yuanbin // KAMERA Chi Xiaoning, Lu Hongyi, Yu Xiaoquin // MUSIK Zhao Jiping // SCHNITT Du Yuan // MIT Gong Li (Qiu Ju), Liu Peiqi (Wan Qinglai, Chilibauer), Yang Liuchun (Meizi, Qinglais Schwester), Lei Kesheng (Wang Shantang, Dorfvorsteher), Ge Zhijun (Polizist Li).

LEBEN!

(Huo zhe) China/Hongkong 1994 «Der Film folgt dem Schicksal einer chinesischen Familie von den 40er-Jahren bis zur Kulturrevolution. Der Spieler Fugui will sein Gesicht nicht verlieren. Als ihn seine Frau vom Spieltisch holen will, setzt er erst recht weiter und verliert alles. Aber er gewinnt das Leben. Denn nur wenig später, als die Kommunisten 1949 die Macht übernehmen, wird der, der ihm das Land abgewann, als Grundbesitzer erschossen. Gemeinsam mit seiner Frau übersteht Fugui den ‹Grossen Sprung nach vorne›, die Wirren der Kulturrevolution und den Terror der Roten Garden. Ihr Schicksal inmitten aller politischer Wirren und Rückschläge, den Verlust von Geld, Position und Kindern, fasst die Frau in dem einen Satz zusammen: ‹Alles, was ich verlange, ist ein ruhiges Leben zu zweit.›» (Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 29.4.2006) «Zhangs episch angelegter Film überzeugt nicht zuletzt durch seine Detailfülle, seine ausgeklügelte Tonspur und sorgfältige Ausstattung. Leben! bringt Komödiantisches, Humorvolles, Ironisches, Tragisches, Kritisches und eine nicht zu knappe Portion Hohn auf die Leinwand.» (Judith Waldner, Zoom 8, 1994) 133 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Lu Wei, Yu Hua, nach dem Roman «Lifetimes» von Yu Hua // KAMERA Lu Yue // MUSIK Zhao Jiping // SCHNITT Du Yuan // MIT Gong Li (Xu Jiazhen), Ge You (Xu ­Fugui), Ben Niu (Dorfvorsteher), Wu Jiang (Wan Erxi), Fei Deng (Xu Youqing), Guo Tao (Chunsheng), Liu Tianchi (Xu Fengxia), Huang Zongluo (Fuguis Vater), Liu Yanjin (­ Fuguis Mutter), Ni Dahong (Long‘er), Xiao Cong (Fenxia als Teenager), Zhang Lu (Fenxia als Kind).

SHANGHAI SERENADE (Yao a yao, yao dao wai po qiao) China/Frankreich 1995 «Shuisheng, ein vierzehnjähriger Junge, wird von seinem Onkel nach Schanghai geholt, um in der Triade von Tang, einem grossen Paten, aufgenommen zu werden: Er wird Diener der Nachtclubsängerin Xiao, der Mätresse von Tang. Die Geschichte, das Drama, das sich in acht Tagen abspielt, wird aus der Sicht des Jungen erzählt. Eine böse, kurze Lehrzeit für Shuisheng, der seine anfängliche Naivität verliert und am Ende weiss, in welch mörderische Verwicklung er geraten ist. (…) Shanghai Serenade ist ein Film über das absolute Fehlen von Vertrauen und menschlicher Zuwendung. Um der Macht und des Überlebens willen ist fast jeder bereit, den anderen zu verraten und zu ermorden. Eine Männerwelt, in der die Frauen als Störfaktor wirken. Eine weit entfernte Geschichte, die überhaupt nicht altmodisch wirkt.» (Wilhelm Roth, epd-film 12, 1995) 108 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Bi Feiyu, nach dem Roman «Rules of the Game» von Li Xiao // KAMERA Lü Yue // MUSIK Zhang Guangtian // SCHNITT Du Yuan // MIT Gong Li (Xiao Jingbao), Li Baotian (Tang, Gangboss), Wang Xiaoxiao (Shuisheng, der Junge), Li Xuejian (Liu, 6. Onkel), Sun Chun (Tangs Sohn Nr. 2), Fu Biao (Tangs Sohn Nr. 3), Chen Shu (Shi Ye), Liu Jiang (Fat Yu), Jiang BaoYing (Cuihua, die Witwe), Yang Qianquan (Ah Jiao).

HEIMWEG – THE ROAD HOME (Wo de fu qin mu qin) China 1999 Der Geschäftsmann Yusheng reist aufs Land, um seiner Mutter zu helfen, seinen verstorbenen Vater zu beerdigen. Die Mutter besteht auf der Einhaltung althergebrachter Rituale. Das erinnert Yusheng an die Liebesgeschichte seiner Eltern: Vor 40 Jahren, während der Kulturrevolution, hatte die hübsche Analphabetin Zhao Di sich in den aufs Land verbannten Lehrer Changyu verguckt und sich vorgenommen, sein Herz zu erobern. (…) Nach Gong Li ist nun Zhang Ziyi zu Zhang Yimous bevorzugter Hauptdarstellerin avanciert. In Heimweg zeigt der Star von Crouching Tiger, Hidden Dragon und Memoirs of a Geisha, dass sie auch ohne Schwert und in unansehnlichen Kleidern zu überzeugen vermag. Heimweg wurde an der Berlinale 2000 mit dem Silbernen Bären und mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. (mb) 89 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Bao Shi, nach dem Roman «Remembrance» von


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Zhang Yimou Bao Shi // KAMERA Hou Yong // MUSIK San Bao // SCHNITT Zhai Ru // MIT Zhang Ziyi (Zhao Di, jung), Sun Honglei (Luo Yusheng), Zheng Hao (Luo Changyu), Zhao Yulian (Zhao Di, alt), Li Bin (Grossmutter), Chang Guifa (Bürgermeister, alt), Sun Wencheng (Bürgermeister), Liu Qi (Zimmermann Xia, alt), Ji Bo (Zimmermann Xia), Zhang Zhongxi (Geschirrflicker).

KEINER WENIGER – NOT ONE LESS (Yi ge dou bu neng shao) China 1999 Lehrer Gao lässt sich für einen Monat an der Dorfschule von der 13-jährigen Wei Minzhi vertreten, weil er sich um seine kranke Mutter kümmern muss. Er verspricht ihr eine Prämie, wenn sie in dieser Zeit keine Schüler verliert. Doch schon bald verschwindet der elfjährige Zhang Huike. Er sucht Arbeit in der Stadt, um die Schulden seiner Familie abzahlen zu können. Minzhi macht sich umgehend auf die Suche nach dem Jungen. (pm) «Keine Spezialeffekte, keine Kulissen, keine Schminke – nein, nicht einmal Schauspieler, sondern Laien, die vor der Kamera genau das darstellen, was sie im Alltag auch sind. (...) Zhang Yimou hat hier ein kleines Stück Gegenkino geschaffen. In schlichten, klaren Bildern führt er chinesische Wirklichkeit vor Augen: die schrillen Gegensätze von Armut und Wirtschaftsboom, Rückständigkeit und Modernisierung, Kinderarbeit und Freizeit­industrie. Dies alles ohne Spektakel, ohne Vorwurf, ohne mahnenden Zeigefinger, sondern mit ungewohnter Sachlichkeit, Detail­ treue und einem Herz für die einfachen Menschen.» (Wojciech Simson, cineman.ch, 7.8.2001) 106 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Shi Xiangsheng // KAMERA Hou Yong // MUSIK San Bao // SCHNITT Zhai Ru // MIT Wei Minzhi (Wei Minzhi), Zhang Huike (Zhang Huike), Tian Zhenda (Dorfvorsteher), Gao Enman (Lehrer Gao), Sun Zhimei (Sun Zhimei), Feng Yuying (TV-Empfangsdame), Li Fanfan (TV-Moderator), Zhang Yichang (Herr Zhang, Ausbildner), Xu Zahnqing (Besitzer der Ziegelei), Liu Hanzhi (Zhang Huikes Mutter).

HAPPY TIMES (Xing fu shi guang) China 2000 «Ein pensionierter Fabrikarbeiter hat endlich eine Frau zum Heiraten gefunden. Um ihren Ansprüchen zu genügen, gibt er sich ihr gegenüber als Hotelmanager aus, in Wahrheit aber ist er arm, sein ‹Hotel› nur ein ausrangierter Bus. Als dieser verschrottet wird, er aber wenigstens der vernachlässigten, blinden Stieftochter der Braut den versprochenen Job als Masseurin geben will, baut er in einer alten Fabrik zum Schein einen Massagesalon auf.» (Lexikon des int. Films)

«Was Happy Times in der ersten Stunde an rasanteinfallsreicher Unterhaltung bietet, kann es selbst mit den klassischen Komödien aus dem Hollywood der 30er- und 40er-Jahre aufnehmen. Überdies stimmt der Film allmählich auch rührende Töne an. (...) Doch Happy Times zielt nicht nur auf Tränen der Heiterkeit und der Rührung ab. Der Film entwirft ausserdem eine blitzgescheite Allegorie der Volksrepublik von heute. Auf allen Ebenen wird das zynische Streben nach materialistischen Werten aufgezeigt und hinterfragt. Zhang entlarvt den viel besungenen Wirtschaftsboom als Farce – zumindest, solange dieser nicht von Solidarität und Menschlichkeit getragen wird.» (Till Brockmann, NZZ, 13.12.2002) 102 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Gui Zi, nach der Erzählung «Shifu, You‘ll Do Anything for a Laugh» von Mo Yan // KAMERA Hou Yong // MUSIK San Bao // SCHNITT Zhai Ru // MIT Zhao Benshan (Zhao), Dong Jie (Wu Ying, das blinde Mädchen), Dong Lifan (Stiefmutter), Fu Biao (Kleiner Fu), Li Xuejian (Li), Leng Qibin (Wu Yings Stiefbruder), Niu Ben (Alter Niu), Gong Jinghua (Tante Liu), Zhang Hongjie (Lao Zhang), Zhao Bingkun (Lao Bai).

HERO (Ying xiong) China/Hongkong 2002 Nach einer Reihe von eher realistischen Werken beschloss Zhang Yimou 2002, einen KampfkunstFilm zu drehen. Kurz zuvor hatte Ang Lee mit Crouching Tiger, Hidden Dragon vorgemacht, was in diesem Genre möglich ist. Zhang gab noch einen drauf und produzierte den bis dahin teuersten chinesischen Film aller Zeiten. Hero erzählt vom sagenumwobenen König von Qin, der vor über 2000 Jahren sieben zerstrittene Reiche mit Gewalt vereinte und sich damit viele Feinde schuf. Vor diesen Herrscher tritt ein namenloser Krieger und behauptet, drei gefährliche Attentäter getötet zu haben. Der König aber hat seine eigene Vorstellung von den Taten des Kriegers, und schliesslich zeichnet sich gar eine dritte Version ab. Zhang kontrastiert die drei Varianten der Geschichte mithilfe einer Farbdramaturgie. Die fantastischen Bilder schuf Christopher Doyle, der Kameramann von Wong Kar-wai. (mb) 107 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Li Feng, Zhang Yimou, Wang Bin // KAMERA Christopher Doyle // MUSIK Tan Dun // SCHNITT Angie Lam, Vincent Lee, Zhai Ru // MIT Jet Li (Namenlos), Tony Leung Chiu-wai (Zerbrochenes Schwert), Maggie Cheung Man-yuk (Fliegender Schnee), Zhang Ziyi (Leuchtender Mond), Chen Dao-ming (König Qin), Donnie Yen (Weiter Himmel), Liu Zhonggyuan (Gelehrter), Zheng Tianyong (alter Diener).


> Der Baum der Helden.

> A Woman, a Gun and a Noodle Shop.

> Keiner weniger.

> Happy Times.

> Heimweg.


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Zhang Yimou

HOUSE OF FLYING DAGGERS (Shi mian mai fu) China/Hongkong 2004 »Abenteuerliches Melodram um eine blinde Tänzerin, die heimlich einer Untergrundorganisation angehört und gegen einen tyrannischen Herrscher antritt, wobei ihre Liebe und ihre Glückshoffnungen von der unerbittlichen Macht der Geschichte zerstört werden. Das grandiose Drama verbindet furiose Martial-Arts-Duelle und Verfolgungsjagden mit einer ausgefeilten Bildsprache und besticht nicht zuletzt durch schiere Schönheit. Reich an Bezügen zur alten chinesischen Malerei sowie zur Ästhetik der Peking-Oper, fesselt der Film zudem durch seine eigenwillige Landschaftspoetik sowie seine durchdachte Farbdramaturgie, die das Geschehen kommentiert und vertieft. (...) Der Farbgebrauch ist hier ähnlich programmatisch wie in Hero, und doch sieht bei allen Ähnlichkeiten der Film völlig anders aus. Zum einen, weil die Farben anders sind und weniger Primärtöne dominieren; zum anderen, weil Szenerie und Schauplätze authentischer, ‹realistischer› sind.» (Rüdiger Suchsland, filmdienst.de) 119 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Li Feng, Wang Bin, Zhang Yimou // KAMERA Zhao Xiaoding // MUSIK Shigeru Umebayashi // SCHNITT Cheng Long // MIT Takeshi Kaneshiro (Jin), Andy Lau (Leo), Zhang Ziyi (Xiao Mei), Song Dandan (Yee).

DER FLUCH DER GOLDENEN BLUME (Man cheng jin dai huang jin jia) China/Hongkong 2006 «Farbenprächtiges Drama, angesiedelt am Hof des chinesischen Kaisers im Jahr 928: Der Herrscher und seine ihm entfremdete Ehefrau planen ihre wechselseitige Ermordung, wobei das blutrünstige Vorhaben durch das bewegte Vorleben des Kaisers beeinträchtigt wird. Der höchst artifizielle Bilderbogen breitet Leidenschaften und Vernichtungsbereitschaft im Stil der Königsdramen eines William Shakespeare aus. (…) Nicht zu unterschätzen ist die Komik des Films: Dialoge wie Gesten unterminieren erkennbar das Melodram und legen die schwarze Komödie im Zentrum frei. Indem Zhang hier von der Dekadenz alter Eliten und neuer Aufsteiger erzählt, indem er die Depression inmitten von Reichtum und Konsum, die Abgründe einer Überflussgesellschaft sinnlich vor Augen führt, erzählt sein Film auch eine aktuelle Geschichte über das neureiche China der Gegenwart. Das Fazit ist überaus

pessimistisch. Jenseits solcher, keineswegs zwingender politischer Konnotationen ist Der Fluch der goldenen Blume nicht zuletzt ein vergnüglicher Film, hochästhetisch – und visuell selbstverständlich over the top.» (Rüdiger Suchsland, filmdienst.de) 111 Min / Farbe / 35 mm / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Bian Zhihong, Wu Nan, Zhang Yimou, nach dem Stück «Das Gewitter» von Cao Yu // KAMERA Zhao Xiaoding // MUSIK Shigeru Umebayashi // SCHNITT Cheng Long // MIT Chow Yun-Fat (Kaiser Ping), Gong Li (Kaiserin Phönix), Chou Jay (Prinz Jai), Liu Ye (Kronprinz Wan), Ni Dahong (Jiang, kaiserlicher Arzt), Qin Junjie (Prinz Yu), Li Man (Jiang Chan), Chen Jin (Frau Jiang), Aaron C. Shang (Prinz Liang).

A WOMAN, A GUN AND A NOODLE SHOP (San qiang pai an jing qi) China/Hongkong 2009 «Wüst ist in diesem Film nicht nur die Landschaft, sondern es sind auch die zwischenmenschlichen Verhältnisse: Eine junge Frau ist mit einem wesentlich älteren Mann, dem Besitzer einer Nudelküche, verheiratet und hat sich aus Frust über ihren geizigen und wenig charmanten Gatten einen Angestellten als Geliebten zugelegt, der altersmässig besser zu ihr passt. Der Hausherr kriegt davon Wind, fürchtet ein Komplott und wirbt einen Söldner als Killer an, der das ungetreue Pärchen aus dem Weg räumen soll. Der Söldner ist allerdings vor allem hinter dem Geld seines reichen Auftraggebers her. Zudem ist die fremdgehende Ehefrau kein leichtes Opfer. (…) Unmittelbare Vorlage ist Blood Simple von Joel und Ethan Coen. Deren Neo-Noir wird von Zhang Yimou in eine unbestimmte, martialische Vergangenheit verlegt, in ein Setting am Rand der Zivilisation, das vage an Western erinnert, und mit Action- und Humorelementen des asiatischen ­ Genrekinos angereichert.» (Felicitas Kleiner, filmdienst.de) 95 Min / Farbe / 35 mm / OV/d // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Xu Zhengchao, Shi Jianquan, nach dem Film «Blood Simple» von Joel & Ethan Coen // KAMERA Zhao Xiaoding // MUSIK Zhao Lin // SCHNITT Meng Peicong // MIT Sun ­Honglei (Zhang), Xiao Shenyang (Li), Yan Ni (Wangs Frau), Ni Dahong (Wang), Cheng Ye (Zhao), Mao Mao (Chen), Julien Gaudfroy (persischer Händler). : Film gehört zu einem Original/Remake-Paar


> Coming Home.

> The Flowers of War.

> The Great Wall.


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Zhang Yimou

BLOOD SIMPLE USA 1984

ters Zhang Yimou mit der Zeit seinen ganz eigenen Zauber.» (bln.fm, Februar 2011) 114 Min / Farbe / Digital HD / OV/d // REGIE Zhang Yimou //

Zhang Yimou drehte A Woman, a Gun and a Noodle Shop als explizites Remake von Blood Simple. «Als ich Blood Simple zum ersten Mal sah, gefiel er mir sofort. Es war ein sehr cooler Film. (...) Ich habe eine E-Mail von ihnen [den Coens] bekommen. Ich war sehr, sehr gerührt. Sie hatten den Film gesehen und sagten, dass sie das Remake liebten. Sie sagten, es sei sehr amüsant. Sie machten sich die Mühe zu schreiben und sagten, sie liebten die Art und Weise, wie ich die Dinge verändert habe. Das hat mich sehr gefreut.» (Zhang Yimou, zit. nach reuters.com) Ein Detektiv führt einen Auftragsmord an einem Liebespaar nicht aus und tötet stattdessen den Auftraggeber, woraus sich eine Kette falscher Annahmen und verfehlter Handlungen ergibt. «Dieses meisterliche Debüt legte den Grundstein zur Weltkarriere der Coen-Brüder. (...) Mit einem Minimum an Aufwand erzählen sie eine ­ ­Geschichte, die in ihrer Mischung aus ThrillerSpannung und bizarr-absurdem, tiefschwarzem Humor an ihren späteren Oscar-Erfolg Fargo erinnert.» (Rüdiger Suchsland, artechock.de) 99 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Joel Coen, Ethan Coen (ungenannt) // DREHBUCH Joel & Ethan Coen // KAMERA Barry Sonnenfeld // MUSIK Carter Burwell // SCHNITT ­Roderick Jaynes [=Joel & Ethan Coen], Don Wiegmann // MIT John Getz (Ray), Frances McDormand (Abby), Dan Hedaya (Julian Marty), M. Emmet Walsh (Privatdetektiv Loren Visser), Samm-Art Williams (Meurice), Raquel Gavia (Gutsherrin).

DER BAUM DER HELDEN – UNDER THE HAWTHORN TREE (Shan zha shu zhi lian) China 2010 «In den 1970ern wurden im Zuge der Kulturrevolution in China Tausende junge Schüler aus der Stadt zum Arbeitseinsatz in die ländlichen Gebiete des Riesenlandes geschickt. Hier lernen sich Sun und Jing kennen. Er ist sofort von ihr begeistert und langsam beginnt sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden zu entwickeln. Die Liebe muss platonisch bleiben. Jings Mutter verbietet ihrer Tochter den Freund. Der simple Wunsch nach Liebe in dem restriktiven China der Kulturrevolution ist nur schwer oder gar nicht zu verwirklichen. (…) Erzählt wird die Geschichte nüchtern und ruhig. Für den europäischen Zuschauer sind das Fehlen körperlicher Zuneigung im Film und die minutiöse Art des Erzählens etwas gewöhnungsbedürftig. Jedoch entfaltet der Stil des Altmeis-

DREHBUCH Yin Lichuan, Gu Xiaobai, Ah Mei, nach dem Roman von Ai Mi // KAMERA Zhao Xiaoding // MUSIK Chen ­Qigang // SCHNITT Meng Peicong, Zhang Mo // MIT Li Xuejian (Zhang Duizhang, Dorfvorsteher), Cheng Taishen (Luo Laoshi, Lehrer), Zhou Dongyu (Jing Qiu), Sa Rina (Tantchen Da Ma), He Xiaoyu (Huanhuan), Yu Xinbo (Chang Lin), Shawn Dou (Sun Jianxin).

THE FLOWERS OF WAR (Jin ling shi san chai) China/Hongkong 2011 «The Flowers of War erzählt vom fürchterlich brutalen Überfall der Japaner auf die Stadt Nanjing im Jahr 1937. Ein amerikanischer Bestatter hat den Auftrag, den getöteten Priester der Winchester Cathedral zu beerdigen. Doch schon bald gibt er sich selbst als Priester aus, um die verbliebenen katholischen Schülerinnen im Teenageralter und eine ebenfalls ins Gotteshaus geflohene Gruppe von Prostituierten vor Vergewaltigung und dem sicheren Tod zu retten.» (Till Brockmann, NZZ, 30.7.2013) «Zhang zieht viele Regieregister: eine Reihe bravourös inszenierter Kampfsequenzen, eine grausige Szene, die die (dokumentierten) japanischen sexuellen Übergriffe auf Zivilistinnen schildert, und eine beeindruckende Handkamera, die die Panik der Mädchen widerspiegelt, wenn die Truppen hereinstürmen. (…) Das Massaker von Nanjing ist immer noch eine offene Wunde in der Geschichte Chinas, und es ist mutig von Zhang, es anzupacken.» (Andrew Pulver, The Guardian, 14.2.2012) 146 Min / Farbe / Digital HD / OV/d // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Liu Heng, nach dem Roman «Die Mädchen von Nanking» von Yan Geling // KAMERA Zhao Xiaoding // MUSIK Chan Quigang // SCHNITT Meng Peicong // MIT Christian Bale (John Miller), Ni Ni (Yu Mo), Zhang Xinyi (Shu), Huang ­Tianyuan (George Chen), Han Xiting (Yi), Zhang Doudou (Ling), Tong Dawei (Major Li), Atsuro Watabe (Oberst Hasegawa), Cao Kefan (Herr Meng), Yuan Yangchunzi (Moskito), Sun Jia (Hua), Li Yuemin (Dou), Xue Bai (Lan), Takashi Yamanaka (Leutnant Asakura), Shigeo Kobayashi (Leutnant Kato), Paul Schneider (Terry).

COMING HOME (Gui lai) China/Frankreich 2014 China, Anfang der 1970er-Jahre. Lu Yanshi flieht aus dem Arbeitslager und versteckt sich bei seiner


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Zhang Yimou Frau Feng Wanyu. Die linientreue Tochter Dandan hofft auf eine Hauptrolle in einer PropagandaBallettaufführung und verrät ihren Vater. Als Yanshi Jahre später, nach dem Ende der Kulturrevolution, freikommt, leidet seine Frau an Amnesie und erkennt ihn nicht wieder. Gemeinsam mit der inzwischen von der Mutter verstossenen Tochter versucht er zu seiner Frau zurückzukommen. (pm) «Schwermütiges Melodram in grauen Bildern (…). In den politisch-historischen Kontexten eher vage, berührt der Film durch seine Einlassung auf Erinnerungen, Verdrängung und Sehnsucht.» (Lexikon des int. Films) 109 Min / Farbe / DCP / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Zou Jingzhi, nach dem Roman «The Criminal Lu ­Yanshi» von Yan Geling // KAMERA Zhao Xiaoding // MUSIK Chen Qi Gang // SCHNITT Meng Peicong, Zhang Mo // MIT Gong Li (Feng Wanyu), Chen Daoming (Lu Yanshi), Zhang ­Huiwen (Dandan, die Tochter), Guo Tao (Polizist Liu), Yan Ni (Polizist Li), Li Chun (Cui Meifang), Zhang Jia-yi (Doktor Dai).

THE GREAT WALL (3D) USA/China/Hongkong/Australien/Kanada 2016 Die Chinesische Mauer wurde nicht erbaut, um die Hunnen fernzuhalten. Der wahre Grund ist eine riesige Meute grausiger Monster, die alle 60 Jahre das Reich der Mitte zu überrollen droht. Gerade als zwei westliche Abenteurer auf der Suche nach dem neuen Kampfstoff Schwarzpulver in die Gefangenschaft des Namenlosen Ordens geraten, der in der Befestigungsanlage wacht, ist es zufälligerweise wieder so weit. Aber dank ihrer kämpferischen Fähigkeiten sollen die Fremden an der Seite der chinesischen Armeen helfen dürfen. Doch es locken auch die mit dem begehrten Schwarzpulver gefüllten Katakomben des Ordens. (pm) «Zhangs Kameraführung ist kinetisch, wirft uns ins Zentrum des Geschehens, und die Kampfkunst-Choreografie ist spektakulär. Es gibt auch ein paar lustige Ideen: Bungee-springende Speerkämpferinnen, als Höhepunkt ein Kampf in einem Buntglasturm, der die Leinwand mit Farbe durchtränkt. (…) The Great Wall ist nicht gerade ein guter Film – aber ein ziemlich unterhaltsamer.» (Tom Huddlestone, Time Out Film Guide, 16.2.2017) 103 Min / Farbe / DCP 3D / OV/d/f // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Carlo Bernard, Doug Miro, Tony Gilroy // KAMERA Zhao Xiaoding, Stuart Dryburgh // MUSIK Ramin ­Djawadi // SCHNITT Mary Jo Markey, Craig Wood // MIT Matt Damon (William), Jing Tian (Kommandant Lin Mae), Willem Dafoe (Ballard), Andy Lau (Stratege Wang), Pedro Pascal ­(Tovar), Zhang Hanyu (General Shao), Lu Han (Peng Yong),

Kenny Lin (Kommandant Chen), Eddie Peng (Kommandant Wu), Huang Xuan (Kommandant Deng), Ryan Sheng Kai (Shen), Karry Wang Junkai (Kaiser).

SHADOW (PREMIERE) (Ying) China/Hongkong 2018

China zur Zeit der drei Königtümer. Peis Befehlshaber Zi Yu fordert den feindlichen General Yang zum Duell um die strategisch wichtige Stadt Jing­ zhou. Der König von Pei will aber dem Frieden zuliebe auf die Stadt und das Duell verzichten und bietet stattdessen seine Schwester als Ehefrau für den Sohn des Generals an. Von einem früheren Kampf gegen Yang ist der Befehlshaber schwer verwundet, was er mithilfe seines Doppelgängers Jing Zhou (Deng Chao in einer grandiosen Doppelrolle) vor dem gesamten Hof erfolgreich zu verheimlichen weiss. Von der wahren Identität des «Schattens» weiss nur die Frau des Befehlshabers, die zunehmend Gefühle für ihn entwickelt. (pm) «Ein Martial-Arts-Epos aus der Frühzeit Chinas, das Regisseur Zhang Yimou als monochromes Schattentheater der Macht inszeniert. (…) Weitgehend in exquisiten Bildern und meisterlich choreografierten Kampfszenen entfaltet der Film ein kühl-distanziertes Historiendrama, in dem die oft heroisch verklärte Epoche der ‹Drei Reiche› zum melancholischen Totentanz gerät.» (Felicitas Kleiner, filmdienst.de) 116 Min / Farbe / DCP / OV/d // REGIE Zhang Yimou // DREHBUCH Li Wei, Zhang Yimou, nach einem Drehbuch von Zhu Sujin // KAMERA Zhao Xiaoding // MUSIK Loudboy // SCHNITT Zhou Xiaolin // MIT Deng Chao (Jing Zhou/Befehlshaber Zi Yu), Sun Li (Xiao Ai, Zi Yus Gemahlin), Zheng Kai (König von Pei), Guan Xiaotong (Prinzessin Qing Ping, Schwester des Königs), Wang Qianyuan (Hauptmann Tian Zhan), Wang Jingchun (Minister Lu), Hu Jun (General Yang Cang), Leo Wu (Yang Ping, sein Sohn).


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Kira Muratowa Gleich ihre ersten beiden Spielfilme bringen der russisch-ukrainischen Regisseurin Kira Muratowa (1934–2018) ein achtjähriges Berufsverbot ein. Das prägt ihr Verhältnis zur Obrigkeit nachhaltig. Diese existenzielle Erfahrung spiegelt sich im heterogenen und zunehmend kompromiss­­ losen Stil ihrer Filme: Während sie für die einen Kultstatus haben, ist für andere der dissonante Nonkonformismus der späten Filme schlicht ungeniessbar. Sechzehn Spielfilme umfasst das zwischen 1967 und 2012 entstandene Werk; das Filmpodium zeigt fünf davon. Kira Muratowa gehört mit Larissa Schepitko, Andrej Tarkowskij, Alexej German und Alexander Sokurow zu den bedeutendsten russischen Film­ autor­Innen der Nach-Tauwetter-Epoche. Sie alle haben ihre Regieausbildung zur Zeit des kulturpolitischen Aufschwungs nach Stalins Tod an der Moskauer Film­akademie VIGK absolviert. Nach Abschluss ihres Studiums zieht Kira Muratowa 1959 mit ihrem Kommilitonen und Ehemann Alexander ­Muratow nach Odessa, wo die beiden gemeinsam ihren Debütfilm realisieren. Die Ehe hält nicht lang; Alexander Muratow zieht nach Kiew, während Kira ­Muratowa mit ihrer Tochter in Odessa bleibt, wo sie im dortigen Studio ab den 1960er-Jahren unter Vertrag steht. In Odessa werden mit einer Ausnahme alle ihre Spielfilme entstehen, auch der letzte, Ewige Rückkehr, den sie 2012, sechs Jahre vor ihrem Tod, realisiert. Geboren ist die Regisseurin als Kira Georgiewna Korotkowa 1934 in der rumänischen Stadt Soroca. Ihre Eltern sind in der damals verbotenen kommunistischen Partei aktiv. Ihr Vater fällt im 2. Weltkrieg. Die Mutter ­erhält nach dem Krieg eine Stelle im Kulturministerium in Bukarest, wo ­Muratowa die russische Schule besucht. Seit ihrer Jugend identifiziert sich Muratowa mit der russischen Sprache und Kultur und realisiert ihre Filme auch nach der 1991 erlangten Unabhängigkeit der Ukraine, zu der Odessa gehört, auf Russisch. Vom provinziellen Melodrama ... 1966 realisiert Larissa Schepitko ihren ersten Spielfilm, Flügel (1966), über die innere Verfassung einer ehemaligen Kampfpilotin, ein präzises, poetisches Porträt aus frauenspezifischer Sicht, eine Novität im sowjetischen Kino. Ein Jahr später geht Kira Muratowa in ihrem Spielfilmdebüt, Kurze Begegnungen (1967), formal und inhaltlich noch radikaler ans Werk. Verspielt und humorvoll inszeniert sie in ihrem «provinziellen Melodrama», wie sie ihre beiden frühen Filme bezeichnet, die komplexe Realität ihrer Protagonistin, Walentina Iwanowna. Diese ist als höhere Beamtin zuständig für die Wasserversor-



19 gung einer Kleinstadt und verliebt sich in einen Mann, der sich nicht binden will. Eine Rolle, die Kira Muratowa gleich selbst spielt. Anhand eines Geflechts u ­ nterschiedlichster Zeitebenen, Erinnerungen und sinnlicher Bezüge schafft Muratowa eine dichte Atmosphäre, die uns die Sehnsüchte und gleichzeitig den Alltag ihrer Figuren nahebringt. Damit verschiebt sie die Aufmerksamkeit vom grossen Gesellschaftszusammenhang des sozialen Realismus auf die kleine alltägliche Realität. Die Zensur kritisiert Kurze Begegnungen als «kleinbürgerlich» und «unsozialistisch» und verbannt einen der schönsten Filme M ­ ura­towas ins Regal, aus dem er erst 1987 zur Zeit der Perestroika befreit wird. Dasselbe Schicksal ereilt ihren zweiten Spielfilm, Langer Abschied (1971), in dem die existenziellen Nöte einer alleinerziehenden Mutter im Mittelpunkt stehen und der in seiner radikalen und sinnlichen Machart den Kurzen Begegnungen in nichts nachsteht. Die Hauptrolle übernimmt die Schauspielerin Sinaida Scharko, die eine überwältigende Jewgenja spielt. Der Zensur missfällt das Thema Einsamkeit und sie qualifiziert das Melodrama als zu «damenhaft» ab. Auch Langer Abschied bleibt sechzehn Jahre lang unter Verschluss. Doch immerhin wird er regelmässig inoffiziell an der Moskauer Filmhochschule VGIK den StudentInnen als ein Meisterwerk des Kinos vorgeführt, wie die amerikanische Filmwissenschafterin Jane Taubman in ihrer 2005 publizierten Studie zum frühen filmischen Werk Muratowas betont. Acht Jahre lang muss Muratowa im Odessaer Filmmuseum als Aufsicht arbeiten, bevor man ihr wieder ein Drehbuch anvertraut. Erst gegen Ende der 1970er-Jahre darf sie wieder Regie führen, wird aber weiterhin von den Zensurbehörden bedrängt, weil sie die vorgegebenen Drehbücher mehrmals umschreibt. Auch Unter grauen Steinen (1983), ein fast linear erzählter Film, der auf einer literarischen Vorlage basiert, wird nach seiner Fertigstellung zensuriert, worauf Muratowa ihren Namen aus dem Abspann entfernt und mit einem fiktiven «Ivan Sidorov» ersetzt. Dennoch ist ihre Handschrift gut erkennbar, und in der restaurierten Version taucht ihr Name wieder auf. ... zur brachialen Satire Im 1989 – also zur Zeit der Perestroika – realisierten Das asthenische ­Syndrom wird die in ihren frühen Filmen fast liebevoll wirkende Kritik am System zur brachialen Satire. Da machen sich Frauen hämisch über den Staatsliteraten der UdSSR, Leo Tolstoi, lustig, es folgt eine Szene von Tierquälerei – ein wiederkehrendes Motiv. Als eine «lustvolle Pervertierung der filmischen Konven-

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Innovativ inszenierte Dreiecksgeschichte: Kurze Begegnungen Postsowjetische Groteske: Tschechow-Motive


20 tionen des sozialen Realismus» bezeichnet der russische Filmhistoriker Andrej Plakhow dieses apokalyptisch wirkende Werk. Das Publikum wird einerseits desorientiert, andererseits über körperliche, sinnliche oder affektive Momente einbezogen. Das asthenische Syndrom wird als einziger Film der PerestroikaZeit verboten und, erst nachdem eine heimlich nach Berlin geschmuggelte Kopie an der Berlinale 1990 gezeigt und mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wird, einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Nach 1991 kultiviert Muratowa in ihren Filmen, meist russisch-ukrainische Produktionen, zunehmend ihren Hang zum Grotesken und zu einem theatralischen Stil mit üppigen Dekors, überlangen Monologen und gebetsmühlenartigen Wiederholungen. In Tschechow-Motive 2002 schaffen die vielen parodistischen und ironischen Momente Distanz zum Filmgeschehen. Etwa die hufeisenförmige Anordnung der Familie zum Gebet: Sämtliche Familienmitglieder tragen Brillen und die Mutter wiederholt vor dem Patriarchen neunmal in unterwürfigem Ton, dass man ihrem Sohn neue Kleider kaufen müsse. Zwar bezieht sich Muratowa auch in Tschechow-Motive auf literarische Vorlagen, aber nur um sie zu verfremden. Mit ihrem äusserst heterogenen, exzentrischen Stil wird sie zu einer Art Enfant terrible des postsowjetischen Kinos. Im Westen wird Kira Muratowa erst 1987 entdeckt, als die beiden inzwischen freigegebenen frühen Filme, Kurze Begegnungen und Langer Abschied, am Filmfestival in Pesaro gezeigt werden. Im gleichen Jahr wird die inzwischen 53-jährige Regisseurin nach Locarno in die Jury berufen. Sieben Jahre später erhält sie dort den Ehrenleoparden. Im letzten Herbst – ein Jahr nach ihrem Tod – hat die Cinémathèque française in Paris sie mit einer umfassenden Retrospektive geehrt. Catherine Silberschmidt

Catherine Silberschmidt ist Filmkritikerin und -journalistin und schreibt u. a. für die WOZ und das «Filmbulletin». Ihre Interessensgebiete sind neben dem Filmschaffen von Frauen auch das Kino in der afrikanischen Welt und in ehemaligen Kolonien.


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Kira Muratowa

KURZE BEGEGNUNGEN (Korotkie wstretschi ) UdSSR/Ukraine 1967 «Abwaschen oder nicht abwaschen?», sinniert die Protagonistin von Kurze Begegnungen frei nach Shakespeare vor einem Berg schmutzigen Geschirrs. Lieber geht sie ins Bett, aber an Schlaf ist nicht zu denken. Die mittlere Beamtin beim Wohnungsamt greift zum Telefon und beklagt sich bei ihrem Geliebten Maxim, dass sie einmal mehr die Nacht allein verbringen muss. Und als dann Nadja, eine junge Frau vom Land, an der Tür klingelt und sich als Haushaltshilfe anerbietet, entwickelt sich eine dichte, für damalige sowjetische Verhältnisse ungewöhnlich fragmentarisch inszenierte Dreiecksgeschichte über Abwesenheit und Begehren. Poetisch, geistreich und humorvoll inszeniert Muratowa die Innen- und Aussenwelt ihrer Protagonistin anhand eines faszinierenden Geflechts unterschiedlichster Zeitebenen und vieler hap­ tischer Alltagsbezüge. Damit verschiebt sie die Aufmerksamkeit vom «grossen» Gesellschaftszusammenhang auf den «kleinen» Alltag. Die Zensur kritisiert ihre Arbeit als «kleinbürgerlich» und «unsozialistisch». 90 Min / sw / DCP / Russ/f // REGIE Kira Muratowa // DREHBUCH Leonid Schuchowizki, Kira Muratowa // KAMERA ­Gennadi Karjuk // MUSIK Oleg Karawaitschuk // SCHNITT Olga Charakowa // MIT Kira Muratowa (Walentina Iwanowna), Nina Ruslanowa (Nadja), Wladimir Wyssozki (Maxim), Waleri Issakow (Stjopa), Swetlana Nemoljajewa (Ljolja).

LANGER ABSCHIED (Dolgie Prowodi) UdSSR/Ukraine 1971 Jewgenja ist geschieden und alleinerziehende Mutter. Der mitten in der Pubertät steckende Sohn Sascha fühlt sich von seiner possessiven und sehr gefühlsbetonten Mutter bedrängt. Er möchte gerne zu seinem Vater ziehen, der in einer entfernten Stadt als Archäologe arbeitet. Aus Angst, ihren Sohn zu verlieren, kontrolliert ­Jewgenija ihn auf Schritt und Tritt. Als Sascha die Zerbrechlichkeit seiner Mutter erkennt, revidiert er seinen Entschluss und bleibt bei ihr. Der präzise Realismus der Figuren wird sowohl auf der Bildebene durch die Cadrage als auch mit einer collagenhafte Montage gebrochen; Ton und Bild scheren immer wieder auseinander. Auch der Verzicht auf atmosphärische Geräusche bricht den Realismus der Bilder und schafft Atmosphären und Stimmungen, die an italienischen Neorealismus und französische Nouvelle Vague

erinnern. Langer Abschied blieb sechzehn Jahre lang unter Verschluss, wurde aber inoffiziell regelmässig an der Moskauer Filmhochschule VGIK den Studierenden als ein Meisterwerk des Kinos vorgeführt. 95 Min / sw / DCP / Russ/f // REGIE Kira Muratowa // DREHBUCH Natalja Rjasanzewa // KAMERA Gennadi Karjuk // MUSIK Oleg Karawaitschuk // SCHNITT Walentina Oleinik // MIT Sinaida Scharko (Jewgenja Wassiljewna), Oleg Wladimirski (Sascha Ustinow), Juri Kajurow (Nikolai, Saschas Vater), Swetlana Kabanowa (Tanja), Tatjana Mytschko.

UNTER GRAUEN STEINEN (Sredi serych kamnei) UdSSR/Ukraine 1983 Die Verfilmung einer Erzählung von Wladimir ­Korolenko aus dem Jahr 1885: Ein Richter trauert um seine verstorbene Ehefrau, während sich sein junger Sohn mit zwei in Armut lebenden Kindern aus der Nachbarschaft anfreundet. Der Unvereinbarkeit von Kinder- und Erwachsenenwelt steht jene der sozialen Milieus gegenüber. Wasja besucht heimlich die Bettler, die in der Ruine einer Kapelle aus grauen Steinen leben, und bringt den beiden Kindern kleine Geschenke mit, so auch die Puppe seiner Schwester, wofür er von seinem Vater streng bestraft wird. Montage und Kameraeinstellungen sind in diesem Film weniger experimentell als in Muratowas früheren Filmen. Hier hat sich das experimentelle Element auf die Ebene der Figurendarstellung verschoben. Unter grauen Steinen ist ihr erster Film, in dem pathetisches, hysterisches Sprechen und clowneskes Verhalten dominieren; eine Verfremdung, die Distanz zwischen den Figuren und dem Publikum schafft. Weil auch dieser sehr schön ins Bild gesetzte Film zensuriert wurde, liess Muratowa kurzerhand ihren Namen aus dem Vorspann entfernen. 88 Min / Farbe / DCP / Russ/f // REGIE Kira Muratowa // DREHBUCH Kira Muratowa, nach der Erzählung «Deti podsemelja» von Wladimir Korolenko // KAMERA Alexei Rodionow // SCHNITT Walentina Oleinik // MIT Igor Scharapow (Wasja), Oxana Schlapak, Stanislaw Goworuchin (der Richter), Roman Lewtschenko, Sergei Popow, Wiktor Gogolew, Fjodor Nikitin.

DAS ASTHENISCHE SYNDROM (Astenitscheski sindrom) UdSSR/Ukraine 1989 Eine Spitalärztin trauert um ihren Ehemann. Verzweifelt hastet sie durch die Gänge eines he­ runtergekommenen Spitals, um ihrem Chef ihre ­Kündigung zu überreichen. Erschöpft nickt ihr


> Langer Abschied.

> Unter grauen Steinen.

> Das asthenische Syndrom.


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Kira Muratowa Gegenspieler, der am asthenischen Syndrom leidende Englischlehrer, bei jeder sich ergebenden Gelegenheit ein. Seine Chefin, die gestrenge und systemtreue Schulvorsteherin, ist die dritte Protagonistin dieses als «postapokalyptisch» apostrophierten Films, den Muratowa 1989 zur Zeit der Perestroika realisiert. In schrillen, aber stets wohlkomponierten ­Bildern führt sie uns den Alltag der zerfallenden Sowjetunion vor Augen. Mit Wut, Humor und Poesie parodiert sie desolate Zustände und überkommene Rituale, nicht ohne uns an Lenins Zitat von 1922 zu erinnern, wonach die Filmkunst von allen Künsten die wichtigste sei. So desolat die Zustände auch erscheinen mögen, in der Filmkunst Muratowas bleibt das Vermächtnis von Eisensteins Montage der Attraktionen als utopisches Moment tief verankert. Insofern ist Das asthenische Syndrom nicht nur ein «Schwanengesang» auf die Sowjetunion, sondern ebenso ein faszinierendes, kaleidoskopisches Bild einer Welt in Bewegung. Dafür wurde Muratowas fünfter Spielfilm 1990 in Berlin mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. 156 Min / Farbe + sw / DCP / Russ/f // REGIE Kira Muratowa // DREHBUCH Alexander Tschernych, Kira Muratowa, Sergei Popow // KAMERA Wiktor Kabatschenko, Wladimir Pankow // SCHNITT Walentina Oleinik // MIT Sergei Popow (Nikolai), Olga Antonowa (Natascha), Galina Sachurdajewa (blonde

TSCHECHOW-MOTIVE (Chekhovskie motivy) Ukraine 2002 In ihrer sehr freien Tschechow-Adaption kombi­niert Muratowa Szenen einer patriarchalen Bauern­ familie aus dem 19. Jahrhundert mit der or­ tho­doxen Trauung eines neureichen Paares aus der Stadt. Die beiden Episoden basieren auf der Kurzgeschichte «Schwere Naturen» und seinem Theaterstück «Tatjana Repina». Hufeisenförmig angeordnet sitzt die kinderreiche Familie um den Tisch zum Gebet versammelt. Selbstzufrieden betrachtet sich der Patriarch im Spiegel bei seiner morgendlichen Bartpflege. Den inständig wiederholten Bitten seiner Ehefrau schenkt er kein Gehör. So macht sich sein Ältester zu Fuss auf den Weg und wird schliesslich vom Offroader mit­ genommen, der das Brautpaar aus der Stadt zur Hochzeitsmesse aufs Land fährt. Die Mafia zählt ebenso wie die orthodoxe Kirche zu den Profiteuren des postsowjetischen Machtvakuums, wie uns Muratowa in dieser Groteske vor Augen führt. Das tschechowsche Gespenst aus «Tatjana Repina» ersetzt sie durch die herumgeisternde Tochter eines orthodoxen Priesters, die während der Hochzeitsmesse die Zeremonie zu stören sucht und die versammelten Gäste verschreckt.

­Mascha), Natalja Busko (dunkelhaarige Mascha), Alexandra Swenskaja (Lehrerin), Pawel Polischtschuk (Iunikow).

110 Min / sw / DCP / Russ/e // REGIE Kira Muratowa // DREHBUCH Jewgeni Golubenko, Kira Muratowa, nach Texten von ­Anton Tschechow // KAMERA Waleri Machnjow // MUSIK ­Walentin Silwestrow // SCHNITT Walentina Oleinik // MIT Sergei Bechterew (Vater Iwan), Nina Ruslanowa, Natalja Busko, Filipp

Kurztexte: Catherine Silberschmidt

KIRA MURATOWA – MEISTERIN DES KLEINKRAMS

Panow, Jan Daniel, Georgi Deliew, Wladimir Komarow.

EINFÜHRUNG VON TATJANA SIMEUNOVIĆ DO, 8. OKT. | 19.00 UHR

Zwischen Kurze Begegnungen (1967) und Ewige Rückkehr (2012) der Regisseurin Kira Muratowa verging fast ein halbes Jahrhundert. Die Odessitin hatte die Filmbühne als eine der wenigen Frauen der jungen Generation des sowjetischen Tauwetter-Kinos betreten. Obwohl sie in ihren Filmen der 60er- und 70er-Jahre keinerlei politische Anspielungen machte, sorgte ihr Schaffen für Missfallen und wurde mehrmals durch Drehverbote unterbrochen. Erst mit der Perestroika begann eine neue und äusserst produktive Schaffensphase. Inwiefern haben die politisch-gesellschaftlichen Veränderungen die künstlerischen Visionen ­Muratowas beeinflusst, und wie stark blieb sie ihrer Eigenwilligkeit treu? Tatjana Simeunović ist Dozentin an der Universität Basel (Osteuropa-Studien) und beschäftigt sich insbesondere mit dem post/jugoslawischen und post/sowjetischen Kino.



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Louise Brooks Eher sternschnuppen- als kometenhaft wirkt die Karriere von Louise Brooks (1906–1985): Ihre wichtigsten Filme entstanden alle zwischen 1928 und 1930, und doch gelang es ihr, zum Sinnbild der Roaring ­Twenties zu werden. Ihr natürlicher Schauspielstil war der Zeit um Jahrzehnte voraus, ihr Appeal bleibt unvergänglich. Kein Stummfilmstar verkörpert die 1920er-Jahre so nachhaltig wie Louise Brooks. Der lange, elegante Nacken, das makellos weisse Gesicht, die ausdrucksstarken dunklen Augen und der pechschwarze Bubikopf, der ihr Gesicht wie ein glatter Helm einrahmt, stehen bis heute exemplarisch für den «Flapper»: Sie ist der Inbegriff der jungenhaften, selbstbewussten und unbekümmerten Frau der Zwischenkriegsjahre, naiv, verspielt-frech und uneingeschränkt sinnlich. Sie verzauberte ihre Generation mit einer eigenwilligen Mischung aus Schönheit und Intelligenz, doch ihre Interpretation der Femme fatale ist von Widerspruch gezeichnet. So sehr ihre erotische Ausstrahlung für die, die sich in sie verlieben, einen gefährlichen Ausgang nehmen kann, Brooks ist nie böse. Genussvoll überschreitet sie die Grenzen bürgerlicher Konventionen, ohne je sündhaft zu wirken. Die Intensität, die sie verkörpert, ist stets mit einem Hauch Unschuld versehen. Zudem lässt sie sich nie auf ein Sexualobjekt reduzieren. Vielmehr war die Devise dieser Filmikone, sich uneingeschränkt ihrem Begehren hinzugeben, koste es, was es wolle. So kommt in ihrer unberechenbaren Impulsivität auch ein Eigensinn zum Vorschein, der vor allem für sie – auf der Leinwand und im Leben – schwerwiegende Konsequenzen hatte. Flucht aus Kansas – und Hollywood Geboren ist Louise Brooks am 14. November 1906 in Cherryvale, Kansas. Wie Dorothy in «The Wizard of Oz» sehnt sie sich nach einer bunteren Welt und flieht deshalb im Alter von 15 Jahren nach New York. Dort wird sie als Showgirl in den Ziegfield Follies vom Produzenten Walter Wanger entdeckt. Paramount bietet ihr einen Fünfjahresvertrag an. Doch auch wenn sie dem Look der Zeit perfekt entspricht, ist sie ihrer Zeit voraus, zu rebellisch und zu analytisch, um sich erfolgreich an das Studiosystem Hollywoods anzupassen. Als G. W. Pabst sie in Howard Hawks’ A Girl in Every Port (1928) entdeckt

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Freundlicher Flapper: The Show Off von Malcolm St. Clair Femme fatale: Die Büchse der Pandora von Georg Wilhelm Pabst


26 und ihr die Hauptrolle in Die Büchse der Pandora anbietet, ergreift sie am 14. Oktober 1928 erneut die Flucht. Sie setzt damit bewusst ihre amerikanische Karriere aufs Spiel, wird dafür aber ihren internationalen Durchbruch in jener Rolle erreichen, mit der sie seither gleichgesetzt wird. Von ihrer Darstellung der Lulu hat sie gerne behauptet, dass sie, da als Tänzerin und nicht als Schauspielerin ausgebildet, schlicht sich selber gespielt habe. Nachträglich lässt sich erkennen, wie sehr die Geschichte der unwiderstehlichen Verführerin Lulu auch die ihre war. Die einzigartige körperliche Präsenz, die Louise Brooks auf der Leinwand entfaltet, hat zur Folge, dass sie in jeder Szene heraussticht. Doch diese Ausstrahlung hat auch etwas Vergängliches: Ihre Lulu ist der von ihr so intensiv erfahrenen Gegenwart völlig verhaftet. Die Geschichte nimmt ihren fatalen Lauf, als Lulu den Gatten, der sie in der Hochzeitsnacht zum Selbstmord zwingen will, aus Notwehr umbringt. Im Zeugenstand nutzt sie das Spiel mit ihrem durchsichtigen Witwenschleier, um die Richter zu betören. Die Nahaufnahme, die als Beweis ihrer Unschuld dienen soll, ist schicksalshaft. Das Porträt wird nach ihrer Flucht aus dem Gerichtssaal als Steckbrief eingesetzt und zieht einen Erpresser an, der ihre Schönheit auszubeuten hofft. Diese Festschreibung auf ihr Gesicht lässt sich auch als Kommentar zu den unliebsamen Folgen des Ruhms der Filmikone verstehen. Sosehr Louise Brooks an ihrem Starimage mitgearbeitet hat, sosehr fühlte sie sich auch davon verfolgt. Der Umstand, dass ihre Lulu in der letzten Szene als verarmte Prostituierte in London Jack the Ripper explizit zu sich ruft, wirft ein weiteres kritisches Licht auf die Bedrängnis, in die ihr unvergleichlicher Charme sie brachte. Als sei sie des Spiels mit den Männern, die sie auf ihren Sex-Appeal reduzieren, überdrüssig, lässt Lulu sich auf den Mann ein, der ihr den Tod bringt. Louise Brooks selbst wird nach ihrer Rückkehr aus Berlin faktisch beruflichen Selbstmord begehen. Ruhm, Ruin und Revival Im Rückblick wirken beide Filme, die sie mit Pabst dreht – Tagebuch einer Verlorenen (1929) ebenso wie Die Büchse der Pandora –, prophetisch. In der fantastischen Kunstgestalt, zu der er sie erhöht, erfährt der Stummfilm ebenso wie sein Star eine Apotheose. Als Inbegriff der jungen Verführerin, die hartnäckig im Jetzt lebt, ohne sich um die Zukunft zu kümmern, gehört Louise Brooks ganz ihrer Zeit an. Und just als vollendete Vertreterin der sterbenden Kunstform, die ihr zum Ruhm verholfen hat, wird sie von der Veränderung im Filmgeschäft – dem Übergang zum Tonfilm – überholt. Im Hollywood der 1930er-Jahre kann sie nicht wieder Fuss fassen. Sie selber erklärt, sie hätte sich zu sehr gelangweilt und deshalb das Spiel um ihre Schönheit nicht weiter mitspielen wollen. Doch lässt sich mutmassen: Auf den bestrickenden Charme ihres Gesichtsausdrucks festgelegt, passte sie nicht in


27 die neue Kinolandschaft: weder als «fast talking dame» der dunklen Komödie noch als resolute Stepptänzerin im Musical noch als sich aufopfernde Mutter im Melodrama. Nach Overland Stage Raiders (1938) mit dem blutjungen John Wayne verschwindet Louise Brooks aus dem Blick der Öffentlichkeit. Prophetisch wirkt nachträglich auch der Titel des ersten Tonfilms, den sie noch in Europa dreht: Prix de beauté (1930). Um die Verschmelzung von Rolle und Star zu unterstreichen, heisst Brooks auch hier Lulu. Sie gewinnt ­einen Schönheitswettbewerb und steht damit nicht nur in der Gunst des Publikums. Ein Mann mit Geld und Einfluss wird auf sie aufmerksam und ermöglicht ihr den Sprung ins Filmgeschäft. Lulu entschliesst sich, den Ehemann, der ihr diese Karriere verbieten will, zu verlassen. Er aber folgt ihr in den Vorführraum, in dem sie sich begeistert eine Gesangszene aus ihrem ersten Film ansieht. Dort erschiesst er sie. Der Film läuft weiter, während die Schauspielerin leblos auf die Rücklehne ihres Sitzes niedersinkt. Für einen kurzen Augenblick vereint der Bildausschnitt die Nahaufnahme der Toten mit ihrer Doppelgängerin auf der Leinwand. Dem Filmbild geopfert, überlebt Lulu als Wesen aus Zelluloid. Louise Brooks selbst erfährt als Vergessene immerhin noch zu Lebzeiten ein Comeback. Henri Langlois’ Retrospektive an der Cinémathèque in Paris 1957 erlaubte cineastisch Interessierten, sie wiederzuentdecken. Die Liebe zum Filmbild und die Liebe zum Gesicht einer Frau treffen noch einmal in Jean-Luc Godards Vivre sa vie (1962) als explizite Hommage an Louise Brooks zusammen: Anna Karina passt den Brooks-Look dem Stil der Nouvelle Vague an. Es folgt eine Reihe von Nachahmungen, in denen das kulturelle Nachleben der Stummfilmikone eine Nachreife erfährt: Melanie Griffith in Something Wild (1986), Uma Thurman in Pulp Fiction (1994), Audrey Tautou in Le fabuleux destin d’Amélie Poulain (2001). Louise Brooks bleibt das Gesicht ihrer Zeit und hat dennoch – oder deshalb – ihre kinematische Ausstrahlung nie verloren. Durch die Linse der vielen Recyclings können wir sie heute einmal mehr – und zugleich ganz anders – geniessen. Elisabeth Bronfen

Elisabeth Bronfen ist Kulturwissenschaftlerin an der UZH und Autorin.


> Love ’Em and Leave ’Em.

> Now We’re in the Air.

> A Girl in Every Port.

> It’s the Old Army Game.


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Louise Brooks

NOW WE'RE IN THE AIR USA 1927 Wally und Ray wollen das Erbe ihres schottischen Grossvaters antreten. In Europa werden die ahnungslosen Abenteurer ins Geschehen des Ersten Weltkriegs verwickelt. Sie verlieben sich in Zwillinge, von denen eine in Deutschland, die andere in Frankreich aufgewachsen ist. Vom Film existiert heute nur noch ein Fragment von rund 20 Minuten (knapp ein Drittel), das 2016 wiederentdeckt und vom San Francisco Silent Film Festival restauriert wurde. (mb)

IT'S THE OLD ARMY GAME

druckt die naive Amy Fisher, die ihn heiraten will. Amys ärmliche Familie hat in jeder Hinsicht wenig übrig für das gefrässige Grossmaul Aubrey. Amys Bruder Joe macht kostspielige Experimente mit einem neuen Rostschutzverfahren. Joes Freundin Clara sieht mit Missfallen, wie Aubrey die Fishers ausnutzt und Amy ins Unglück zu stürzen droht. «The Show Off» war ein grosser Broadway-Erfolg. Ford Sterling, ein Klamaukkomiker aus dem Stall von Mack Sennett, verkörpert den unausstehlichen Grosskotz Aubrey, und Louise Brooks als Clara ist die Einzige, die ihn in die Schranken weisen kann – oft allein mit einem Blick. (mb) 82 Min / sw / 35 mm / Stummfilm, e Zw‘titel // REGIE Malcolm St. Clair // DREHBUCH Pierre Collings, nach dem Theater-

USA 1926

stück von George Kelly // KAMERA Lee Garmes // SCHNITT

Elmer Prettywillie, der Inhaber eines Drugstores, verstrickt sich in allerlei Ungemach. Eine Frau auf der Suche nach einer Briefmarke bringt ihn um den Schlaf, die Feuerwehr kommt im falschen Moment, und ein windiger Immobilienmakler, der sich in Marilyn, die «Tresenfee», verguckt, gewinnt Elmer für ein dubioses Geschäft. Louise Brooks und W. C. Fields kannten sich von den Ziegfeld Follies. Kurz nach den Dreharbeiten heiratete Brooks den Regisseur, Edward Sutherland. Der Titel It's the Old Army Game meint das bei Schwindlern beliebte Hütchenspiel. (mb)

well (Mrs. Fisher), Charles Goodrich (Mr. Fisher), Lois Wilson

NOW WE‘RE IN THE AIR 23 Min / tinted / Digital HD / Stummfilm, e Zw‘titel/d // REGIE Frank R. Strayer // DREHBUCH Thomas J. Geraghty, George Marion Jr., Ralph Spence, nach einer Idee von Monte Brice, Keene Thompson // KAMERA Harry Perry // MIT Wallace Beery (Wally), Raymond Hatton (Ray), Russell Simpson (Lord Abercrombie McTavish), Louise Brooks (Griselle/Grisette). IT‘S THE OLD ARMY GAME 75 Min / tinted / Digital HD / Stummfilm, e Zw‘titel/d // REGIE A. Edward Sutherland // DREHBUCH William LeBaron, Thomas J. Geraghty, J. Clarkson Miller, Ralph Spence, nach dem Theaterstück von Joseph P. McEvoy, W. C. Fields // KAMERA Alvin Wyckoff // SCHNITT Thomas J. Geraghty // MIT W. C. Fields (Elmer Prettywillie), Louise Brooks (Marilyn Sheridan), ­ Blanche Ring (Tessie Gilch), William Gaxton (William Parker), Mary Foy (Sarah Pancoast), Mickey Bennett (Mickey). DO, 22. OKT. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: ANDRÉ DESPONDS, ZÜRICH (PIANO), SAMUEL MESSERLI, ZÜRICH (PERKUSSION)

Ralph Block // MIT Ford Sterling (Aubrey Piper), Claire McDo(Amy Fisher), Louise Brooks (Clara), Gregory Kelly (Joe Fisher). From the Collection of Library of Congress SA, 31. OKT. | 20.45 UHR LIVE-BEGLEITUNG: EPHREM LÜCHINGER, ZÜRICH (PIANO), NEAL SUGARMAN, ZÜRICH (SAXOFON)

LOVE 'EM AND LEAVE 'EM USA 1926 Mame Walsh und ihre jüngere Schwester Janie arbeiten als Verkäuferinnen in einem Kaufhaus. Mames Freund Bill ist ein kleiner Fisch in der Belegschaft, aber sie erreicht, dass er ein Schaufenster dekorieren darf, und dank ihren Ideen wird das zum Erfolg. Janie widmet sich lieber den Männern (auch Bill) und dem Glücksspiel. Als sie das Geld für den Benefiz-Ball des Kaufhauses verspielt, hält Mame für sie den Kopf hin. «Die Besetzung führt drei Stars auf – Evelyn Brent, Lawrence Gray und Louise Brooks. Man hätte die Reihenfolge der Namen ebenso gut umkehren können, denn Louise Brooks, die die gänzlich unsympathische Rolle der Flapper-haften Schwester der Verkäuferin spielt, reisst sich den ganzen Film unter den Nagel.» (Variety, 8.12.1926) 76 Min / sw / 16 mm / Stummfilm, e Zw‘titel // REGIE Frank Tuttle // DREHBUCH Townsend Martin, nach dem Bühnenstück von John V. A. Weaver, George Abbott // KAMERA George Webber // SCHNITT Julian Johnson // MIT Louise Brooks (Janie Walsh), Evelyn Brent (Mame Walsh), Lawrence Gray (Bill Billingsley), Osgood Perkins (Lem Woodruff), Jack

THE SHOW OFF USA 1926

Egan (Cartwright), Marcia Harris (Miss Streeter). George Eastman Museum: Bequest of Philip Serling MI, 4. NOV. | 19.00 UHR

Aubrey, ein kleiner Angestellter bei der Eisenbahn, trumpft als grosser Manager auf und beein-

LIVE-BEGLEITUNG: STEPHEN HORNE, LONDON (PIANO, FLÖTE, AKKORDEON)


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Louise Brooks 81 Min / sw / Digital HD / Stummfilm, e Zw‘titel // REGIE

A GIRL IN EVERY PORT

­William A. Wellman // DREHBUCH Benjamin Glazer, Jim

USA 1928

Tully, nach dem Buch von Jim Tully, und dem Roman «Apache

Die Matrosen Skip und Bill haben in jedem Hafen eine Liebschaft und sind Rivalen im Kampf um deren Gunst. Als sie sich in die Quere kommen, raufen sie sich zusammen, doch die verführerische Marie in Marseille gefährdet ihre neue Eintracht. Unter den unwiderstehlichen und unverwechselbaren Komödien, für die Howard Hawks berühmt ist, ist diese die früheste. Möglicherweise ist es auch der Film, der das Genre der BuddyMovies begründete, zugleich aber jener, der ­Louise Brooks definitiv zum Star machte. «Ein wunderbar unwahrscheinliches kleines Komödien-Drama. Auf halbem Weg kippt es von der genialen, überdrehten Komödie zum gedämpften Drama, von der jugendlich-übermütigen Geschichte zweier Seeleute, die sich gerne prügeln, zur präzisen Studie einer Dreiecksbeziehung.» (Donald C. Willis: The Films of Howard Hawks, Scarecrow Press 1975)

SCHNITT Allyson Shaffer // MIT Louise Brooks (Nancy, das

78 Min / sw / 35 mm / E // REGIE Howard Hawks // DREHBUCH Seton I. Miller, James Kevin McGuinness, nach einer Story von Howard Hawks // KAMERA L. William O‘Connell, Rudolph Berquist // SCHNITT Ralph Dixon // MIT Victor McLaglen (Spike Madden), Louise Brooks (Godiva/Tessie), Robert Armstrong (Bill), Maria Casajuana (Chiquita), Francis McDonald (Bandenchef), Phalba Morgan (Lena), Felix Valle (ihr Mann). George Eastman Museum; Museum accession DO, 12. NOV. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: NEIL BRAND, LONDON (PIANO)

BEGGARS OF LIFE USA 1928 «Ein ungewöhnlich realistisches Drama um ‹Hoboes›, Obdachlose, die auf Güterzüge aufspringen und so durch das Land reisen, um auf den Feldern zu jobben. Um sich in dieser Männergesellschaft behaupten zu können und um der Polizei zu entkommen, die sie wegen eines Mordes sucht, schlüpft Louise Brooks in Männerkleidung. William Wellman inszenierte on location einen der besten amerikanischen Stummfilme, in dem Louise Brooks den bereits etablierten Stars Wallace Beery und Richard Arlen die Schau stiehlt.» (Programm Bonner Sommerkino 2009) «Obwohl Wallace Beery hervorragend ist, sind alle Augen auf die 22-jährige Louise Brooks gerichtet. (…) Die Kamera liebt sie – und wird dafür mit einer Darbietung belohnt, die ein reiches Innenleben ausstrahlt.» (Tony Rayns, Time Out Film Guide)

Rising» von Julian Johnson // KAMERA Henry Gerrard // junge Mädchen), Wallace Beery (Oklahoma Red), Richard ­Arlen (Jim), Edgar Washington (Black Mose), Kewpie Morgan (Skinny), Andy Clark (Skelly), Mike Donlin (Bill), Roscoe Karns (Lame Hoppy), Bob Perry (The Arkansaw Snake). SA, 14. NOV. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: MARTIN CHRIST, LIGERZ (PIANO)

DIE BÜCHSE DER PANDORA Deutschland 1928 «Frank Wedekinds Dramen vom Aufstieg und Untergang der Tänzerin Lulu, die den Männern, denen sie begegnet, den Tod bringt, bis sie schliesslich selbst das Opfer des geheimnisvollen Mörders Jack the Ripper wird, sind von Pabst in einem Film zusammengefasst worden. (...) Er hat seinen Film ganz auf zwei Wirkungsmöglichkeiten gestellt: auf expressive Grossaufnahmen und auf atmosphärische Bildimpressionen.» (Reclams Filmführer) «Louise Brooks, eine grosse – nahezu unpersönliche – Schönheit, die in der Flapper-Ära stilprägend wirkte und deren glattes Haar und Pony auf der ganzen Welt nachgeahmt wurde (...), verliess 1928 Hollywood auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und ging nach Deutschland für die Rolle ihres Lebens. (...) In Sachen schiere erotische Dynamik sind die Szenen hinter den Kulissen am Premierenabend einer Show, in der Lulu auftritt, unerreicht. (...) Wie sie sich durch dieses Chiaroscuro bewegt, scheint Louise Brooks mit ihrem aufrechten Rücken und ihren starken Schultern eine eigene Form von Sexualität zu haben – vorbewusst und doch intuitiv allwissend. Sie wirkt wie eine kühle, schöne, unschuldig tödliche Katze, von der keiner die Finger lassen kann.» (Pauline Kael, 5001 Nights at the Movies, Marion Boyars 1993) 134 Min / sw / DCP / Stummfilm, d Zw‘titel // REGIE Georg Wilhelm Pabst // DREHBUCH Ladislaus Vajda, nach den Theaterstücken «Erdgeist» und «Die Büchse der Pandora» von Frank Wedekind // KAMERA Günther Krampf // MIT Louise Brooks (Lulu), Fritz Kortner (Dr. Peter Schön), Gustav Diessl (Jack the Ripper), Franz Lederer (Alva Schön), Carl Goetz (­ Schigolch), Krafft-Raschig (Rodrigo Quast), Alice Roberts (Gräfin Geschwitz), Siegfried Arno (der Inspizient), Daisy d‘Ora (Dr. Schöns Verlobte). FR, 13. NOV. | 20.45 UHR LIVE-BEGLEITUNG: NEIL BRAND, LONDON (PIANO)


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Louise Brooks

THE CANARY MURDER CASE USA 1929 Margaret O’Dell macht im Varieté Furore, wenn sie sich in einem gefiederten Kostüm als «Kanarienvogel» aufs Trapez schwingt. Nebenher ist sie allerdings als Erpresserin aktiv, womit sie sich gefährliche Feinde schafft. Als sie ermordet wird und der junge Jimmy Spottswoode, der mit Margaret liiert war, unter Verdacht gerät, ruft Jimmys Vater seinen Freund, den Amateurdetektiv Philo Vance, zu Hilfe. The Canary Murder Case beruhte auf dem gleichnamigen Roman von S. S. Van Dine, dessen Krimis um Philo Vance sehr beliebt waren. William Powell, später in den Thin Man-Filmen als Schnüffler erfolgreich, debütiert hier als Detektiv. Von Malcolm St. Clair als Stummfilm inszeniert, wurde die Produktion hinterher von Frank Tuttle mit Ton versehen, was einen Nachdreh und Synchronarbeiten erforderte. Louise Brooks weigerte sich, dafür nach Hollywood zurückzukehren, womit sie ihren verbliebenen Kredit bei Paramount verspielte. Sie wurde dann in einzelnen Szenen von der ungenannten Margaret Livingston notdürftig vertreten und synchronisiert. (mb) 82 Min / sw / 35 mm / E // REGIE Malcolm St. Clair, Frank Tuttle // DREHBUCH Albert S. Le Vino, Florence Ryerson, S. S. Van Dine, nach dem Roman von S. S. Van Dine // KAMERA Harry Fischbeck, Cliff Blackstone // MUSIK Karl Hajos // SCHNITT William Shea // MIT William Powell (Philo Vance), Jean Arthur (Alice LaFosse), Louise Brooks (Margaret O‘Dell/The Canary), James Hall (Jimmy Spottswoode), Charles Lane (Charles Spottswoode), Lawrence Grant (John Cleaver), Gustav von Seyffertitz (Dr. Ambrose Lindquist). Preservation funded by Hugh M. Hefner

TAGEBUCH EINER VERLORENEN Deutschland 1929 «Die Kamera weidet sich an Brooks' strahlender Schönheit, wenn Pabst dem Abenteuer der Apothekerstochter Thymian folgt, die ihre Unschuld verliert. Ihre Entwicklung vom Augapfel des Vaters über ihren sexuellen Fehltritt und das Erziehungsheim zum Liebling eines teuren Bordells und schliesslich zur verwitweten Gräfin gibt Pabst Gelegenheit, schonungslos das Deutschland der Weimarer Republik darzustellen im Kontrast zu Brooks' Verkörperung einer überschäumenden, gleichsam unschuldigen Vitalität.» (Ruth Baumgarten, Time Out Film Guide) «Pabst umschifft in seinem letzten Stummfilm die Klippen des kolportagehaften Sujets ge-

schickt und erzählt in sehr dynamischen Bildern. Der im September 1929 der Zensur vorgelegte Film bekam zunächst Schnittauflagen, wurde dann zwischenzeitlich als ‹entsittlichend› ganz verboten, nachdem eine Reihe von Frauenvereinen und Jugendhilfeeinrichtungen Sturm gelaufen waren. Schliesslich durfte er, abermals gekürzt, wieder auf die Leinwand. (…) Die rekonstruierte Version ist etwas länger als die Uraufführungsfassung.» (Ursula von Keitz, Filmpodium, Jan. 2004) 113 Min / sw / DCP / Stummfilm, d + e Zw‘titel // REGIE Georg Wilhelm Pabst // DREHBUCH Rudolf Leonhard, nach einem Roman von Margarete Böhme // KAMERA Sepp Allgeier // MIT Louise Brooks (Thymian), Edith Meinhard (Erika), Fritz Rasp (Provisor Meinert), Josef Rovensky (Apotheker Henning), Andrews Engelmann (der Vorsteher), Valeska Gert (seine ­ Frau), André Roanne (Graf Osdorff). DO, 29. OKT. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: ANDRÉ DESPONDS, ZÜRICH (PIANO)

PRIX DE BEAUTÉ (STUMMFILM) Frankreich 1930 Lucienne ist Tippse bei einer Firma, die einen Schönheitswettbewerb organisiert. Ihr Verlobter André ist Typograf und krankhaft eifersüchtig. Deshalb nimmt Lucienne hinter seinem Rücken am Wettbewerb teil und wird zur Miss France erkoren, was André aus der Zeitung erfährt. Sie reist nach Spanien, wo ihre Wahl zur Miss Europa sie zum Objekt der Begierde mächtiger Männer macht. André spürt sie auf und stellt sie vor die Wahl: Ruhm oder Liebe. Doch Luciennes Rückkehr in Andrés Arme und in den anonymen armseligen Alltag macht sie nicht glücklich. Da bekommt sie ein Angebot, in einem Tonfilm mitzuspielen. René Clair hatte die Idee zu diesem Drama um eine Frau, die ihrem Milieu und der Macht der Männer entfliehen will, dann aber für ihre Schönheit einen hohen Preis zahlen muss. Brooks' grosser Förderer G. W. Pabst arbeitete am Drehbuch mit, aber Regie führte der Italiener Augusto Genina, der in manchen Sequenzen dokumentarischen Realismus walten lässt, aber Brooks, die während der Dreharbeiten viel zu viel trank, auch sehr schmeichelhaft in Szene setzt. Der Schauspielstil und die Bildgestaltung von Rudolph Maté entsprechen noch ganz dem Stummfilm, mit viel Sinn für visuelles Erzählen und stimmige Details in Dekors und Kostümen. Die legendäre Schlussszene des Films war aber schon von Clair mit Ton konzipiert worden. (mb)


> Overland Stage Raiders.

> Beggars of Life.

> Tagebuch einer Verlorenen.

> The Chaperone.


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Louise Brooks 113 Min / sw / DCP / Stummfilm, i Zw’titel/e // REGIE Augusto

David Mendoza // SCHNITT James Gibbon // MIT Frank Fay

Genina // DREHBUCH René Clair, Georg Wilhelm Pabst //

(Toto Duryea), Laura La Plante (Diane Churchill), Louise

­KAMERA Rudolph Maté, Louis Née // MUSIK Horace Shepherd,

Brooks (Florine), Joan Blondell (Fifi), Charles Winninger

René Sylviano, Wolfgang Zeller // SCHNITT Edmond T. Gys //

(John Churchill), Alan Mowbray (Auguste, Totos Butler),

MIT Louise Brooks (Lucienne Garnier), Georges Charlia

­Arthur Edmund Carewe (Dr. Louis Dumont).

­(André), Augusto Bandini (Antonin), André Nicolle (Sekretär), Marc Ziboulsky (Manager), Yves Glad (der Maharajah).

LOUISE BROOKS: LOOKING FOR LULU

DO, 5. NOV. | 18.00 UHR LIVE-BEGLEITUNG: STEPHEN HORNE, LONDON (PIANO,

USA 1998

FLÖTE, AKKORDEON)

PRIX DE BEAUTÉ (TONFASSUNG) Frankreich 1930 Im Nachhinein wurde der Film in vier Sprachen synchronisiert und das Bild beschnitten, um Platz für die Tonspur zu schaffen. Wir zeigen deshalb beide Fassungen des Films, die restaurierte Stummfilmfassung mit Live-Musik und die französische Tonfilmfassung. (mb) 113 Min / sw / 35 mm / F // REGIE Augusto Genina // DREH-

Mary Louise Brooks, 1906 in Kansas geboren, wuchs mit einer kulturell und feministisch engagierten, erzieherisch aber weniger begabten Mutter auf. Mit neun Jahren von einem Nachbarn missbraucht, was ihr Verhältnis zu Sex und Männern prägte, machte Louise bald als Tanztalent von sich reden. Als 15-Jährige zog sie mit einer Anstandsdame nach New York und trat der avantgardistischen Denishawn Company bei. Über die Revue Ziegfeld Follies kam sie 1925 zum Film; 1938 liess sie das Kino hinter sich und versuchte sich neu zu erfinden. Hugh Munro Neelys Dokumentarfilm zeichnet Brooks' einzigartigen Lebensweg nach. (mb)

BUCH René Clair, Georg Wilhelm Pabst, Bernard Zimmer // KAMERA Rudolph Maté, Louis Née // MUSIK Wolfgang Zeller, René Sylviano, Horace Shepherd, Jean Boyer // übriger Stab wie bei Stummfilm (s. oben).

GOD'S GIFT TO WOMEN USA 1931 Toto Duryea gilt in Paris als moderner Don Juan. Er verliebt sich in Diane, die Tochter eines amerikanischen Millionärs, der dies angesichts von Totos Ruf mit Missfallen beobachtet. Toto greift zu allerlei Listen, um Diane für sich zu gewinnen. Da bescheidet ihm ein Arzt, er habe ein Aorta-Aneurysma und müsse Frauen und Alkohol abschwören, da sonst der sichere Tod drohe. Als Totos frühere Freundinnen sich um den armen Kranken kümmern wollen, steht es schlecht um seine ärztliche Anweisung, jegliche Erregung zu vermeiden. Frank Fay, ein Vaudeville-Star, sollte in Hollywood in Komödien Karriere machen, hatte aber nicht den erhofften Erfolg. Michael Curtiz, 1926 in den USA eingewandert, führte Regie bei diesem (recht braven) Pre-Code-Schwank, der Brooks ihre letzte Rolle in einer Komödie bescherte, neben Joan Blondell und vielen anderen dekorativen Damen. (mb)

OVERLAND STAGE RAIDERS USA 1938 Die «Three Mesquiteers» (Mesquite ist ein taffes Wüstengewächs) Stony Brooke, Tucson Smith und Lullaby Joslin sollen verhindern, dass Goldtransporte von Banditen überfallen werden. Stony kommt auf die Idee, das Gold nicht mehr auf Bussen zu befördern, sondern durch die Luft. Er gewinnt den Piloten Ned Hoyt und dessen Schwester Beth für diesen Plan und überredet die örtlichen Viehzüchter, in diese Fluggesellschaft zu investieren. Doch die Banditen erweisen sich als erfinderisch und wagen einen Raubüberfall in der Luft. Die «Three Mesquiteers» waren ein WesternHeldenteam, das in 51 Filmen vor allem jugend­ liches Kinopublikum begeisterte. Die Rolle des Stony Brooke spielt in Overland Stage Raiders ein 30-jähriger Hüne, der noch im selben Jahr in John Fords Stagecoach zum Star werden sollte: John Wayne. Brooks hatte für ihren letzten Film wenig übrig; in Kansas aufgewachsen, hatte sie eine ­andere Vorstellung von Cowboys, als dieser Kinderkram vermittelte. Als sie 1956 anfing, scharfsinnig und oft giftig über das Filmgeschäft zu schreiben, fand sie für Wayne aber nur gute Worte. (mb) LOUISE BROOKS: LOOKING FOR LULU

72 Min / sw / Digital SD / E // REGIE Michael Curtiz // DREH-

60 Min / Farbe + sw / Digital SD / E // REGIE Hugh Munro Neely

BUCH Joseph Jackson, Raymond Griffith, nach dem Theater-

// DREHBUCH Barry Paris // KAMERA John Luker // MUSIK

stück von Jane Hinton // KAMERA Robert Kurrie // MUSIK

Nigel Holton // SCHNITT Hugh Munro Neely // MIT


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Louise Brooks Shirley MacLaine (Erzählstimme), Dana Delany, Roddy McDowall Louise Brooks, Paolo Cherchi Usai, Roseanna Brooks, ­Margaret Brooks, Francis Lederer. OVERLAND STAGE RAIDERS 55 Min / sw / Digital HD / E // REGIE George Sherman // DREHBUCH Bernard McConville, Edmond Kelso, Luci Ward, nach Motiven von William Colt MacDonald // KAMERA William Nobles // SCHNITT Tony Martinelli // MIT John Wayne (Stony Brooke), Ray Corrigan (Tucson Smith), Max Terhune (Lullaby Joslin), Louise Brooks (Beth Hoyt), Anthony Marsh (Ned Hoyt), Ralph Bowman (Bob Whitney).

THE CHAPERONE (PREMIERE) GB/Australien/USA 2018 Als die 15-jährige Louise Brooks aus Kansas nach New York ziehen will, um dort Tänzerin zu werden, muss sie von einer Anstandsdame begleitet werden. Die Hausfrau Norma Carlisle stellt sich zur Verfügung, und das unterschiedliche Paar aus der Provinz entdeckt die Verlockungen und Herausforderungen der Grossstadt gemeinsam. Während Louise in der Denishawn Company ausgebildet wird, sucht die als Kind adoptierte Norma

ZÜRCHER FILMBUFF-QUIZ 2020

nach ihrer leiblichen Mutter. Sie freundet sich mit einem eingewanderten Handwerker an, der ihr eine Liebe entgegenbringt, die sie von ihrem Gatten nie erfahren hat. Julian Fellowes, Schöpfer von Downton Abbey, hat Laura Moriartys Roman «The Chaperone» adaptiert; die Titelrolle spielt Elizabeth McGovern, die Darstellerin der Lady Grantham in der Serie. Haley Lu Richardson verkörpert die junge Louise Brooks mit einer kongenialen Mischung aus Unschuld und Provokation, Verletzlichkeit und Stolz und macht spürbar, welche Wirkung der aufstrebende Star in jener Gesellschaft hatte. Das Filmpodium zeigt The Chaperone als KinoEuropapremiere. (mb) 103 Min / Farbe / DCP / E // REGIE Michael Engler // DREHBUCH Julian Fellowes, nach dem Roman von Laura Moriarty // KAMERA Nick Remy Matthews // MUSIK Marcelo Zarvos // SCHNITT Sofía Subercaseaux // MIT Elizabeth McGovern (Norma), Haley Lu Richardson (Louise), Géza Röhrig (Joseph), Victoria Hill (Myra Brooks), Campbell Scott (Alan), Blythe Danner (Mary O‘Dell), Andrew Burnap (Floyd), Miranda Otto (Ruth St. Denis), Robbie Fairchild (Ted Shawn).

FR, 30. OKT. | 20.00 UHR

Am Freitag, dem 30. Oktober lädt das Filmpodium wieder Kinokenner und Filmfreundinnen ein, mental die Klingen zu kreuzen und abseits des Internets mit echtem Filmwissen zu brillieren. Für die Profis im Publikum gibt es Handicaps, damit engagierte Amateure gleiche Chancen haben, die attraktiven Preise zu gewinnen. Wie bei den TV-Vorbildern muss man beim Filmbuff-Quiz aber nicht selber mitspielen, um > Quiz (Stephen Frears, 2020). Spass zu haben. Man kann auch nur seine Lieblingskandidatinnen anfeuern – oder einfach die eingespielten Clips geniessen und Höhepunkte (und Peinlichkeiten) der Filmgeschichte Revue passieren lassen. Aufgrund der grossen Nachfrage und der Covid-19-bedingt reduzierten Platzzahl empfehlen wir allen den Vorverkauf online oder an der Kasse.

Corinne Siegrist-Oboussier & Michel Bodmer


35 Das erste Jahrhundert des Films

1980 Während der sowjetische Einmarsch in Afghanistan weltweit Proteste hervorruft und den Ost-West-Konflikt verschärft, demonstrieren in Zürich Jugendliche gegen die Kulturpolitik der Stadt: Die Opernhaus-Krawalle sind die ­Initialzündung für die Jugendunruhen in der ganzen Schweiz. In diesem Jahr erobert Raging Bull die Leinwand, Martin Scorseses wuchtiges Porträt des legendären Boxers Jake LaMotta, der sich mit allen Mitteln nach oben kämpft und all das verliert, wofür es sich – dem amerikanischen Traum gemäss – zu leben lohnt. Scorsese gelingt mit diesem hauptsächlich in Schwarzweiss gehaltenen Drama einer der einflussreichsten amerikanischen Filme überhaupt. Um der Atmosphäre willen dreht David Lynch seinen zweiten Spielfilm ebenfalls in Schwarzweiss: Sein tief bewegender Elephant Man etabliert ihn als Regisseur in Hollywood und zählt bis heute zu den grossen humanistischen Meisterwerken der Filmgeschichte. Ein fulminantes Comeback feiert in diesem Jahr Akira Kurosawa: Sein farbenprächtiges Historienepos Kagemusha ist eine grandiose filmische Auseinandersetzung mit den Mechanismen der Macht und wird mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Im spanischen Filmschaffen beginnt mit Pedro ­Almodóvars Spielfilmdebüt Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón eine neue Ära: Das ungestüme Werk, in dem Almodóvar mit allem experimentiert, was kurz davor unter Franco noch verboten war, wird sogleich zum Kultfilm und macht den jungen Cineasten über die Grenzen Spaniens hinaus bekannt. Eine realistische Momentaufnahme der französischen Gesellschaft jener Zeit gelingt Maurice Pialat mit Loulou: Das anarchische Sozialdrama lebt von der impulsiven, wuchtigen Präsenz Gérard Depardieus und der zarten Erscheinung der jungen Isabelle Huppert – 35 Jahre wird es dauern, bis die beiden Ikonen des französischen Kinos wieder gemeinsam vor der Kamera stehen (in Guillaume Nicloux’ Valley of Love). Tanja Hanhart Das erste Jahrhundert des Films In der Dauerreihe «Das erste Jahrhundert des Films» zeigen wir im Lauf von zehn Jahren rund 500 w ­ egweisende Werke der Filmgeschichte. Die Auswahl jedes Programmblocks ist gruppiert nach Jahrgängen, woraus sich schliesslich 100 Momentaufnahmen des Weltkinos von 1900 bis 1999 ergeben. ­Referenzzahl ist jeweils der aktuelle Jahrgang, d. h. im Jahr 2020 sind Filme von 1920, 1930, 1940 usw. zu sehen. Weitere wichtige Filme von 1980: Airplane! Jim Abrahams, D. und J. Zucker, USA Breaker Morant Bruce Beresford, Australien Dressed to Kill Brian De Palma, USA Friday the 13th Sean S. Cunningham, USA La boum Claude Pinoteau, F Le dernier métro François Truffaut, F Mon oncle d’Amérique Alain Resnais F

O Megalexandros Theo Angelopoulos, Gr Ordinary People Robert Redford, USA Star Wars: Episode V – The Empire Strikes Back Irvin Kershner, USA The Blues Brothers John Landis, USA The Fog John Carpenter, USA The Long Good Friday John Mackenzie, GB The Shining Stanley Kubrick, USA Wer singt denn da? (Ko to tamo peva) Sloboda Sijan, Jugoslawien


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Das erste Jahrhundert des Films: 1980

RAGING BULL USA 1980 Die Stationen im Leben des New Yorker Boxers Jake LaMotta, der in den vierziger Jahren als «Bulle aus der Bronx» zum Mittelgewichts-Weltmeister aufstieg und als aufgedunsener Nachtclub-Entertainer endete. Martin Scorseses Raging Bull gilt als einer der wichtigsten Filme der 1980er-Jahre und wurde 1990 ins National Film Registry aufgenommen. Robert De Niro, der für seine Rolle mit dem echten LaMotta trainiert hatte, wurde mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet, Thelma Schoonmaker für den besten Schnitt. «Scorsese: ‹Es ging nicht ums Boxen. Ich mag Boxen nicht!› Dennoch, vielleicht deshalb, ist ­Raging Bull die aufreibendste, hoffnungsloseste Talfahrt des Boxerkinos. (...) Jede Szene steht an der Kippe, in verbale, psychische oder handfeste Schlächterei umzuschlagen. Die wenigen Kampfsequenzen verschaffen keine Erleichterung. Sie sind Gemetzel mit Blutfontänen und zerplatzendem Fleisch, öde Fortsetzung öden Lebens. Wie jeder Film Scorseses handelt Raging Bull von Amerikas schlummernder, jederzeit erweckbarer Gewalt. Und von vergeblicher Hoffnung auf Erlösung.» (Harry Tomicek, filmmuseum.at, 18.10.2011)

«Welches ist der beste Film aller Zeiten? Film­ kritiker bekennen im Allgemeinen, das zumin­dest einer der besten Filme Raging Bull ist. (...) In dieser eher beängstigenden Untersuchung der Grenzen von Männlichkeit passt die Wucht von Scorsese zur Intensität von De Niro, der tief in die Seele des Boxers eindringt. (...) Wenn alles, was Sie über Raging Bull wissen, die berühmte Tatsache ist, dass De Niro für die Rolle viel Gewicht zugelegt hat, dann gibt es wirklich noch viel mehr zu entdecken und zu geniessen.» (Michael Thomson, bbc.co.uk, 14.8.2007) 129 Min / Farbe + sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Martin Scorsese // DREHBUCH Paul Schrader, Mardik Martin, nach dem Buch von Jake LaMotta, Joseph Carter, Peter Savage // KAMERA Michael Chapman // MUSIK Pietro Mascagni («Cavalleria rusticana») // SCHNITT Thelma Schoonmaker // MIT Robert De Niro (Jake LaMotta), Joe Pesci (Joey LaMotta), Cathy ­Moriarty (Vickie LaMotta), Frank Vincent (Salvy), Nicholas ­Colasanto (Tommy Como), Theresa Saldana (Lenore), Frank Adonis (Patsy), Mario Gallo (Mario), Frank Topham (Toppy), Lori Anne Flax (Irma), James V. Christy (Dr. Eagan), Joseph Bono (Guido), Charles Scorsese (Charlie).


Das erste Jahrhundert des Films: 1980

THE ELEPHANT MAN USA/GB 1980 London, im späten 19. Jahrhundert. John Merrick leidet seit seiner Geburt unter schwerwiegenden körperlichen Deformationen. Nachdem ihn seine Familie verstossen hat, wird er als Kuriosität in Freakshows ausgestellt und vom sensations­ lüsternen Publikum begafft, bis ihn der Arzt Frederick Treves entdeckt und sich seiner annimmt. David Lynchs zweiter Spielfilm, The Elephant Man, der auf dem tatsächlichen Schicksal des ­Briten Joseph Merrick beruht, ist eine ergreifende Studie über Menschlichkeit und Würde, die Lynchs Ruf als eines der visionärsten Talente des amerikanischen Kinos festigte. Die wunderbar komponierte, düstere Schwarzweissfotografie und das bemerkenswerte Spiel von John Hurt und Anthony Hopkins liessen den Film zu einem gefeierten Klassiker werden. «Das Lynchhafte zeigte sich bereits am Anfang. (...) Die Leinwand ist schwarz und aus dieser Schwärze tritt eine Elefantenherde hervor. Und dann sehen wir das vom Entsetzen verzerrte Gesicht einer Frau und hören den Schrei eines Babys. Das ist die Geburt eines Films und die Geburt eines Helden, dessen Leid schon in aller Kürze auf überhöhte Weise dargestellt wird. (...) Der Film ist voller Empathie, voller Mitgefühl mit dem

deformierten Merrick. John Hurt spielt ihn wirklich beeindruckend unter diesen Bergen von Maske, von plastischen Prothesen. David Lynch zeigt die Trauer, die Wut, auch die unendliche ­Einsamkeit dieses Menschen. (...) Diese Einsamkeit in der Welt ist in keinem Lynch-Film stärker zu spüren als hier.» (Katia Nicodemus, im Gespräch mit Philipp Schmid, NDR Kultur, 7.5.2020) 124 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE David Lynch // DREHBUCH Christopher De Vore, Eric Bergren, David Lynch, nach «The Elephant Man: A Study in Human Dignity» und «The Elephant Man and Other Reminiscences» von Ashley Montagu, Frederick Treves // KAMERA Freddie Francis // MUSIK John Morris, Samuel Barber // SCHNITT Anne V. Coates // MIT John Hurt (John Merrick), Anthony Hopkins (Dr. Frederick Treves), Anne Bancroft (Mrs. Kendal), John Gielgud (Carr Gomm), Freddie Jones (Bytes), Michael Elphick (Nachtwächter), Hannah Gordon (Mrs. Anne Treves), Helen Ryan (Prinzessin Alex), Dexter Fletcher (Bytes' Gehilfe), John Standing (Fox), Lesley Dunlop (Nora).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1980

LOULOU Frankreich 1980 Nelly, eine junge Frau aus der Pariser Bourgeoisie, ist vom Leben mit ihrem besitzergreifenden Mann, dem Chef einer Werbeagentur, gelangweilt. In einer Disco lernt sie den rüpelhaften Herumtreiber und Kleinkriminellen Loulou kennen. Nelly ist von ihm fasziniert und beginnt ein leidenschaftliches Abenteuer mit ihm. Als sie schliesslich von ihm schwanger wird, muss sie eine Entscheidung treffen. Loulou, Maurice Pialats bahnbrechendes Sozialdrama über eine Frau zwischen zwei Männern, erforscht weibliches Begehren und übt beissende Kritik an der französischen Gesellschaft. «Klassengegensätze werden im französischen Kino selten so unprätentiös seziert wie in diesem Drama von Pialat. Seine nüchterne, im Cinémavérité-Stil gehaltene Zustandsbeschreibung räumt den Schauspielern grosse Freiheit ein.» (rexbern. ch, 4/2016) «Entlang der physischen Ausstrahlung von Isabelle Huppert und Gérard Depardieu, durch ihre Gesten, Körper, Sprache, entsteht eine Lebendigkeit, ein Begehren und eine Bedingungs­

losigkeit, die den Film in eine wirbelnde, ziellose Bewegung versetzt.» (viennale.at) «Pialat hat etwas so Reales, so Sinnliches, so Unmittelbares, er war einzigartig, und Loulou ist einer der bedeutendsten seiner Filme. Der Film war voller Gefühle über Beziehungen und Grausamkeiten zwischen Männern und Frauen. Es ist ein ewiges Thema, der Mann, die Frau und der Liebhaber. Anstelle von Geheimnissen und Lügen war hier alles transparent.» (Isabelle Huppert, im Interview mit Geoffrey Macnab, independent. co.uk, 27.10.2006) 110 Min / Farbe / DCP / F/e // REGIE Maurice Pialat // DREHBUCH Arlette Langmann, Maurice Pialat // KAMERA PierreWilliam Glenn, Jacques Loiseleux // MUSIK Philippe Sarde // SCHNITT Yann Dedet // MIT Isabelle Huppert (Nelly), Gérard Depardieu (Loulou), Guy Marchand (André), Humbert Balsan (Michel), Bernard Tronczyk (Rémy), Christian Boucher (Pierrot), Frédérique Cerbonnet (Dominique), Jacqueline ­ ­Dufranne (Loulous Mutter), Willy Safar (Jean-Louis), Agnès Rosier (Cathy), Patricia Coulet (Marité).


Das erste Jahrhundert des Films: 1980

PEPI, LUCI, BOM Y OTRAS CHICAS DEL MONTÓN (Pepi, Luci, Bom und und der Rest der Bande) Spanien 1980 Pepi wird von einem korrupten Polizisten, der ihre Marihuana-Pflanzen auf dem Balkon entdeckt, vergewaltigt. Um sich zu rächen, bittet sie eine Punkrock-Gruppe, ihren Peiniger zu verprügeln; die Gewalt trifft aber den Falschen, den Zwillingsbruder des Polizisten. Daraufhin bandeln Pepi und ihre Freundin Bom mit Luci an, der masochistischen Ehefrau des Polizisten – fortan ziehen sie zu dritt durch das Madrider Underground-Leben und feiern wilde Partys. Pedro Almodóvars Kinodebüt Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón ist ein schriller, Comic-­ artiger Film über das Leben in Madrid während der Punk-Ära, mit rauem Charme und anarchischem Humor. Der Low-Budget-Film, der bereits viele Lieblingsthemen Almodóvars behandelt, wird schnell zum Kultklassiker, etabliert Almodóvar als wichtige Figur in der Madrider Movida und macht ihn international bekannt. Der Film ist «ein Film voller Makel. Wenn ein Film einen Makel hat, ist es nur ein schlechter

Film; hat er dagegen gleich eine ganze Anzahl, dann gilt das als neue Sprache, als neuer Stil. Es ist im Wesentlichen ein unmoralischer Film; (...) und es ist ein feministischer Film, weil er Frauen porträtiert, die ihr Schicksal selbst bestimmen.» (Pedro Almodóvar, zit. in: elpais.com, 26.10.1980) «Dieser Film, nur wenige Jahre nach dem Ende der repressiven Franco-Ära entstanden, ist von einem jugendlichen und rebellischen Geist erfüllt. Halten Sie Ausschau nach Almodóvars Cameo-Auftritt in der urkomischen Erektionswettbewerb-Szene!» (moma.org, 10/2016) 82 Min / Farbe / DCP / Sp/d // DREHBUCH UND REGIE Pedro Almodóvar // KAMERA Paco Femenia // MUSIK Miguel Ángel Polo // SCHNITT José Salcedo // MIT Carmen Maura (Pepi), Olvido «Alaska» Gara (Bom), Eva Siva (Luci), Julieta Serrano (Schauspielerin), Cecilia Roth (Mädchen im Werbespot), Félix Rotaeta (Polizist/Zwillingsbruder), Concha Grégori (Charito), Kiti Mánver (Model), Cristina Sánchez Pascual (Frau mit Bart), Fabio de Miguel (Roxy Burton), Agustín Almodóvar ­(junger Mann im Publikum), Pedro Almodóvar (Ansager).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1980

KAGEMUSHA Japan 1980 Im Jahre 1573, als Japan von Machtkämpfen rivalisierender Feudalclans um die Hauptstadt Kyoto zerrissen ist, wird Shingen Takeda, der grösste aller Kriegsherren, bei einer Belagerung tödlich verwundet. Ein Doppelgänger, ein kleiner Dieb, soll die Feinde verwirren und das Überleben des Takeda-Clans sichern. Widerwillig schlüpft er in die Rolle des toten Helden, geniesst aber schon bald seine neue Rolle – doch durch einen Zufall wird er entlarvt. Akira Kurosawa gelingt mit dem systemkritischen Kagemusha, der mit Hilfe von Francis Ford Coppola und George Lucas finanziert werden konnte, ein grossartiges Comeback. «In seinem späten Meisterwerk Kagemusha kehrt Kurosawa zum Samurai-Film und zu einem Hauptthema seiner Karriere zurück – dem Spiel zwischen Illusion und Realität. Er rekonstruiert den Glanz des feudalen Japans und den Prunk des Krieges und schafft ein historisches Epos, das zugleich eine Meditation über das Wesen der Macht ist.» (criterion.com) «Kagemusha ist ein Kristallmonolith im japanischen Filmschaffen, das um 1980 nur mehr eindimensionale Imitationen von Kieselsteinen hervorbringt. Je nach Standort stellt Kurosawas siebenundzwanzigster, aus Bildern von Ruhe, tu-

multhafter Hektik und gewalttätiger Schönheit gewobener Film eine Frage nach dem Sinn von Geschichte und individueller Existenz, ein Lehrstück über den Zusammenhang von Macht und Zerstörung oder ein Epos der Vergänglichkeit dar. Wie ein trunkener Archivar rafft Kurosawa die Farben, Formen, Gesten einer Zeit, die er liebt, zusammen und hält sie als magischen Spiegel der Jetztzeit entgegen: Seht, schaudert!» (Harry Tomicek, filmmuseum.at, 1/2006) 159 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Akira Kurosawa // DREHBUCH Akira Kurosawa, ­Masato Ide // KAMERA Takao Saito, Masaharu Ueda // MUSIK Shinichiro Ikebe // SCHNITT Akira Kurosawa // MIT Tatsuya Nakadai (Shingen Takeda), Tsutomu Yamazaki (Nobukado T ­akeda), Kenichi Hagiwara (Katsuyori Takeda), Kota Yui (­ Takemaru Takeda), Hideji Otaki (Masakage Yamagata), Kamatari Fujiwara (Arzt), Deisuke Ryu (Nobunaga Oda, Herr der Westgebiete), Takashi Shimura (Gyobu Taguchi, sein Abgesandter).


41 Filmpodium für Kinder

Ente gut! Mädchen allein zu Haus Die elfjährige Linh und ihre kleine Schwester Tien sind plötzlich auf sich allein gestellt, als ihre Mutter nach Vietnam muss, um sich um die kranke Oma zu kümmern. Doch das darf niemand erfahren.

ENTE GUT! MÄDCHEN ALLEIN ZU HAUS / Deutschland 2016 95 Min / Farbe / DCP / D / ab 6 // REGIE Norbert Lechner // DREHBUCH Antonia Rothe-Liermann, Katrin Milhahn // KAMERA Namche Okon // MUSIK Martin Unterberger // SCHNITT Manuela Kempf // MIT Lynn Dortschack (Linh), Linda Phuong (Tien), Lisa Bahati Wihstutz (Pauline), Chieu Xuan Nguyen Thi (Mutter Thuy), Andreas Schmidt (Frank), Lena Stolze (Frau Trost), J­ anina Elkin (Frau Schneider), Anna Schumacher (Frau Lorenz).

Zu Beginn geht alles noch gut. Allein zu Haus, das klingt erst mal toll. Was man da alles machen könnte! Doch bald sind die beiden Mädchen überfordert. Und als Pauline aus dem Hochhaus nebenan den beiden auf die Schliche kommt, droht alles aufzufliegen. Doch die Spionin hat anderes im Sinn. Kinderfilm-Workshop Im Anschluss an die Vorstellungen vom 31. Okt. und 7. Nov. bietet die Filmwissenschaftlerin Julia Breddermann einen FilmWorkshop an (ca. 30 Min., gratis, keine Voranmeldung nötig). Die Kinder erleben eine Entdeckungsreise durch die Welt der Filmsprache und werden an einzelne Szenen und Themen des Films herangeführt.


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Internationaler Tag des Animationsfilms Am 28. Oktober wird international der Tag des Animationsfilms begangen. Was 1892 mit einer öffentlichen Vorführung von Émile Reynaud begann, lebt auch heute noch im vielseitigen Filmschaffen vieler Animationskünstlerinnen und -künstler weiter, wie die speziell für das Filmpodium zusammengestellte Auswahl zeigt.

> The Tenth Rabbit.

Am 28. Oktober 1892 führte Émile Reynaud mit seinem Théâtre Optique im Museum Grévin in Paris zum ersten Mal öffentlich ein animiertes Zeichentrickspiel vor. 110 Jahre später initiierte die ASIFA (Association Internationale du Film d’Animation) den International Animation Day (IAD), um diese Geburtsstunde des Animationsfilms zu feiern. Im Filmpodium wird dieser Tag mit Filmen aus Australien, Iran, Taiwan und den USA gefeiert. Darunter sind einige, die das Filmschaffen dieser Länder jenseits der grossen Festivallieblinge zeigen und Entdeckungen zulassen. Das Spektrum an Techniken und Materialien reicht von gemalten Bildern mit sichtbarem Duktus über Puppentrick bis zu animierten Steinchen. Dabei fällt auf, dass in der unabhängigen und kurzformatigen Animationssparte der gezeichnete Animationsfilm noch lange nicht von dreidimensionaler CGI-Animation verdrängt zu werden scheint. Stattdessen wird diese klassische Technik – durchaus mit moderner Grafik – zum Erzählen von sehr ehrlichen, direkten Geschichten mit Charakter eingesetzt.


43 Als Vorfilm und als Vertreterin des Schweizer und ganz lokal des Zürcher Filmschaffens wird Lah gah von Cécile Brun gezeigt. Ihr Film verbindet geschickt unterschiedliche Medien und Techniken zu einer bezaubernden Einheit und findet auf inhaltlicher Ebene in einer genauso starken wie unaufdringlichen persönlichen Geschichte, die den Emotionen der Betrachtenden viel Raum lässt, seine Entsprechung. Cécile Brun wird für ein kurzes Gespräch zu Beginn des Programms anwesend sein. Jonathan Wüst Programmzusammenstellung, Text und Präsentation: Jonathan Wüst (jotha.org)

> Foreign Exchange.

LAH GAH / Schweiz 2019

KHISH (EL ARADO) / Iran 2019

6 Min / Farbe / Digital HD / ohne Dialog // REGIE Cécile Brun

3 Min / sw / Digital HD / Farsi // REGIE Azin Delfani // MUSIK

// MIT DEN STIMMEN VON Bruno Amstad, Maya Zurbuchen //

Victor Jarra // Zeichentrick.

Sand, Zeichentrick.

DO-JI-LE? / Taiwan 2019

FOREIGN EXCHANGE / USA 2019 6 Min / Farbe / Digital HD / ohne Dialog // REGIE Corrie Francis

6 Min / Farbe / Digital HD / Chin/e // REGIE Tzu-Hsin (Cindy)

Parks // MUSIK Alexandra Gardner // Stop Motion, digital

Yang // MUSIK Benji Compston // Zeichentrick.

Cut Out.

AS USUAL / Taiwan 2018

THE TENTH RABBIT / Iran 2018

6 Min / Farbe / Digital HD / ohne Dialog // REGIE Liu Kuan-Wen

7 Min / Farbe / Digital HD / Pers/e // REGIE Reyhane Kavosh,

// MUSIK Wang Meng-Di // Zeichentrick.

Ali Raeis // DREHBUCH Zohre Parirokh // Digitaler Legetrick.

DATASTREAMIMAGINATION / USA 2018

I CARRY THE SUN / USA 2020

6 Min / Farbe / Digital HD / ohne Dialog // REGIE Eric Kunzen-

2 Min / Farbe / Digital HD / E // REGIE Richard Yarhouse //

dorf // Zeichentrick.

­MUSIK Revolutionary Army // Pixilation, Zeichentrick.

DANCE OF THE DEAD / Australien 2018 4 Min / Farbe / Digital HD / ohne Dialog // REGIE Scarlet Sykes­ Hesterman // MUSIK Theo Carbo // Puppen- u. Zeichentrick.

✶ am Mittwoch, 28. Okt., 18.00 Uhr: präsentiert von Jonathan Wüst


44 SÉLECTION LUMIÈRE

MI, 21. OKT. | 18.00 UHR MI, 4. NOV. | 21.15 UHR

12 ANGRY MEN Infolge des Lockdowns war Sidney Lumets

klassiger Kameramann wie Boris Kaufman

12 Angry Men im März nur ein einziges Mal

gewährte, und steigerte mit jeder Nahauf-

zu sehen und das ohne Einführung. Wir zei-

nahme die Klaustrophobie. Oftmals steht die-

gen den Film daher nochmals im Rahmen

ses Dutzend Geschworene augenscheinlich

der Sélection Lumière und diesmal richtig.

kurz davor, handgreiflich zu werden; dieser Film über einen Mordprozess handelt von Überzeugungsarbeit, zeigt aber auch das ausgeprägte Talent der New Yorker, auf engem Raum zu koexistieren. Doch wer hätte etwas gegen solche Gesellschaft einzuwenden? Zu Recht wird 12 Angry Men für seine durchweg tolle Besetzung gefeiert, allen voran Henry Fonda als Fürsprecher und Mann der leisen Töne und Lee J. Cobb als schwer belehrbares Grossmaul, das mit Vaterproblemen ringt und einen un-

12 ANGRY MEN / USA 1957 93 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Sidney Lumet // DREHBUCH

dankbaren Teenager nicht freisprechen will. (...) Heutzutage machen allzu wenige Filme

Reginald Rose // KAMERA Boris Kaufman // MUSIK Kenyon

die Kunst des Argumentierens zum Thema;

Hopkins // SCHNITT Carl Lerner // MIT Henry Fonda (Ge-

wir könnten sicher mehr davon gebrauchen,

schworener Nr. 8), Martin Balsam (Nr. 1), John Fiedler (Nr. 2), Lee J. Cobb (Nr. 3), E. G. Marshall (Nr. 4), Jack Klugman (Nr. 5).

aber bis dahin wird Lumets Einblick in die Mühen der Bürgerpflicht weiterhin beste Dienste leisten.» (Joshua Rothkopf, timeout.

«Pfund für Pfund bietet Sidney Lumet immer

com, 2.7.2013)

noch die beste Filmografie aller New Yorker Giganten (sorry, Martin Scorsese), und wenn

✶ am Mittwoch, 21. Oktober, 18.00 Uhr:

man bedenkt, dass er seine Karriere als

Einführung von Martin Walder

Spielfilmregisseur mit dieser brillanten Charakterstudie begonnen hat, erbleicht man vor dem Talent dieses Mannes. Das Szenario von Reginald Rose, das sich im Laufe eines langen Sommertages und -abends in einem einzigen Geschworenenraum abspielt, war ursprünglich für eine Fernsehproduktion vorgesehen – wie auch Lumet selbst der rasanten Welt des live übertragenen Fernsehspiels entstammt. Der Regisseur aber nutzte die technischen Freiheiten, die ihm ein erst-


45 IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS

in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich LEITUNG Corinne Siegrist-Oboussier (cs), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb) WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm), Laura Walde PRAKTIKUM Sarah Schwedes // SEKRETARIAT Claudia Brändle BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 412 31 25 WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 415 33 66 UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Association Internationale du Film d’Animation (ASIFA), Zagreb; Baba Yaga Film, Paris; La Cinémathèque française – Musée du cinéma, Paris; Constantin Film, München; Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin; Oleksandr Dovzhenko National Center, Kiew; George Eastman Museum, Rochester; Edko Films, Hongkong; Falcom Media, Berlin; Films sans frontières, Paris; Frenetic Films, Zürich; Gaumont, Neuilly sur Seine; Groupement Suisse du Film d’Animation (GSFA), Zürich; Kinemathek Le Bon Film, Basel; Library of Congress, Culpeper; MK2, Paris; ­Motion Picture Licensing Corporation (MPLC), Zürich; Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden; Park Circus, Glasgow; San Francisco Silent Film Festival; Studiocanal, Berlin; Tamasa Distribution, Paris; Timeline Films, Culver City; Universal ­Pictures International, Zürich; Walt Disney Studios Motion Pictures Switzerland, Zürich; Warner Bros. Entertainment Switzerland GmbH, Zürich; Weltkino Filmverleih, Leipzig; Wild Bunch, Paris. DATABASE PUBLISHING BitBee Solutions GmbH, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT Nina Haueter, Daniel Däuber // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 5000 ABONNEMENTE Filmpodium-Generalabonnement: CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Jahrhundert-Abo: CHF 50.– (für alle in Ausbildung; freier Eintritt zu den Filmen der Reihe «Das erste Jahrhundert des Films») // Programm-Pass: CHF 60.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen einer Programmperiode) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU 5th Arab Film Festival Zurich

JLG 90 neuf zéro

Das 5th Arab Film Festival Zurich zeigt

Wir feiern Jean-Luc Godard. Im Dezember

36 Lang- und Kurzfilme aus arabischen

wird er 90 Jahre alt und noch immer werkelt

Ländern. Die Filme handeln von eigenwil-

der unablässig Zigarren schmauchende

ligen und kämpferischen Frauen, von Liebe

­Philosoph, Revolutionär und Filmemacher

und Verrat, von Familie, Tradition und dem

am Ufer des Genfersees an weiteren Bild-

Versuch damit klarzukommen, von der Auf-

und Tonkompositionen. Von Anfang an wa-

arbeitung der Vergangenheit, von persön-

ren seine Filme eine Herausforderung und

licher Integrität und der Suche nach Glück in

immer wieder auch eine Neuerfindung des

einem korrupten, kaputten System, vom

Kinos – oder auch schon mal dessen (vor­

Krieg und seinen Auswirkungen auf das

läufiges) Ende. Tauchen wir ein in einen

­Leben der Einzelnen. Erstmals gibt es auch

bunten Reigen aus seinem Schaffen und ­

einen Wettbewerb, bei dem zwei Preise ver-

freuen wir uns auf ein fröhliches und ge-

liehen werden. Schwerpunkte gelten den

meinsames Wieder- und Neuentdecken.

Filmländern Marokko und Tunesien.

Joyeux anniversaire, M. Godard!


A B 2 2 . O K T OB ER IM K IN O M O H A M M A D R A S O U L O F, I R A N

Eine wortgewaltige Meditation Ăźber Moral, Schuld und Zivilcourage. TA G E S S P I E G E L

FĂźrs Home Cinema empfehlen wir filmingo.ch oder unseren DVD-Shop auf trigon-film.org.


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