//// Essen und Trinken
Der Kontinent wächst zusammen - auch wenn die Nachrichten in diesen Tagen gelegentlich anders klingen. Im direkten Kontakt wirkt die europäische Integration sehr lebendig. Auf Norderney bleibt die Vielfalt der Regionen auf Schritt und Tritt gegenwärtig. Man hört unterschiedliche Sprachen, erkennt grob die Akzente - doch von den Geschichten hinter den Gesichtern erfährt man wenig. Radka Behrendt zum Beispiel heißt Radka Behrendt weil sie Tino Behrendt geheiratet hat. Das war 2008, auf der Insel. Ursprünglich kommt die 28-Jährige aus der östlichen Slowakei. Vor knapp acht Jahren macht sie sich erstmals für einen Saisonjob auf den Weg nach Norderney - über Prag, Dresden, Leipzig, Hannover und Bremen, ungefähr 1.400 Kilometer und gut 15 Stunden quer durch Europa. Radka Behrendt wächst in Spisska Stara Ves auf, einer winzigen Kleinstadt am Fuße der Hohen Tatra, nur wenige Kilometer südlich der polnischen Grenze. Der Ort mit seinen nicht einmal 3.000 Seelen erstreckt sich überwiegend entlang der Hauptstraße - bunt getünchte Häuser, einige Lädchen, drumherum jede Menge Natur - eher ein Dorf denn eine Stadt. Im Winter wird es hier mitunter lausig kalt - meterhohe Schneeberge und Temperaturen bis zu -30 Grad sind keine Seltenheit. In weniger als 45 Minuten gelangt man ins Hochgebirge. Bis zum »Gerlachovsky stit«, dem mit 2.655 Metern höchsten Berg der Slowakei, sind es gerade mal 30 Kilometer Luftlinie. Es gibt wilde 40 ferien.ahoi NORDERNEY
Gewässer und geheimnisvolle Höhlen, alte Burgen und endlose Wälder. Eine friedliche, ländliche Idylle. »In der zweiten Klasse habe ich dann angefangen, Deutsch zu lernen - und es hat riesigen Spaß gemacht«, erzählt Radka. Das slowakische Schulsystem funktioniert anders als das deutsche. Erst nach früher acht, heute neun Jahren Grundschulzeit steht eine Orientierung an. Radka entscheidet sich, die Hotelfachschule in der Provinzhauptstadt Kezmarok zu besuchen und sammelt dabei jede Menge Erfahrung - in Großküchen, Schulküchen, Bars und Restaurants und nahezu sämtlichen Hotel-Positionen. Auch Praktika in Tunesien und Österreich stehen auf dem Programm. Mit 19 Jahren ist die Ausbildung beendet und das Fachabitur erreicht. Was jetzt? Ein Studium? Oder weit hinaus in die Welt? Es kommt anders. Über eine Freundin von der Hotelfachschule ergattert Radka Behrendt ihre erste Stelle auf Norderney - im Restaurant am Flugplatz. In diesem Sommer verliebt sie sich auch in ihren heutigen Mann Tino und bleibt der Insel seitdem treu. Sie arbeitet im Neptun und im Florian und wechselt 2010 in das neu eröffnete Café und Restaurant Friedrich. In einem der beliebtesten Norderneyer Lokale zählt Radka heute zu den markanten Gesichtern und schmeißt den Laden, wann immer der Chef nicht vor Ort ist. »Hier wirst Du gefordert und Du kannst Dich einbringen und Verantwortung
übernehmen - das ist nicht immer selbstverständlich in der Gastronomie«, sagt die junge Slowakin. Vor allem das Thema Wein hat es ihr in letzter Zeit angetan und sie besucht regelmäßig Seminare an der Deutschen Wein- und Sommelierschule in Koblenz. Ihr Ziel bleibt die Weiterbildung zur Sommelière in den kommenden Jahren. Radka und Tino Behrendt leben in einer 40 Quadratmeter großen Wohnung in der Norderneyer Innenstadt. Damit liegen Sie vermutlich über dem Durchschnitt. Das Thema Personalunterkünfte zählt zu den offenen Wunden des fröhlichen Ferienbetriebs auf der Insel. »Aber egal wie groß - man muss es sich immer irgendwie schön machen, damit Du Lust hast, nach der Arbeit nach Hause zu gehen«, vertritt Radka eine klare Haltung. Das Norderneyer Paar möchte auf der Insel bleiben. »Wir fühlen uns hier wohl.« Ob sie ab und zu mal Heimweh spürt, möchten wir abschließend wissen. Radka schüttelt den Kopf. »Man hat sich dann doch sein eigenes Leben hier aufgebaut.« Wenn trotzdem mal ein Anflug von Wehmut aufkommt, lebt zum Glück mittlerweile auch der Bruder mit seiner Frau auf der Insel. »Dann kochen wir ein slowakisches Gericht oder telefonieren mit zu Hause und hören wie es Mama und Papa geht.«