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„Mir ist eine Last von den Schultern gefallen!“
Franziska* (20 Jahre) stammt aus einer christlichen Familie und ist zusammen mit ihren zwei Schwestern in der Nähe von Brixen aufgewachsen. Vor nunmehr zwei Jahren hat sie sich zur gleichgeschlechtlichen Liebe bekannt. Ihre Familie steht dazu, auch wenn das anfänglich für alle nicht einfach und keineswegs selbstverständlich war.
Mit ihrer gleichaltrigen Partnerin lebt sie in einer fixen Beziehung. Für ihre Mutter (50 Jahre), die im Pfarrgemeinderat und als Kommunionhelferin im Dorf aktiv ist, war es aufgrund des Glaubens zunächst schwer zu akzeptieren, der Vater (Mitte 50) hat sich anfangs ebenfalls sehr schwer getan mit dieser lebensverändernden Entscheidung seiner Tochter.
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Franziska, wie hast du gemerkt, dass du in deinem bisherigen Leben etwas verändern möchtest?
Franziska: Ich habe meine jetzige Freundin kennengelernt und wollte meine Gefühle vor meinen Eltern nicht mehr verstecken.
Was hat dich letztendlich zum definitiven Coming-out bewogen?
Franziska: Der Druck, es verstecken zu müssen, wurde größer und ich konnte meine Beziehung gar nicht richtig genießen, so wie ich es gerne getan hätte.
Wie hast du dich nach deinem Lippenbekenntnis gefühlt?
Franziska: Nachdem ich meiner Familie erzählte, dass ich mich in ein Mädchen verliebt habe, ist mir eine Last von den Schultern gefallen. Ich fühlte mich frei und konnte mich so auch mehr auf die Beziehung konzentrieren.
Franziska
Wie hast du deine Partnerin kennengelernt?
Franziska: Meine Partnerin habe ich durch Freunde kennengelernt. Eigentlich ziemlich klischeehaft: Wir haben angefangen zu chatten und dann auch regelmäßig etwas zusammen unternommen. Bis wir beide gemerkt haben, dass wir mehr als Freunde sind.
Was für Schwierigkeiten hattet ihr am Anfang eurer Beziehung?
Franziska: Wir mussten uns erst selbst kennenlernen und mit unseren Gefühlen umgehen, um dann auch eine Beziehung eingehen zu können. Anfangs haben wir unsere Beziehung versteckt, was als verliebtes Paar sehr schwierig war.
Wie geht ihr mit Blicken von Passanten um?
Franziska: Wenn wir von Passanten angeschaut werden, fühle ich mich unwohl, aber ich versuche, darüber zu stehen oder die Blicke zu ignorieren. Meiner Freundin hingegen ist es egal, was andere sagen.
Was ratet ihr anderen schwulen oder lesbischen Pärchen, die Angst vor einem Coming-out haben?
Franziska: Sich selbst Zeit geben und sich über die eigenen Gefühle im Kla- ren sein. Man muss die eigene Sexualität leben, auch dann, wenn Eltern nicht damit einverstanden sind. Sonst wird man nicht glücklich.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Franziska: Mehr Offenheit, Toleranz und Akzeptanz.
Frage an die Mutter:

Wie sind Sie mit dem Coming-out der Tochter umgegangen?
Franziskas Mutter: Ich habe ein, zwei Tage gebraucht, um mir klar darüber zu werden, habe dann aber bald verstanden, dass ich die Gefühle meiner Tochter annehmen und akzeptieren muss.
Wie hat das Umfeld auf das Coming-out reagiert?
Franziska: Sehr positiv, die meisten haben sich für mich gefreut und haben mich unterstützt. Ich muss auch sagen, dass meine Partnerin eine große Unterstützung für mich war und ist.
Wie fühlt sich deine Seele, dein Herz, dein Körper jetzt?
Franziska: Ich fühle mich sehr wohl und angekommen in meinem Leben und habe auch das Gefühl, frei zu sein.
*Name von der Redaktion geändert
Franziska
Wie ist die Entscheidung mit den katholischen Werten zu vereinbaren?
Franziska: Gar nicht. Meiner Meinung nach ist die katholische Kirche viel zu veraltet und bleibt neben der Gesellschaft stehen. Es braucht mehr Akzeptanz und ich hoffe, die katholische Kirche wird sich in Zukunft weiterentwickeln und offener werden.
Danke für das Gespräch.
Interview: MANUELA UNTERTHINER & BEATRIX UNTERHOFER