
4 minute read
Endometriose –wenn der Zyklus zum Alptraum wird
Unerträgliche Bauchschmerzen während der Regelblutung, Übelkeit, Angst vor dem Gang auf die Toilette wegen der schmerzhaften Entleerung, das Gefühl, nicht mehr stehen oder gehen zu können, unerfüllter Kinderwunsch – all das sind klare Anzeichen für die Frauenkrankheit Endometriose.
Obwohl etwa eine von sieben Frauen im fruchtbaren Alter davon betroffen ist, vergehen vielfach noch Jahre bis zur richtigen Diagnose.
Advertisement
Miriam Leopizzi aus Algund erzählt ihre dramatische Geschichte.
Starke Schmerzen schon bei der ersten Regelblutung. Während die gleichaltrigen Mädchen ganz entspannt mit diesem neuen Phänomen ihres Körpers umgingen, war Miriam Leopizzi einfach nur übel, sie musste sich übergeben, im Bett bleiben. Die Eltern, sonst wunderbare Menschen, sagten zu ihr: „Ist doch nur Bauchweh, geh zur Schule!“ Damals war das so. Es gab keinen Namen für diese unbändigen, weit über ein normales Maß hinausgehenden Zyklusschmerzen. Und Miriam ging zur Schule. Und später zur Arbeit. Auf dem Nachtkästchen stand immer ein Schmerzmittel bereit. Miriam nahm es und rappelte sich auf. Die Arbeit war für sie Ansporn, nicht an die Schmerzen zu denken. Sie fehlte nie.
Heute ist Miriam Leopizzi 44 Jahre alt und ihre Schmerzen haben endlich einen Namen: Endometriose. Bis zu dieser Diagnose musste sie, wie sie selber sagt, „noch einiges mitmachen“. Während der Jugendzeit linderte die Pille die Schmerzen ein wenig und verhütete eine ungewollte Schwangerschaft. Dann aber wünschten sich Miriam und ihr Partner Kinder. Es stell- ten sich auch Schwangerschaften ein, aber sie endeten alle vorzeitig. Dreimal mussten die beiden diese schlimme Erfahrung machen. Und die Regelschmerzen schlugen wieder zu wie eh und je.
Miriam wollte es nun endgültig wissen. In vielen italienischen Städten suchte sie Fachleute auf, ließ Untersuchungen über sich ergehen und wollte nicht eher ruhen, bis Klarheit darüber herrschte, was mit ihr los war. Doch den Gynäkologinnen und Gynäkologen fiel nichts anderes ein, als hinter den Schmerzen psychische Ursachen zu vermuten aufgrund der erlittenen Fehlgeburten. „Das fand ich unerhört“, so Miriam heute, „natürlich waren die Fehlgeburten eine niederschmetternde Erfahrung für mich, aber das, was ich spürte, waren eindeutig körperliche Schmerzen.“ Giorgio Comploj, privater Frauenarzt in Meran, war schließlich der erste, der hinter ihren Symptomen Endometriose vermutete. Daraufhin wurde eine Laparoskopie durchgeführt und wenig überraschend zeigte sich der Bauchraum voller Endometrioseherde, die daraufhin entfernt wurden. Danach funktionierte es auch mit dem Kinderwunsch: Heute sind Miriam und ihr Partner stolze Eltern zweier Töchter von acht und zwei Jahren. Leider ist dies aber nicht das Happy End der Geschichte. Obwohl Schwangerschaft und Stillzeit oft zu einer Milderung der Endometriose-Symptome führen, trat bei Miriam genau das Gegenteil ein: „Nach der zweiten Geburt ist die Endometriose förmlich‚ explodiert‘. Ich konnte nicht mehr gehen,
Endometriose
Gebärmutterschleimhaut siedelt sich außerhalb der Gebärmutter an verschiedenen Stellen im Bauchraum an, wächst und blutet mit dem Zyklus. Es kommt zu Entzündungen und zu Verklebungen zwischen den Organen Mobilität und Funktion der Organe werden eingeschränkt. Auch Nerven können in Mitleidenschaft gezogen werden.
Die Folgen sind häufig starke Schmerzen während der Menstruation und unerfüllter Kinderwunsch.
nicht mal mehr aufstehen. Glücklicherweise habe ich in dieser Zeit Martin Steinkasserer, den Primar der Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Bozen, kennen gelernt. Er ist ein sehr einfühlsamer Gesprächspartner, der menschlichen Anteil an der individuellen Geschichte seiner Patientinnen nimmt.“ Da neuerliche Untersuchungen ergaben, dass sich wieder ausgedehnte Endometrioseherde im Bauchraum gebildet hatten, empfahl Primar Steinkasserer Miriam schließlich, Gebärmutter und Eileiter zu entfernen. Miriam beriet sich mit ihrem Partner und willigte schließlich in den Eingriff ein. Ein ungetrübtes Happy End gibt es aber leider auch jetzt keines. Die Schmerzen sind nicht, wie erhofft, vollständig verschwunden. Aber Miriam wäre nicht Miriam, würde sie nicht versuchen, immer das Beste aus einer Situation zu machen. Kaum war die Pandemie vorüber, hat sie zusammen mit anderen Patientinnen einen Verein gegründet, von Betroffenen für Betroffene sozusagen: „Noi con Voi“ bietet für die Mitglieder und deren Familien emotionale, psychologische, soziale und fachliche Unterstützung im Umgang mit der Krankheit. Schon ein Jahr nach der Gründung hat der Verein ein beachtliches Netzwerk von Fachleuten im Bereich Medizin, Psychologie, Sozialassistenz, Physiotherapie, Ernährungs-, Persönlichkeits- und Rechtsberatung aufgebaut und ist im Bereich Aufklärung und Sensibilisierung unterwegs. Zu seinen Zielen zählt unter anderem der Einsatz dafür, dass auch die leichteren Endometriose-Stadien in Italien als invalidisierende Krankheit anerkannt werden, mit entsprechender Ticketbefreiung und finanzieller Unterstützung für Hormontherapien und Hygieneartikel. Auch haben alle Endometriose-Vereine Italiens gemeinsam einen Gesetzesentwurf in der Abgeordnetenkammer eingereicht, mit dem nach spanischem
Vorbild der „Menstruationsurlaub“ eingeführt werden soll, also die Möglichkeit, bei starken Regelschmerzen zu Hause zu bleiben. Die Sozialgenossenschaft, der Miriam als Direktorin vorsteht, hat bereits im Rahmen des „Audits Familie und Beruf“ den eintägigen „permesso mestruale“ eingeführt, ein erster Schritt und ein Signal für andere Arbeitgeber/innen im Umgang mit Arbeitnehmerinnen, die von Endometriose oder anderen Krankheiten der Fortpflanzungsorgane betroffen sind.
Zum oben genannten Experten-Netzwerk gehört auch Martin Steinkasserer. Er begrüßt jede Initiative, die darauf abzielt, die Krankheit Endometriose bekannter zu machen: „Es ist höchst an der Zeit, dass Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Aufklärungskampagnen vor allem für junge Frauen zur Selbstverständlichkeit werden.“ Spontan und begeistert hat er deshalb auch zugesagt, für die Vortragsreihe „Forum Gesundheit Südtirol“ einen Abend zum Thema „Frauenkrankheit Endometriose – reden wir endlich darüber!“ mitzugestalten. Gemeinsam mit unserer unermüdlichen Miriam, ihrerseits Präsidentin von „Noi con Voi“, und der Vizepräsidentin Ilaria Bona, die ebenfalls eine lange und berührende Leidensgeschichte zu erzählen hat, saß Steinkasserer am Podium. Der Abend fand am 3. Mai 2023 im Bozner Pastoralzentrum statt.
Bei all den Schwierigkeiten und Rückschlägen ist Miriam immer positiv geblieben: „Aufgeben war für mich nie eine Option. Es lohnt sich zu kämpfen. Das empfehle ich auch allen anderen von Endometriose Betroffenen.“
MARIA HECHENSTEINER IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM SÜDTIROLER SANITÄTSBETRIEB
„Noi con Voi“ –Verein Endometriose Südtirol
Kontakt für ein Beratungsgespräch:
+39 346 0842164, consulenza@endometriosialtoadigenoiconvoi.it
Allgemeine Infos: info@endometriosialtoadigenoiconvoi.it, www.endometriosialtoadigenoiconvoi.it
Endometriose-Ambulanz am Krankenhaus Bozen
Wo: Hauptgebäude, Abteilung Gynäkologie,
2. Stock, blauer Bereich
Wann: abhängig von der Warteliste
Vormerkung: Sekretariat Gynäkologie, 0471 438 048 / 439 797
Zugang: mit Bewilligung (direkte Ausstellung bei der Untersuchung)