EXIT #48 · Belleza artificial / Artificial Beauty

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und kontrastreichen Einsatz von Licht auszeichnen. Dieses Spiel mit Hell-Dunkel-Kontrasten wird besonders in einer der neuesten Serien deutlich: Geografías ocultas umfasst Detailaufnahmen aus der Welt der Chirurgie und der Operationssäle, eine Welt, die Gruener seit ihrer Kindheit fasziniert, da ihr Vater Arzt war. Grüne Kittel, Verbandsmaterial, Blut und Wunden prägen die genannte Serie, in der Tod und Unheil einen wesentlichen Bestandteil der Wahrnehmung unserer Gesellschaft und der Welt darstellen. www.marianagruener.com Suzanne Lake. Detroit, Michigan (USA), 1947. Lake, die die Fotografie als Medium für Forschung und Kommunikation einsetzt, gehörte schon früh zu den wegweisenden Künstlerinnen im Bereich der Nutzung neuer Medien wie z. B. Video oder digitale Bearbeitung. Im Mittelpunkt ihrer Arbeiten stehen der Körper (das am häufigsten abgebildete Motiv) sowie seine Gesten und Posen, die von der Identität in Form von Konstruktion erzählen. Auf einigen ihrer Bilder ist Lake verwandelt zu sehen… sie kreiert Selbstporträts und erschafft neue Charaktere. Dabei vermittelt sie, dass Weiblichkeit ein von der Gesellschaft auferlegtes Konzept ist. Imitations of the Self (1973), A Genuine Simulation of... (1974), Pluck #1 (2001) oder Thin Green Line (2002) sind Beispiele für Arbeiten, in denen Lake sich regelrecht neu erfindet und sich in dramatischen Posen bei der Haarentfernung, beim Schminken oder beim Auftragen einer Gesichtsmaske zeigt. ww.suzylake.ca Friederike van Lawick und Hans Müller. Deggingen (Deutschland), 1958 und Mengen (Deutschland), 1954. LawickMüller begannen ihre Zusammenarbeit 1990. Damals kombinierten sie erstmals die Fotografie mit digitalen Bearbeitungsverfahren und kreierten somit ihr wichtigstes Arbeitsmedium. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit der Komplexität der Identität, wie es in der Serie perfectly SUPERnatural zu sehen ist: Ausgehend von klassischen griechisch-römischen Skulpturen haben die Künstler diverse Porträts erstellt, in denen das Gesicht der jeweiligen Statue mit dem einer realen Person verschmolzen wurde. Die Arbeiten entscheiden sich durch die individuellen Gesichtszüge und Merkmale der dargestellten Personen voneinander, doch in jedem einzelnen Porträt tritt auch die archetypische Schönheit der Skulpturen zu Tage. Dadurch entstehen wunderschöne Bilder, die eine beachtliche Homogenität aufweisen. www.lawickmueller.de Marilyn Minter. Shreveport, Louisiana (USA), 1948. Minter studierte Bildende Kunst an der University of Florida und machte 1976 ihren Master an der Syracuse University im Bundesstaat New York. Sie widmet sich nicht nur der Fotografie, sondern auch der Malerei und der Videokunst, wobei sie den Schwerpunkt stets auf Erotik, Sexualität, Pornografie und Weiblichkeit legt. Ihr erstes Werk, Coral Ridge Towers (1969), umfasst Aufnahmen ihrer drogenabhängigen Mutter. Größere Anerkennung erlangten ihre Arbeiten erstmals 1990 aufgrund des Videos 100 Food Porn, des ersten TV-Spots, der zur Ankündigung einer Ausstellung diente. Später wurde ihre Serie Green Pink Caviar, welche die Themen Erotik und Essen behandelt, von Madonna als Hintergrundprojektion für ihre Welttournee Sticky & Sweet 2009 ausgewählt. www.marilynminter.net Fernando Moleres. Bilbao (Spanien), 1963. Die Menschenrechte, das Porträtieren ihres Fehlens und die Verteidigung ihrer Notwendigkeit gehören zu den wichtigsten Themen dieses Fotografen, der sich seit über 20 Jahren der Dokumentarfotografie und dem Fotojournalismus widmet. Angetrieben durch sein berufliches Engagement in krisengeschüttelten Regionen gründete Moleres die Nichtregierungsorganisation FreeMinorAfrica, ein Projekt, das in afrikanischen Gefängnissen inhaftierten Minderjährigen hilft. Die Serien des Fotografen sind voll von eindrucksvollen alltäglichen Motiven, doch durch die Vielseitigkeit seines Berufs hat Moleres auch friedliche, ruhige Szenen bildlich festgehalten. Beispiele hierfür sind seine Aufnahmen, die Schönheitskult und

Wellness in nicht-westlichen Gesellschaften (arabische Hamams aus der Serie Ephemeral Steams) oder die heißen Quellen in Japan (Serie Onsen) zeigen. www.fernandomoleres.com Paloma Navares. Burgos (Spanien), 1947. Die multidisziplinäre Künstlerin beschäftigt sich mit der Welt der Frau und den Stereotypen der Weiblichkeit. Sie fotografiert und sie kreiert Videokunst, verschiedenste Objekte, Collagen, Klangskulpturen und Installationen, bei deren Gestaltung Raum und Licht grundlegende Rollen spielen. Ihre Werke enthalten kunstgeschichtliche Verweise und nähern sich an Bilder von so unterschiedlichen Meistern wie Botticelli, Cranach, Rubens, Ingrés, Dürer oder Tizian an. Oftmals steht Navares selbst im Mittelpunkt ihrer Arbeiten und repräsentiert weibliche Klischees (wie das Eindrehen von Lockenwicklern) oder erstellt fiktive Zeitschriftenanzeigen, eine ironische Kritik an den Mechanismen von Konsum und Marktwirtschaft. www.navares.com Zed Nelson. Kampala (Uganda), 1965. Seit Beginn seiner Laufbahn bildete die Kritik am Überfluss und an der Vernunftwidrigkeit der heutigen Gesellschaft eine Konstante in seiner Arbeit. Bekanntheit erlangte Nelson durch die Serie Gun Nation (1996-1998), welche sich mit der Waffenindustrie und -kultur in den USA beschäftigt. Seit dieser Arbeit ist in nahezu all seinen Werken ein kritischer und politischer Hintergrund zu erkennen, wie z. B. im Fall von Love Me (2008-2009), einem Projekt, das beim Verlag Contrasto in Buchform erschienen ist. Mit dieser Arbeit will Nelson enthüllen, wie sich ein bestimmter westlicher Schönheitsbegriff in der ganzen Welt ausgebreitet hat – gleich einer neuen, subtilen Kolonisierung, die Frauen und Männer dazu bringt, Eingriffe an sich vornehmen zu lassen, ihren Körper zu verändern und sich dabei einem unkontrollierbaren Konsumverhalten und einer weltweiten Besessenheit ergeben. www.zednelson.com J.D. Okhai Ojeikere. Ojomu Emai (Nigeria), 1930. Hairstyles, seine bekannteste Fotokollektion, zeigt die Wandlung der traditionellen Frisuren afrikanischer Frauen, die oftmals ein Symbol für deren gesellschaftlichen und politischen Status darstellen. Die fast 1000 Schwarzweißaufnahmen bilden ein spektakuläres Kompendium der volkstümlichen Kultur. Sobald eine Frisur – sei es auf der Straße, am Arbeitsplatz oder bei einer Party – aufgrund ihrer Komplexität und Originalität die Aufmerksamkeit des Künstlers erregt, wird die Frau porträtiert: stets im Vordergrund, von hinten oder von der Seite, um die formellen und materiellen Qualitäten des Kopfschmucks hervorzuheben und seine skulpturelle Wirkung zu unterstreichen. Erwin Olaf. Hilversum (Niederlande), 1959. Olaf studierte Publizistik an der Universität Utrecht und zog zwischen 1980 und 1982 nach Amsterdam, wo er als Assistent von André Ruigrok arbeitete. Die Werke aus den ersten Jahren seiner Laufbahn sind zwischen der kreativen und der Werbefotografie einzuordnen: journalistische Aufnahmen in Schwarzweiß, bei denen das ausgeprägte Interesse des Künstlers für die homosexuelle Befreiungsbewegung zu erkennen ist. Die ansprechenden, zum Teil verstörenden Bilder, bergen stets auch eine gewisse Gesellschaftskritik. Die Serie Mature (1999) ist ein äußerst repräsentatives Beispiel für Olafs Kunst: Sie umfasst Porträts älterer Frauen, die wie Pin-ups der fünfziger Jahre gekleidet und inszeniert wurden. Die Serie zeigt Damen in provokanten Posen, die – da es sich nicht um junge Models handelt – Aufsehen erregen und gleichzeitig jedoch beweisen, dass Sinnlichkeit und Attraktivität keinem bestimmten Alter zuzuordnen sind. Die nachfolgenden Serien weisen eine mit der Zeit immer stärker werdende geheimnisvolle Facette auf und umfassen Interieurs und Outfits der vierziger Jahre, anhand derer kleine, zusammenhanglose Geschichten erzählt werden. www.erwinolaf.com Cara Phillips. Birmingham, Michigan (USA), 1974. Die Beziehung dieser Fotografin zur Schönheitsindustrie geht bis in ihre Kindheit zu-

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