ER Energierecht, Sonderheft zum EEG 2014

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Scholtka/Günther, Die Privilegierung der Eigenerzeugung

III. Die Neuregelung des Eigenerzeugungsprivilegs im Einzelnen Für das Verständnis des § 61 EEG 2014 ist entscheidend, dass die Vorschrift aus Sicht des Gesetzgebers keine Belastung von Eigenstrommengen mit der EEG-Umlage regelt, sondern – umgekehrt – eine „echte“ Ausnahme von der EEG-Umlagepflicht. Daneben ist zwischen Neuanlagen sowie Bestandsanlagen und „alten“ Bestandsanlagen zu unterscheiden. 1. Neue Eigenversorgungsanlagen a) Definition der Eigenversorgung In § 5 Nr. 12 EEG 2014 ist erstmals „Eigenversorgung“ definiert als „der Verbrauch von Strom, den eine natürliche oder juristische Person im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Stromerzeugungsanlage selbst verbraucht, wenn der Strom nicht durch ein Netz durchgeleitet wird und diese Person die Stromerzeugungsanlage selbst betreibt“. Diese Definition unterstreicht die Koppelung von Eigenerzeugung und Eigenverbrauch, nunmehr also die „Eigenversorgung“. Die Voraussetzungen, das „Eingangstor“ in eine privilegierte Eigenversorgung, sind denen des § 37 Abs. 3 Satz 2 EEG 2012 nachgebildet. Sie sind jedoch insoweit enger, als eine Eigenversorgung ausscheidet, wenn für die Eigenstrommengen ein Netz für die allgemeine Versorgung in Anspruch genommen wird. Eine Alternativität zwischen Nicht-Nutzung eines Netzes für die allgemeine Versorgung und räumlichem Zusammenhang zwischen Stromerzeugung und -verbrauch besteht nicht mehr. aa) Unmittelbarer räumlicher Zusammenhang Die Forderung eines „unmittelbaren“ räumlichen Zusammenhangs bedeutet – ungeachtet der nicht immer ganz nachvollziehbaren Begriffsverwendung während des Gesetzgebungsverfahrens22 – hingegen wohl keine Verengung der Voraussetzungen. So verweist der Wirtschaftsausschuss darauf, dass § 5 Nr. 12 EEG 2014 inhaltlich die Regelungen in § 58 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 6 des Regierungsentwurfs aufgreife. Sodann heißt es: „Neue Anforderungen enthält die Vorschrift nicht.“23 Nach der Begründung zu § 58 Abs. 2 Satz 3 des Regierungsentwurfs entspricht die Regelung insoweit § 37 Abs. 3 EEG 2012. Dem Umstand, dass in § 58 Abs. 6 des Regierungsentwurfs abweichend von Abs. 2 Satz 3 der Begriff „räumliche Nähe“ verwendet wird, soll offensichtlich keine Bedeutung zukommen. Die Begründung hält dies nicht für erwähnenswert.24 Die Begrifflichkeiten sind denn auch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens vereinheitlicht worden. Damit gilt die bisherige Rechtsprechung des BFH zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG weiter,25 dass zumindest bei einer Entfernung zwischen Stromerzeugungsanlage und Abnahmestellen von 4,5 km innerhalb des in seiner Ausdehnung genau definierten Gebiets einer kleinen Gemeinde noch von einem räumlichen Zusammenhang gesprochen werden könne.26 Allerdings stellt diese Rechtsprechung in Ermangelung verlässlicher behördlicher Aussagen oder anderer gerichtlicher Entscheidungen nur eine „grobe Krücke“ dar. Denn ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist

22 Hierzu, aber ohne greifbares Ergebnis Herz/Valentin, EnWZ 2014, 358 (363 f.). 23 Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drs. 18/1891, 192. 24 Regierungsbegründung zum EEG 2014, BT-Drs. 18/1304, 236 und 238 f. 25 Vgl. die Fraktionsbegründung zum EEG 2012, BT-Drs. 17/6071, 83. 26 BFH, Urt. v. 20.04.2004 – VII R 44/03, 16.

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letztlich eine Einzelfallentscheidung.27 Ziel dieser Regelung ist es nämlich vor allem, Missbrauch zu verhindern. Die Rechtsprechung des BFH schließt es daher nicht aus, selbst bei größeren Entfernungen noch von einem „unmittelbaren räumlichen Zusammenhang“ auszugehen, z. B. wenn bei Produktionsverbünden Strom„lieferungen“ innerhalb desselben Stadtgebiets erfolgen.28 bb) Betreiberstellung sowie Identität von Betreiber und Verbraucher Ebenso unverändert geblieben ist die Voraussetzung, dass der Betreiber der Stromerzeugungsanlage und der Verbraucher der Strommengen identisch sein müssen. Wann dies zu bejahen ist, hat der BGH bereits geklärt.29 Für eine Betreiberstellung bedarf es der Tragung des wirtschaftlichen Betriebsrisikos der Erzeugungsanlage und eines bestimmenden Einflusses auf ihre Fahrweise.30 Bei der Frage der Identität zwischen Stromerzeuger und -verbraucher ist eine rein formale Betrachtung gefordert. Insbesondere spielt es keine Rolle, ob Stromerzeuger und -verbraucher wirtschaftlich miteinander verflochten sind. Handelt es sich um unterschiedliche natürliche oder juristische Personen, scheidet eine Eigenversorgung aus.31 b) Belastung mit der EEG-Umlage Strommengen aus neuen Eigenversorgungsanlagen werden gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2014 ab 01.01.2017 einheitlich mit 40 % der EEG-Umlage belastet. Zuvor erfolgt ein „gleitender Einstieg“ mit Belastungsstufen von 30 und 35 % in den Vorjahren (vgl. § 61 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EEG 2014).32 Ausweislich der Begründung des Wirtschaftsausschusses wird damit ein einheitlicher, nicht-diskriminierender und objektiver Maßstab für alle neuen Formen der Eigenversorgung eingeführt. Zugleich werde hierdurch verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen, die gegen die noch im Regierungsentwurf vorgesehene Differenzierung der zu zahlenden EEG-Umlagesätze bestanden hätten.33 Allerdings kommen von den Betreibern neuer Eigenversorgungsanlagen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EEG 2014 nur die Betreiber von EEG-Anlagen oder hocheffizienten KWK-Anlagen mit einem Monats- oder Jahresnutzungsgrad von mindestens 70 %34 in den Genuss der abgesenkten EEG-Umlage. Der Gesetzgeber sieht diese Ungleichbehandlung dadurch gerechtfertigt, dass andere Stromerzeugungsanlagen nicht zu den Zielen des EEG oder des KWKG beitrügen.35

27 So auch Klemm, REE 2013, 1 (9). 28 So auch Salje, RdE 2014, 149 (154 ff.); Altrock, in: Altrock/Oschmann/ Theobald, EEG, 4. Aufl. 2013, § 37 Rn. 49 ff. 29 Die Notwendigkeit, diese Voraussetzungen dann auch vertraglich sorgfältig abzubilden, zeigt der Aufsatz von Strauch/Wustlich, RdE 2012, 409 ff.; hierzu auch Panknin, EnWZ 2014, 13 (15). 30 BGH, Urt. v. 13.02.2008 – VIII ZR 280/05, NVwZ 2008, 1154 (1155); BGH, Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 356/03, RdE 2004, 300 (302 f.); Herz/Valentin, EnWZ 2014, 358 (363). 31 BGH, Urt. v. 09.12.2009 – VIII ZR 35/09, RdE 2010, 225 (228 f.); zuletzt OLG Celle, Urt v. 15.05.2014 – 13 U 153/13, RdE 2014, 334 (335); OLG Naumburg, Urt. v. 06.02.2014 – 2 U 50/13, 7 ff. (Jurion). 32 Siehe aber die zugleich in § 7 Abs. 7 KWKG eingefügte Verordnungsermächtigung. 33 Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drs. 18/1891, 198. 34 § 53a Abs. 1 Satz 3 und Satz 2 Nr. 2 EnergieStG. 35 Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drs. 18/1891, 198.


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