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WEINGUT

DIE SICHT DES ÖNOLOGEN Der Keller ist mein Reich. Die biologische Bewirtschaftung und den sanften Rebschnitt mit Fokus auf Pflanzengesundheit und Langlebigkeit schmeckt man im Wein. Zum Wohl – auch der Natur gegenüber!

ALTE REBEN – NEUE METHODEN

Auf kargen Böden und unter außergewöhnlichen mikroklimatischen Bedingungen produziert das Weingut Esterhazy ein breites Sortiment an exzellenten Weinen. Altes Winzerwissen in Kombination mit modernen Produktionsmethoden bilden hierfür den Grundstock.

Das Weinbaugebiet Leithaberg gehört zu den vielschichtigsten Anbaugebieten der Welt. Im Norden begrenzt das Leithagebirge nicht nur die Weinregion und das Burgenland, sondern stellt zugleich eine Wetterscheide zum pannonischen Raum nach Süden hin dar. Vor Millionen von Jahren wogte hier ein Ur-Meer. Das Wasser zog sich zurück, geblieben ist maritimer Muschelkalk, der gemeinsam mit dazwischen auftretenden großen Glimmerschieferplatten seit Jahrhunderten einen hervorragenden Boden für den international anerkannten Weinbau liefert. Einen weiteren Beitrag dazu leistet die Lage: Die Fallwinde des Leithagebirges sorgen für kühle Nächte, der Neusiedler See trägt durch Verdunstung zu einem einzigartigen Mikroklima bei. Unter diesen besonderen Umständen reifen neben Rotweintrauben auch ausgesprochen mineralische und vielschichtige Weißweine.

WEINGÄRTEN IN VERÄNDERUNG

2010 schlossen sich Weinbaubetriebe in der Region Leithagebirge und Wulkaebene im Verein Leithaberg DAC zusammen, um nach bestimmten Richtlinien regionaltypische Weine zu produzieren. Seit 2012 Leithaberg-DAC-Mitglied, ist das Weingut Esterházy als einer der größten Betriebe wichtiger Botschafter burgenländischen Weins – es steht für authentische, stets von Eleganz geprägte Weine, die internationale Beachtung finden. Ihr Ursprung liegt vor allem in den besonderen Bedingungen, die sie in der Region vorfinden: Der Neusiedler See bringt Morgentau, das Leithagebirge kühlende Fallwinde und der Wind aus der pannonischen Ebene sorgt für eine rasche Abtrocknung der Trauben, was einen Schutz vor Fäulnis bietet und zugleich die Frische in den Trauben bewahrt.

Dennoch ist auch der Weinbau dem klimatischen Wandel unterworfen. Aufgrund der steigenden Durchschnittstemperaturen geht heute die Tendenz dahin, Anlagen in höhergelegenen Hanglagen auszupflanzen. Südost-Ausrichtungen, früher aufgrund der mäßigen Sonneneinstrahlung eher gemieden, haben sich mittlerweile ebenfalls bewährt: Durch das Einfangen der Morgensonne und die optimale Besonnung den weiteren Tag über kommen die Trauben gut mit dieser Ausrichtung zurecht.

Auch das Weingut Esterházy folgt diesem Weg: 2021 wurde mit der Ried Pirichen der höchste Weingarten im nördlichen Burgenland bestockt, benannt nach der Siedlung Pirichendorf, die sich einst westlich davon befand. Unter Berücksichtigung von boden- und standortspezifischen Faktoren wurden auf etwa 360 Meter Meereshöhe nördlich von Schützen am Gebirge vier Parzellen bepflanzt. Die oberste, recht flache und nach Süden hin ausgerichtete Parzelle ist mit Chardonnay besetzt. Direkt darunter, in einer steileren und damit heißeren Parzelle, wächst Blaufränkisch. Noch ein Stück weiter unten findet sich Furmint: Bekannt vor allem von den Tokajer-Weinen, hält diese alte Sorte nun auch zunehmend am Leithaberg Einzug. Die nach Südosten hin ausgerichtete Parzelle ist mit Pinot Noir bestockt. Die Klone aus dem Burgund wurden von Esterhazy im heutigen Burgenland erstmals 1785 gesetzt.

Die Ried Pirichen ist mittlerweile beliebtes Ausflugsziel: Zahlreiche Wanderer genießen den bequemen Aufstieg zu dem Paradeweingarten und das 270°-Panorama, das vom Neusiedler See bis zum Schneeberg reicht.

INDIVIDUELLES BEHANDELN ALS ERFOLGSFAKTOR

Schon lange arbeitet auch das Weingut Esterházy nach hohen ökologischen Standards, 2019 erfolgte die Umstellung auf rein biologische Bewirtschaftung. Damit ging eine Reduktion der Rebfläche auf 65 Hektar einher: Die Weingärten liegen nun in einem Umkreis von maximal zehn Kilometer in den Gemeindegebieten von St. Margarethen, Großhöflein, Rust und St. Georgen. Durch diese Nähe zum Weingut in Trausdorf konnten sowohl die Gesamtkilometer als auch die Leerfahrten nahezu halbiert werden. Auch in der Bearbeitung erfolgte eine Änderung: Durch die Einführung des sogenannten „sanften Rebschnitts“ in allen Lagen wird das Pflanzenwohl in den Mittelpunkt gestellt, indem die unterschiedliche Physiologie der Stöcke Berücksichtigung findet. So werden in der Praxis bei vitalen Stöcken mehr Knospen an den Jungtrieben belassen als an schwächeren. Zudem wird darauf geachtet, nur noch zweijähriges Holz zu schneiden und somit große Wunden zu vermeiden, denn jede Öffnung bietet Einlass für Viren, Bakterien und Ähnliches. Dies wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf die Lebenserwartung der Rebstöcke aus: Sie kann durch diese Schritte mehr als verdoppelt werden. Neben dieser individuellen Behandlung der einzelnen Stöcke erfolgt auch die Erziehung der Reben je nach Rebsorte unterschiedlich. Beim Blaufränkisch, dessen lange Ruten in der beliebten Gyot-Erziehung beim Anbinden leicht brechen, geht Esterhazy verstärkt wieder auf die alte Kordon-Erziehung zurück, indem am alten Holz lediglich kurze Zapfen mit zwei bis drei Augen angeschnitten werden. Für diese Erziehungsform ist es langfristig unabdingbar, von Hand zu ernten – ein Standard, der im Weingut weiterhin beibehalten wird.

UMVEREDELN UND LAUBWANDMANAGEMENT

Soll in einem Weingarten von einer Sorte auf eine andere umgestellt werden, wendet das Weingut als Alternative zum Roden und zu Neupflanzungen bei Anlagen bis zu einem Alter von zehn Jahren eine Umveredelung an. Hierfür wird ein sogenannter Edelreiser von einer anderen Rebsorte, zum Beispiel Blaufränkisch, an einem bestehenden Weinstock, wie etwa Zweigelt, durch eine spezielle Schnitttechnik angebracht, nachfolgend werden die alten Triebe entfernt. Innerhalb eines Jahres „verwandelt“ sich der Zweigelt in einen Blaufränkisch und erzielt bereits 30 Prozent seines ursprünglichen Ertrages. Diese Methode weist mehrere Vorteile auf: Durch die bereits angewachsenen Reben ergibt sich ein zeitlicher „Vorsprung“ von etwa sechs Jahren, zudem liegt die Erfolgsquote bei etwa 98 Prozent und damit höher als bei Neupflanzung. Allerdings ergeben sich hinsichtlich Pflanzdichte und Unterlagsrebe auch Limitationen. Durch die Wahl der reblausresistenten Unterlagen können Wüchsigkeit, Wasserbedarf sowie die im Leithagebirge wichtige Kalktoleranz des gesamten Rebstockes beeinflusst werden. Die Auswahl der Unterlage gilt damit als maßgeblicher Erfolgsfaktor für die Zukunft und ist ein zentraler Baustein aller Neupflanzungen im Weingut Esterházy. Einen weiteren wichtigen Faktor stellt das Laubwandmanagement dar, das durch gezielte Belassung beziehungsweise Entfernung von Blättern Verdunstung und Photosynthese steuert. So wird während der Vegetationsperiode über eine gezielte Entblätterung der Traubenzone auf der Ostseite (Sonnenaufgang) der Pflanzen verhindert, dass der Morgentau zu lange auf den Beeren bleibt und damit eine Fäulnisbildung begünstigt. Die Westseite hingegen bleibt beschattet, um vor Sonnenbrand zu schützen und gleichzeitig die Zuckereinlagerung einzubremsen.

MONOKULTUR UND DIVERSITÄT

In seinen Weingärten legt Esterhazy großen Wert auf eine breite Palette an unterschiedlichen Sorten. Trotz allem findet sich auf den einzelnen Parzellen faktisch eine Monokultur. Um dem entgegenzuwirken, wird eine spezielle, auf die einzelnen Rieden abgestimmte Begrünung eingebracht, zudem werden die Böden regelmäßig aufgebrochen. Ziel ist die Gesunderhaltung des Bodens durch einen ausgewogenen Stickstoff- und Nährstoffgehalt. Das breite Blühangebot sorgt weiters für eine Steigerung der Weingartenfauna und damit für mehr Biodiversität. Weiterer positiver Nebeneffekt sind ein gleichmäßigerer Gärungsverlauf im Keller sowie eine präzisere Aromatik der Weine.

Die Lese erfolgt im Weingut Esterházy zu 90 Prozent per Hand, Erntemaschinen kommen ausschließlich in jungen Anlagen zum Einsatz, denn vor allem ältere Pflanzen reagieren empfindlich auf die Rüttelvorgänge der Maschine. Diese führen zu Mikroverletzungen, welche die Lebenserwartung der Rebstöcke auf etwa 30 bis 35 Jahre reduzieren. Manche Rebsorten, etwa der Gelbe Muskateller, können gar nicht maschinell geerntet werden, da ihre Trauben zu fest mit dem Stielgerüst verbunden sind.

WISSEN VON DAMALS – HYGIENE VON HEUTE

Als Basis für die Arbeit im Weingarten und im Keller dient den Fachleuten des Weinguts Esterházy das über Jahrhunderte dokumentierte Wissen um die Besonderheiten einzelner Rieden. Ein Großteil der Weine wird heute spontan mit den weinbergs- und kellereigenen Hefen vergoren. Neutrale Reinzuchthefen kommen hauptsächlich gegen Ende der Gärung zum Einsatz, um die Weine sauber durchzugären, sodass kein Restzucker in den Weinen verbleibt. Gänzlich verzichtet wird auf Aromahefen. Im Kern geht es um ein kontrolliertes Nichtstun im Keller. Das bedeutet, die Natur lediglich zu begleiten und gegebenenfalls zu lenken. In diesem Punkt gleicht die Weinbereitung jener von vor 100 Jahren, doch steht heute mehr denn je perfekte Kellerhygiene im Mittelpunkt. In den besten Rieden werden heute wieder Weingärtenansätze verwendet: Boxen mit je 20 Kilogramm hervorragendem Traubenmaterial, das bereits im Weingarten angegoren wird. Für die besten Trester jeder Rebsorte kommt zudem wieder die alte Korbpresse zum Einsatz. Mit bis zu 120 bar wird ein sehr strukturierter und dichter Pressmost erzeugt, der separat ausgebaut und später in winzigen Anteilen den jeweiligen Weinen wieder hinzugefügt wird. Dies verleiht den Weinen Struktur, Extrakt und die typische Esterhazy Handschrift. Was an Trester übrigbleibt, wird in die Esterhazy Kreislaufwirtschaft eingebracht, zu Humus verarbeitet und anschließend wieder in den Weinbergen ausgebracht.

HALTBARKEIT

In der Weinproduktion liegt ein Augenmerk künftig vermehrt auf der Erhöhung der Haltbarkeit der Weine, ohne den Trinkgenuss in den ersten Jahren zu beeinträchtigen. Das bisherige Tannin- und Alkoholmanagement – zwei wichtige Faktoren für die Haltbarkeit eines Weines – wird neuesten Erkenntnissen angepasst. Es geht hier im Detail um Polymerisationsprozesse während des Weinausbaus. Dabei ist das richtige Verhältnis dieser drei Komponenten entscheidend, nicht eine möglichst hohe Konzentration, wie früher häufig angenommen.

ABFÜLLUNG IM SINNE DER NACHHALTIGKEIT

Der ökologische Gedanke setzt sich im Weingut Esterházy auch bei der Abfüllung fort. Da das Gebinde bei einer Flasche Wein den mit Abstand größten Anteil am Carbon-Footprint einnimmt, werden etwa 75 Prozent der Weine in Lightweight-Flaschen gefüllt. Die meisten Weine – von den Jungweinen über die Gebietsweine bis hin zu den Ortsweinen – werden mit Drehverschluss versehen. Dieser bleibt beim Recycling auf den Flaschen, in der Glashütte erfolgt eine professionelle Trennung und Wiederverwertung. Projektweine werden hingegen mit einem technischen Korken verschlossen. Dieser besteht aus vielen kleinen Korkstücken, die von dem für den Korkgeschmack zuständigen Tricloranisol (TCA) befreit wurden. Durch die Verklebung der Bruchstücke mit natürlichem Bienenwachs sind sie zu 99,8 Prozent biologisch. Naturkork von höchster Qualität kommt ausschließlich bei Riedenweinen zum Einsatz, er wird zuvor einzeln mittels elektronischer Nase auf TCA Verunreinigungen geprüft. Ein Teil der für das Weingut aufgewendeten Energie wird auf dem Dach des Gebäudes selbst erzeugt: Eine 65 kW-Peak Photovoltaikanlage leistet die Grundlastabdeckung.

KELLERFÜHRUNGEN ALS ERLEBNIS

Im Sinne der Transparenz, aber auch um Interessierten die Prozesse der Weinherstellung näherzubringen, veranstaltet das Weingut Esterházy Kellerführungen, die von rund 1.000 Personen jährlich besucht werden. Die beiden Schienen Tour & Tasting sowie Tour & Tasting Exklusiv erfreuen sich großer Beliebtheit. Fachleute geben einen Einblick in den Keller, bei einer anschließenden, von kulinarischen Kleinigkeiten begleiteten Verkostung werden die unterschiedlichen Weinstile erklärt. Darüber hinaus hat sich das hinter dem Weingut liegende Kalandahaus zu einem beliebten Ort für Hochzeiten, Veranstaltungen, Schulungen und kleinere Konferenzen entwickelt. Es wurde 2015 komplett kernsaniert und zählt heute zu einer der schönsten Eventlocations im nördlichen Burgenland.

DREITEILIGE QUALITÄTSPYRAMIDE

Die Dachmarke Leithaberg-DAC steht für elegante und mineralische Cool Climate Weine, die die Region, ihre Böden und Rebsorten ganz deutlich widerspiegeln. Mit der neuen Dreiteilung in Gebietswein, Ortswein und Lagenwein gewinnen die historischen Weinbauorte Rust, St. Margarethen und St. Georgen wieder stark an Bedeutung. Eisenstadt besitzt heute nur mehr geringe Rebflächen, doch sind diese nahezu ausnahmslos als Cru-Lagen einzustufen. Die Ried Feiersteig, direkt oberhalb des Schlossparks gelegen, ist eine solche Lage: Künftig wird hier Ortswein oder im besten Fall auch Lagenwein erzeugt.

Weitere Schritte in Richtung Regionalität betreffen den Ausbau des Weins: In Kooperation mit dem Basaltwerk Pauliberg werden aus dem Basalt Beton-Eier zu je 3.800 Litern gegossen, die für die Vergärung und den Ausbau der Leithaberg-Weine eingesetzt werden können. Kleine Versuche mit Beton haben gezeigt, dass Weine aus diesem Gebinde eine feinere Struktur als aus Edelstahl aufweisen.

Im Jahr 2021 wurden zudem erstmals kleine Fässer aus eigenen Leithaberg-Eichen verwendet. Der gemeinsame Ursprung von Traube und Holz verleiht dem Wein eine unbeschreibliche Harmonie. Zukünftig wird der Anteil dieser eigenen Leithaberg-Fässer ausgebaut, auch wenn der Anteil des Neuholzes im Keller weiterhin sinkt. Damit schließt sich in vieler Hinsicht ein weiterer Kreis: Wein trifft auf Holz aus dem Leithagebirge und geht eine besondere regionale Symbiose ein.

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