Stahlbau 2017 01 free sample copy

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F. Heyder/A. Hohberg/C. Lettner · Verschlüsse und Antriebe am Sperrwerk Greifswald

destens zwei Balken abgetragen. Der oberste Balken ist zwar allein wirkend, aber bereits über der Wasserlinie.

6.4 Zangenbalken Der Zangenbalken ist ein traversenartiges Hebezeug, speziell konzipiert, um die Revisionsverschlusselemente auch unter Wasser ohne Taucher aufnehmen und absetzen zu können. Die Revisionsverschlüsse sind hierfür an jeweils zwei Zwischenschotten mit Öffnungen versehen, in die zwei Haken des Zangenbalkens einklinken können. Der Zangenbalken stellt sich im Wesentlichen als ein Hauptträger mit an den Endschotten montierten Führungen dar und ist mit einer Aufhängung für einen Mobilkran sowie einem Betätigungsmechanismus zum Ausklinken der Revisionsverschlüsse versehen. Er wurde ebenfalls mit FEM modelliert und für die Last aus den nassen Revisionsverschlusselementen bemessen.

7 Dichtungen Dichtungen spielen naturgemäß bei Verschlüssen im Stahlwasserbau eine besondere Rolle. Dazu werden relativ harte Elastomere mit besonderen Formen eingesetzt. Üblich sind SBR, CR und EPDM mit der Shore A-Härte von etwa 70. Die Dichtungen am Sperrwerk wurden überwiegend aus EPDM, aber auch aus CR gefertigt. PTFE-beschichtete Dichtungen kamen nicht zum Einsatz. Das Drehsegment hat eine Sohl- und eine Seitendichtung. Die Sohldichtung schließt in Staustellung den Spalt zwischen der Stauwand des Drehsegmentes und dem Sperrwerkskörper. Sie wurde als seeseitig hinterspülte omegaförmige Dichtung ausgebildet. Diese Omega-Form ist so elastisch, dass sie, unterstützt durch die seeseitige Hinterspülung, trotz Durchbiegung des Drehsegmentes unter Wasserdruck immer noch am Dichtungsanschlag fest anliegt. Nachdem die ursprünglich vorgesehene GUMBA Omega 350 nicht mehr verfügbar war, wurde ein OS-400-100 von Fa. Trelleborg eingesetzt. Die Seitendichtungen des Drehsegmentes sollen eine seitliche Umströmung des Drehsegmentes verhindern und schließen den Spalt zwischen Drehsegment bzw. Seitenscheibe und dem Seitenscheibendichtungsanschlag. Sie sind als Notenprofil ausgeführt. Auch die Notenprofile sind hinterspült, d. h. sie werden vom seeseitigen Wasserdruck an die Dichtungsanschläge gedrückt. Die im Vereisungsbereich liegenden Seitenscheibendichtungen können elektrisch beheizt werden. Die Heizung befindet sich in den Dichtungsanschlägen auf der Pfeilerseite. Die Schiebetore haben eine Sohldichtung als Blockbzw. Flachdichtung, welche vom Eigengewicht des Schiebetors auf den unten liegenden Dichtungsanschlag ­gedrückt wird. Die Seitendichtungen sind hinterspülte ­Notenprofile. Die Revisionsverschlüsse haben als Sohldichtung ebenfalls eine Block- bzw. Flachdichtung, als Seitendichtungen Notenprofile. Die Dichtungsanschläge des Drehsegmentes sind aus schwarzem Stahl mit Korrosionsschutzbeschichtung – wegen der Gefahr von Kontaktkorrosion war leider kein Edelstahl rostfrei möglich. Die Seiten- und Sohldichtungsanschläge der Revisionsverschlüsse und der Schiebetore sind aus Edelstahl rostfrei, da diese Verschlüsse nur kurzzeitig in den Anschlägen stehen und zudem einfach revisionierbar sind.

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

8 Korrosionsschutz Edelstahl rostfrei war lange Zeit so teuer, dass der klassische Stahlwasserbau immer schwarzen Stahl verwendet hat, der mit aufwendigen Korrosionsschutzanstrichen beschichtet wird. Wenn Edelstahl rostfrei für Schrauben und Lager neben schwarzem Stahl eingesetzt wurde, dann verursachte er erhebliche Schäden am schwarzen Stahl durch Kontaktkorrosion, so dass Edelstahl rostfrei im Stahlwasserbau geradezu verpönt ist. Inzwischen sind die Edelstahlpreise gefallen und neue Stahlsorten wie z. B. 1.4362 versprechen hohen Korrosivitätswiderstand bei hoher Festigkeit und guter Verarbeitbarkeit, so dass man zumindest bei kleinen Verschlüssen bereits an Konstruktionen vollständig aus Edelstahl rostfrei denken kann. Wenn gar kein schwarzer Stahl mehr da ist, besteht demnach kein Kontaktkorrosionsproblem, und die aufwendigen Beschichtungen entfallen vollständig. Für die großen Stahlmengen der Verschlüsse am Sperrwerk Greifswald kam das jedoch noch nicht in Frage – sie wurden alle aus schwarzem Stahl gefertigt. Entsprechend hoch ist – besondere beim Drehsegment und den Seitenscheiben, die immer im Wasser stehen – der Anspruch an den Korrosionsschutz. Bei diesen Teilen wurde gemäß BAW-Liste II Im 2/3 folgendes Anstrichsystem ausgeführt: Oberflächenvorbereitung Sa 2 ½; Grundbeschichtung EP/Zinkstaub SicaCor R 50 mm, Deckbeschichtung EP SicaCor SW 500; Gesamtschichtdicke 1000 mm. Die Beschichtung wird airless gespritzt und erfordert viel Erfahrung bei der ausführenden Firma und eine aufwendige Qualitätskontrolle durch die Bauüberwachung. Für die im Werk hergestellten Beschichtungen der großen Bauteile wurden die hohen Qualitätsziele auch erreicht. Nachbeschichtungen auf der Baustelle stellten sich dagegen als Problemstellen dar. Insbesondere die Nachbeschichtungen der Schraubenköpfe an den Dichtungsklemmleisten zeigten bereits nach kurzer Zeit Rost und müssen erneuert werden. Hier zeigt sich, dass in den Flächen der Korrosionsschutz durch Beschichten gut funktioniert, die Tücke aber im Detail und in den Ecken liegt und genau dort der überwiegende Kontroll- und Nachbeschichtungsaufwand in der Zukunft liegen wird.

9  Fertigung, Montage und Fertigungsüberwachung Die Fertigung und Montage der Verschlüsse wurde durch die Fa. Herrmann GmbH Maschinenbau Technologie aus Weiden ausgeführt, als deren Nachauftragnehmer u. a. die Fa. Heinrich Rönner (Bremen, Fertigung Drehsegment, Seitenscheiben und Revisionsverschlüsse in Boizenburg), die Fa. ZS Zylinderservice (Xanten, Fertigung Hydraulikzylinder und technische Leitung hydraulische Antriebe) und Willmann Hydraulik (Vechta, Montage Hydraulikanlage) tätig waren. Die gesamte Elektroanlage und die Steuerung wurden durch die Fa. ISA aus Weiden erstellt. Die Fertigungsüberwachung für das gesamte Sperrwerk einschließlich Stahlwasserbau erfolgte durch die ARGE Greifswald HPI-hpl-Ingenieure mit Unterstützung u. a. durch die SLV Berlin-Brandenburg (Schweißtechnik) und das Ingenieurbüro Dr. Schippke und Partner (Hannover) für die Hydraulik.


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