Bautechnik 01/2016 free sample copy

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R. Barthel, H. Maus, J. Rehm: Das Radom in Raisting am Ammersee – Die Instandsetzung eines Technikdenkmals

Es gab keine Einrisse, keine aufgehenden Nähte (die Abdeckstreifen waren nicht Teil der tragenden Verbindung) und selbst die Beschichtung war in verhältnismäßig gutem Zustand.

aufwändig gewesen wäre. Die Luftdichtigkeit der Schleusen und Türen zur Tragluftkuppel wurde verbessert. Die geschädigten Glasbausteine konnten bestandsgleich ersetzt werden.

Trotzdem war es nicht möglich, die Standsicherheit der alten Membran zweifelsfrei nachzuweisen. Zuverlässige Erkenntnisse über die Dauerhaftigkeit der Werkstoffe über einen solch langen Zeitraum waren nicht verfügbar. Die festgestellten kleinen Löcher waren in ihrer Vielzahl nicht zu flicken. Die Gefahr des Weiterreißens war nicht mit Sicherheit auszuschließen.

Die gesamte Haus- und Stützlufttechnik wurde erhalten und durch eine moderne Regelungstechnik und zusätzliche Aggregate ergänzt. Damit gelang es, den Heizölverbrauch schon im ersten Jahr nach der Instandsetzung um 40 % und den Stromverbrauch um 60 % zu senken. Wie im originalen Zustand ist es erforderlich, Schnee am Zenit der Tragluftkuppel abzutauen. Grund hierfür sind in erster Linie nicht die Schneelasten, sondern die Gefahr, die von abrutschendem Schnee und Eis für Personen und Gegenstände rund um das Radom ausgeht. Anstatt den gesamten Raum zu heizen, wird im Bedarfsfall Warmluft über textile Schläuche in den Zenitbereich geblasen. Diese Schläuche sind auf der Innenseite der Membran befestigt.

Zu berücksichtigen waren außerdem die Erfahrungen aus dem Einsturz der Tragluftkuppel des Radoms in Bochum im Jahre 1999. Nach einer Standzeit von 26 Jahren kollabierte die Membran. Die dort verwendete Membran wurde nach dem Einsturz untersucht [2]. Sie bestand aus einem Polyestergewebe, das mit einer PVC-Beschichtung und einer Acrylat-Schlusslackierung versehen war. Mikroskopaufnahmen zeigen die stark versprödete und aufgebrochene Beschichtung. An vielen Stellen waren die Filamente der Kett- und Schussfäden schon zerstört. Es wurde ein direkter Zusammenhang zwischen dem Grad der Zerstörung und der Position der Gewebeprobe innerhalb der Radomfläche festgestellt. Dort wo die Umweltbelastungen und die Sonneneinstrahlung am intensivsten waren, gab es die stärksten Schäden.

Die Membran wurde innerhalb von zwei Tagen ausgetauscht (Bild 4). Für die Demontage der alten und Montage der neuen Membran musste ein aus acht Türmen bestehendes Stahlgerüst zum Schutz der Antennenanlage aufgebaut werden (Bild 5). Die neue Membran besteht aus einem PVC-beschichteten Polyestergewebe des Typs V. Im unteren Teil der Tragluftkuppel wurde die Membran aufgedoppelt. Dies wurde notwendig, um die Schubverformungen im Bereich des Auflagers zu reduzieren.

Es wurde also beschlossen, die Membran in Raisting zu ersetzen. Nach Abbau der Membran konnten Proben entnommen und die Zugfestigkeiten im Labor untersucht werden. In Kettrichtung ergaben sich bei einer Temperatur von 20 °C Festigkeiten von 185 kN/m, in Schussrichtung 151 kN/m (jeweils Mittelwert aus 5 Versuchen). Bei Versuchen an Proben mit Naht trat das Versagen immer im Material, nicht in der Naht auf. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Lebensdauer des Polyestergewebes sehr groß sein kann, wenn die Beschichtung sorgfältig instand gehalten wird und keine sonstigen Zerstörungen eingetreten sind.

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Instandsetzung

Auf eine normgerechte Wärmedämmung der Massivbauteile wurde verzichtet. Auch die Membran wurde nicht wärmegedämmt oder zweilagig ausgeführt, was technisch und finanziell 38

Bautechnik 93 (2016), Heft 1

Quelle: B&M

Entscheidend für die Konzeption der Maßnahmen waren die Überlegungen zur zukünftigen Nutzung der Anlage. Die Antenne sollte weiter funktionsfähig sein, die Nutzung des Gebäudes als Museum war in der Diskussion. Entschieden wurde, dass die Anlage weder für intensivere Nutzungen ausgebaut noch wegen höherer Anforderungen aufgerüstet werden sollte. Nach umfangreichen bauphysikalischen Untersuchungen entschloss man sich, die Anlage lediglich frostfrei zu halten und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Luftfeuchte nicht über 65 % steigt.

Bild 4

Austausch der Membran Change of membrane


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