4.2 Grenzzustandsbetrachtungen an gerissenen Schiffswölbungen
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Gewählt wird für die Berechnungsbeispiele Gewölbe mit 25 cm Stärke (einheitlich für Haupttonne und Kappen und ohne Dickenabstufung) und einem Mittelradius R ¼ 5 m (Lichtweite somit 9,75 m). Die Länge des betrachteten Joches betrage 10,25 m, entsprechend der Jochbreite einschließlich der Kappenstärke von beidseitig jeweils 25 cm. Es wird davon ausgegangen, dass im Bereich der Stichkappen die Schiffsbreite 10 m beträgt (d. h. die Wandvorlage entspricht der Gewölbestärke). Zu untersuchen sind zylindrische Stichkappen mit geradem Scheitel und Mittenradien von 3,00 m, 4,25 m und 5,00 m. Die letzte Variante ergibt ein „römisches Kreuzgratgewölbe“. Bei der Berechnung der „Stützzone“ wird von einer Druckfestigkeit des Mauerwerks βMW ¼ 1;5 MN=m2 ausgegangen. Die Wichte des Wölbmaterials betrage 18 kN=m3 . Bei den folgenden Zahlenbeispielen wird ein Keilsteinwinkel von 0,5° vorausgesetzt. Die Modellrechnungen werden alle an einem Gewölbe mit Widerlagerwinkeln von 0° und 180° durchgeführt, ausgehend vom Fall nicht ausgefüllter Zwickel. Bei gotischen Kreuzgewölben und frühneuzeitlichen Stichkappentonnen kommt diese Situation nicht ganz selten vor. Ein ebener Bogen mit der genannten Dicke, demselben Öffnungswinkel und Radius ist nicht standfähig. Bei einem Tonnengewölbe, das beiderseits eine dichte Folge von Schildkappen bzw. Stichkappen aufweist, ist das Fehlen einer Hinterfüllung jedoch nicht so problematisch wie bei einem ebenen Bogen: Die unteren, fast senkrecht aufsteigenden Teile der Stich- bzw. Schildkappen wirken für die Haupttonne wie Strebewände, die den unteren Teil der Haupttonne effektiv daran hindern, nach außen umzufallen. Über Schub in der selbst bei Kufverband typischerweise guten Verzahnung zwischen Stichkappe und Haupttonne im untersten Gewölbeabschnitt wird ein Teil der Druckkräfte aus dem unteren Tonnenteil in die Stichkappe eingeleitet. Die Stützlinie des ganzen Gewölbejoches kann daher in diesem Bereich aus der Haupttonne nach oben austreten, auch wenn die Hintermauerung fehlt. Es kann sich kein Fünfgelenkmechanismus einstellen, der zum Einsturz führen würde. Besser ist es natürlich, wenn die Hintermauerung vorhanden ist, zumal sie auch das Gewicht des Gewölbes erhöht, ohne den Schub zu vergrößern, und somit dem Unterbau hilft, die Horizontalkomponente der Gewölbekräfte weiterzuleiten. Die Berechnung mit nicht ausgefüllten Zwickeln ermöglicht den direkten Vergleich mit den Ansätzen Heymans und Piepers. Außerdem wird es sich ohnehin herausstellen, dass die parallel zur Raumachse verlaufenden Gelenklinien in der Haupttonne immer höher liegen, als eine übliche Zwickelhinterfüllung hinaufreicht, so dass die Höhe der Zwickelfüllung für die Größe des Gewölbeschubs ohne Belang ist. Nach der Membranmethode von Heyman, also nach der „Kesselformel“, ergibt sich für den Schub eines ganzen derartigen Joches unabhängig von Vorhandensein und Form der Stichkappen als auf der sicheren Seite liegende Abschätzung der Wert H ¼ 236 kN. Betrachtet wird zunächst die Tonne mit Stichkappen, deren Radius 3,00 m beträgt. Das Gesamtgewicht des Gewölbejoches beträgt in diesem Fall 645 kN. Mit dem Programm wird bei der gewählten Geometrie unabhängig vom angenommenen Mechanismus ein Gewölbeschub H ¼ 173 kN für das Gewölbejoch bestimmt (Bild 4.19). Die unteren Bruchfugen stellen sich bei einem Winkel von rund 43,5° gegenüber der Horizontalen ein, liegen also weit über dem Stichkappenscheitel, so