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4 Beurteilung des Tragverhaltens der Kreuzgewölbe und Stichkappentonnen
Zwickelfüllung ausgeglichen, die mit wachsenden Stichkappen meist mitwächst (Auffüllung bis Oberkante Stichkappe), und außerdem ist natürlich der beim Kreuzgewölbe „punktuell“ auftretende Gewölbeschub leichter durch eine Strebekonstruktion aufzunehmen als der „kontinuierliche“ Schub der Tonne. Fehlt die Zwickelfüllung, kann das Kreuzgewölbe bzw. die Stichkappentonne durch nachträgliches Ausfüllen der Zwickel bis knapp unter halbe Stichhöhe stabilisiert werden, sofern die dadurch erhöhte Gesamtlast in der Fundamentsohle aufgenommen werden kann, was in nahezu allen Fällen der Praxis möglich ist. Umgekehrt verdient es Beachtung, dass das in der Praxis immer wieder anzutreffende Ausräumen von Gewölbezwickeln äußerst schädlich sein kann und daher zu unterlassen ist. Wird die Zwickelfüllung ausgeräumt, weil sie z. B. aus Bauschutt oder anderen schädlichen Materialien besteht (feuchtigkeitsspeichernde Stoffe und dergleichen), ist sie auf jeden Fall durch besser geeignetes Material zu ersetzen. Wird dies unterlassen, riskiert man neue Schäden am Gewölbe. Bild 4.24 zeigt ein charakteristisches Beispiel hierzu: Eine Wallfahrtskirche wurde im 17. Jh. nachträglich mit einer Stichkappentonne gewölbt. Das Dachwerk reichte damals mit hölzernen Stempeln weit in die Gewölbezwickel hinunter. Diese Dachwerksstreben waren jedoch bis zur Oberkante der Stichkappen in eine Zwickelfüllung eingebettet. Zeugnis dafür ist der heute noch vorhandene Stumpf dieser Streben, der als einziges Teil des alten Dachwerks einen Brand im späten 18. Jh. überlebt hat, weil er durch die Zwickelfüllung geschützt war. Das damals neu erstellte Dachwerk verwendet die Streben des Vorgängerdaches nicht. Bei einer Sanierung im späten 20. Jh. wurden erstmals seit Erbauung des Gewölbes die Zwickel ausgeräumt und dabei die nur am oberen Ende verkohlten Dachwerksstreben freigelegt. Heute weist das damals sanierte Gewölbe, das eine wertvolle Dekoration mit Rokoko-Fresken trägt, neue Risse auf. Auch ohne diesen Effekt stellt
Bild 4.24 Ein Ausräumen der Gewölbezwickel ohne Ersatz der alten Füllung verringert die Standsicherheit des Gewölbes und führt zu neuen Rissen