AUFSATZ
Josef Zimmermann, Maximilian Reiser
Prognose des Verbrauchs grauer Energie über die Lebensdauer von Gebäuden Das Bauen in Städten und Ballungsräumen gehört weltweit zu den größten Ressourcenverbrauchern. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Deutschland stellt Anforderungen an den energetischen Standard für den Neubau. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Reduktion des Primärenergiebedarfs für die Wärmeversorgung im Betrieb. Die erforderliche nicht erneuerbare Primärenergie (graue Energie) der in Gebäuden eingesetzten Materialien und der damit einhergehende Ressourcenverbrauch ist jedoch zusätzlich zu beachten. Die bei der Errichtung von Gebäuden umgesetzte graue Energie wurde bereits vielfach untersucht und beschrieben. Dieser Beitrag befasst sich mit der anfallenden grauen Energie über den gesamten Lebenszyklus von Immobilien. Insbesondere werden die Aufwendungen nach der Errichtung für Instandsetzung und Entsorgung untersucht. Hierzu wird ein Prognosemodell auf Basis der Methodik der Standardraumstrukturen von Kornblum und Greitemann entwickelt und auf das Beispiel einer Wohn immobilie angewandt.
Prediction of consumed embodied energy over the life cycle of buildings Building in cities and metropolitan areas is one of the largest resource consumers worldwide. The Building Energy Act (GEG) in Germany places demands on the energy standard for new buildings. The focus is on reducing the primary energy requirement for HVAC during operation. However, the required non-renewable primary energy (‘Graue Energie’ – embodied energy) of the materials used in buildings and the associated resource consumption needs also to be taken into account. The embo died energy consumed in the construction of buildings had already been examined and described many times. This article deals with the Embodied Energy accumulated over the entire life cycle of real estate. In particular, the expenses for repair and disposal after the erection of a building will be investiga ted. For this purpose, a forecast model, based on the methodo logy of the standardized room structures by Kornblum and Greitemann, is developed and applied using the example of a residential property.
Stichworte graue Energie; Standardraumstrukturen; Instandsetzung; Lebenszyklus
Keywords embodied energy; structures of standardized rooms; repair; life cycle; standardized rooms method
1 Einführung
chitektenverein als „Graue Energie“ (im Folgenden: GE) bezeichnet. Die GE ist in der Literatur nicht einheitlich definiert [4]. Sie stellt im Wesentlichen den kumulierten, nicht erneuerbaren Primärenergieinhalt für vorgelagerte Prozesse vom Rohstoffabbau über Herstellungs- bis zu Verarbeitungsprozessen und die Entsorgung inkl. Transporte und Hilfsmittel dar [5, 6].
Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht im Wandel, u. a. getrieben durch den Klimawandel sowie den Energieund Ressourcenverbrauch [1]. Insbesondere das Bauen in Städten und Ballungsräumen zählt weltweit zu den größten Ressourcenverbrauchern und verursacht 60 % des Materialverbrauchs, 50 % des Abfallaufkommens sowie 35 % des Energieverbrauchs und produziert 35 % der Emissionen. In Deutschland werden jährlich 517 Mio. t mineralische Rohstoffe verbraucht, wovon 90 % im Baubereich eingesetzt werden [2]. Derzeit in Deutschland angestrebte klimapolitische Zielsetzungen im Gebäudesektor stellen durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) Anforderungen an den energetischen Standard für den Neubau. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Reduktion des Primärenergiebedarfs für die Wärmeversorgung (Beheizung und Warmwasser) im Betrieb. Folglich ist dieser seit 2002 um mehr als 20 % gesunken und tendenziell weiter fallend [3]. Die erforderliche nicht erneuerbare Primärenergie der in Gebäuden eingesetzten Materialien und der damit einhergehende Ressourcenverbrauch sind jedoch zu beachten. Dieser, den Baustoffen innewohnende Primärenergieinhalt wird bspw. vom Schweizerischen Ingenieur- und Ar
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AUFSATZ ARTICLE
DOI: 10.1002/bate.202000068
Der Primärenergiebedarf der Gebäudesubstanz selbst gerät derzeit zunehmend in den Fokus, da dieser anteilig zum Gesamtprimärenergieverbrauch eines Gebäudes erheblich beiträgt. Beispielsweise wird der Gesamtprimärenergieverbrauch anteilig als Primärenergiebedarf für Nutzerstrom, Betrieb (Beheizung und Warmwasserversorgung) und Gebäudeerrichtung (GE) beschrieben [7]. Der Verbrauch an GE darf jedoch nicht isoliert für die Errichtung des Gebäudes betrachtet werden. Schon vom Grundsatz her besteht ein Gebäude aus Bauteilen, die über die Bereitstellung zur Gebäudenutzung Ressourcen verbrauchen [8]. Die Bauteile eines Gebäudes weisen eine begrenzte Lebensdauer auf. Sie müssen über die Nutzungsdauer ausgetauscht bzw. instand gesetzt und entsorgt werden und verbrauchen somit zusätzlich GE [9]. Die GE für Instandsetzungsmaßnahmen muss daher in eine Bewertung der Umweltverträglichkeit in Bezug auf Primärenergie mit einbezogen werden.
© 2020 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 98 (2021), Heft 1 63
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