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BAUTECHNIK aktuell

Aus dem Inhalt Rückschau auf das 24. Dresdner Baustatik-Seminar online ............ 77 Neue Leipzig-Charta von allen EU-Stadtentwicklungsminister/-innen verabschiedet ............................................................... 78 Veranstaltungskalender .......................................................................... 78

BAUTECHNIK aktuell 1/21

VERANSTALTUNGEN

Symposium IngD4C #2 fordert gemeinsames Handeln für Klimaschutz und Ressourceneffizienz

Am 24. November 2020 fand in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften das hybride 2. Symposium Ingenieurbaukunst – Design for Construction (IngD4C #2) unter dem Motto „Klimaschutz, Ressourceneffizienz und wie weiter?“ statt, das auf Diskurs und Projekten des neuen Jahrbuchs Ingenieurbaukunst 2021 beruht. Der Initiator und Moderator des Symposiums Dr. Bernhard Hauke (Ernst & Sohn) hielt fest, dass Wissenschaft und Baukunst das Handwerkszeug der Bauingenieur/-innen sind, nachhaltiges Bauen aber das übergeordnete, gemeinsame Ziel sein muss (Bild 1). IngD4C möchte diskutieren, was heute schon möglich ist und wohin uns zukünftige Entwicklungen führen. Prof. Lamia Messari-Becker (Uni Siegen, Club of Rome) forderte entsprechend zum Auftakt mehr Materialeffizienz, Kreislaufwirtschaft und eine Anpassung der Baunormen.

Im ersten Themenschwerpunkt „Effiziente Strukturmorphologie oder Freiform“ stellte Prof. Jan Knippers (Uni Stuttgart) mit den BUGA-Pavillons Heilbronn eine Holzbauweise ohne Stahlbauverbindungen vor, welche auf den Geschossbau übertragen werden soll. Auch mit gewickelten Carbonfaser-Elementen können beanspruchungsgenaue Strukturen gebaut werden. Ganz anders war die Aufgabenstellung beim Axel-Springer-Neubau in Berlin. Bernd von Seht (Wetzel & von Seht) erläuterte die anspruchsvolle Tragwerksplanung. Anschließend wurde in der Diskussion mit Prof. Mike Schlaich (TU Berlin) festgehalten, dass langfristig flexibel nutzbare Bauwerke durchaus nachhaltig sein können (Bild 2). Aktuell führe kaum ein Weg am CO2-neutralen Holz vorbei, aber auch zum Beispiel dünnwandige Bauteile aus Carbonbeton können ein Lösungsbeitrag sein.

Beim zweiten Themenschwerpunkt „Klimaschutz und Ressourceneffizienz in Zeiten der Digitalisierung“ ging es insbesondere um die Ausrichtung der Lehre, um den Erfordernissen der Baupraxis gerecht zu werden. Prof. Lucio Blandini (Uni Stuttgart) argumentierte, dass Leichtbau und Funktionsbündelung zu Ressourcenschonung führen und dies mit parametrischem Engineering sowie durch die Digitalisierung der Wertschöpfungskette gelingen kann. Online ergänzte Prof. Christian Hartz (TU Dortmund), dass wie beim Dortmunder Modell aktives Lernen dem „Bulimie-Lernen“ vorzuziehen ist, um so interdisziplinär innovative Lösungen finden zu können. Prof. Julian Lienhard (Uni Kassel) sagte, dass die Generation Greta die drängenden Fragen bereits mitbringt und Lösungswege lernen will. Neben der klassischen Tragsicherheit muss entsprechend auch die Ökoeffizienz mitgedacht werden. Dr. Dietmar H. Maier (Ingenieurgruppe Bauen) zeigte ebenfalls online anhand der hocheffizienten Ertüchtigung der Rheinbrücke Maxau die Lösungsrelevanz von grundlegendem Ingenieurswissen auf, betonte aber ebenso ganzheitliches Denken. In die gleiche Kerbe schlug Prof. Stefan Polónyi, der als einer der Begründer des „Dortmunder Modells“ online hinzufügte, dass während des Studiums Zusammenarbeit und Ingenieurdenken gepflegt werden müssen. Nur mit der Anwendung genormter Ansätze werden kaum neue Lösungen erreicht. Der Brückenbauingenieur Dr. Thomas Klähne (KLÄHNE BUNG) beschwor die Wichtigkeit eines grundlegenden mechani-

Foto: bycarenpauli

Bild 2 Bernd von Seht (Wetzel & von Seht), Prof. Mike Schlaich (TU Berlin) und Prof. Jan Knippers (Uni Stuttgart) diskutieren über effiziente Strukturformen: Langfristig flexibel nutzbare Bauwerke sind nachhaltig Bild 1 Initiator und Moderator des Symposiums IngD4C #2 Dr. Bernhard Hauke (Ernst & Sohn)

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Bild 3 Pausendiskussion beim Symposium IngD4C #2 über den Dächern von Berlin

schen Verständnisses, wünschte sich aber auch mehr Verständnis für Konstruktion und Ausführung bei jungen Ingenieur/-innen.

Nach einer Kommunikationspause der wenigen Referenten und Diskutanten vor Ort bei sonnigem Herbstwetter auf der Dachterrasse mit Blick auf das Berliner Schloss (Bild 3) ging es weiter mit der Frage, ob LowTech die Steigerung von HighTech sei. Prof. Thomas Auer (TU München) startete mit der Betrachtung verschiedener Bauweisen historischer und moderne Schulbauten. Eine 100 Jahre alte Münchener Schule mit hohen Räumen und dicken Mauern schnitt deutlich robuster als manches moderne Bauwerk ab. Er schloss mit der Feststellung, dass nicht alles, was in Sachen Klimaengineering technisch möglich am Ende auch wirklich sinnvoll ist. Prof. Thorsten Helbig (Knippers Helbig) zeigte mit der Alnatura Arbeitswelt einen modernen Bürobau mit viel Holz und insbesondere selbsttragenden Lehmaußenwänden. Auch schlug er einen Wettbewerb der Tragwerksplaner um möglichst geringe CO2-Emissionen der Tragstrukturen vor. Uwe Heiland (SEH Engineering), der zum Beispiel anspruchsvolle Brücken baut, gab zu bedenken, dass Nutzerfreundlichkeit und Gestaltung ebenso den Wert einer Konstruktion für die Gesellschaft mitbestimmen. Prof. Christoph Gengnagel (Bollinger+​Grohmann) resümierte, dass es nicht das eine richtige Material gebe. Dafür sind die Bauaufgaben zu verschieden, oft auch zu komplex. Aber es müssen die jeweils richtigen Fragen gestellt werden.

Der Holzbau hat sich in letzter Zeit rasant entwickelt und wird inzwischen für viele der drängenden Fragen als Lösungsmöglichkeit angesehen. Im Essay von Dr. Wolfgang Sundermann (Werner Sobek AG) et al. werden das Potenzial und die notwendigen weiteren Entwicklungen erläutert. Am Jowat Innovationszentrum Detmold und weiteren Projekten vom Kindergarten bis zum Hörsaal demonstrierte dann Burkhard Walter (B. Walter Ingenieurgesellschaft) die heutigen Holzbaumöglichkeiten). Im nachfolgenden Diskurs forderte KarlHeinz Roth (Züblin Timber) online zur weiteren Steigerung der Effizienz die Vereinheitlichung von Grundprinzipien und Abmessungen im Holzbau und plädierte zur Qualitätssicherung für mehr Standarddetails. Ansgar Hüls (HÜLS Ingenieure) glaubt an den Siegeszug hochfester Hölzer als Holzbau-Verbindungsmittel und appelliert an die Studierenden werkstoffübergreifend zu denken und Holz mit einzubeziehen.

Bei der Schlussdiskussion ging es dann konkludierend um „Klimaschutz, Ressourceneffizienz und wie weiter?“ Prof. Werner Sobek (Uni Stuttgart) forderte online eine Trendwende: mit weniger Material für mehr Menschen günstig und emissionsfrei zu bauen. Prof. Lamia Messari-Becker stellte ebenfalls online klar, dass Holz allein nicht ausreicht, alle Baumaterialien gebraucht werden, aber die Methoden zu hinterfragen sind. Der Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur Reiner Nagel sagte, dass zum Beispiel die BUGA-Pavillons die erforderlichen technischen und gestalterischen Vorbilder für Innovation sind und gleichzeitig der Wert des Bestandes wahrgenommen werden muss. Eva Hinkers (Arup Europa) warf online ein, dass Effizienzsteigerung allein nicht zum Ziel führe, aber mehr Kreislaufwirtschaft eine Lösung sein kann. Werner Sobek resümierte, dass noch nicht alle Fragen hinreichend beantwortet werden können, wir als Industrieländer aber eine erhebliche Verantwortung und Vorbildfunktion für nachhaltiges Bauen weltweit haben. Dies aufgreifend forderte Lamia MessariBecker, dass Ingenieure, Architekten, Bauwirtschaft, Verbände und Politik gemeinsam handeln und Lösungen finden müssen (Bild 4).

Bernhard Hauke rief zum Abschluss die Bauschaffenden auf, die evidente Aufgabe einer Bauwende gemeinsam anzugehen. Für den 23. November 2021 kündigte er das 3. Symposium Ingenieurbaukunst – Design for Construction (IngD4C #3) in Darmstadt an. Tentative Themenschwerpunkte, basierend auf dem Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2022, sollen dann Kreislaufwirtschaft und Bestandsbau sein.

Weitere Informationen zum Symposium und Jahrbuch Ingenieurbaukunst: www.ingd4c.org

Foto: bycarenpauli

Bild 4 Symposium IngD4C #2 – Schlussrunde mit Prof. Werner Sobek (Uni Stuttgart), Reiner Nagel (Bundesstiftung Baukultur), Prof. Lamia Messari-Becker (Uni Siegen) und Eva Hinkers (Arup)

Rückschau auf das 24. Dresdner Baustatik-Seminar online

Am 16. Oktober 2020 musste das 24. Dresdner Baustatik-Seminar aufgrund des aktuell stark zunehmenden CoronaInfektionsgeschehens leider erstmals in das Internet verlagert werden. Sehr gerne hätten wir – die Veranstalter – eine Plattform für persönliche Treffen geboten. Aus Verantwortung gegenüber der Gesundheit aller Teilnehmer und Organisatoren haben wir uns aber kurzfristig zu diesem modifizierten Format durchgerungen. Wir hoffen, dass dies das einzige Baustatik-Seminar dieser Art bleibt. Die Vorträge waren für über 200 angemeldete Teilnehmer online gut verfügbar und die Zuschaltung der Referenten erfolgte problemfrei.

Die Veranstaltung wurde wie immer vom Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke der Technischen Universität Dresden in Kooperation mit der Landesvereinigung der Prüfingenieure in Sachsen und der Ingenieurkammer Sachsen ausgerichtet. Beide Partner haben die Modifikation des Formats mitgetragen.

Die Veranstaltung war wie immer in drei Blöcke mit vier, drei und zwei Beiträgen gegliedert. Das im Ankündigungsflyer ausgewiesene Timing der Veranstaltung wurde beibehalten und damit blieben auch die Pausen zum Vertreten der Beine.

Das Dresdner Baustatik-Seminar steht traditionell unter dem Thema „Realität – Modellierung – Tragwerksplanung“. Unter diesem Leitthema werden zukunfts- und richtungsweisende Ansätze mit spannenden, praxisrelevanten Beiträgen konkretisiert. Dies wurde schon mit der Einführung und einer kurzen Übersicht zu den einzelnen Beiträgen von Prof. Dr.-Ing. M. Kaliske deutlich.

Der erste Vortrag von Dipl.-Ing (FH) R. Becker (Ed. Züblin AG, Stuttgart) veranschaulichte die Historie und den aktuellen Stand des politisch brisanten Projekts Stuttgart 21, das zu vielen Auseinandersetzungen und Debatten geführt hat. Der Fokus des Beitrags lag auf den technisch und architektonisch herausragenden Aspekten des Projekts sowie den zahlreichen High Tech Details. Innovativ wurden notwendige Produktionsprozesse neu entwickelt, um den äußerst komplexen Anforderungen zu genügen.

Ganz andere Herausforderungen zeigen sich beim Bauen im Bestand. Über die Jahre verändern sich die Eigenschaften der eingesetzten Werkstoffe und gegebenenfalls auch die Beanspruchungen. Die Nachweiskonzepte aus der Zeit des Entwurfs entsprechen meist nicht den aktuellen und häufig liegen auch keine verlässlichen Unterlagen zum Bauwerk mehr vor. Bauen im Bestand stellt eine ganz besondere Herausforderung für die Tragwerksplanung dar, wie Prof. Dr.-Ing. J. Menkenhagen (Universität Duisburg-Essen) anschaulich erläuterte.

Für die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken ist die Interaktion von Bauwerk und Boden essenziell. Prof. Dr.-Ing. R. Katzenbach (Ingenieursozietät Prof. Katzenbach, Darmstadt) ging in seinem Beitrag sowohl auf Fragen der Modellierung Kombinierter Pfahl-Plattengründung (KPP) als auch das geotechnische Sicherheitskonzept ein. Präsentiert wurden spannende Beispiele aus der Ingenieurpraxis wie dem Tunnelbau neben der Sagrada Familia in Barcelona oder der Fundamentierung des höchsten Hochhauses der Welt in Jeddah.

Der Beitrag des Instituts für Statik und Dynamik der Technischen Universität Dresden stellte in diesem Jahr eine Besonderheit dar. Prof. Dr.-Ing. W. Graf hat das hoch aktuelle Thema Risiko und Risikobewertung subjektiv beleuchtet, eine Fragestellung, mit der und deren Modellierung er sich über viele Jahre beschäftigt hat. Der Fokus wurde auf die Unschärfe im Bauingenieurwesen gerichtet. Beim Umgang mit Daten, Auswertungen und Prognosen gibt es durchaus Parallelen zu allen anderen Lebens- und Arbeitsbereichen. Mit dem Beitrag wird ein Rahmen im beruflichen Werdegang des Referenten gesetzt, der den Aufbruch in eine neue Phase setzt. Prof. W. Graf wird sich auch weiterhin für die Themen engagieren, die ihm ein Herzensanliegen sind.

Die fortschreitende Digitalisierung im Bauwesen eröffnet Ansätze für Innovationsschübe. Prof. Dr.-Ing. M. Arch. L. Blandini (ILEC Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren, Universität Stuttgart und Werner Sobek AG, Stuttgart) präsentierte innovative Bauvorhaben unter den Aspekten Ressourceneffizienz, BIM Modellierung und Reduzierung der Fragmentierung bei den Planungs- und Bauprozessen. Die Projekte Stuttgart 21, Qatar National Museum und Kuwait International Airport sind dafür besonders prominente Beispiele.

Prof. Dr.-Ing. A. Zilian (Fakultät Naturwissenschaften, Technologie und Medizin, Universität Luxemburg) berichtete aus einem Forschungsprojekt zu nachhaltigem Planen, Bauen und Bewirtschaften im Sinne einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Die Tatsache, dass Bauwerke in der Regel Unikate sind, erfordert immer neue individuelle Lösungsansätze. Die Methodik des digitalen Zwillings eröffnet dabei neue Wege in der Kreislaufwirtschaft.

Im Beitrag von Dr.-Ing. J. Braun (Braun, Schöps & Partner, Dresden) war der Blick sowohl vom Material als auch der Geografie anders ausgerichtet. Er stellte Arbeiten an historischen Lehmbauten im Süden Irans in Bam vor. Dieser weltweit größte Lehmbauten-Komplex wurde 2003 durch ein Erdbeben fast völlig zerstört. Bauwerke werden jetzt erdbebenresistent rekonstruiert, unter Erhaltung der ökologischen Lehmbauweise und nach den Richtlinien der UNESCO.

Ein schöner Kontrast zu den historischen Lehmbauten war der Beitrag von Prof. Dipl.-Ing. M. Pfeifer (PfeiferINTERPLAN, Darmstadt). Der 190 m hohe Omniturm in Frankfurt wurde als ein Hochhaus mit Hüftschwung eingeführt. Die außergewöhnliche Gestaltung mit den verschobenen Ebenen verleiht dem Gebäude einen ganz individuellen Charakter und stellt eine anspruchsvolle Aufgabenstellung für die Tragwerksplanung dar.

Prof. Dr.-Ing. J. Otto (Fakultät Bauingenieurwesen, Technische Universität Dresden) thematisierte eine zukunftsweisende Technologie. 3-D-Druck gewinnt in vielen technischen Bereichen an Bedeutung. Auch im Bauwesen können damit unter Beachtung der spezifischen Anforderungen innovative Prozesse und Produkte entwickelt werden. Die verschiedenen technischen Lösungen und Chancen wurden insbesondere aus betriebswirtschaftlicher Sicht aufgezeigt.

Im Schlusswort von Dipl.-Ing. A. Forner (Landesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik in Sachsen) wurde auch schon auf das 25. Dresdner Baustatik-Seminar hingewiesen, das für den 15. Oktober 2021 geplant ist.

Der Tagungsband zum Seminar kann über das Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke der Technischen Universität Dresden bezogen werden.

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