Heft 11 (NOV/DEZ 2012)

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Aus den Emsland Nachrichten vom 16. Juli 1958 / Von Heinrich Goedecker

Aus der Geschichte der Harener Segelschiffahrt. (l870 - l900) Zu der Binnenschifffahrt, die von Raren aus mit den Pünten auf Ems und Hase betrieben wurde, gesellte sich in den Jahren von 1870 bis 1900 noch die Segelschifffahrt. Die Fahrzeuge, etwa ein Dutzend an der Zahl, sind fast alle auf Harener Werften gebaut worden. In kühnen Fahrten steuerten die wagemutigen Schiffer ihre kleinen Segler, – die „Maria“ war nur 90 t groß, – durch die Nordsee nach England, nach Rotterdam und durch die Ostsee nach Dänemark und Schweden bis Petersburg (Leningrad). Über diesen Abschnitt der Harener Schifffahrt ließt und hört man wenig, und doch ist da so viel zu vermelden von Sturmesnot und Seemannstod. Deshalb muss dieser wackeren Männer und ihrer Schicksale besonders ehrend gedacht werden. Alle diese Schiffe sind dem Kampf mit den Wellen zu Opfer gefallen. Mehrere von ihnen haben die Besatzungen mit ins Wellengrab genommen. Einige sind verschollen, von ihrem geheimnisvollen Schicksal wurde nichts bekannt. Und wenn in jenen Jahren der Nordwest sein hohles Lied durch die Nacht heulte, dann wurde in mancher Harener Stube das Gebetbuch aus der Lade genommen und da aufgeschlagen, wo die Blätter vergilbt und abgegriffen waren. Da standen die Gebete für die Rettung der Schiffer aus Sturmesnot. Der Schiffer draußen auf See aber zog seinen

Sonntagsanzug an; denn das Grab tat sich vor ihm auf.

nach, als er am anderen Morgen mit dem Postwagen davonfuhr.

Das Schicksal eines dieser Schiffe aus der Gruppe der Segler soll nun berichtet werden.

Nun schaute sie jeden Tag dem Postboten entgegen, der ersehnte Nachricht bringen sollte, aber er brachte nichts. Dann ging die kummervolle Frau jeden Abend an den Postwagen, um unter den Aussteigenden den zu suchen, um den sie so bangte und sorgte, – drei Jahre hindurch jeden Abend, – dann nicht mehr: sie war erblindet. Im Strom der Tränen war ihr Augenlicht erloschen.

Hermann Jüngerhans wohnte im Krimm. Sein Fahrzeug war die „Hermanus“, ein Segelschiff von 150 t. Sie hatte zwei Masten und war schonermäßig eingerichtet. Das Schiff wurde 1885 in Haren am Kanalhafen gebaut. Schiffseigentümer war Joh. Jüngerhans. Zu gleicher Zeit wurde an derselben Stelle das Segelschiff „Susanna Maria“, (140 t) Kapitän Johann Kiepe, erstellt, aber nur mit einem Mast. Das Schiff „Hermanus“ hatte meistens die Fahrt auf England oder Wyk auf Föhr. Auf seiner letzten Reise ging es mit Ladung von Hamburg nach England in See, und man hat nichts wieder von dem Segler gesehen noch gehört; er ist verschollen. Die Besatzung bestand aus drei Mann, dem Kapitän Herm. Jüngerhans, dem Steuermann Lübbert Langen und einem Schiffsjungen. Alle Erkundungen über das Schicksal des Schiffes sind ergebnislos geblieben, die Nordsee hat Schiff und Mann begraben. Der Kapitän hatte auf seiner letzten Fahrt auch seinen zwölfjährigen Sohn an Bord. Als er von der Weser aus die Überfahrt nach England antreten wollte, brachte er erst diesen nach Hause. Von einer bangen Ahnung befallen, schaute seine Frau ihm lange

– Hartes Seemannslos, draußen und daheim. – Durch Zufall kam einer der Angehörigen einige Zeit später mit einem Hellseher in ein Gespräch über dies Schicksal. „Geben sie mir das Datum an, ich will sehen, ob ich etwas darüber sagen kann." – Es war am 3. November 1903. – Und er konnte etwas sagen. „Ich sehe ein Schiff mit gebrochenen Masten. -- Die Brecher gehen darüber hin. -- Es ist am Sinken. -- Dahinter treibt ein Boot in der See mit drei Personen. -- Eine Sturzsee packt es. -Nun ist nur noch einer im Boot. -- Er arbeitet mit den Riemen. -- Es ist ein großer, schwarzbärtiger Mann. -- Ein neuer Brecher. -- Nun ist das Boot leer. -Seemannslos!

Heinrich Gödiker | *1.10.1893 in Belm bei Osnabrück | ✝ 28.08.1968 in Haren

Profilierter Kenner der Heimatgeschichte und langjähriger Mitarbeiter im Heimatverein Haren. Von November 1918 bis März 1956 Lehrer an der Martinischule in Haren. Autor vieler Artikel in den Jahrbüchern des Emsländischen Heimatbundes.

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