eco.nova EDITION 2016

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Eine DNA aus Wolle Sein Name ist Programm. Johannes Giesswein war als Kind erster Testträger des ersten Walkjankers aus dem Hause Giesswein. Jahrzehnte später ist er so bereit wie stolz, das Unternehmen an seine Söhne zu übergeben. Der Name bleibt Programm.

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Sie kann leicht älter werden als ein Auto, widrigsten Wetterkapriolen die Stirn bieten und im wundersamen Zusammenspiel ihrer Fasern flexibel sein wie keine andere. Das Leben einer Walkjacke, „eines Jankers“, ist durchaus geeignet, um die Geschichte der Firma Giesswein in der knappsten Form zu beschreiben. 2014 feierte das Unternehmen seinen 60. Geburtstag. Über 40 Jahre lang war es nur bergauf gegangen. Steil. Dann kamen mit Globalisierung und Marktöffnung jene Zeiten, in denen die Textilbranche des Landes auf eine Probe gestellt wurde, die nur die wenigsten überlebten. Für viele bedeuteten die Umbrüche die Hölle. „Wir zählen zu den letzten Mohikanern“, weiß Johannes Giesswein. Den Marktkapriolen wurde die Stirn geboten, familiäre Kapriolen gemeistert und es ist die Flexibilität, die bei Giesswein zur Stärke wurde. „Es fressen nicht nur die Großen die Kleinen, die Schnellen fressen auch die Langsamen und die Flexibilität ist etwas, was klar im Handbuch der Grundsätze unseres Unternehmens steht“, hält der Seniorchef fest. 2017 plant er, die operative Führung der Giesswein AG an seine Söhne Markus und Michael zu übergeben. „Markus ist dann auch schon zehn Jahre im Unternehmen. Oft wird mir die Frage gestellt, ob ich loslassen kann“, sagt er und stellt klar: „Ich kann’s.“ Dass er das so bestimmt und mit wenig „seniorer“ Wehmut sagen kann, hat Gründe. Die Richtung, die seine Söhne einschlagen, gefällt ihm sehr gut und der Umstand, dass es ihnen überhaupt möglich ist, das Familienunternehmen als dritte Generation zu

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GIESSWEIN Der Grundstein für das kleine Walk-Imperium in Brixlegg wurde in den 1950er-Jahren durch Elisabeth und Walter Giesswein gelegt. 1958 konnte die erste industrielle Waschmaschine angeschafft werden, womit es möglich wurde, mit den Original-Walkjankern in Produktion zu gehen. Immer neue Walkverfahren ermöglichten immer neue Einsatzgebiete. 1984 wurde beispielsweise der erste Applikationsjanker in Paris präsentiert, 1995 setzte das Unternehmen Zeichen mit dem neuen Samtwalkstoff. Seit 2009 wird das Portfolio durch die Home-Collection erweitert. 2017 plant Firmenchef Johannes Giesswein das Unternehmen an seine Söhne Markus und Michael zu übergeben.

führen, gefällt ihm nicht minder: „Ich bin stolz, dass ich die Agenda im besten wirtschaftlichen Status seit Bestehen des Unternehmens weitergeben kann. Es hat sich gelohnt, zu kämpfen.“ ALLES WOLLE. „Mit null“, sagt er, hätten seine Eltern angefangen, damals in den 1950er-Jahren, als sie in einer kleinen Mansardenwohnung im Haus der Tante in Brixlegg lebten. Null? Stimmt nicht ganz. Zwischen „null in der Tasche“ und „null im Kopf“ liegen Welten. Welten, in denen Unternehmen oft ihren Ursprung haben. Und Elisabeth und Walter Giesswein hatten eines mit Sicherheit: viel im Kopf. „Ich bin unter der Strickmaschine aufgewachsen. Man könnte sagen, ich bin gestrickt worden“, schmunzelt Giesswein. Seine Mutter strickte Pullover und Jacken zu Hause und sein Vater kümmerte sich um den Verkauf. Mit dem Fahrrad. Schon als im Haus noch kein fließend Wasser installiert war, hat das Ehepaar Giesswein die klassische Aufgabenteilung gelebt – Produktion und Verkauf.

„Mein Vater war ein Flüchtling aus dem Sudetenland. Er kam nach Österreich und hat meine Mama kennen gelernt. Sie war eine hochkreative Designerin, die das Handwerk sehr gut verstanden hat, der Vater war ein Spitzenverkäufer mit hoher sozialer Kompetenz“, bringt Johannes Giesswein den erfolgreichen Mix auf den Punkt. Die Strickwaren verkauften sich so gut, dass Elisabeth Giesswein Strickerinnen für Lohnstrickarbeiten beschäftigen konnte und bald damit begann, die ersten Walkversuche in der hauseigenen Waschmaschine zu unternehmen. Dass walk im Englischen gehen heißt, gibt diesen Versuchen einen besonders reizvollen Touch, waren es doch die ersten Gehversuche, die ziemlich schnell zur Marschrichtung des wachsenden Unternehmens wurden. Spannende Zeiten waren das. Etwa, als erstmals eine lose gestrickte Jacke in die alte Wechselwaschmaschine gesteckt wurde, um sie dort dem Prozess zu unterziehen, der aus einer Strickjacke einen Walkjanker zaubert. „Die Jacke wird so lange gefilzt, bis es ein festes Gebilde ergibt. Das hat damals mindestens zwei oder drei Stunden gedauert, wenn nicht vier. Dann war der Janker fertig und die Waschmaschine auch“, weiß Giesswein, der damals noch „der Junior“ war. Als solchem ist ihm vor allem die erste Strickmaschine in bester Erinnerung, jene, unter der er aufgewachsen ist und die heute im Verwaltungstrakt des Unternehmens an die Anfänge erinnert. Ein prächtiges Stück ist das; eines, das schon früh die Begeisterung Giessweins für Technik weckte: „Von meiner menta-


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