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Hafenquartier und Hafenlikör

Rock, Beat und Likör – eine prima Mischung für das Hafenviertel – exklusiv nur im Rockaway-Beat in der Gneisenaustraße.

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Ein künstlerisches Kleinod hat sich in der Gneisenaustraße entwickelt. Wer muss schon nach New Orleans, St. Pauli oder Liverpool, wenn er es doch schneller in das Hafenviertel schafft?

Für Gitarrensammler baut Bernd Stähler die schmucken und auf Wunsch auch sprechenden Showcases.

Gitarrenheld Rocco Wiersch (l.) ist Stammgast.

Denn hier gibt es neben den bekannten Kneipen mit Musik (subrosa und Rekorder) auch das Rockaway Beat. Was das ist? Mojo – und das meint Zauberei, aber auch Talent und Seele – das Unbeschreibliche eben. Das wohnt diesem Laden zweifelsohne inne. Bernd Stähler, Dortmunder seit 49 Jahren, betreibt den Laden seit drei Jahren: „Ich habe mir monatelang eine Vielzahl von Läden angeschaut. Bei dem Laden in der Gneisenaustraße habe ich sofort gesagt, den will ich.“ Grund ist die bis heute erhaltene 60er-Jahre Fassade, inklusive Ladentür, Linoleumboden und Kulttapete. „Ich habe den Handwerkern jeden Tag überall Zettel dran gemacht, was sie nicht renovieren sollen.“ Durch viele glückliche Begebenheiten („einige Nachbarn haben mir ihre Schätze zur Restaurierung dagelassen und dann einfach geschenkt“) besitzt der Laden jetzt neben einer stilechten Theke mit fußballerischer Historie („an dieser Theke haben schon Uwe Seeler und Horst Szymaniak gesessen“) in den Hinterzimmern eine originale 60er-Jahre Poggenpohl-Küche und einen Juwelierschrank mit abgerundeten Auslagefenstern. Dort finden sich Gitarrenhefte, französische Aschenbecher und Modellbausätze aus den 60ern, ergänzt um Beatles- und Retro-Artikel wie etwa japanisches Blechspielzeug und alte Kaugummiautomaten, die jedes Fan-Herz höher schlagen lassen. Dazu ein Flash Gordon-Flipper („das Pflegekind eines unserer Kunden“), ein Cola-Automat und unzählige Gitarren. Denn eigentlich ist das Rockaway Beat ein Gitarrenladen.

Schlechte, gute Lage

„Dortmund ist eine Superstadt, wenn man alle Gitarren behalten will“, scherzt Bernd Stähler. Das Geld ist nicht viel wert, Zinsen gibt es nicht und trotzdem warten viele der Schätze in den handgearbeiteten Vitrinen auf ihre Käufer. Showcases heißen die Gitarrenboxen zum Präsentie-

Eine Bowie-Gitarre ist hier kein Problem.

Den Film gibt es auf www.einundzwanzig.de.

Die legendäre Theke, an der auch schon Uwe Seeler gesessen hat.

„Rettet das RockawayBeat und kauft den Laden leer“, kann der Appell nur lauten – sonst gehen bald die Lichter aus. ren der Gitarren, die man auch für daheim hier kaufen kann. Beleuchtet, in allen Farben und Stoffen bezogen und sogar sprechend, wenn der Kunde es wünscht, gibt es die hier exklusiv und von Hand gefertigt. Interessant sind auch die Stücke in den Boxen – Gitarren aus den 60ern und neuere Kultteile, die mit tollen Formen, Farben und vor allem echtem Sound und einer Menge Mojo überzeugen. Diese Gitarren erzählen die Geschichten von allein und sind zudem eine gute Geldanlage, denn sie sind im Gegensatz zu vielen amerikanischen Edelmarken noch erschwinglich. 400 bis 800 € und schon kann eine in zehn Jahren das Doppelte an Wert bringende Gitarre über den geschwungenen Tresen gehen. Doch Bernd Stähler gibt die Gitarren nur ungern in reine Sammlerhände: „Ungespielte Gitarren können innerhalb kurzer Zeit regelrecht verkümmern und damit wiederum an Wert verlieren. Das wissen nur manche Geldanleger nicht, die Gitarren aus reinem Profit für teilweise hohe Beträge kaufen und in Safes einsperren lassen.“ Aus diesem Grund lässt Bernd Stähler seine Kunden – oder sollte man Gäste sagen – die Gitarren auch anfassen, anspielen. Mindestens einmal pro Woche trifft man hier auch Rocco Wiersch, einen der Topgitarristen aus Dortmund. Aber auch Bela B. und viele andere bekannte Fans dieser Gitarren sieht man im Dortmunder Hafenviertel. „Gerade die japanischen Gitarren aus den 60er Jahren sind ein weites Feld, es gibt die wahnsinnigsten Gitarren, heute würde man sagen, so kann man das nicht bauen, mit so tollen Teilen, so vielen Schaltern – da verdienen wir ja nichts. Aber genau deswegen sind die Gitarren 50 Jahre später immer noch magisch und oft praktisch unzerstörbar.“ Die Gitarren selbst findet der Rockaway-Besitzer vor allem durch Kontakte zu befreundeten Musikern und Sammlern. Bernd Stähler sieht sich eher als Vermittler als Verkäufer. „Einmal bin ich für einen Kunden, der eine 58er Hagstrom Goya aus Schweden suchte, 500 Kilometer gefahren, um sie nach eingehendem Testen dann doch nicht für ihn zu kaufen.“

Die Uhr läuft

Für den kleinen Umsatz sorgen die Taschen, Magnete, Schlüsselanhänger sowie der in Zusammenarbeit mit einem befreundeten Musiker und Likörhersteller exklusiv vertriebene Hafenlikör. Haselnuss, weil es hier im Hafenviertel so viele Haselnussbäume gibt. Und Kräuterlikör für die Männer. Kaffee und Limo gibt es im Ausschank für alle, die gerne über Musik und Gitarren quatschen oder die Bewohner im Viertel. „Tolle Leute, alle kennen sich und gegenüber sind Kirche und Schule – also die originale Blues- Brothers-Atmosphäre.“ Dazu diese Hafenstimmung, das hat schon was. Aber weil der Mietvertrag im Mai ausläuft, könnten an der Gneisenaustraße auch schon bald die Lichter ausgehen. „Ich habe ja nichts davon, dass alle sagen, wie wichtig und schön der Laden hier ist, wenn ich gleichzeitig schon die zweite Mieterhöhung mitgemacht habe. Ich werde durch die Gitarren nicht reich, den Rest mache ich ja eher, weil ich selbst so auf die 60er stehe. Wenn ich den Kaufmann in mir frage, sagt der, hör auf damit.“

Und dann?

„Dann kommt ein Typ und erzählt mir von dieser Wahnsinnsgitarre, die er aber gerade ins Pfandhaus geschleppt hat. Und ich geh mit ihm hin und lös sie aus und genau das habe ich seit zehn Jahren gesucht. Dann habe ich was, was ich nur von Bildern kenne, in der Hand. Und hier geht es dann weiter, da kommen Typen aus Hagen oder Köln rein und sagen – ach die Gitarre, die hatte unser Gitarrist damals und die hat er gekauft, weil David Bowie die auf einem Bild umgeschnallt hatte. So geht die Fieberkurve wieder los und dann denke ich, genau so einen Laden braucht diese Region und ich brauch den Laden.“

Rockaway Beat, Gneisenaustraße 61, Di - Fr 13 bis 19 Uhr geöffnet.

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