VERTIKAL

Page 1

VERTIKAL

2

VERTIKAL FRIEDRICH DON

DAS PHÄNOMEN DER SENKRECHTEN

ein vertikal-orthogonales Bildprojekt

BARNETT NEWMAN

art must become a metaphysical exercise

Die Senkrechte in Form von Linien, Streifen oder Feldern als Stilmittel der abstrakten Kunst hat mich zum ersten Mal bei den monumentalen Farbgemälden von Barnett Newman beeindruckt. Im Besonderen das Acrylbild „Voice of Fire“. Sein kolossales Format von 543 x 243 cm und der symmetrischen Strenge von nur drei Blau-Rot-Blau Streifen macht die Vertikale zu einem ästhetischen und visuellen Ereignis. In seiner extremen Reduktion spürt man Erhabenheit und spirituelle Tiefe gleichermaßen. Ein Werk, das die Form dreier farbiger Felder insofern verlässt, da die Wahrnehmung nicht mehr vorrangig der puren Form gilt, sondern eher einem, im kantischen Sinne transzendenten Kraftfeld dahinter. Ein Phänomen, das in seiner metaphysischen und sinnlichen Ausstrahlung mehr zeigt und preisgibt als seine profane Farboberfläche überhaupt darstellen kann.

Barnett Newman verabschiedete sich mit seinem Minimalismus schon 1944 von einem surrealistischen Formenvokabular, weil er der Meinung war, dass die Künstler nach dem Impressionismus vor allem mit technischen Fragen befasst waren und das eigentliche Anliegen der Kunst aus den Augen verloren hätten. Schon 1926 äußerte er den Gedanken, dass der Künstler nicht nur aus purer Leidenschaft Formen schafft, sondern damit eher eine ästhetische Idee entwickelt, die ihm eigen und ewig ist. 1944 schreibt er, selbstverständlich ist moderne Kunst abstrakt und intellektuell und damit Ausdruck des menschlichen Geistes. Und weiter postuliert er, dem modernen Künstler dürfe es nicht nur um Individualismus oder Subjektives gehen, sondern um die Erfassung des „Weltmysteriums“. Letztlich liege die Wahrheit einzig und allein in der Suche nach den verborgenen Bedeutungen des Lebens. Kunst müsse daher zur metaphysischen Übung werden.

„Art must become a metaphysical exercise“.

PROLOG

AXIS MUNDI

Der lateinische Begriff „Axis Mundi“ heißt übersetzt, „die Weltachse“ oder die „Weltsäule“. Sie veranschaulicht in monumentalster Form als übergeordnete und grundlegende mythologische Metapher, die Vertikale oder auch Senkrechte. Sie gilt sowohl als geometrische Grundform wie auch als ein geistiges Objekt in vielen Kulturen unserer Welt. Sie wird in archaischen Weltbildern als die Verbindungslinie zwischen den Zentren von Himmel und Erde beschrieben. In prähistorischen Aufzeichnungen und Darstellungen wird sie oft als Achse, Baum, Säule oder Leiter beschrieben. Die Senkrechte gehört in diesem Zusammenhang zu einer elementaren Erfahrungskategorie des Erhabenen und ist ein absolut fundamentales Erkenntnisobjekt. Eine philosophische Wertkonstante, die mehr hat, als nur eine bloße richtungsweisende Eigenschaft. Die Vertikale ist mehr als die Lotrichtung oder das Gegenstück zur Horizontalen.

In ihrem Wertbegriff steckt eine Haltung und Idee, die geistig existenziell wie auch naturgesetzlich verankert ist. In ihrer universell archaischen Begrifflichkeit stecken die Idee und das Prinzip von Unendlichkeit, Wachstum, Bewegung oder auch der aufrechte Gang des Menschen. Ihrem Wesen nach ist sie aktiv emporstrebend, aufwärtsgerichtet, wenn man so sagen will, wie ein architektonisches Grundmuster - stehend, fest, stabil und nach oben gerichtet. Rein optisch gekennzeichnet wird die Vertikale in der Regel durch eine Linie, die im 90°Winkel zur Horizontalen steht. Ihre mathematische Eindeutigkeit und Exaktheit bezieht sie aus dem elementaren geometrischen Prinzip der Orthogonalität.

Basierend auf der sechsteiligen Paneel Installation „Metamorphosis“ aus dem Jahre 2021 (Seite10) entstanden in den folgenden knapp zwei Jahren bis Ende 2022 das vertikal-orthogonale Bildprojekt „VERTIKAL“. Aus den sechs unterschiedlichen senkrechten Linienraster („Grid“ genannt) wurden zahlreiche vertikale Bildgrafiken entwickelt. Ihr artifizieller Bildaufbau und Komposition wurden aus eben diesen Linearrastern entnommen und als grafische Objekt-Unikate auf Alu-Dibond Paneele mit einer 7-Farb-Technologie realisiert.

Die durchgehende Formatgröße von 160 x 60 cm wurde vom Tafelmaß der „Metamorphosis“- Installation vorgegeben. Ihre jeweiligen Grundraster definierten so die Gestaltung der gesamten Grid Serie bis ins Detail. Die bewusste Aufteilung von 11 Linien pro Tafel machte sowohl einen symmetrischen wie auch asymmetrischen Bildaufbau möglich. Die unterschiedlichen Liniendimensionen der Paneel Reihen sind so strukturiert, dass bei Grid 1 die Linienstärke schwarz erscheint und im Gegensatz dazu bei Grid 6 die Linienstärke sich weiß abbildet und dadurch eine klassische Positiv-Negativ Wirkung entsteht.

Die schwarze Linie wandelt sich über die einzelnen Tafelstationen hinweg schließlich zu einer weißen Linienerscheinung. In Wirklichkeit ist diese Linie aber nur übriggebliebener Zwischenraum von der breitesten Linienstärke in der letzten Bildtafel. Die expandierende Linien-Gradation bildet so den jeweiligen Raster-Grauwert des Gesamtobjekts und erscheint aus einem gewissen Abstand betrachtet als eine Art Grauv erlauf, der die ganze Installation auch optisch vereint.

8 |
ZUR DNA DER BILDER

Interessant bei der Bildgestaltung der Grid Serien I - VI war nicht nur der sichtbare Linienraster, sondern im Verbund auch seine Zwischenräume, deren Belegung mit Farbe erst eine durchgängige Flächigkeit möglich machte. Dabei entstanden sozusagen „systematische Bildobjekte“, die sich aus Linien, Streifen, und Feldern zusammensetzten und die Ordnung des jeweiligen Grundrasters verborgen reflektierten. Innerhalb dieser Lineaturen und Flächennetze war vieles möglich.

Dabei war mir wichtig visuelle Spannungsfelder zu erzeugen, in denen Linien und Flächen interagieren und interessante neue Ordnungsgefüge bildeten. Natürlich stand dabei immer im Fokus die Sichtbarmachung der Vertikalen. Ausschlaggebend waren dabei auch die Entwicklung sublimer Proportionen, die Schaffung ungewöhnlicher Bildcharakteristiken und Formrhythmen, die sich mit den Prinzipien von Symmetrie und Asymmetrie in Szene setzen konnten. Eine Serie von Bildunikaten ist entstanden, die das Thema der Vertikalen signifikant präsentieren. In der Strenge dieser Hochformate und ihren minimalistischen Gittervarianten entstanden Arbeiten, die partiell das latente Abbild ihres untergelegten Linienrasters darstellen und somit automatisch eine formale Werktreue entwickelten ohne in Monotonie abzugleiten. Dabei spielten die Möglichkeiten von Formvarianz und der Einsatz von interessanten Farbstrukturen eine wesentliche Rolle. Fast spielerisch versuchte ich aus den Grid-Baukästen reduzierte Bildkonstrukte abzuleiten, die letztlich bestimmte Themengruppen hervorbrachten. Dazu gehören minimalistische Flächen- und Linienkompositionen, Turm- und Säulengebilde, Grenz- und Messlinien Motive oder einfach farborientierte Streifenbilder.

Die Basis der Farbgestaltung war eine reduzierte Farbpalette bestehend aus den Grundfarben, die mit den dazugehörigen Hell- und Dunkeltönen das Farbkonzept bildeten. Unterstützung und Prägnanz erhielten sie von Schwarz und einer ergänzenden Grauwertskala. Schwarz und Grau sind die wichtigen Farben der Grafik. Ihr quantitativer Einsatz akzentuierte meiner Meinung nach den Farbaufbau und die Komposition, differenzierte und veredelte mitunter die Gesamterscheinung des Bildes. Farbe und Form sind in allen Grid Serien die entscheidenden Gestaltungselemente und bestimmen zu gleichen Teilen den abstrakten Bildinhalt. Sie sind manchmal Assoziationsträger aber nur soweit, wie dies der Rezipient für sich zulässt.

Alle Motive haben in ihrer flächigen Erscheinungsform eines gemeinsam, sie verwenden orthogonale Geometrien, die eine Bildsprache sprechen ähnlich die der Architektur. Die unsichtbaren Liniennetze, die unter allen Bildobjekten liegen sind sozusagen die DNA des Bildes. Eine Art Code der strukturell vieles möglich macht, aber willkürliches Formvokabular ausschließt. Eine ästhetische Beschränkung, die in ihrer konsequenten Anwendung, Strenge, Klarheit, Genauigkeit und Vielfalt hervorbringt und gleichzeitig auch bildnerische Logik kommuniziert. Eine Bildästhetik, die sich vor dem abstrakten Kunstbegriff tief verneigt aber auch versucht unbekannte Wege zu entdecken.

| 9
10 | Installation > Metamorphosis < (
I -VI ) 2021
Grids

GRID I SERIE

12
| Open the White Door ( Grid I ) 2021
14 | Dominant
(
I ) 2021
Blue Stripe
Grid
16
2021
| Staggered Stripes on Fields ( Grid I )
18 | Red in Darkness ( Grid I ) 2021
20 | Four
I ) 2021
Grid Fields ( Grid

Two Black Stripes on Color Fields ( Grid I ) 2021

22 |
24 | Installation > Voice of Color < No. 1 + 2 ( Grid I ) 2021
26 | Blue Field Composition 1 ( Grid I ) 2021
28 | Colorful Field Composition No.1 (Grid I ) 2021
30 | Colorful
Composition No.2 ( Grid I ) 2021
Field
32 | Black an White Line Composition 1 ( Grid I ) 2021
34 | Red Center Line ( Grid I ) 2021

GRID II SERIE

36 | Opposite ( Grid II ) 2021
38 |
2021
Staggered Stripes on Black and Grey ( Grid II )
40 | Staggered Parallels
II ) 2021
on Grey ( Grid
42 | Asymmetric Black ( Grid II ) 2021
44 | Installation - Asymmetric Blue | Asymmetric Red ( Grid II ) 2021
46 | Blue Space ( Grid II ) 2021
48 | Staggered Color Stripes ( Grid II ) 2021
50
2021
| Grey Construction for Two Colors ( Grid II )
52 |
2021
Construction No.1 ( Grid II )
54 | Red Construction ( Grid II ) 2021
56 | Construction No.3 (
II ) 2021
Grid
58 |
Line and Stripe Construction No.4 ( Grid II ) 2021
60 | Grey Tower ( Grid II ) 2021
62 | Blue Tower ( Grid II ) 2021
64 | Red Tower ( Grid II ) 2021
66 | Limit
II ) 2021
Lines No.1 ( Grid
68 | Limit Lines No.2 ( Grid II ) 2021

GRID III SERIE

70 | Grey in Cage ( Grid III ) 2022
72 |
Installation - Colors in Cage ( Grid III ) 2022
74 | Color Order No.1 ( Grid III ) 2022
76 | Color Order No.2 ( Grid III ) 2022
78 | Symmetrical Order ( Grid III ) 2022
80 | Black and White Measuring Line ( Grid III ) 2022
82 | Yellow Measuring Line | Red Measuring Line ( Grid III ) 2022
84 | Colorful Measuring Line ( Grid III ) 2022
86 | Parallel Measuring Lines ( Grid III ) 2022
88 | Measuring Line and Stripe ( Grid III ) 2022
90 |
Staggered Measuring Double Line | Interrupted White Line ( Grid III ) 2022
92 | Center Column ( Grid III ) 2022
94 | Installation -
Column left | Column right ( Grid III ) 2022
96 | Field Composition ( Grid III ) 2022
98 |
) 2022
Colorful Ribbon on Grey ( Grid III
100 | Vertical Patchwork ( Grid III ) 2022
102 |
Installation - Colors with staggered Grid Fields ( Grid III ) 2022
104 | Red Cage Reflection ( Grid III ) 2022
106 | Turquoise
( Grid III ) 2022
Cage
108 |
) 2022
Measuring Line with staggered Grid Fields ( Grid III
110 |
2022
Blue Lattice Tower ( Grid III )
112 | Black
III ) 2022
Massive Tower ( Grid

GRID IV SERIE

114 | Red Line in Black Cage ( Grid IV ) 2022
116 | Big Cage ( Grid IV ) 2022
118 |
2022
Captured Black and Grey Squares ( Grid IV )
120 |
Installation > Captured Color Squares < ( Grid IV ) 2022
122 | Colorful Square in
( Grid IV ) 2022
Cage
124 | Connection Line ( Grid IV ) 2022
126 | Lines Connection ( Grid IV ) 2022)
128 |
-
Installation
Black Center Line on Red and Blue ( Grid IV ) 2022
130 |
Installation - Black Stripe on Blue and Red ( Grid IV ) 2022
132 |
2022
Isolated Stripes on White ( Grid IV )
134 | Captured Yellow ( Grid IV ) 2022
136 | Column in the Dark ( Grid IV ) 2022
138 | Column 1 ( Grid IV ) 2022
140 | Column 2 ( Grid IV ) 2022
142 |
2022
Black Line Color Stripe on Grey ( Grid IV )
144 | Double Line on Blue ( Grid IV ) 2022
146 |
) 2022
Split Narrow Tower ( Grid IV
148 | Protected Tower ( Grid IV ) 2022
150 | Red Lines
( Grid IV ) 2022
Fragment
152 | Grid Fragment ( Grid IV ) 2022
154 | Blue Grid Fragment ( Grid IV ) 2022
156 | Line System on Grey ( Grid IV ) 2022
158
| Color Fields with interrupted White Line ( Grid IV ) 2022
160 | Captured Blue Curve ( Grid IV ) 2022
162 | Cage Exit ( Grid IV ) 2022

GRID SERIE V

164 | Broken Verticals ( Grid V ) 2022
166 | Asymmetrical Brown ( Grid V ) 2022
168 | Red Parallel Stripe ( Grid V ) 2022
170 | Stripes Fragment on Black ( Grid V ) 2022
172 |
) 2022
Falling Stripes on Grey ( Grid V
174 | Opposite Stripe and Line ( Grid V ) 2022
176 | Lines and Stripes
( Grid V ) 2022
Composition
178 |
Installation - Two Grey Fields with colorful Stripes 1 + 2 ( Grid V ) 2022
180 | Opposite Asymmetry ( Grid V ) 2022
182 |
Installation
- Asymmetric Color Fields 1 + 2 ( Grid V )
2022
184 |
Line ( Grid V ) 2022
Broken Black
186 | Black and White Gradation ( Grid V ) 2022
188 | Color Line Gradation on Black ( Grid V ) 2022
190 |
2022
Color Stripe Gradation on Grey ( Grid V )
192 | Colors in Cage ( Grid V ) 2022
194 | Golden Cage ( Grid V ) 2022

GRID SERIE VI

196 | Light Lines ( Grid VI ) 2022

198 | Upward Striving 1 ( Grid VI ) 2022
200
| Upward Striving 2 ( Grid VI ) 2022
202 | Installation - Reverse Violet 1 + 2 ( Grid VI ) 2022
204 | Installation - Below | Above ( Grid VI ) 2022
206 | Dark Center Stripe ( Grid VI ) 2022
208 | Bright Red Center Stripe ( Grid VI ) 2022
210 | Grey Column on Red ( Grid VI ) 2022
212 | Dark and Light ( Grid VI ) 2022
214 | Installation -
) 2022
Into the Light ( Grid VI
216 |
Installation
-
Field Composition with Black Stripe 1 + 2 ( Grid VI ) 2022
218 | Isolated Red Curve ( Grid VI ) 2022
220 |
Installation - Red and Black Curve ( Grid VI ) 2022
222 | Grey Tower ( Grid VI ) 2022
224 | Golden Tower ( Grid VI ) 2022
226 | Disturbed Order ( Grid VI ) 2022

COLOR STRIPES SERIE

RENAISSANCE SERIE

Die folgenden vertikalen Farbstreifen Objekte sind farbfokussierte Übertragungsmontagen, die aus extrem hochprojizierten Digitalfotografien stammen. Jede der Farbstreifen repräsentiert ein selektiertes Farbpixel aus einer anonymen Fotografie. Der importierte Farbwert wurde für eine bestimmte Farbreihencollage verwendet das eine besondere Erscheinungsfarbcharakteristika verkörpert. Aus einem realen Abbild entstand eine abstrakte Bildgrafik, die nichts mehr von ihrer Bildquelle übriglässt. Es manifestiert sich sowohl ein neuer Inhalt wie auch eine neue Gestalt. Dasselbe gilt auch für die „Square Reihe“ im nachfolgenden Teil.

Diese neue Realität verliert im Gegensatz zu den Extrakten der Landscape Serie offensichtlich jegliche Verbindung zu seinem Ausgangsbild. Dennoch ist es für mich als sein Urheber ein Ausdruck seiner früheren bildnerischen Existenz. Es ist das Produkt eines Gestaltungsprozesses, der einer „metaphysischen Übung“ im Sinne von Barnett Newman gleichkommt. Aus einem vermeintlich latenten Pixelchaos des Ursprungbildes entsteht eine neue Ordnung in aller Klarheit und Schärfe. Im monotonen Rhythmus der Streifen konzentriert sich der Inhalt des Bildes absolut nur auf die Reste seines übrig gebliebenen Farbkörpers. Das immanente Bild dahinter bleibt nur für mich als sein Macher konkret und ich erkenne deshalb auch den Wesenskern seiner neuen abstrakten Form. Dem Betrachter aber bleibt das Wertvollste erhalten, nämlich seine grenzenlose Phantasie gepaart mit Neugier.

Ähnlich ist es bei der Renaissance Serie. Der Unterschied besteht darin, dass die Bildquelle konkret benannt und auch gezeigt wird. Hier wurden farbrelevante Bildausschnitte von Gemälden einiger bekannten italienischen Renaissance Maler der Cinquecento Epoche ausgewählt, die die Farbpaletten ihrer Meister zeigen. Die Farben wurden aus einer Druckvorlage sorgfältig selektiert und für eine Streifensequenz arrangiert. Dabei stellte ich fest, dass ihre Abstraktion eine erstaunliche Nähe zum figürlichen Ursprungsbild aufbaute. Nachvollziehbar in seinem farblichen Inhalt wird hier das 12-streifige Bildobjekt in seiner Farbcodierung zu einem sensitiven Gegenstand, der die charakteristische Farbenwelt der Renaissance skizziert.

Die Extrahierung der einzelnen Farben erfolgte aus digitalen Vorlagen, die für Jedermann zur Verfügung stehen. Trotz dieser etwas profanen Übertragungstechnik bin ich der Meinung, dass auch die Reproduktionen das Farb-Wesentliche reflektieren. Hier geht es nicht um absolute Farbtreue zum Original, sondern um die generelle Erscheinungsfarbigkeit des Farbstreifenbildes im Vergleich zu seiner digitalen Gemäldevorlage. Sie verraten durchaus die pauschalen Farbvorlieben der großen Maler jener Zeit in diesen abstrakten Bildobjekten. Sein Ergebnis kann durchaus auch als selbstständiges Farbobjekt betrachtet werden. Die Idee des Extrahierungsvorgang und deren Ordnung im Farbstreifen ist genauso wichtig wie ihre Farbimpression bei der Betrachtung der Tafel in der Totalen.

228 |

COLOR STRIPES SERIE

230
1 |
| Color Stripes No.
2022
232 | Color Stripes No.2 | 2022

RENAISSANCE SERIE

234 |
| 2022
Stripes Panel > Bellini <
236 | Stripes
< | 2022
Panel > Ghirlandaio
238 | Stripes Panel > Masaccio < | 2022
240 | Stripes
< | 2022
Panel > Raffael
242 | Stripes Panel > Tizian < | 2022
244 | Stripes Panel > Vasari < | 2022
246 | Stripes
| 2022
Panel > Verrocchio <

SQUARE SERIE

248 | Light Dark Color Square | 2022
250 | Ochre Color Square | 2022
252 | Blue Color Square | 2022
254 | Cool Red Color Square | 2022
256 | Cool Warm Color Square | 2022
258 | Brown Color Square | 2022

LANDSCAPE SERIE

Der Bildaufbau der Landscape Serie ist auf den ersten Blick widersprüchlich und unlogisch, da die Vertikale hier in ein Querformat gezwungen wird und ihr wichtigstes Merkmal die Senkrechte sich nicht gebührend entfalten kann. Im Mittelpunkt dieser Reihe steht ein breit gefächertes Farbspektrum aus Vertikalstreifen. Achtzig Farbfelder zeigen eine ungeordnete Farbkarte bestehend aus Voll- und Zwischentönen zusammen mit einer Vielzahl von Grauwerten.

Nur aus einer bestimmten Entfernung kann das Farbtafelobjekt ganzheitlich wahrgenommen und mit Farbassoziationen oder Tendenzen in Verbindung gebracht werden. Konkrete Farbkonstellationen beziehungsweise Korrelationen lassen sich nur aus der Nähe studieren. Der Zusammenhang des kompletten Farbumfeldes verlangt eine hohe Konzentration vom Betrachter ab. Die Merkfähigkeit von längeren Farbsequenzen können vom Sehapparat nicht optimal erfasst werden, da den Rezeptoren des Auges in Verbindung mit der neuronalen Leistung des Gehirns Grenzen gesetzt sind. Dieses Faktum hat mich bewogen einen bestimmten Bereich aus diesem 80-streifigen Farbfeldobjekt heraus zu selektieren.

DAS EXTRAKT

In der gleichen Formatgröße transformiert sich nun das Extrakt zu einer völlig neuen Farbcharakteristika. Interessant ist, dass auch nach längerer Betrachtung nicht gleich der kongruente Bildausschnitt im Ausgangsobjekt zu orten ist und deshalb vielleicht auch eine andere Farbrealität entsteht im Vergleich zu seinem komplexen Ursprungsbild.

Das neue Bildobjekt provoziert allemal die Suche nach dem betreffenden Bildausschnitt aufzunehmen und einen analytischen Blick ins Quellenobjekt zu werfen. Hat man die entsprechende Farbsequenz entdeckt, schwankt man entweder zwischen zwei Bildebenen oder zwei unterschiedlichen Bildobjekten. Für mich jedenfalls war das extrahierte Bild immer zuerst eine farbästhetische Neuschöpfung, also ein neues Bild. Eine Überraschung im Sinne einer transformierten Farbanmutung, die sicherlich hervorgerufen wurde durch ihre Isolation, die größere Dimensionierung der Farbflächen und die Reduktion auf 12 Felder. Die Landscape Bilder haben alle die Maße 140 x 60 cm und sind auf Alu Dibond gedruckt.

In Wirklichkeit, so glaube ich, entstand tatsächlich ein neues Bildobjekt, das sich von seinem vorausgehenden Kontext abnabelte und so eine vollkommen neue Bildrealität entfalten konnte. Aus diesem Grunde habe ich das Extrakt-Bild im Katalog vor das Quellenobjekt gestellt. Das einzige Verbindungsglied zu seiner Quelle ist vermutlich nur noch das Wissen über den Prozess seiner Entstehung oder der etwas mühsamere Weg, die Recherche nach seinem Ursprungsort.

260 |

LANDSCAPE SERIE

262 | Object Color Extract 1 | 2022
264 | Object Color Range 1 | 2022
266 | Object Color Extract 2 | 2022
268 | Object Color Range 2 | 2022
270 | Object Color Extract 3 | 2022
272 | Object Color Range 3 | 2022
274 | Object Color Extract 4 | 2022
276 | Object Color Range 4 | 2022
278 | Object Color Extract 5 | 2022
280 | Object Color Range 5 | 2022
282 | Object Color Extract 6 | 2022
284 | Object Color Range 6 | 2022

GLOBALE ZEICHEN

Vertikale schwarze Linien unterschiedlich dick, alle gleich hoch und in verschiedenen Abständen nüchtern auf eine weiße Fläche gedruckt - wer kennt sie nicht? Barcodes sind globale Zeichen unserer digitalen Zeit. Chiffren, die überall und meist etwas versteckt unseren Alltag begleiten. Ein Emblem, das unsere Konsum- und Warenwelt funktionieren lässt und effektiver macht. Ein verrätseltes Symbol, das mit komplexen Informationen aufgeladen ist und als Schlüssel in der digitalen Welt dient. Norman Joseph Woodland und Bernard Silver führten schon 1949 erste Versuche mit dem Strichcode durch, bis sie die Erfindung dann 1952 patentieren ließen. Es dauerte dann noch 60 Jahre bis sich die generierte Strichgrafik als Identifizierungsnummer und als ein kommunikatives Instrument der Warenwirtschaft einsetzen konnten. Heute findet man das kleine schwarz-weiße Etikett in jedem Supermarkt, Bekleidungsgeschäft oder Buchladen etc. wieder, wo mittels einer Scanner Software zwischenbetriebliche Kommunikation sicher und präzise ausgeführt werden kann. Der neue Begriff „Barcode“ wurde in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommen und die briefmarkengroßen Etiketten sind seither aus unserem alltäglichen Konsumverhalten nicht mehr wegzudenken.

Was daran fasziniert ist, dass eine absolut reduzierte Strichgrafik ähnlich wie die der Binärcodes mit ihren Ziffernsequenzen jegliche Information transportieren können. Beim Barcode wird die Informationsweitergabe durch einfache lapidare Strichsequenzen erzielt. Als vertikal ausgerichtetes Liniensystem, das mit unterschiedlichen Abständen und Stärken

eine grafisch markante Wirkung erzeugt, hat mich als Vorlage für das „VERTIKAL“ Projekt ästhetisch angesprochen und auch bildnerisch provoziert. Ihre reduzierte Formensprache und ihr breites Gestaltungspotenzial, ist auf mein kreatives Interesse gestoßen. Ihre optisch funktionelle Sprache als Kommunikationsmittel wurde in meinen Bildern logischerweise ausgeblendet, so dass die neue Strichsequenz keinen lesbaren Codes mehr darstellen musste. Interessant wurde für mich der rein visuelle Gehalt, der freie unabhängige nutzbare Raum, die freie Strich- und Balkendarstellung als Mittel der Gestaltung.

Die reduzierte Strichästhetik gefiel mir sehr, weil sie durch einfache Veränderungen der Strichmodi - Rhythmus, Takt und Bewegung auf der freien Fläche darstellbar machte. Ein Instrumentarium, das generell vieles zuließ, dennoch Willkür vermied. Es entstanden grafische Zeichensequenzen, die eine Art visuelle Musik artikulierten. Grafische Akkorde und Intervalle konnten sichtbar und erlebbar gemacht werden. Ich verband damit ein anderes „Hören“ eben nur mit den Augen. Es ist stumme Musik, statisch als Schwingungsmoment festgehalten. So wie Musik innere Bilder schafft, bringen die „Black Line Serie“ Tonalität in die sichtbare Welt. Töne und Klänge werden zu einfachen Zeichengebilden, die Schwingung und Rhythmus suggerieren. Mehr noch, in den Color Line Serie habe ich versucht eine Art Klang zu zeichnen, bestehend aus visuellen Intervallen und Akkorden. Die Tafeln sind einer anderen Form von Musik gewidmet, auf denen eine Klangfarbe nie verhallt und die Augen vielleicht durch feine sensible Strichstrukturen sogar Schwingungen wahrnehmen können.

Barcode für die Website von Don Artworks.

286 |

BLACK LINE SERIE

288 | Lines Rhythm No.1 | 2020
290 | Lines Rhythm No.2 | 2020
292 | Lines Rhythm No.3 | 2020
294 | Lines Rhythm No.4 | 2020
296 | Lines Rhythm No.5 | 2020
298 | Lines Rhythm No.6 | 2020

COLOR LINE SERIE

300 | Blue Black Yellow Chord | 2020
302 | Big Black Interval | 2020
304 | Blue Grey Red Chord | 2020
306 | Big Grey Interval | 2020
308 | Grey Yellow Blue Chord | 2020
310 | Big Red Interval | 2020

HERAUSGEBER

TEXT UND LAYOUT FRIEDRICH DON

DRUCK DRUCKEREI BÜHLER LUDWIGSBURG

© DON ARTWORKS 2023 www.don-artworks.de

Cover Ausschnitt > Opposite < Seite 37

Anmerkung: Alle quadratischen Bilder haben die Maße 100 x 100 cm.

DON ARTWORKS

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.