Höhepunkt - Septemberausgabe 2012

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21. Ausgabe September 2012

HÖHEPUNKT

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Velostadt Zürich? - von der Baustelle zum Leuchtturmprojekt

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Lochgraber werden eingelocht

Die Velowege in Zürich sind ein Graus. Trotzdem kommt schon 2014 ein Bikesharing System an die Limmat. Ein weiterer bizzarer Fall aus dem Justizwesen.

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Klassischer Höhepunkt Wie sie kommt.


INHALT

21. Ausgabe, September 2012

EDITORIAL

IMPRESSUM

seite 03: züüüri...und die schweiz

REDAKTION verein dieperspektive, zentralstrasse 167, simon jacoby, conradin zellweger, manuel perriard, 8003 zürich TEXT

HINTERGRUND

p.w. | c.z. | c.w. | l.e. | m.m. | d.l. | ch.z. | m.b. | k.o. | a.h.b. | k. ILLUSTRATION / BILD

seite 04: das duell #11 - höhepunkt seite 05: raucht so viel ihr wollt - und stimmt ja zum schutz vor passivrauchen seite 06: verloren in der stille seite 07: rauchen, saufen und kiffen seite 08: lochgraber werden eingelocht seite 09: von hinkenden vögeln

s.l. | r.t. | s.k. | k. COVER karin schneider LAYOUT per rjard LEKTORAT cornelia reinhard & noemi heule WEBDESIGN

KULTUR

timo beeler | timobeeler.ch REDAKTIONSMITARBEITER

seite 10: wieso man sich eine cd kaufen sollte

jonas ritscher & konstantin furrer DRUCK zds zeitungsdruck schaffhausen ag

HÖHEPUNKT

AUFLAGE 4000

seite 13: der verrat der berge seite 14: velostadt zürich? - von der baustelle zum leuchtturmprojekt seite 16: klassischer höhepunkt seite 17: der berg schreit seite 21: aufstieg zum jedi seite 22: eine reise ins land des kardamons

ARTIKEL EINSENDEN artikel@dieperspektive.ch WERBUNG simon@dieperspektive.ch ABO abo@dieperspektive.ch LESERBRIEFE leserbriefe@dieperspektive.ch

VORSCHAU

THEMA DER NÄCHSTEN AUSGABE heimat

seite 23: das live-duell seite 24: artikel des jahres

GÖNNERKONTO pc 87-85011-6, vermerk: gern geschehen REDAKTIONSSCHLUSS freitag 14. september 2012, 23.55 uhr

Illustratorin des Monats

Name: Karin Schneider Illustratorin in Zürich karinschneider.ch Seiten: 1 | 7 | 9 | 13 & 16 Vielen Dank an Karin Schneider für die Ilustrationen zu den Texten und das Titelbild. Möchtest auch du das Titelbild gestalten und die Texte grafische unterlegen? Melde dich auf info@dieperspektive.ch

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EDITORIAL

21. Ausgabe, September 2012

Züüüri... und die Schweiz Oh ja, da haben wir uns was eingebrockt. Zürich soll die Hauptstadt der Schweiz werden? Die zartesten Reaktionen bekamen wir von den Klugscheissern: «Die Schweiz hat im Fall gar keine Hauptstadt, nur eine Bundesstadt.» Wissen wir. Warum wohl schrieben wir Bundesstadt in den Initiativtext? Die erste Frage der Journis war immer die gleiche: «Meint ihr das ernst?» Die Juso findet es eine Furzidee. Alt-Stapi Ledergerber gar «birreweich». Und wir? Ja, wir finden es toll. Weil wir das Ziel erreicht haben. Nein, die Unterschriften haben wir noch nicht zusammen. Aber darum geht es gar nicht. Es geht auch nicht darum, den Bernern das Bundeshaus zu klauen. Es geht auch nicht darum zu zeigen, dass Zürich die arroganteste Stadt der Schweiz ist (um das Gegenteil zu beweisen bieten wir unseren Abonnenten eine kostenlose Stadtführung an). Wir wollten doch nur reden. Reden darüber, wie einfach es ist, eine Initiative zu lancieren. Reden darüber, wie schwierig es ist, nachher die schiere Menge an Unterschriften zu sammeln. Reden darüber, ob man die bestehenden Strukturen hinterfragen darf (darf man offensichtlich nicht). Der Beginn des medialen Sommerlochs hat uns da natürlich in die Hände gespielt. Ist es sinnvoll, dass jede «Furzidee», auch wenn sie gegen das Völkerrecht verstösst, als Initiative lanciert werden kann? Wäre es nicht sinnvoller, wenn die Vorprüfung strenger wäre, die benötigte Anzahl an Unterschriften dafür geringer? Wäre es nicht sinnvoller, wenn ein Gericht darüber entscheidet, ob eine Initiative gültig ist? Eben, wir wissen es auch nicht. Wir wollen es aber herausfinden. Ob es was gebracht hat, muss jeder für sich selber urteilen. Wir sind zufrieden. Und wir ziehen unsere Initiative zurück. Vorbehaltlos, wie es auf dem Unterschriftenbogen steht. Übrigens: Für all jene, die meinen, wir wollten nur unseren Abo-Verkauf ankurbeln: Nichts gewesen, ausser Spesen. Als Gegengewicht zu unserer gut zürcherischen (extra kleingeschrieben) Arroganz will ich nicht vergessen, die wunderschönen Wahrzeichen der anderen Schweizer Städte herauszustreichen: Bern: Die verschiedensten Steine im Bundeshaus, die stilvoll aufeinander gemauert wurden. Basel: Das Schild an der Autobahn, wenn man über die Grenze ins Heimatland zurückfährt, mit der grossen Aufschrift: «ZÜRICH» Locarno: Die Aussicht von der Madonna del Sasso, nachdem der steile Aufstieg mit dem Auto bewältigt und ein Parkplatz gefunden wurde. St. Gallen: Nicht die HSG. Vielleicht die Stiftsbibliothek? Genf: Die säuselnde und fremdartige Sprache, die in Zürich leider kaum jemand zu verstehen in der Lage ist. Schaffhausen: Das Stadttor mit der Aufschrift: «Lappi tue d'Auge uf». Chur: Die grossen Berge rund um die Stadt.

Anmeldungen für die gratis Stadtführung an: info@dieperspektive.ch

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Simon A. Jacoby Für die Redaktion

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HINTERGRUND 21. Ausgabe, September 2012

Das Duell #11 - Höhepunkt {Text} * Conradin Zellweger und Peter Werder

Conradin Zellweger: Lieber Herr Werder, Sie möchten über politische Korrektheit diskutieren? Was hat das mit Höhepunkt zu tun? Peter Werder: Ich bin der Meinung, dass wir den Höhepunkt der politischen Korrektheit langsam erreicht haben. Es nervt. Wollen Sie wissen, wieso? Unglaublich: Fussgängerstreifen, Ausländer, Prostituierte - darf man alles nicht mehr sagen. Der Bund hat sogar eine Publikation zum «Geschlechtergerechten Formulieren» erstellt. Knapp 200 Seiten. CZ: Prostituierte soll neu wie heissen? Fussgängerstreifen durch Strassenüberquerungsmarkierung ersetzt werden? Ein absoluter Schwachsinn. Eine solche Gender-Neutralisation ist meiner Meinung nach überflüssig. Wie Sie ja sicherlich wissen, 200 Seiten sind nicht sonderlich viel für etwas, was der Bund in die Hand nimmt. PW: Prostituierte heissen neu Sex- oder Streetworkerinnen. CZ: Aber bei Prostituierten ist es anders. Dabei geht es gar nicht so sehr um politische Correctness. Die Bezeichnungen «Prostituierte» und «Nutte» sind nun mal sehr negativ konnotiert. Wenn sich nun die öffentliche Wahrnehmung eines Berufes ändern soll, kommt ein Namenswechsel gelegen. Gewisse Altlasten können so hinter sich gelassen werden. In Ihrem Beispiel also weg von der schmuddligen Nutte am Strassenstrich, hin zu einer Sexworkerin in behüteten Sexboxen. PW: Das ist genau das Problem: Man versucht, über den Begriff die Wahrheit zu verändern. Wenn man einen Beruf aufwerten will, dann soll man das de facto tun und nicht mit Begriffsklauberei. Damit schränkt man vor allem die Redefreiheit ein und ordnet sie solchen waghalsigen Theorien unter. Ihre linken Freunde sagen ja auch nicht mehr Ausländer, sondern Migrant. CZ: Nicht alles, was einen neuen Anstrich be-

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kommt, ändert sich auch im Kern. Aber wenn sich der Kern ändert und die Fassade die alte bleibt, ist es aus der Distanz oft nicht möglich, einen Unterschied festzustellen. Das war jetzt hoffentlich nicht zu bildlich für Sie.

Begriff wurde lange Zeit für etwas verwendet, was nicht dem richtigen Bild entspricht. In solchen Fällen finde ich politische Correctness gut. «Ausländer» ist da noch harmlos dagegen, aber wir haben dazugelernt.

PW: Nein, das ist Quatsch. Wissen Sie, was das Problem ist? Ich nenne die Vertreter Ihrer Gilde die «ewig Besorgten». Ihnen kommt der Humor abhanden, alles ist so ernst und wichtig. Entweder wählt man dann grün, weil man die Welt kurz vor dem Kollaps sieht («Wir haben nur eine»), oder man wählt rot, weil man ein Helfersyndrom hat. Und darum muss auch noch die Sprache dran glauben.

PW: Ich habe nur darauf gewartet, dass das Beispiel mit «Neger» kommt. Wollen Sie wirklich die Konnotationen von «Ausländer» mit denen vom Begriff «Neger» vergleichen? Wieso können wir nicht «Ausländer» sagen, ohne dass damit eine Wertung gehört werden muss? Wieso darf ich den olympischen Beach-Volleyballerinnen nicht auf den Arsch schauen? All die ewig besorgten Regula-Stämpfli- und Christine-Goll-Zeigefinger nehmen uns noch den letzten Humor und die letzte Lockerheit.

CZ: Ganz und gar nicht. Privat können Sie soviel fluchen wie Sie wollen. Aber im politischen Diskurs ist es wichtig, dass man sich an eine gewisse Correctness hält. Wenn das nicht der Fall ist, kann die Rechte mit ihren populistischen Schlagwörtern bald nicht mehr provozieren. Dann muss sie sich wieder schlimmere Wörter ausdenken. Das ist ein Teufelskreis. PW: Dumm darf man auch nicht mehr sagen es heisst jetzt bildungsfern. Und während der olympischen Spiele darf man als Mann Sportlerinnen nicht mehr sexy finden. Das würde dann in Ihrer Logik heissen, dass die Damen dann tatsächlich irgendwann nicht mehr sexy sind. CZ: Ich finde einige Olympiasportlerinnen sexy. Aber wenn online Tageszeitungen über nichts anderes mehr schreiben als die Figur und Erotik von Olympiasportlerinnen, finde ich das ziemlich langweilig und am Ziel vorbeigeschossen. Wollen Sie Sport sehen oder etwas anderes machen, wenn Sie die Olympiade schauen? Ich bin manchmal ganz froh, wenn es allgemeine Bestrebungen gibt, die Sprache der Politik ein bisschen zu mässigen. Wussten Sie, dass «Ausländer» unter 13-Jährigen als Schimpfwort benutzt wird? Sie sagen einer schwarzafrikanischen Person ja auch nicht «Neger», obwohl das Wort lediglich vom Wort schwarz aus dem Lateinischen abgeleitet ist. Aber der

CZ: Schauen will Ihnen doch niemand wegnehmen. Aber wenn Fulvio Pelli Nicola Spirig beim offiziellen Empfang den Hintern tätschelt, dann wäre das irgendwie unpassend. «Ausländer» ist natürlich viel abgeschwächter, aber wenn die Rechte weiterhin ihre teuren Hetzkampagnen fährt, wer weiss... PW: ... bei denen Sie und Ihre ewig besorgten Korrekten dann jeweils artig zusammenzucken und sich in sozialer Gerechtigkeit üben? •

Das Duell: Beim Duell stehen sich jeden Monat Peter Werder und ein Mitglied der Redaktion zum aktuellen Thema der Ausgabe gegenüber.

* Conradin Zellweger, 23, Student in Publizistik & Kommunikation, Redaktor dieperspektive, aus Zürich * Dr. Peter Werder ist bürgerlicher Politiker, Dozent an der Universität Zürich und leitet die Kommunikation eines Konzerns im Gesundheitswesen

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POLITKOLUMNE 21. Ausgabe, September 2012

Raucht so viel ihr wollt - und sagt ja zum Schutz vor Passivrauchen {Text} * Cédric Wermuth

Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann wenn eine Kirche, eine staatliche Behörde, meine Krankenkasse oder andere Gesundheitsapostel mir erklären wollen, was ich darf und was nicht oder was mir Spass machen soll (Sport, Fitnesscenter, Halbfett-Käse, Yoga) und was nicht (Killerspiele, Zigarren, Alkohol, Sex, Fast Food). Der entfesselte Kapitalismus, der alles und jeden vollständig liberalisieren will hat eine neue Hochkonjunktur für Moralpostel und Präventionsfanatiker mit sich gebracht. Insbesondere die Gesundheitsindustrie versucht uns subtil weis zu machen, warum wir dringend eine Generalüberholung unserer Lebensgewohnheiten brauchen. Werden wir nicht augenblicklich sportlich, schlank, gesund und gehen früh ins Bett, dann sterben wir nicht nur einsam, verlassen und unglücklich, sondern wir liegen ausserdem auch noch der Gesellschaft auf der Tasche. Und das ist böse. Wie mir geht es vielen, gerade Jungen. Wir haben es satt, dass uns die Freiheit genom-

men werden soll, unsere Leben so zu leben, wie wir es wollen. Das haben die Demonstrationen diesen Sommer in verschiedenen Schweizer Städten eindrücklich gezeigt. Und ich verstehe deshalb auch, warum viele Junge die Initiative zum Schutz vor Passivrauchen ablehnen wollen. Am 23. September stimmen wir darüber ab, ob grundsätzlich in allen öffentlichen Räumen in der Schweiz ein Rauchverbot gelten soll. Insbesondere betroffen sind Restaurants und Bars. Und tatsächlich: Die Vorstellung, zu einem guten Whiskey nicht auch mal eine Zigarre rauchen zu dürfen, graust auch mir. Aber die Sache hat einen Haken. Wer als Kunde nicht Passivrauchen will, der oder die kann das Restaurant wechseln, keine Frage. Um diese Leute geht es (mir) nicht. Es geht um die Angestellten. Um jene, die eben nicht zwei oder drei Stunden in einer Beiz sitzen, sondern die ganze Abende und ganze Wochen in vollgequalmten Räumen arbeiten müssen und das auch noch zu sehr niedrigen Löhnen

und bescheidenen Arbeitsbedingungen. Diese Menschen haben oft wenige Möglichkeiten, den Job zu wechseln - noch weniger in der aktuellen Krise. Ihre Freiheit und ihre Gesundheit wird durch das ständige Passivrauchen bedroht. Und wie Rosa Luxemburg schon sagte: Meine Freiheit findet ihre Grenze dort, wo sie die Freiheit anderer tangiert. Deshalb sage ich als überzeugter Präventionswahnsinns-Gegner: Fresst, sauft und - eben - raucht so viel ihr wollt. Und sagt ebenso überzeugt Ja am 23. September.

* Cédric Wermuth ist sozialdemokratischer Nationalrat aus dem Kanton Aargau, er schreibt monatlich zum Thema Politik. Antworte Cédric Wermuth auf leserbriefe@dieperspektive.ch.

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Abstimmen am 23. September

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HINTERGRUND 21. Ausgabe, September 2012

Verloren in der Stille {Text} * Max Müller

Wir. Verkriechen uns in unseren Rollen. Je tiefer desto besser. Im Geschäft den fleissigen. Zuhause den Verständnisvollen. In der Kneipe den Draufgänger. Du bist alleine. Für ganze drei Stunden in deinem Auto. Eine nächtliche Reise, weil's am Tag so lange dauerte. Im Prinzip hast du keine Rolle zu erfüllen. Es sieht dich ja niemand. Was aber erwartest du von dir selber? Schalte keine Musik ein. Das zählt nicht. Musik

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macht alles gefühlsvoll, auch was keine Dramatik verdient. Bob Dylans Texte mögen ja schlau sein. Sind sie es mal passagenweise nicht, ist ja noch die Musik da. Ist es die Musik auch mal nicht, ist ja noch seine Rolle als Prophet in unseren Köpfen. Auch an die Vergangenheit zu denken gilt nicht. Vergangenes sehen wir immer gefühlspositiver als es war. Verlust. Im Nachhinein ein

Gedenken an das Schöne. Kriege, je weiter weg sie sind, desto romantischer. Die Römer mit ihren hübschen Helmen. Die Zukunft zählt auch nicht. Zu viele Vorsätze, von welchen wir zu viele nie umsetzen. Also Gegenwart. Nur du. In der Stille. Deine Gedanken leer. Wer bist du?


HINTERGRUND 21. Ausgabe, September 2012

Rauchen, saufen und kiffen {Text} * Laura Eigenmann

Täglich werfen wir Müll in uns rein. Wir tun es, obwohl wir wissen, dass es nicht gut ist. Sollen wir deshalb nur das Rauchen verbieten? Oder ist es Symptombekämpfung? Wir können sehen, hören, riechen, schmecken und tasten. Und deswegen nehmen wir uns für oberwichtig. Wir können rauchen, saufen und kiffen. Und deswegen nehmen wir uns für oberwichtig. Wir können lesen, schreiben, singen und malen. Und deswegen nehmen wir uns für oberwichtig. Was zeichnet einen Menschen aus? Was zeichnet einen Schweizer aus? Was zeichnet einen Pinguin aus? Das ist doch absolut einerlei. Wir machen heute mit WhatsApp, was die Indianer (darf man das noch sagen?) mit Friedenspfeifen getan haben. Wir essen chemischen Müll und es ist uns scheissegal. Es ist uns scheissegal, was in unserem Big Mac oder in unserer Fertigsuppe alles drin ist. Weil es bequem ist. Weil die MeIst das Leben ungesund? Ich glaube schon mozdana-vijuga/tumblr dien und Politiker da noch nicht so viel Propaganda dagegen gemacht haben, wie gegen das Rauchen. Natürlich ist es unumstritten, dass Rauchen krank macht. Laut dem Rauchstoppzentrum raucht ein Drittel der Schweizerinnen und ANZEIGE Schweizer. Schlimm ist aber auch eine falsche Ernährung. Ich zitiere die Schweizerische Bundeskanzlei: «Ein Drittel der Schweizer Bevölkerung ist übergewichtig. Die Gründe für Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) sind oft im Lebensumfeld, insbesondere in der ‹ungesunden› Ernährung verwurzelt.» Alkohol ist auch nicht das Gesündeste und trotzdem: «Bei uns in der Schweiz trinken 14% der 13- Jährigen und 80% der

«Wir essen chemischen Müll und es ist uns scheissegal. Es ist uns scheissegal, was in unserem Big Mac ist.» 15-Jährigen.» Ist Lesen ungesund? Ich glaube schon. Gemäss dem Beobachter können «800‘000 SchweizerInnen nicht richtig lesen und schreiben.» Zum Glück, sonst müssten sie ständig lesen, wie irgendwelche Pinguine versuchen, die Schweizer ihrer Freiheit zu berauben. Ich sage nur «Minarett» und jeder schaut verlegen zu Boden. Fazit: Wir sind heute handy-, internet-, fernseh-, essens-, mager-, koffein-, alkohol-, unterhaltungs- und zigarettensüchtig. Und in unserer begrenzten Urteilsfähigkeit sind wir uns einig, dass diese Süchte schlecht sind. Es geht hier nicht darum, ob eine bestimmte Sucht verboten wird, sondern einzig darum, dass in unsere Freiheit eingegriffen wird. Wenn wir ein totales Rauchverbot einführen, dann sollten auch Werbung, McDonalds, Starbucks und Facebook verboten werden.

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HINTERGRUND 21. Ausgabe, September 2012

Lochgraber werden eingelocht {Text} Davide Loss {Illustration} Sibylle Lauper

Andere Länder, andere Sitten: Ein Schweizer Gericht muss anerkennen, dass helfen nicht nur in Serbien erlaubt ist. Dies ist die Geschichte des 19-jährigen Serben Amir, der nach seiner Maturität zum ersten Mal den Balkan verlässt und als Tourist in die Schweiz einreist, um seine Verwandten zu besuchen und seine Ferien zu geniessen. Nach zwei idyllischen Ferienmonaten erhält sein Schweizer Cousin, der als Sanitärinstallateur arbeitet, einen notfallmässigen Auftrag zur Reparatur eines kaputten Regenwasserablaufs einer Dachrinne. Da Amir gerade nichts zu tun hat, begleitet er seinen Cousin. Dort angekommen, muss ein tiefes Loch an der Hauswand gegraben werden, damit die undichte Stelle des Ablaufs repariert werden kann. Amir geht seinem Cousin zur Hand, indem er Handreichungen macht, den Dreck wegräumt und seinen Cousin hin und wieder an der Schaufel und am Pickel ablöst. Nach 15 Minuten tauchen plötzlich Beamte der Stadtpolizei Zürich auf und verhaften Amir auf der Stelle wegen des dringenden Verdachts auf illegale Erwerbstätigkeit. Amir wird polizeilich einvernommen

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und gibt zu Protokoll: «Bei uns herrschen andere Sitten und eine andere Mentalität. Ich wollte einfach helfen.» Eine Bezahlung sei nicht verabredet worden. Amir wird der Staatsanwaltschaft zugeführt, die ihm ohne jegliche Vorwarnung einen Strafbefehl aushändigt. Da Amir ohne Bewilligung gearbeitet habe wird er nach Artikel 115 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes über Ausländerinnen und Ausländer schuldig erkannt und mit einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Franken sowie mit einer Busse von 200 Franken bestraft. Noch am selben Tag werden Amir eine Ausweisungsverfügung sowie ein zweijähriges Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum in die Hand gedrückt. Zwei Tage nach seiner Verhaftung wird er aus der Haft entlassen. Am Abend vor der Abreise erklärt mir Amir mit Tränen in den Augen: «Ich wollte ja nur helfen!» Ich schenke ihm ein paar Tafeln Schweizer Schokolade und erkläre mich bereit, den Strafbefehl für ihn anzufechten. Der Staatsanwalt lässt sich auch durch unsere Einsprache nicht von seiner völlig lebensfremden Ansicht abbringen. Mit der Begründung, Amir habe eine illegale Erwerbstätigkeit verübt, erhebt er Anklage beim Bezirks-

gericht Zürich. Zu all dem erfahren wir, dass er inzwischen auch gegen den Schweizer Sanitärinstallateur ein Strafverfahren eröffnet hat, weil dieser einen Arbeitnehmer illegal beschäftigt haben soll. Nach Durchführung der Hauptverhandlung, die ohne Amir stattfindet, weil gegen ihn ein Einreiseverbot vorliegt, wird das Urteil eröffnet: Freispruch sowie Entschädigung für die Umtriebe sowie die zu Unrecht erlittene Haft. Dieser kurzzeitigen, spontanen Hilfe gegenüber einem Verwandten komme nicht der Charakter einer Erwerbstätigkeit zu, die einen Einfluss auf den schweizerischen Arbeitsmarkt hätte. Zudem habe auch keine Erwerbstätigkeit im rechtlichen Sinn vorgelegen, weshalb der Beschuldigte vom Vorwurf der Ausübung einer nicht bewilligten Erwerbstätigkeit freizusprechen sei, so das Gericht. Und das Fazit: Der gesunde Menschenverstand ist auch für Juristen unentbehrlich.

Urteil des Bezirksgerichts Zürich GB110081-L vom 4. April 2012 – rechtskräftig

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HINTERGRUND 21. Ausgabe, September 2012

Von hinkenden Vögeln {Text} Christian Zürcher

Jeder hat so seine Schwächen, doch nur die Wenigsten stehen dazu. Dabei gehören Schwächen zum Leben wie Stärken. Wirklich abbauen kann man Schwächen nur, wenn man zu ihnen steht. Neulich sah ich einen hinkenden Raben, was mich, nachdem ich über die komödiantische Albernheit dieser Situation hinweg war, dann doch zum Nachdenken brachte. Vögel hinken ja nicht, im Allgemeinen bewegen sie sich hierzulande fliegend fort. Deshalb beobachtet man so etwas nicht gerade oft, was natürlich nicht unbedingt heissen muss, dass es selten vorkommt. Im Gegensatz zu uns Menschen sind Vögel nicht besonders scharf darauf, ständig klagend auf ihre Gebrechen aufmerksam zu machen, weil sie sich dadurch nämlich ihren natürlichen Feinden verraten würden. Worauf ich hinaus will: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass viele Vögel hinken. Nur merkt es niemand, denn welcher Vogel ist schon so blöd, sich hinkend am Boden abzuquälen, wenn er sich doch so einfach in die Lüfte schwingen kann? So verhält es sich generell mit hervorragenden Eigenschaften: Sie können blendend verbergen, was nicht so berauschend ist. Der zerstreute Professor. Was macht’s, wenn er auf seinem Gebiet eine Koryphäe ist? Das siebenjährige Kind, das immer noch in die Hosen macht. Egal, dafür kann es schon multiplizieren und dividieren. Obschon diese Beispiele wahrnehmbare Schwächen schildern, die auch unter Berücksichtigung von Stärken offen ersichtlich

sind, ist der Vergleich mit dem Vogel nicht ganz an den Haaren herbeigezogen. Schwächen gehören wie Stärken zum Leben, können aber nur dann wirklich abgebaut werden, wenn man sie nicht verleugnet. Es ergibt sich jedoch eine grundsätzliche Frage: Ist es nun ratsamer, Stärken noch mehr zu fördern, oder doch Schwächen auszumerzen? Wenn man unsere Bildungs- und Arbeitssysteme anschaut, tendiert man in diesen Berei-

chen zu Ersterem. Das scheint logisch, schliesslich erreicht man nur so auf allen Ebenen Bestergebnisse. Arbeitsteilung ist nichts Neues, und Professionalisierung nur die Fortsetzung davon. Herangezüchtetwerden Experten, und das auf jedem noch so kleinen gesellschaftlichen Teilge-

biet. Oder etwas despektierlich gesagt: Fachidioten. Diese Spezialisierung fördert das Zusammenarbeiten zwischen auf verschiedenste Weise gepolten Menschen, weil wir aufeinander angewiesen sind, sobald wir etwas Ganzheitliches schaffen wollen. Es fördert die Kommunikation und womöglich sogar das Verständnis füreinander. Doch der Preis dafür ist ebenfalls hoch. Entmündigung, Souveränitätsverlust, Abhängigkeit und Individualisierung sind Folgen, die nicht von der Hand zu weisen sind. Sie setzen bei fortschreitender Geschwindigkeit des Prozesses auch die positiven Aspekte aufs Spiel. Was, wenn irgendwann der Austausch untereinander nicht mehr funktioniert, weil das Verständnis für die Situation und Denkweise des jeweils anderen abhanden gekommen ist? Schlimm wird es aber auch dann, wenn die Unselbständigkeit so weit reicht, dass ein eigenständiges Leben gar nicht mehr möglich ist. Muss denn ein Vogel überhaupt gehen können? Auch wenn er nicht hinkt, ist seine Fortbewegung auf der Erde mit derjenigen in der Luft ja nicht zu vergleichen. Da fehlt die Eleganz, das Spielerische. Vögel sollen fliegen. Jeder soll tun, was er am besten kann. Doch das ist zu einfach. Es lohnt sich, an Schwächen zu arbeiten. In den meisten Fällen werden aus ihnen zwar keine Stärken. Ein bisschen besser als schlecht zu sein, bringt auch nicht die gleiche Anerkennung, wie noch besser als gut zu sein. Der Mehrwert dieser harten und mühseligen Arbeit ist oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. Aber er ist gross, auch und vor allem für das gesellschaftliche Zusammenleben.

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KULTUR 21. Ausgabe, September 2012

Wieso man sich eine CD kaufen sollte {Text} * Marco Büsch

Es ist noch nicht lange her, als die Compact Disc die Schallplatte fast gänzlich vom Markt verdrängt hat. Nun hängt auch sie an den Schläuchen und droht den mangelnden Verkäufen zu erliegen. Ein Plädoyer für das Drehen dieser kleinen Scheiben und den Geruch von Booklets. Vor ein paar Jahren schloss am Kreuzplatz der CD- und Plattenladen «Rock On» seine Pforten, nachdem er den jahrelangen Kampf gegen die stetig rückläufigen Verkäufe im Musikgeschäft verloren hatte. Der Besitzer Ruedi Fehlmann eröffnete den Laden 1979 und erschuf sich dort sein kleines Reich. Für die meisten Leute war das Innere dieses Geschäfts das pure Chaos, aber Ruedi wusste immer, was wo war und er hatte immer einen Tipp parat, egal für welchen Musikgeschmack. Ich war zwar nicht wirklich ein Stammkunde, begab mich aber gerne in die Katakomben des Ladens, um mich durch die Raritäten der Musikgeschichte zu wühlen. Und dann ist dieser Laden plötzlich weg! Das erste Mal bekam ich ein schlechtes Gewissen wegen all den Alben und Songs, welche ich aus dem Internet heruntergeladen hatte. Vor ein paar Jahren hatte ich angefangen mit ein paar wenigen Songs, immer darauf bedacht, als Ausgleich auf legalem Wege ein Album zu kaufen, um das Gewissen zu beruhigen. Der Weg des geringsten Widerstands und der geringsten Ausgaben wurde aber leider immer verlockender. Überhaupt stieg die Zahl der monatlichen Veröffentlichungen von Musikern und Bands ins Unermessliche, so dass schliesslich eins zum anderen kam und ich mit der Zeit fast jede Woche Alben downloadete, aber nur einmal im Monat eine CD kaufte. Und jetzt macht auf einmal dieser «Rock on» zu und mein schlechtes Gewissen erwacht aus seinem Koma. Ich fühle mich schuldig. Nicht so pseudoschuldig, wie wenn man im Flugzeug fliegt, obwohl man sich der Klimaerwärmung bewusst ist. Der Mensch bereut ja meistens erst, wenn es zu spät ist, und bis zur Klimakatastrophe geht es wahrscheinlich noch ein Weilchen. Aber dieses Musikgeschäft hat jetzt wirklich seine Tore geschlossen und zwar für immer. Und alles nur wegen den illegalen Downloads. Wegen mir! Was ist eine Platte wert? Machen wir mal eine kleine positiv/negativ-Abwägung: Für die illegalen Downloads spricht sicher, dass sich unabhängig vom Einkommen und von der sozialen Schicht jeder nach seinem Belieben mit Musik eindecken kann. Auf den illegalen Download-Seiten sind alle gleichberechtigt. Des Weiteren hat sich mit dem Internet die Anzahl an Musikveröffentlichungen dermassen drastisch erhöht, dass man vielleicht

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Rock On - dereinst biliebter Treffpunkt für MusikliebhaberInnen. flickr.com

gerne alles kaufen würde, was man gerne hört, aber schlicht und einfach nicht mehr kann, weil die Anzahl der Releases Überhand genommen hat. Natürlich muss man nicht jede neue Platte gehört haben, aber man will ja auch nichts verpassen. Nicht in unserem total aufgeklärten Informationszeitalter.

«Es wirkt befremdlich, wenn die Rolling Stones immer wieder auf ihre ‹letzte› Tournee gehen und jedes Mal horrende Eintrittspreise verlangen.» Ein weiteres oft gehörtes Argument ist, dass in der Musikindustrie früher zu stark auf Gewinne geachtet wurde und jetzt ohne Gewinne wieder mehr die Musik im Vordergrund steht. Illegale Downloads als Mittel im Kampf gegen die Kommerzialisierung, denn ohne das liebe Geld wird Musik wieder nur noch der Musik zuliebe gemacht und das kommt dann wiederum den Musikliebhabern zugute. Der Markt reguliert sich quasi selbst. In der HipHop-Szene ist es mittlerweile ganz normal, dass man zuerst ein paar Mixtapes mit unveröffentlichten Songs zum freien Download zur Verfügung stellt und später dann ein richtiges Album in die Läden stellt.

Man appelliert damit an das Gewissen des Konsumenten, leider meistens mit eher zweifelhaftem Erfolg. Einen etwas anderen Weg hat die Band Radiohead eingeschlagen: Sie veröffentlichte ihre Platte im Eigenvertrieb. Der Clou: Der Fan durfte den Preis selber bestimmen. Es konnte sich also niemand mehr beschweren, die Platte sei ihm zu teuer. Dieselbe Band liess auch ein Konzert in Prag von fünfzig Besuchern filmen und bot die Aufnahmen dann gratis auf ihrer Website an. Dasselbe machte auch Metallica. Es zeigt sich, dass dem Fan heutzutage für sein Geld (oder eben nicht) eher mehr geboten wird als früher, die Musiker aber leider trotzdem weniger davon haben. Das ultimative Mittel gegen die Musikpiraterie wurde bis anhin leider noch nicht gefunden, man sieht aber, dass es an Ideen nicht mangelt. Itunes oder Auftrittswut der Stones? Apple hat mit dem Itunes-Store eine weitere Möglichkeit eröffnet; die Möglichkeit des legalen Downloads. Interessanterweise hat dieser Store grossen Erfolg und es scheint, als wäre er der Retter des Musikbusiness. Nur leider hat die Plattform zwei Nachteile: Zum einen haben sich viele Musiker beschwert, sie würden ausgebeutet und die grossen Majorlabels würden höhere Margen erhalten als Indielabels. Zum anderen ist es aber auch bedenklich, dass in einer globalisierten Welt mit unendlichen Massen an Musik, eine Firma in einer Monopolstellung

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KULTUR 21. Ausgabe, September 2012

entscheiden kann, welche Songs sie in ihr Sortiment aufnimmt und welche Künstler auf der Startseite vorgestellt werden, welches das digitale Pendant zum Schaufenster darstellt. Eine solche Macht kann nicht gesund sein und deshalb ist der Itunes-Store alleine sicher keine optimale Lösung. Im Graubereich zwischen positiv und negativ befindet sich die neue Auftrittswut im Musikbusiness. Auf der einen Seite ist es lobenswert, wenn Bands wieder vermehrt den direkten Kontakt zum Kunden suchen und den Raubkopien die unvergessliche Einzigartigkeit eines Liveauftritts entgegensetzen. Auf der anderen Seite wirkt es befremdlich, wenn die Rolling Stones immer wieder auf ihre «letzte» Tournee gehen und jedes Mal horrende Eintrittspreise verlangen oder amerikanische Hip-Hop-Bands, nach denen in den USA kein

«Die Musik hat nicht mehr denselben Wert. Man hört sie sich nicht mehr an, man konsumiert sie nur noch.» Hahn mehr kräht, in der Schweiz fünf Auftritte im Jahr geben. An dieser Stelle muss natürlich auch gesagt werden, dass der Konsument durchaus die Hauptschuld an dieser Misere trägt, denn die Angebotsmenge und die Angebotspreise werden sich natürlich nicht verändern, solange die Nachfrage konstant auf so hohem Niveau bleibt. Auf der negativen Seite spricht die Schliessung des «Rock On» für sich. Die ganze Branche leidet unter den rückläufigen Plattenverkäufen: Der Plattenhersteller, die Werbung, die Labels, die Musiker und die Verkäufer, tausende Arbeiter sind betroffen. Man kann natürlich mit einem gewissen Wirtschafts-Darwinismus argumentieren, dass sich der Markt

gesund geschrumpft hat und jetzt nur noch die Allerbesten nach oben kommen. Abgesehen vom subjektiven Musikgeschmack jedes einzelnen würden mir wahrscheinlich die meisten zustimmen, wenn ich behaupte, dass in den Charts selten die beste Musik nach oben kommt, sondern die Musik mit der geschicktesten Vermarktung und der besten Abrichtung auf kaufkräftige Zielgruppen. Kurzum, die illegalen Downloads haben der Verkommerzialisierung der Musik nochmals einen starken Schub gegeben und die Fronten zwischen den zwei Gruppen von Musikern verschärft: Der einen Gruppe, die mit der Musik möglichst viel Geld verdienen will und der anderen Gruppe, welche ihre musikalische Unabhängigkeit über al-les stellt und hofft, dass sich gute Musik immer durchsetzen wird. Hans im Schneckenloch Es liegt im Wesen des Menschen, dass er Ressourcen, welche er im Überfluss besitzt, nicht gleich hoch zu schätzen weiss wie Ressourcen, welche knapp sind. Die Musik ist dabei keine Ausnahme. Anfänglich erscheint es verlockend, sich alle Musik der Welt gratis downloaden zu können, aber wenn man erst einmal alle Alben hat, welche man immer schon haben wollte, bleibt eine gewisse Leere zurück. Die Musik hat nicht mehr denselben Wert. Man hört sie sich nicht mehr an, man konsumiert sie nur noch. Früher kaufte man sich im Laden eine CD, legte sie zu Hause in seine Musikanlage und lauschte den Klängen, während man das Booklet aus der Hülle nahm, sich die Fotos ansah und die Credits und Danksagungen las. Ein Freund und ich hatten letzthin ein Gespräch über die Zeiten vor dem Downloaden und er erzählte mir, er vermisse vor allem den Geruch der Booklets. Früher hätte er an ihm sofort erkannt, ob eine CD gut sei oder nicht. Das klingt vielleicht alles ein bisschen romantisch, aber auf jeden Fall hat man sich früher ein

Album mehrmals angehört, hat ihm noch eine Chance gegeben, wenn es beim ersten Mal nicht gleich gefunkt hat, denn man hatte ja gutes Geld dafür bezahlt. Wenn man sich aber ein Album herunterlädt, gibt man ihm meistens keine zweite Chance. Man spielt jeden Song kurz an, packt einige auf seinen Ipod und der Rest wird wieder weggeworfen. Musik wird zu einem Wegwerfprodukt, zu Abfall. Kaufen aus Respekt Oft erkennt man den Wert einer Sache erst, wenn diese nicht mehr vorhanden ist. Musik wird es sehr wahrscheinlich immer geben, aber kann man das auch von der eigenen Lieblingsband sagen? Oder von seinem Lieblingsmusikladen? Zumindest in der Stadt Zürich gibt es nur noch eine Handvoll Musikläden, welche allesamt ums nackte Überleben kämpfen. Ich denke nicht, dass man sich jedes Stück Musik kaufen sollte. Man kann es auch downloaden. Aber wenn man ein Album wirklich gut findet, sollte man doch erwägen, es käuflich zu erwerben. Anders gesagt, wenn die Musik einer Band einem durchs Leben begleitet, sollte man ihr den nötigen Respekt erweisen und auch dafür bezahlen. Alles andere wäre reine Selbstsucht. Ich bin zwar nicht sehr bibelfest, aber ich glaube, Selbstsucht beziehungsweise Völlerei ist immer noch eine der sieben Todsünden und dies sicher nicht unbegründet. Ob man nun der Selbstsucht aus religiösen Gründen entsagt oder nicht, ein schlechtes Gewissen ist niemals eine angenehme Sache. Und was ist schon ein Download, wenn man nicht am Booklet riechen kann.

* Marco Büsch, 21, Politologiestudent aus Zürich, Filmfan und Hobbyrapper marcob@cubic.ch

Grazy Beat Records, Badenerstrasse 79, 8004 Zürich Jamarico Music, Stauffacherstrasse 95, 8004 Zürich rec rec, Rotwandstrasse 64, 8004 Zürich

Plattenläden in Zürich

6Pack Records, Badenerstrasse 131, 8004 Zürich Zero Zero, Bäckerstrasse 54, 8004 Zürich

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HÖHEPUNKT

21. Ausgabe, September 2012

WER HÖHEPUNKT HÖRT, DENKT MEISTENS AN SEX. DOCH SO EINFACH IST ES NICHT. ES GIBT UNTER ANDEREM HÖHEPUNKTE IN KARRIEREN, IN BEZIEHUNGEN, IN KRISEN, AUF BERGEN UND IM VERKEHRSWESEN. ALLES ZU BIKESHARING SYSTEMEN FINDEST DU IN DER TITELGESCHICHTE VON CONRADIN ZELLWEGER AUF DEN SEITEN 14 & 15.

Das Tao der Liebe Unterweisungen in altchinesischer Liebeskunst

«Langlebigkeit und sexuelle Erfüllung; Manneskraft bis ins hohe Alter; die Kunst zu lieben als eine der grundlegenden Therapien innerhalb der taoistischen Medizin: diese Fragen, die für uns im Westen von brennendem Interesse sind, werden mit grosser Kenntinis in dieser ersten ausführlichen Darstellung über das ‹Handwerk des Liebens› in der taoistischen Schulen des alten Chinas behandelt. (...)» Umschlagstext der 1. Auflage 1978

erschienen bei Rowohlt Verlag GmbH

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HÖHEPUNKT 21. Ausgabe, September 2012

Der Verrat der Berge {Text} * Max Müller

Zuoberst. Von nun an geht's abwärts. Ob Süden, ob Norden. Ziemlich steil und ohne Hoffnung. Lange hast du gekämpft. Mit deinem Schatten, mit deinem Schwindel. Ein Kampf, um an diesen Punkt zu gelangen, wo du nur in die Tiefe stürzen kannst. Die Einsicht verdrängt das luftige Hoch. Wie ein Heiliger wolltest du hinabsteigen vom Berg des Wissens und der Weisheit. Doch was willst du den Jüngern berichten?

Leute. Da oben geht's nur bergab. Du fühlst dich fiebrig. Du hast die ganze Zeit für das Falsche gekämpft. Dabei war das von Anfang an klar. Da oben geht's nicht weiter. Dein Elan hat diese Einsicht ausgeblendet. Verraten hast du deinen eigenen Verstand. Du krabbelst jetzt wie ein kleines Kind. Suchst den Weg zurück in die Höhle. In den Schatten. Du kannst auf keinen Fall zurückkehren. Besser sie wissen es nicht. Aber warten kannst du auch nicht. Auf diesem

Gipfel des Scherbenhaufens stehend, der dich über die Wolken gebracht hat. Ach, wie du die schützenden Wolken vermisst. Die Tage, als sie dir die Sicht noch nahmen. Nein. Zurück kann man nicht. Der eingeschlagene Weg muss beibehalten werden. Du gehst in die Hocke und spürst wie die Scherben deine Haut zerkratzen. Mit aller Kraft stösst du dich ab. Hoch in die Luft. Über den Gipfel. Als hättest du's nicht besser gewusst.

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TITELGESCHICHTE 21. Ausgabe, September 2012

Velostadt Zürich? - Von der Baustelle zum Leuchtturmprojekt {Text & Foto} * Conradin Zellweger

Zürich plant ein Bikesharing System. Wo in den meisten europäischen Grossstädte bereits eifrig Velo gefahren wird, kurvt man in Zürich zwischen Autos auf einem Flickenteppich von Velowegen umher. Bis ins Jahr 2014 soll in Zürich ein Netz von 50 Velostationen entstehen. Damit diese neue Art des öffentlichen Verkehrs ein Höhepunkt für Zürich wird, muss noch viel in die Gänge gebracht werden. Zürich im Jahr 2015: Das gemeinsame Grillieren bei Freunden hat mal wieder länger gedauert. Das letzte Tram fährt einem um 0:13 Uhr vor der Nase ab. Dank Bikesharing kein Problem. Anstelle eines teuren Taxis oder einem halbstündigen Fussmarsch, nimmt man sich mit der elektronischen Benutzerkarte im Handumdrehen ein Velo. Trotzt zusätzlichem Abstecher im 24-h-Shop in der Langstrasse ist man in zehn Minuten zuhause. Was hier noch wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk tönt, ist in vielen Städten Europas und den USA gang und gäbe.

wenn auch Personen, welche sonst selten in die Pedalen treten, das Angebot nutzen sollen. Schlagende Argumente für das Velo Zürich tut sich schwer damit, eine velofreundliche Stadt zu werden. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Mit gerade mal 4.5 Millionen Franken für ein Netz von fünfzig Velostationen und 500 Velos sind die Kosten minim. Ein einziges Cobra Tram kostet im Vergleich um die 3 Millionen Franken. Wer in Zürich bereits einmal ein Velo benutzt hat weiss, dass es kaum ein schnelleres Fortbewegungsmittel gibt; die Wartezeiten und das Umsteigen erübrigen sich. Der CO2-Verbrauch beschränkt sich auf die Produktionsemissionen des Velos. Auch beim Preis für die geteilten Velos kann kaum ein Verkehrsmittel mithalten. Orientiert man sich an den Preisen bestehender Systeme, kostet der jährliche Mitgliederbeitrag selten über 30 Franken. Die erste halbe Stunde darf meistens gratis gefahren werden. Bei Fahrten über einer Stunde steigen die Preise auf einige Franken an. Mit diesem Preiskonzept soll bezweckt werden, dass die Velos nur für einen Weg in Beschlag genommen werden und möglichst schnell wieder dem nächsten Kunden zur Verfügung stehen. Bezogen wird das Ganze meistens auf elektronischem Weg, per Karte oder Handy. In Barcelona zum Beispiel genügt es den Batch an eine Säule zu halten, Velo aus der Station zu ziehen und am Zielort wieder in die Station zu stecken. Um die Leute aufs Velo zu bringen, muss das System vor allem eines sein: unkompliziert. Die Mietvelos bringen sogar im Vergleich mit dem persönlichen Velo einen Vorteil. Sie sind fast überall verfügbar und können fast überall abgegeben werden. Für die Wartung ist gesorgt und geklaut wird das öffentliche Velo auch nicht. Hat Zürich die Infrastruktur für Fahrräder verschlafen? Eine kurze Fahrt mit dem Velo durch Zürich

lässt einen schnell klar werden, dass Auto, Tram und Bus die Strasse dominieren. Es gibt kaum eine längere Strecke, auf welcher ein durchgehender Veloweg markiert ist. Ist ein Veloweg ausnahmsweise auf dem Trottoir, lässt dies die gelbe Markierung nur schwer erkennen, sodass die Fussgänger auf den Velowegen flanieren. Geschäftsführer von Electricfeel, einem Softwareunternehmen für die intelligente Planung und den optimierten Betrieb von Sharingsystemen, Moritz Meene bestätigt die Problematik der Velowege. Bezüglich Infrastruktur gäbe es noch einiges zu tun, es habe aber in

«Es gibt kaum eine längere Strecke, auf welcher ein durchgehender Veloweg markiert ist.» den letzten Jahren grosse Entwicklungen gegeben und die Stadt arbeite mit Hochdruck an diesem Problem. Ähnliche Töne hört man von der Stadt Zürich. Ein sehr umfassender «Masterplan Velo» soll in Kürze vom Stadtrat abgesegnet werden. Details des Plans sind jedoch noch nicht spruchreif. Ob mit dem «Masterplan Velo» das Zürcher Veloweg-Netzwerk in weniger als zwei Jahren, bis zum geplanten Start des automatischen Bikesharing Systems, auf Vordermann gebracht werden kann, bleibt vorerst offen. Das passende System für Zürich - mit EBikes hinauf nach Örlikon? Dass die Technologie der BS-Systeme sich momentan rasant entwickelt, sieht Moritz Meene als Erklärung für die Rückständigkeit der Stadt Zürich in Sache Velo: «Es ist denkbar, dass die Städte in der Deutschschweiz die globale Entwicklung beobachten möchten, bevor sie sich für eine falsche Technologie entscheiden.» In der Tat gibt es bereits eine Vielzahl an solchen Systemen. Von Fahrrädern, die in einem

Bicing - In Barcelona ein unverzichtbares Transportmittel

Das Bikesharing verbindet die Vorteile von der Freiheit des Velos mit der Verfügbarkeit der öffentlichen Verkehrsmitteln. Gemäss dem «Velojournal» bewirkt ein solches System nicht nur eine Entlastung des öffentlichen Verkehrs, sie können sogar als Teil dieses betrachtet werden. Das Velo soll für kurze Strecken so attraktiv gemacht werden, dass man nicht mehr auf den Bus warten, oder die teure und überfüllte U-Bahn benutzen will. Es müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein, damit die öffentlichen Fahrräder genügend attraktiv sind. Besonders,

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Wie grün sind E-Bikes wirklich? Fahrräder scheinen auf den ersten Blick emissionsfrei zu sein. Berücksichtigt man aber Produktion und Unterhalt ändert sich das. Für ein gewöhnliches Fahrrad das 8 Jahre lang 2400 km pro Jahr gefahren wird, fallen Emissionen von 5gCO2/km an. Durch den zusätzlichen menschlichen Energieverbrauch steigt dies Zahl sogar auf 21gCO2/km. Bei einem E-Bike verursacht die Produktion und

der Unterhalt 7gCO2/km. Die vom Elektromotor benötigte Energie beläuft sich auf 9gCO2/km (dieser Wert hängt stark von der Menge Kohle im Strommix ab). Dank dem Elektromotor ist der menschlichen Energieverbrauch allerdings deutlich geringer. Insgesamt entstehen bei einem E-Bike Emissionen von 22gCO2/km. Ein Pkw verbraucht im Vergleich durchschnittlich 271gCO2/km.

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TITELGESCHICHTE 21. Ausgabe, September 2012

Mit Vollgas ins Nichts - Zürichs Velowege sind ein Flickwerk.

bestimmten Umkreis abgeschlossen werden müssen bis zu fixen Dockingstationen, wo die Fahrräder mit einer elektronischen Karte bezogen werden können, so wie in Barcelona. Auch E-Bikes haben sich in den letzten Jahren enorm entwickelt und könnten eventuell in ein solches System integriert werden. So wären auch ältere Personen das Partizipieren an dem neuen Velosystem möglich. Noch ist man von Seiten der Stadt den E-Bikes gegenüber skeptisch. E-Bikes wären noch zu störungsanfällig für ein solches System. Chance mit Fragezeichen für Zürich Obwohl die Lancierung des Bikesharing Systems von Zürich nur noch knappe zwei Jahre in der Zukunft liegt, bleiben viele Fragen offen. Gelingt es der Stadt mit dem «Masterplan Velo» innert nützlicher Frist die Velowege so herzurichten, dass Velo und Auto keine Feinde mehr sein müssen? Wird trotzt niedrigen Kosten genügend Unterstützung in Politik und Bevölkerung zu finden sein? Gelingt es Zürich mit diesem System eine Velostadt zu werden? Moritz Meenen sieht in diesem Projekt Potenzial für Zürich zu einem Höhepunkt zu werden: «Die Zürcher selbst haben Einflussmöglichkeit – wer es häufig nutzt und auch das Auto häufiger zu Hause lässt, sorgt mit dafür, dass es weiter wächst und international als Leuchtturmprojekt erkannt wird – und, dass Zürich immer velofreundlicher wird. So wird auch die Lebensqualität in der Stadt weiter steigen.»

* Conradin Zellweger, 23, Student in Publizistik & Kommu-

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nikation, Redaktor dieperspektive, aus Zürich thema der nächsten ausgabe: heimat | beiträge bis 14. september an artikel@dieperspektive.ch

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HÖHEPUNKT 21. Ausgabe, September 2012

Ein klassischer Höhepunkt {Text} KingOrgasmus69

Im 14er fahren wir gemeinsam zu ihm: Sihlpost bis Kronenstrasse. Er sieht mich verliebt an, ich ihn wahrscheinlich auch. Sein Blick macht mich an. Jeder weiss, was jetzt kommt, aber niemand redet darüber. Das macht man nicht. Von der Tramhaltestelle bis zu seiner Wohnung sind es nur wenige Meter. Ich brenne vor Neugier

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und spüre, wie sich sein Arm um meine Hüfte schmiegt. Klack - die Tür geht auf und wir stehen in seiner Wohnung. Er fesselt mich mit seinem Blick und im selben Augenblick kommt er auf mich zu. Sportlich, dunkle Haare und Augen, feurig leuchtend. Als ob er Gedanken lesen könnte, packt er mich und drückt mich gegen

die Wand. Ich leiste keinen Widerstand. Er küsst mich am Hals. Ich spüre wie seine Hände langsam unter meinem T-Shirt verschwinden. Ich möchte ihn ganz zu mir ziehen, aber da trägt er mich schon zum Bett. Er kniet über mir und streicht an meinem Körper entlang. Ich ziehe ihm sein T-Shirt aus und mein Blick streift seinen trainierten Oberkörper. Ich will ihn jetzt! Mein Verlangen wird grösser. Nach einigen flinken Bewegungen trage ich nur noch Unterwäsche. Er streichelt mit seinen Händen an meinen Brüsten entlang und küsst mich dann vom Bauch abwärts. Der Nervenkitzel wird stärker. Er öffnet mit einer Hand meinen BH. Ich - im Gegenzug - seinen Gürtel. Durch die enganliegenden Boxershorts sehe ich sein bestes Stück. Er will mich auch. Sein Körper fühlt sich gut an und ich flüstere ihm ins Ohr, dass ich ihn jetzt will – scheiss aufs Vorspiel. Ich bin feucht und er dringt in mich ein. Langsam schiebt er sich tiefer in mich, dann immer schneller. Ich stöhne immer lauter, nimm mich härter. Er nimmt mich hart ran. Bei ihm kann ich mich richtig gehen lassen. Seine Blicke verschlingen mich und ich spüre ihn in mir. Und dann ist da plötzlich dieses Gefühl: Es ist warm und breitet sich in meinem ganzen Körper wie ein Lauffeuer aus. Seine Bewegungen werden schneller und ich schliesse die Augen. Er stöhnt laut und wir kommen beide. Er hält mich fest umklammert, mein Körper beginnt zu zittern. Dann liegen wir nebeneinander. Erschöpft, aber lächelnd und glücklich. Nach ein paar Minuten ist er eingeschlafen. Ich bin noch lange wach und sehe ihm zu. Irgendwann schlafe auch ich ein. Ohne zu träumen.

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HÖHEPUNKT 21. Ausgabe, September 2012

Der Berg schreit {Collage} Ralph Tharayil

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HÖHEPUNKT 21. Ausgabe, September 2012

{Illustration} Samuel Kaufmann

* Samuel Kaufmann, lebt in Zürich, arbeitet als Industrial Designer und Illustrator

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Bordell der Toten Carlos Eugenio López

Ein wildentschlossener Schreibwarenhändler steht jede Nacht, das Gewehr im Anschlag, in seinem Laden – für den Fall, dass sich eine der verhassten Existenzen aus der Bar nebenan hereinwagen sollte. Eine Hausfrau und gute Katholikin (der Pater rät ihr, weniger zu beten, da sonst das »grenzenlose göttliche Mitgefühl« in Frage gestellt werden könnte) kettet ihren lebensmüden Vater ans Bett, um ihrer Familie mittels seiner Rente das finanzielle Überleben zu sichern. Eine Mutter will ihr Kind loswerden, dessen traurige Miene einfach nicht ins Design ihrer Wohnung passt. López’ Helden sind die allzumenschlichen Produkte einer Gesellschaft, der ihr Eigentliches abhanden gekommen ist. Nie kamen sie zu Wort, nie wurden sie gefragt, doch jetzt sprudelt es nur so aus ihnen heraus. 208 Seiten 32.8 CHF erschienen bei KEIN & ABER

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STADTKOLUMNE 21. Ausgabe, September 2012

Aufstieg zum Jedi {Text} * Apachenkönig Huntin’Beer

Gesucht ist, was du noch nicht gefunden hast… Ist meistens so. Es reisst an den Nerven, wie ein kleiner tollwütiger Waschbär. Wie viele suchen Schlüssel? Eine Wohnung? Ein Waschbrett? Einen Bumspartner? Glück? Eine gute Tasse Kaffee? Ein Lichtschwert? Oder doch einfach nur ein Bier im Glas… Finden aber die GeLASsenhei? Yep. Ist so… Es ist dunkel. Der Lift ist zurzeit nur eine Zierde und der Grund für meinen nächtlichen Aufstieg durch das Treppenhaus. Ich höre Schritte!!! Irgendwie gruselig!!! Doch es sind meine und unter den Türen flimmern die Fetzen von Dauerwerbesendungen auf meine Schuhe. Sie, ich meine nicht meine Schuhe, versprechen Waschbrettbäuche und Knackärsche zu Tiefstpreisen. Als Waschbärbauchträger sollte man nun auch schleunigst zugreifen und dafür einen Artischockenshake gratis dazu bekommen. Jedoch bevorzuge ich Cynar, am liebsten klassisch mit Soda.

Nur einen Zap weiter werden sicher tollkühne Epilierdingsgeräte feilgeboten. Für Sie und den modernen Ihn. Diese Dinger vibrieren wahrscheinlich so ähnlich wie, …mein Mobiltelefon. Das ist nichts für Waschbärbäuche, oder gerade doch? Bin ich ein Yeti? Ich schreite weiter. Immer und immer weiter schreite ich das Treppenhaus kreiselnd empor. Bin ich ein Jedi? Ja! Genau! Ich kämpfe um und für - das Gleichgewicht! Aber Yetis mag ich auch… Auf meinen Schuhen flimmern immer noch die Prophezeiungen der Dauerwerbesendungen. Die dunkle Seite der Macht ködert uns grell und flimmernd. Wir sind die Motten, sie das vermeintliche Licht. Sie reimt sich für uns die grosse Liebe, zum Beispiel einen Stadtplaner mit Affinität zu Punk Rock oder doch einfach nur schlicht einen Quickie, zusammen. Wer clever ist investiert vorher sein Geld in einen Waschbrettbauchtrainer, epiliert sich seinen Arsch und schlürft einen Artischo-

kenshake. Ich mag Punk Rock auch! Mein Ipod kann dies bestätigen. Immer und immer wieder muss er mir die gleichen Riffs ins Ohr donnern. Aber mehr als einen Stadtplan lesen liegt nicht drin. Wenn überhaupt. Aber ans Ziel bin ich bis jetzt jedenfalls (auf Holz klopf) immer gekommen. Das Ziel ist nah. Draussen dröhnen feierlich die Sirenen von der Stapo und der Ambulanz. Ich empfinde weder Mitleid noch sonst irgendwas. Ich fühle die pure Gelassenheit und unterdrücke kurz einen Görps. Es ist Zeit nach dem Schlüssel zu suchen. Aaah! Gefunden! Na also, geht doch! Görps… In Liebe und Ahoi

* Apachenkönig Huntin’Beer ist aus Zürich, deshalb schreibt oder inszeniert er auch die Stadtkolumne. Antworte dem König auf leserbriefe@dieperspektive.ch

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GENUSSKOLUMNE 21. Ausgabe, September 2012

Eine Reise ins Land des Kardamoms {Text} * Dorrit Voigt

Sommerzeit ist Reisezeit. Wir, das Hiltl Kochatelier-Team, haben uns nach Kerala in Südindien aufgemacht, um uns von der Indischen Küche für neue Rezepte für das Haus Hiltl inspirieren zu lassen. Da sich ca. 60 % der indischen Bevölkerung vegetarisch ernährt, ist Indien ein wahres vegetarisches Paradies. Das Besondere daran ist der kreative Einsatz unterschiedlichster Gewürze, die vor allem an der Malabarküste in Hülle und Fülle wachsen und gedeihen. Besonders beeindruckt hat uns der Besuch der Kardamomberge. Hier wurde uns schnell klar, warum Kardamom auch als Königin der Aromen bezeichnet wird und mit Safran und Vanille zu den teuersten Gewürzen der Welt zählt: Der Anbau ist unglaublich aufwändig, langwierig und bedarf viel Sorgfalt und Liebe. Erst nach drei Jahren können die ersten grünen oder strohfarbenen Fruchtkapseln geerntet werden. Dafür benötigen die Pflanzen ständige Beobachtung, denn die Samen reifen das ganze Jahr über. Die Samenkapseln werden aber unreif, also noch bevor sie aufspringen, geerntet und getrocknet. Das eigentliche Gewürz sind die kleinen schwarzen Samen, die in den Kapseln bleiben, um das Aroma und somit die wertvollen ätherischen Öle zu erhalten. Kardamomsamen haben ein feines, süsslich-scharfes Aroma und erinnern im Nachgeschmack an eine Mischung aus Zitrone, Kampfer und Bergamotte. Auch im Haus Hiltl zählt Kardamom zu den Lieblingsgewürzen und wird mehrmals täglich für die unterschiedlichsten Gerichte verwendet. Zum einen ist er eine Hauptzutat der Gewürzmischung Garam Masala, die beispielsweise im beliebten Riz Colonial, dem Safranquark Shrikand oder als Garnitur auf dem Mango Lassi oder Masala Kaffee verwendet wird. Andererseits verleihen ganze Kardamomkapseln dem Basmati- und Lemonreis sowie unserem berühmten Masala Chai Tee ihr unverwechselbares Aroma. Egal ob kleine oder grosse, grüne oder strohfarbene, ganze oder gemahlene Schoten: Kardamom bereichert viele Gerichte auf einzigartige Weise und sollte daher in keiner Küche fehlen. * Dorrit Voigt ist im Haus Hiltl verantwortlich fürs Hiltl Kochatelier und schreibt jeden zweiten Monat die Genusskolumne. Antworte Dorrit Voigt auf leserbriefe@dieperspektive.ch.

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VORSCHAU ROGER K O E P P E L vs. CÉDRIC W E R M U T H D O N N E R S TA G 18.OKTOBER

Am 18. Oktober duellieren sich Roger Köppel und Cédric Wermuth zur Frage: Wie links sind die Schweizer Medien wirklich? mehr informationen auf dieperspektive.ch oder facebook.com/dieperspektive

eintritt: für abonnenten gratis, für nicht-abonnenten zehn franken.


ARTIKEL DES JAHRES 2011/12 F R E I TA G 14.SEPTEMBER TÜRE 1 9 . 3 0 U H R LESUNGEN AB 2 0 . 3 0 U H R

E IR

A T L O V T E R A B A C

dieperspektive lädt alle freunde, fans, leser und natürlich auch die leserinnen ganz herzlich zur grossen lesung am 14. september um 20 uhr im cabaret voltaire ein. die fünf autoren präsentieren ihre nominierten artikel, worauf das publikum den besten wählt. eintritt: für abonnenten gratis, für nicht-abonnenten fünf franken. mehr informationen und die artikel sind auf der homepage www.dieperspektive.ch zu finden


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