Hippie - Februarausgabe 13

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25. Ausgabe Februar / M채rz 2013

HIPPIE

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Der moderne Hippie

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Die bleichen Kinder des Westens

dieperspektive machte sich auf die Suche nach drei heutigen Hippies. Alle haben eines gemeinsam: das Teilen.

Wie die Hippies von Europa kiffend nach Asien wanderten.

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Hippie 2013 Unser neuer Kolumnist schreibt seinen ersten Text mit der Hilfe seiner Facebookfreunden.


INHALT

25. Ausgabe, Februar / März 2013

seite 03: korrupte journalisten... und hippies

REDAKTION verein dieperspektive, zentralstrasse 167, simon jacoby, conradin zellweger, manuel perriard, 8003 zürich TEXT p.w. | c.z. | c.w. | d.l. | h.f. | y.d.s. | l.g. | m.k. | j.n. | ?. | m.l. | a.h.b. | l.h. | d.t. ILLUSTRATION / BILD

seite 04: das duell #15 - hippies seite 05: lance armstrong und die heuchelei seite 06: man will helfen. aber der weg in somalia ist steinig seite 07: entgeltliche unentgeltliche rechtspflege seite 08: mit waffen und krieg frieden stiften seite 10: todesstoss für die humanitäre schweiz seite 12: afrika macht schule - teil zwei

s.k. | i.f. COVER jon LAYOUT per rjard LEKTORAT cornelia reinhard & noemi heule WEBDESIGN conradin zellweger REDAKTIONSMITARBEITER selina howald & jonas ritscher & konstantin furrer

seite 14: der moderne hippie seite 18: die bleichen kinder des westens seite 20: poster: chocolatte seite 22: befreiung seite 23: peace seite 24: statements seite 25: hippie 2013 seite 27: hippiekacke: i am a part of it seite 28: vergleichende hipster - forschung seite 30: hippies use side door seite 31: verloren seite 31: warte auf mich warte paris seite 32: greatful dead in 1967 seite 33: blumenmeer seite 34: die hippies und ich seite 35: happy oder hippie seite 36: die hippiebewegung und ihre auswirkungen auf die gesellschaft seite 38: dieperspektive 2.0 seite 39: manifesto 13

DRUCK zds zeitungsdruck schaffhausen ag AUFLAGE 4000 ARTIKEL EINSENDEN artikel@dieperspektive.ch WERBUNG simon@dieperspektive.ch ABO abo@dieperspektive.ch LESERBRIEFE leserbriefe@dieperspektive.ch THEMA DER NÄCHSTEN AUSGABE egoismus GÖNNERKONTO pc 87-85011-6, vermerk: gern geschehen REDAKTIONSSCHLUSS freitag 1. märz 2013, 23.55 uhr

Illustratoren des Monats Namen: vbk | ste | joel | urb | marc | jon Seiten: 1 | 8 | 10 | 13 | 18 | 20 | 24 | 26 | 28 | 32 | 33 | 34 & 35 Vielen Dank an vbk | ste | joel | urb | marc | jon für die Illustrationen zu den Texten und das Titelbild. Möchtest auch du das Titelbild gestalten und die Texte grafische unterlegen? Melde dich auf info@dieperspektive.ch

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EDITORIAL

25. Ausgabe, Februar / März 2013

Plaudereien aus dem Nähkästchen sind immer spannend. Auch wenn keine Geheimnisse zum Vorschein kommen. Heute: Wie Firmen Journalisten zu beeinflussen versuchen. Alle in der Branche wissen es. Fast alle in der Branche reden darüber. Fast niemand schreibt darüber – ausser in den Medien für die Medien (Kleinreport, persoenlich.com, Schweizer Journalist und weitere) – und gar niemand gibt zu, schon mal bestochen worden zu sein. Die Grenzen sind auch nicht ganz einfach zu ziehen. Ist eine Freikarte fürs Theater schon eine Bestechung? Ist eine Probefahrt im neuen Audi in Südamerika – natürlich mit Aufenthalt im Edelhotel und Safari – noch Bestechung? Oder schon die Bezahlung für die Publi Reportage? Journalisten werden immer beeinflusst. So kommen sie an die wichtigen Informationen. Die alles entscheidende Frage lautet: Ab welcher Art von Geschenk oder Zuwendung kann der Journalist nicht mehr unabhängig berichten? Oder die Frage von der anderen Seite gestellt: Kriegt ein Unternehmen die gleiche Beachtung in den Medien, wenn die Ressourcen fehlen, um Journalisten zu beeinflussen? Es ergeben sich drei Probleme. Erstens, der Journalist kann die Grenze nur für sich ziehen, bis wann er unabhängig schreiben kann. Aber er muss auch auf die Fremdeinschätzung achten. Nimmt ihm das Publikum noch ab, dass er frei ist? Die Leserschaft muss dem Journalist eine grosse Glaubwürdigkeit zuschreiben können. Zweitens, es ist nicht problematisch, wenn das Schauspielhaus Medienschaffenden gratis einen Platz bei der Premiere in der ersten Reihe anbietet. Es ist auch nicht problematisch, wenn das Hotel in Budapest das Zimmer den Journalisten billiger gibt. Es ist aber logisch, dass er nur dann positiv über eine Aufführung oder eine Unterkunft berichtet, die er selbst getestet hat. Konkret: Kann sich ein Hotel nicht leisten, das Zimmer zu verscherbeln, gibt es keine mediale Aufmerksamkeit. So einfach ist das. Drittens und als Folgerung der ersten beiden Problemen: Der Journalist kann also völlig unabhängig und frei berichten. Und doch liegt es in der Natur der Sache, dass er beeinflusst ist. Aufmerksamkeit ist eine Konsequenz des Geldes. Auch wenn nicht direkt bestochen wird. Mit einem Beispiel wird das plastischer. Penelope Cruz ist das Gesicht des aktuellen Campari-Kalenders. Dieser Kalender muss vermarktet werden. Die PR-Agenturen des Getränkeherstellers luden folglich nicht wenige europäische Journalisten nach Portugal ein. Dort wartete ein schönes Hotel (mit Wellnessbereich), Sonne (bei uns war es November) und eine bezaubernde Penelope Cruz (mit tiefem Ausschnitt), die während den zehnminütigen Interviews nicht müde wurde zu betonen, wie toll Campari schmeckt (dabei ist er bitter). Wir kommen zur Moral der

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Geschichte: Wenn Turbinenbräu einen Kalender macht, interessiert das kein Schwein. Logisch, weil die Bierbrauer aus Züri haben weder Geld für die Penelope, noch für teure Hotels in Portugal. Die Journalisten berichteten alle über Campari, und alle waren sie völlig unabhängig. Noch eine Episode: Der Gripen ist allen Schweizern ein Begriff. Das ist nicht nur darum kein Zufall, weil sich Bundesrat Mauerer benimmt, als wäre er der hinterletzte Tollpatsch. Der Schwedische Flugzeughersteller beauftragte eine Schweizer PR-Agentur, die Flieger, die wir nicht brauchen, beim Volk beliebt zu machen, damit eine mögliche Abstimmung gewonnen wird. Wie macht man ein Flugi beliebt? Man lädt Journalisten nach Schweden ein und lässt sie mitfliegen… Ein (ehemaliger) Ringier-Mann war über diesen Testflug so begeistert, dass sein folgender Artikel im Werbeprospekt der Gripen-Firma abgedruckt wurde! Stimmt wirklich. Journalisten sind ferngesteuert, doch können sie meistens gar nichts dafür. Keine Redaktion hat heute Geld, lange Reisen für eine Reportage zu bezahlen. Der Tagi hat eine Lösung: Wenn der Journi mit dem Zug durch Europa fährt (und davon schwärmt), steht am Schluss ganz klein und sinngemäss: Dieser Artikel wurde ermöglicht durch CityNight-Line. Ich finde das nicht lustig. Wir machten den Hippie zum Thema dieser Ausgabe. Wir schreiben das Jahr 1968. Die Staaten dieser Welt gehen an ihrem eigenen bürgerlichen Spiessertum schier zugrunde. Junge Menschen wollten das nicht. Sie wollten ausbrechen, sie wollten die positive und die negative Freiheit (von allem und für alles). Sie wollten Blumen, lange Haare, Untergrundmusik, Drogen und vor allem viel Sex. Warum sie das alles wollten ist eigentlich egal. Eine kritische Masse formierte sich, liess sich die Schamhaare wachsen und machte sich auf nach Woodstock. Die freie Liebe ist etwas Tolles, das wissen nicht nur die Amerikaner. Darum konnte das Erfolgsmodell «Hippie» in die ganze westliche Welt exportiert werden. Doch was steckt dahinter? Was wollen die Hippies wirklich? Wollten sie nur die Schranken der bürgerlichen Gesellschaft aufbrechen? Falls ja, hätten sie heute keine Daseinsberechtigung mehr – oder, je nach Betrachter, eben wieder eine bekommen. Wir wollten herausfinden, was der moderne Hippie in Zürich treibt. Wir haben entdeckt, dass der Hippie in der Limmatstadt gemässigt ist. Er rasiert sich seine Schamhaare (davon müssen wir ausgehen) und will sich selber mit tollen Projekten verwirklichen. Mehr dazu in der blumigen Titelgeschichte auf Seite 14.

Simon A. Jacoby Für die Redaktion

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HINTERGRUND 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} * Conradin Zellweger und Peter Werder

Peter Werder: Hippies - das Thema dieser Ausgabe. Lustig. Muss Ihnen ziemlich fremd vorkommen. Conradin Zellweger: Sehr fremd. Aber wahrscheinlich bin ich doch näher bei den Hippies als Sie Herr Werder, in Bezug auf viele meiner Einstellungen. PW: Ich weiss nicht. Heute sind die Hippies die grössten Bünzlis, malen die Zäune ihrer Playmobilreiheneinfamilienhäuser braun-weiss an, verhindern Fortschritt mit dem Kampf für Heimat- und Denkmalschutz und reisen als Backpacker als Folkloreübung. CZ: Hippies verbinde ich mit Selbstlosigkeit. Hippies teilen gerne was sie haben. Tun Sie das denn auch? Ich sehe im Facebook-Chat gerade, dass Sie in Afrika sind. Sie machen dort Safari, nehme ich an. Oder sind Sie am Backpacken wie die Hippies? PW: Ich verrate ihnen was: Ich bin in einem schönen Hotel. Und auf Safari war ich auch schon. Ui, wie uncool für einen metrosexuellen, freitagtaschentragenden und CO2 kompensierenden Spiessbürger. - ExHippies - Ihre Partei ist voll davon. CZ: Nun, Sie wissen, ich bin in keiner Partei. Das ist der andere Duellierer. PW: Aber sie denken gleich. CZ: Von Ihrem Sitz aus sieht auf der anderen Seite wohl alles gleich aus. So weit müssen Sie nach links schauen. PW: Auch Sie kämpfen heute gegen das Rauchen, wollen mehr und mehr Vorschriften, verbieten Plastiksäcke. Früher haben Sie bekifft in der Gegend rumgevögelt. Mein Gott sind Sie spiessig! Da blicke ich gerne von weit zu Ihnen links rüber. Die neuen Hippies sind die Liberalen des 21. Jahrhunderts. Weniger Staat, weniger Vorschriften, mehr Freiheit! CZ: Sie wollen sich als Humanist hinstellen. Einer, der viel Freiheit für alle fordert, aber die Kiffer sind Ihnen egal. Eigentlich interessiert Sie die Liberalisierung nur, um mehr Besitz zu ergattern und weniger Steuern zu bezahlen. Das ist nicht sehr Hippie-like! Ich bin gegen viele Vorschriften, aber ein kleiner Blick auf die Wirtschaftspolitik und die ökonomische Entwicklung der letzten paar Jahre zeigt doch sehr gut, wie es funktioniert wenn man den Mächtigen und Reichen keine Regeln vorgibt.

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PW: Wieso? Es ging uns noch nie so gut wie heute. Haben Sie schon wieder vergessen, dass wir über Mindestlöhne in der Höhe von 3500 Franken reden? Die Linken kämpfen nicht mehr gegen die Erwerbsarbeit, sie kämpfen für höhere Löhne! Lassen Sie mich raten: Die Wirtschaftskrise ist das Problem. Und dass die Reichen immer mehr verdienen. Ui, wie Schlimm. CZ: Es ging uns noch nie so gut?? Ja aber schauen Sie mal nicht nur in Ihren Vorgarten, Herr Werder! Schauen sie nur schon nach Europa. Machen sie Backpackerferien in Griechenland. PW: Griechenland - ist das da, wo der Staatsapparat aufgebläht wurde? Wo man ab 55 pensioniert wird und auf Kosten der Allgemeinheit lebt? Hippies sind frei. Das sind keine Beamten. Eigentlich. CZ: Ja, aber Hippies sind frei. Aber viel wichtiger - sie teilen gerne. PW: Teilen: Super Konzept. Und: Es ist freiwillig. Den Reichen immer mehr wegnehmen, umverteilen, zwangsteilen - ein Konzept für die Faulen. CZ: Die Utopie der Hippies ist gescheitert. Es wurde den Jugendlichen ein falsches Bild von Drogen und Sex in den Kopf gesetzt. Die Kommunen wurden von etlichen nichts Tuenden «Junkies» gestürmt. Ihr Problem war wohl, dass es zu viele Leute gab, die mit der Freiheit nicht umzugehen wussten. Das ist das gleiche Prinzip wie heute, wo Reiche nur Geld wollen. Aber etwas für die Allgemeinheit zu tun, dass fällt Ihnen schwer. PW: Sehen Sie: Wenn man selber mit der Freiheit nicht umgehen kann, will man sie den anderen einfach verbieten. Völlig falsch! CZ: Apropos Hippies. Was meinen Sie zur Drogenliberalisierung? Liberalisierung ist ja Ihr zweiter Vorname.

CZ: Fairtrade finde ich eine gute Idee. Max Havelaar Space Cakes in der Migros. Jetzt nur 9.50! PW: Fairtrade Pilzli, Greenpeace Ecstasy, WWF Cola.... genau. CZ: Klar ist der Bürger da selbst für sich verantwortlich. Aus Konsequenz müssten Sie dann aber auch für einen starken Sozialstaat sein. Denn, dass nicht alle mit Drogen umgehen können, ist ja klar. Und denen soll dann geholfen werden. Oder möchten Sie diese Leute, die an etwas Legalem kaputtgehen dann auf der Strasse stehen lassen? PW: Das ist Ihr erster Gedanke? Nicht: Wir müssen die Leute befähigen, damit umgehen zu können? Sondern: Wie helfen wir den Unfähigen? CZ: Ja, das sollen wir. Aber sie können auch das halbe BIP in Präventionskampagnen stecken. Es wird immer Leute geben, die es nicht können. Das ist nun mal so. PW: Dafür gibt es bereits einen genug starken Sozialstaat. Deswegen müssen wir es nicht allen verbieten. CZ: Den Sozialstaat, welcher Sie am liebsten abschaffen würden. Wir müssen dann logischerweise auch für jene sorgen, welche weniger Glück haben als Sie und nicht mehr von ihren Trips runterkommen. PW: Wenn ich linke Argumente höre, habe ich tatsächlich manchmal das Gefühl, auf einem Trip zu sein. Eigentlich sollte man linkes Denken verbieten. Es können schliesslich nicht alle damit umgehen. CZ: Genau. Das sollte man verbieten. Dann sind wir gleich weit wie in Nordkorea. Sie kennen sich also mit Trips aus. Interessant. PW: Ich gebe es zu. Ich war auch schon betrunken.

PW: Natürlich bin ich für Liberalisierung und Legalisierung. Wenn sich der Staat schon einmischt, dann soll er das Zeug besteuern und die Qualität kontrollieren. Und Sie?

CZ: Und Sie haben dabei auch sicher mit dem Verkäufer über die Zusatzsteuer für alkoholische Getränke gestritten... nicht wahr?

CZ: Erstaunlich, da sind wir ja für einmal gleicher Meinung.

* Dr. Peter Werder ist bürgerlicher Politiker, Dozent an der Universität Zürich und leitet die Kommunikation eines Konzerns im Gesundheitswesen

PW: Aber Sie würden es noch CO2kompensieren und ein Fairtrade-Label für obligatorisch erklären wollen.

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* Conradin Zellweger, 24, Student in Publizistik & Kommunikation, Co-Chefredaktor von dieperspektive, aus Zürich

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POLITKOLUMNE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} * Cédric Wermuth

Wer hat sich nicht über das Coming out von Doping-Sünder Lance Armstrong empört? Ein absoluter Spitzensportler hat jahrelang Rennen um Rennen gewonnen, wurde als Superstar gefeiert und hat dabei offensichtlich alle an der Nase herum geführt. Entsprechend gross ist die Bestürzung über seine öffentliche Beichte – nur, der Aufschrei ist ziemlich heuchlerisch. Obwohl Doping eine geächtete Form der Leistungssteigerung ist, ist es heute eher zum Normalfall geworden als eine Ausnahme – gerade im Bildungs- und Arbeitsalltag. Gedopt wird überall dort, wo der Leistungsdruck steigt: Vom Uni Studenten, der sich das ADHS-Medikament Ritalin einwirft um sich für die Prüfung konzentrieren zu können bis zum Banker der nur dank der Linie Koks seinen 16 Stunden Arbeitstag überhaupt noch übersteht. In den USA konsumieren gemäss einer Umfrage 25% der StudentInnen verschreibungspflichte Medikamente zur Leistungs-

dort, wo ökonomische Konkurrenz als oberstes Prinzip eingeführt wird steigt das Korruptionsrisiko: Das ist bei den Libor-Tricksereien der UBS nicht anders als beim Doping im Spitzensport. Der Fall Lance Armstrong ist leider keine Ausnahme, sondern nur die Spitze des Eisbergs.

steigerung. In Deutschland gaben 2009 13% aller ArbeitnehmerInnen an, Medikamente gegen Konzentrationsstörungen am Arbeitsplatz einzunehmen. Es beginnt schon bei Kinder und in der Schule. Eine italienische Studie kommt sogar zum Schluss, dass sieben Prozent der 16-Jährigen BreitensportlerInnen bereits mindestens einmal verbotene Substanzen zur Leistungssteigerung konsumiert haben. Der Druck der Leistungsgesellschaft ist omnipräsent, im Spitzensport ganz besonders. Wer nicht mithält, fliegt raus. Wer keine neuen Rekorde liefert verliert Fans und Sponsoren. Wir alle kultivieren diese Druckspirale permanent mit. Wir haben aus dem Sport ein Business wie jedes andere gemacht. Spitzenvereine sind längst keine Freizeitorganisationen mehr, sondern Multimillionen-Unternehmen. So wurde das Kulturgut und Freizeitangebot Sport zum verwertbaren Privateigentum. Und überall

* Cédric Wermuth ist sozialdemokratischer Nationalrat aus dem Kanton Aargau, er schreibt monatlich zum Thema Politik. Antworte Cédric Wermuth auf leserbriefe@dieperspektive.ch.

VORSCHAU

Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion

Party-Stadt Zürich? Was bringt die Party-Partei? Was Zürich zur Ausgangsstadt macht, wo deren Zukunft hinführt und wo die Chancen von legalen Partys im öffentlichen Raum liegen. Werden besetzte Häuser, illegale und provisorische Clubs zum Dauerzustand, weil die Party-Meilen regelmässig den Büro-Quartieren weichen müssen? Zürich hat die höchste Club-Dichte Europas und ein florierendes Nachtleben. Jedes Wochenende füllt sich die Stadt mit jungen, fei-

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ernden Menschen. Das Angebot ist verzerrt: Viele der angesagten Clubs müssen in naher Zukunft die Türen für immer schliessen. Zudem sind die Preise für Eintritt und Getränke überteuert. Liegt die Zukunft des Zürcher Nachtlebens in Provisorien und besetzten Häusern? Kann die Party-Partei helfen? An der Podiumsdiskussion von dieperspektive geht es genau um diese Fragen. Es diskutieren Philipp Meier von der Party-Partei und Patrick Hadi Huber Präsident der SP Kreis 4.

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Wann: 08. Februar, 20 Uhr Wo: In unserer Redaktion an der Zweierstrasse 38 Wer: Philipp Meier und Patrick H. Huber Moderation: Conradin Zellweger Co-Chef-Redaktor von dieperspektive

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Eintritt: 5.Abonnenten: gratis

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HINTERGRUND 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text & Foto} Heinrich Frei

Die somalische Regierung ist auf Hilfe des Auslandes angewiesen, um das Land nach zwanzig Jahren Bürgerkrieg wieder aufzubauen. Das Schweizer Hilfswerk Neue Wege hilft bei diesem Vorhaben mit. Aus Mangel an Nachfolge droht sich nun ein Teil der wertvollen Aufbauarbeit des Hilfswerkes in Luft aufzulösen. Der Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) Martin Dahinden erklärte kürzlich: «Nach der Dürre am Horn von Afrika will die Schweiz langfristige Hilfe in dieser Region leisten.» «In Somalia muss der Aufbau des Landes nach über zwanzig Jahren Bürgerkrieg von Null beginnen», verdeutlichte auch Nur Scecdon Olad, Präsident des Hilfswerkes Swisso Kalmo. Nur Scecdon Olad will Anfang nächsten Jahres in die somalische Stadt Merka zurückkehren, in der er mit seiner Frau Magda Nur-Frei über zwanzig Jahre gelebt hatte. In Merka betreibt Swisso Kalmo heute ein Tuberkulosespital mit 80 Betten. Nur Scecdon Olad musste vor drei Jahren heimlich aus Merka flüchten, da er von den dort herrschenden Al Shabab Milizen bedroht wurde. Im Sommer hat Al Shabab Merka verlassen. (Info: www. swisso-kalmo.ch) In der Stadt Merka ist auch der Förderverein Neue Wege seit 18 Jahren ununterbrochen tätig. Dieses Schweizer Hilfswerk betreibt dort eine Primar- und Sekundarschule sowie ein Ambulatorium. Daneben organisiert es eine Stadtreinigung und unterhält einen Sanitätsposten im Dorf Ambe Banaan. 105 Frauen und Männern wird monatlich Lohn aus Schweiz überwiesen. Während der Dürre und Hungersnot im letzten Jahr unterstützte auch Caritas Schweiz die dortige Bevölkerung. (Info: www. nw-merka.ch) Auch wenn die Al Shabab Milizen momentan die meisten Gebiete Somalias nicht mehr beherrschen, existiert noch immer keine funktionierende Verwaltung im Süden Somalias. Im Norden Somalias hingegen, welcher nicht vom Bürgerkrieg heimgesucht wurde, herrschen relativ stabile Verhältnisse mit einer funktionierenden Regierung. Der Norden, vor allem Puntland, dient den Piraten als Stützpunkt, um in den Küstengewässern und im Golf von Aden zu operieren. Zuvor war in dieser Region eine andere Art von «Piraten» an der Arbeit: Fabrikschiffe aus «zivilisierten» Staaten des Nordens fischten die Küstengewässer vor Somalia leer, während Frachtschiffe heimlich giftige chemische und radioaktive Abfälle im Indischen Ozean vor Somalia versenkten.

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Nur Scecdon Olad, Präsident des Hilfswerkes Swisso Kalmo und Bashir Gobdon, Vorstandsmitglied von Swisso Kalmo und des Fördervereins Neue Wege in Somalia.

Wie Bashir Gobdon bei seinem kürzlichen Besuch in Mogadischu bestätigte, ist es besonders schlimm, dass die Soldaten und Polizisten der neuen somalischen Regierung heute oft nicht bezahlt werden. Die Soldaten der Afrikanischen Union, der AMISOM, hingegen werden durch das Ausland bezahlt. Ohne die AMISOM würde die kürzlich neu gebildete somalische Regierung denn auch auf verlorenem Posten stehen. Bashir Gobdon ist Vorstandsmitglied von Swisso Kalmo und der Neuen Wege in Somalia. Er moderiert bei Radio Lora, einem Alternativradio aus Zürich, die wöchentliche Somalia Sendung. Zu hoffen ist, dass der Bund durch das DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) Somalia wirklich unterstützen wird, denn es nicht zu erwarten, dass die neue somalische Regierung in der Lage ist, in Südsomalia nach 20 Jahren Bürgerkrieg die grundlegende Infrastruktur in kurzer Zeit wieder aufzubauen. Schulen, Gesundheitsversorgung und Wasserversorgung wurden zum Teil zerstört. Der Förderverein Neue Wege in Somalia möch-

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te seine Tätigkeit aus personellen Altersgründen anderen Organisationen übergeben. Die versuchsweise Übergabe vor zwei Jahren des Ambulatoriums der Neuen Wege an Médecins du Monde (MdM) scheiterte leider kläglich. Al Shabab schloss drei Tage nach Übernahme durch MdM das Ambulatorium. Einige Monate später konnte das Ambulatorium dank der Fürsprache des Ältestenrates der Stadt Merka, durch die Neuen Wege den Betrieb wieder aufnehmen. Swisso Kalmo, eine Organisation die von Magda Nur-Frei und Nur Scecdon Olad gegründet wurde, wird heute vom somalischen Arzt Dr. med. Abdi Hersi von Nairobi aus geleitet. Finanziert wird Swisso Kalmo durch schweizer Spender, aber unter anderem auch vom Global Fund. Die Arbeit der Neuen Wege in Somalia wird durch private Spender, von Stiftungen und Kirchgemeinden in der Schweiz ermöglicht. Als Vorstandsmitglied der Neuen Wege, hoffe ich, dass wir eine Organisation finden werden, die unsere Arbeit in Somalia weiterführen kann.

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HINTERGRUND 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} * Davide Loss

«Unentgeltliche Rechtspflege» heisst es so schön in unserer Verfassung. Doch manchmal kommen Instanzen auf die Idee, diese sei doch entgeltlich. Vom Geist der Unentgeltlichkeit und dem staatlichen Drang, das Geld auch bei den Armen einzutreiben. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. So steht es in Artikel 29 Absatz 3 der Bundesverfassung. Auch der Mittellose muss nämlich die Möglichkeit haben, zu seinem Recht zu kommen; sonst würde nicht dasselbe Recht für alle gelten. Aus dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ergibt sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung für den Betroffenen der Anspruch, von Verfahrens- und Gerichtskosten befreit zu werden. X., Student an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich, gerät wegen der Nichtanrechnung eines Moduls in einen Rechtsstreit mit seiner Fakultät. X. erhebt Rekurs an die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen. Da ihm im Fall der Abweisung seines Rekurses Verfahrenskosten bis zu 1'000 Franken drohen und er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt, stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen kommt zum Schluss, dass X. zwar nicht über die finanziellen Mittel verfüge, jedoch seine Eltern aufgrund seiner noch nicht abgeschlossenen Erstausbildung für die Verfahrenskosten aufzukommen hätten und weist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. Einige Monate später stellt sich heraus, dass die Frage der Anrechenbarkeit des Moduls gegenstandslos ge-

Das Verwaltungsgericht hält dem zunächst entgegen, dass die Praxis es den Verwaltungsbehörden erlaube, Kosten für abweisende Zwischenentscheide zu erheben, selbst wenn die Partei in der Hauptsache obsiege. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz dies bei der das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abweisenden Präsidialverfügung so vorgenommen habe. Sodann gehe es bei der vorliegenden Angelegenheit nicht um einen Zivilprozess, weshalb der Verweis auf die Regelungen in der ZPO von vornherein unbehelflich seien. Ausserdem sei davon auszugehen, dem Beschwerdeführer zwar von der Vorinstanz Kostenlosigkeit zugesichert worden sei, er es aber unterlassen habe, sich beim Rückzug seines Rekurses darauf zu berufen. Daher sei davon auszugehen, dass der Rückzug nicht im Vertrauen auf die unrichtige Information erfolgt sei. Schliesslich habe der Rückzug des Rekurses für den Beschwerdeführer sogar «regelwidrig» zum Vorteil gereicht. Eigentlich hätten ihm für die Gegenstandslosigkeit noch mehr Kosten auferlegt werden können. Dieses Urteil zeigt, dass die unentgeltliche Rechtspflege mehr und mehr zu einem Emmentaler verkommt. Immer grösser werden die Löcher und von der eigentlichen Substanz der unentgeltlichen Rechtspflege bleibt nur noch wenig übrig. Ehrlicher wäre es, dieses Institut als entgeltliche Rechtspflege in unserer Verfassung zu verankern. Urteil

Diskussionsrunde zur Eidg. Abstimmung 22. Februar in der Redaktion

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In diesem Jahr diskutieren wir vor jedem Eidgenössischen Abstimmungssonntag über die Vorlagen. Das Geschwätz der Politiker kennen wir ja alle bestens. Wir treten immer mit dem gleichen Trio an: Philipp Meier (Milieu König), Kafi Freitag (fragfraufreitag.ch) und Rino Borini (Chefredaktor PUNKT Magazin); moderiert von Simon Jacoby (Redaktor dieperspektive). Die Diskussionen sind

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des

Verwaltungsgerichts

des

Kantons

Zürich

VB.2012.00363 – noch nicht rechtskräftig

* Davide Loss, 25 Jahre, SP-Kantonsrat und studiert im Master Rechtswissenschaften an der Universität Zürich

VORSCHAU

Diskussionsrunde

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worden ist. X. zieht seinen Rekurs zurück. Im Vorfeld war ihm von der Rekurskommission der Zürcher Hochschulen zugesichert worden, das Verfahren sei vor dieser Instanz «praxisgemäss» kostenlos, wenn ein Rechtsmittel zurückgezogen wird. Ein halbes Jahr später flattert bei X. eine Abschreibungsverfügung der Rekurskommission der Zürcher Hochschulen ins Haus. Darin wird festgehalten, das Verfahren sei zwar «praxisgemäss» kostenlos, jedoch wurden für die Abwei-sung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege nachträglich 300 Franken Verfahrenskosten erhoben. Völlig verdutzt und ratlos ob dieser Kostenauflage erhebt X. Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Der Beschwerdeführer macht einerseits geltend, ihm sei von der Vorinstanz eine kostenlose Abschreibung zugesichert worden, andererseits führt er zutreffend aus, dass für die Beurteilung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege ohnehin keine Kosten erhoben werden dürfen, da dies dem Sinn und Geist der unentgeltlichen Rechtspflege zuwiderlaufen würde. Ausserdem verletze die Kostenauflage bei einem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege das Verursacherprinzip, weil diese Kosten auch bei einem Obsiegen in der Hauptsache erhoben worden wären, und sodann würde eine solche Kostenauflage insgesamt zu einem höheren Kostenrisiko führen, weshalb bedürftige Leute aus Angst vor den anfallenden Verfahrenskosten versucht sein könnten, kein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu stellen. Schliesslich verweist der Beschwerdeführer auf die Regelungen im Zivilprozess, wonach ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege immer kostenlos ist (Art. 119 Abs. 6 ZPO).

Diskussionsrunde

für alle offen – wir wollen über die teilweise trockenen Vorlagen gemeinsam neue Perspektiven entwickeln. Das erste Mal am 22. Februar, 20 Uhr bei uns an der Zweierstr. 38. Die Themen: Raumplanungsgesetz, Abzockerinitiative

Weitere Informationen folgen via Webseite und Facebook

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HINTERGRUND 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} Heinrich Frei

Die Europäische Union erhielt den Friedensnobelpreis, obwohl sie sich aktiv am Kriegsgeschehen beteiligt und fleissig Waffen exportiert. Erstaunlich ist, dass die EU mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, obwohl EUStaaten immer wieder Kriege führten: Auf dem Balkan, im Irak, in Afghanistan, in Afrika und kürzlich in Libyen. Die EU-Staaten Frankreich und Grossbritannien besitzen sogar Atomwaffen und in Deutschland wird gerade jetzt das Atomwaffenarsenal der US-Armee modernisiert. War es das Motto von Bertha von Suttner, die Alfred Nobel zur Schaffung des Nobelpreises animierte, mit Waffen und Krieg Frieden zu stiften? Die EU-Staaten führten den Krieg in Libyen mit der Begründung der «Einrichtung einer Flugverbotszone». Die USA, andere Nato-Staaten und arabische Staaten bombardierten das Land, was tausende Tote unter der Zi-

vilbevölkerung forderte. Zurzeit unterstützen auch EU-Staaten, zusammen mit den Golfdiktaturen Saudi-Arabien, den Emiraten, Katar, der Türkei und weiteren Ländern einseitig die Bürgerkriegspartei, welche das Assad-Regime stürzen will. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck zum Beispiel sprach in seiner Weihnachtsansprache vom «Frieden der seit über 60 Jahren in Europa herrscht». Die Schweizer Bundesrätin Frau Simonetta Sommaruga erwähnte in einem Interview im Zürcher Tages Anzeiger kürzlich sogar eine «bald siebzigjährigen Friedensperiode in Europa». Wenn Frau Bundesrätin Sommaruga von einer «bald siebzigjährigen Friedensperiode» in Europa spricht, ist ihr der furchtbare Bürgerkrieg in Griechenland entgangen der bis 1949 dauerte. Grossbritannien und die USA setzten damals bei ihrer Intervention gegen die Aufständischen, die nicht auf ihrer Linie lagen, sogar Napalm ein. Diese Freiheitskämpfer hatten während dem Zweiten Weltkrieg in Griechenland gegen die Nazis gekämpft. Die friedlichen, europäischen Staaten führten zudem

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ausserhalb Europas in dieser vermeintlichen 60-70 jährigen «Friedensperiode» viele Kriege, die Millionen Menschen das Leben kosteten. Französische Soldaten und Legionäre kämpften in Indochina und dann in Algerien. Grossbritannien, Frankreich, Portugal, Belgien, Spanien töteten Hunderttausende in ihren Kolonien bevor sie den Rückzug antraten. Erwähnen kann man auch die Intervention des Warschauer Paktes 1956 in Ungarn und in der Tschechoslowakei 1968. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck vergass auch Bosnien und Herzegowina. Im Bosnienkrieg kamen, vor nicht einmal zwanzig Jahren, rund 100‘000 Menschen um.In den Kriegen in Kroatien, Slowenien, in Serbien und im Kosovo starben weitere Zehntausende. Über eine Million Menschen auf dem Balkan wurden damals vertrieben und die meisten konnten nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Im Nato-Krieg im Kosovo kamen Kampfjets, Cruise Missiles, Uranmunition und Schiffsgeschütze aus Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden usw. für

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HINTERGRUND 25. Ausgabe, Februar / März 2013

die Bombardierung von Serbien zum Einsatz. Diese «humanitäre» militärische Intervention auf dem Balkan wurde ohne UNO-Mandat durchgeführt. Europäische Staaten haben sich auch am Krieg in Afghanistan beteiligt, am Krieg im Irak und im letzten Jahr am Krieg in Libyen. Ausserdem gehören europäische Staaten zu den grössten Exporteuren von Kriegsmaterial auf dieser Erde. Sie heizen mit ihren Waffenexporten Konflikte in aller Welt an. Massgeblich haben europäische Staaten das Schah-Regime, Saddam Hussein, Libyen, Pakistan, die Türkei, Pinochet, die Militärjunta in Argentinien, das Obristen Regime in Griechenland und folternden Golfdiktaturen, wie Saudi-Arabien aufgerüstet. In der EU, die den Friedensnobelpreis erhalten hat, gibt es Staaten die zu den grössten Exporteuren von Kriegsmaterial auf dieser Erde gehören. Deutschland war 2010 der drittgrösste Waffenexporteur der Welt, Grossbritannien der fünftgrösste, Frankreich der sechstgrösste, Schweden der siebgrösste, Italien der

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achtgrösste und die Niederlande der zehntgrösste. (Rangliste laut dem Stockholm International Peace Research Institute). Wirtschaftliche Überlegungen standen bei der Bildung der EU und des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) im Vordergrund. Vor zwanzig Jahren lehnte das Schweizer Volk einen Beitritt knapp ab. In einer Veranstaltung in der Roten Fabrik in Zürich plädierte damals Jean Ziegler für den Beitritt der Schweiz zum EWR. Tony Benn, der ehemalige Britische Labour Postminister, bezog in der Roten Fabrik Stellung gegen den EWR. Seiner Meinung nach war der EWR eine Konstruktion, die einseitig wirtschaftlichen Interessen der Konzerne und Banken dienten, ohne demokratische Mitbestimmung der Bevölkerung. Die EU und der EWR werden auch heute hauptsächlich von Wirtschaftsinteressen bestimmt, was zwar wichtig ist, aber die Demokratie sollte nicht auf der Strecke bleiben. Das Demokratiedefizit wurde bei der Verabschiedung des Lissabon-Vertrages sichtbar. Nicht einmal die EU-Abgeordneten hatten Zeit, den

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definitiven Text des Vertrages zu studieren. Sie mussten einfach unter Zeitdruck zustimmen. In den meisten Ländern der EU fand auch keine Abstimmung über diesen wichtigen EULissabon-Vertrag statt. Zu erwähnen ist: Der Lissabon-Vertrag führte in der EU auch wieder die Todesstrafe ein: Im Kriegszustand sind Tötungen zur Niederschlagung eines Aufruhrs erlaubt. Was jetzt gerade in Griechenland, Spanien und Portugal abläuft erinnert mich sehr an die Dinge die John Perkins in seinem Buch «Economic Hit man» schilderte. Die Rezepte der EU aus Brüssel zur Sanierung dieser verschuldeten Staaten zwingen diese Länder, u.a. ihre Gesundheits-, Bildungs-, Energieversorgungs- und Wasserstrukturen an Privatkonzerne zu verkaufen. Ebenso müssen viele lebenswichtige soziale Einrichtungen eingestellt werden. Griechenland, Spanien und Portugal kommen immer mehr unter die wirtschaftliche Kontrolle der Banken und Konzerne der reichen Industrieländer. Armut und Elend gehören dort bald zum Alltag.

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HINTERGRUND 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} Heinrich Frei

Die neuen Bestimmungen, die schon in Kraft gesetzt wurden, könnten erst nach Annahme des Referendums gegen die Revision des Asylgesetzes wieder abgeschafft werden. Die Referendumsfrist endete am 17. Januar 2013. Die notwendige Unterschriftenzahl von 50‘000 Unterschriften für das Referendum wurde locker erreicht. Für die Schweizerische Volkspartei, die SVP, geht die neue Asylgesetzgebung immer noch zu wenig weit. Deshalb hat diese Partei, die ihre üble Suppe mit der Fremdenfeindlichkeit kocht, neue Vorstösse zu einem noch restriktiveren Asylrecht in Aussicht gestellt. Der Schriftsteller Lukas Bärfuss schrieb am 15. Juni 2012 im Zürcher Tagesanzeiger: «Die Revision (des Asylrechtes) ist eine Schande für jeden Menschen in diesem Land, der einen Rest dessen in sich verspürt, was man früher Gewissen, Vorstellungskraft und Mitgefühl nannte.»

Kriegsdienstverweigerern muss Asyl gewährt werden Gemäss der Genfer UNO-Flüchtlingskonvention muss die Schweiz auch in Zukunft alle Menschen aufnehmen, die in ihren Heimatländern schwere Verfolgungen riskieren, aus politischen oder religiösen Gründen. Dazu gehören auch Bürger die sich weigern für irgendeinen Machthaber in den Krieg zu ziehen oder die aus einer Armee desertieren. Als eine der letzten Demokratien hatte die Schweiz erst im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts einen zivilen Ersatzdienst für Militärverweigerer eingeführt. Vorher wurden Verweigerer zu Gefängnisstrafen verurteilt. Nur den wenigsten Flüchtlingen gelingt die Flucht in die Festung Europa. Europa schottet sich heute ab, wie vor und während dem Zweiten Weltkrieg die USA, die Schweiz und andere Staaten die damals viele politische Flüchtlinge, Zigeuner und Juden aus HitlerDeutschland abwiesen. Laut dem Jahresbericht der EU-Kommission wurden in der wohlhabenden Europäischen Union im Jahr 2011 302‘000 Anträge auf Asyl gestellt. Fast genauso so viele Menschen - insgesamt 343‘000 Perso-

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Seit zwanzig Jahren wird in der Schweiz die Asylgesetzgebung laufend verschärft: Sie wird immer unmenschlicher. Mit den neuen Bestimmungen werden jetzt sogar Kriegsdienstverweigerer nicht mehr automatisch als Flüchtlinge anerkannt.

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nen -wurden laut diesem Bericht an den Aussengrenzen der EU abgewehrt. In Kenia, einem Land das sehr arm ist, leben heute allein im Lager Dadaab eine halbe Millionen Somalier, zum Teil seit zwanzig Jahren. Pakistan beherbergt zwei Millionen Flüchtlinge, der Iran rund eine Million. Derzeit befinden sich weltweit fast 44 Millionen Menschen auf der Flucht. Kriege schaffen Flüchtlinge Ein Grund warum so viele Menschen flüchten sind Kriege - Kriege, die auch mit Schweizer Rüstungslieferungen angeheizt werden. Solche Exporte befürworten die bürgerlichen Parteien, auch die SVP, obwohl der grösste Teil dieser Kriegsmaterialexporte nach Gesetzen und Verordnungen unseres Landes verboten wäre. Von Asylbewerbern wird verlangt sich an Gesetze zu halten, aber um das Kriegsmaterialgesetz und die Kriegsmaterialverordnung foutieren sich die meisten Politiker. Diese Bestimmungen kümmern sie nicht. Auch für die Medien ist die krasse Verletzung dieser Gesetze und Verordnungen kein Thema. Ländern, die Menschenrechte verletzen und Nato-Staaten, die immer wieder Kriege führen und Regime, die foltern

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HINTERGRUND 25. Ausgabe, Februar / März 2013

wie die Golfdiktaturen, Saudi-Arabien, Katar, Bahrain und die Emirate dürften nicht mit Waffen aus der Schweiz beliefert werden. Rechtsstaat wird ignoriert, wenn es um das Geschäft mit dem Krieg geht Indem SVP Politiker, christliche und freisinnige Politiker Kriegsmaterialexporte an menschenrechtsverletzende Staaten befürworten, sogar an ständig kriegführende Nato-Staaten, zeigt die SVP und die anderen bürgerlichen Parteien, dass sie nicht viel halten von der Neutralität und vom Rechtsstaat. Laut der Verordnung über den Export von Kriegsmaterial ist es nämlich verboten an Staaten, die «in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind» oder welche «die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen» Kriegsmaterial zu liefern. Die Statistik der Kriegsmaterialexporte 2011 zeigt erneut, dass Nato-Staaten die im letzten Jahr in Afghanistan und in Libyen Krieg führten, aber auch Pakistan, Indien und Saudi-Arabien weiterhin von unserem Land mit Waffen beliefert wurden. Diesen Staaten wurden sogar Waffen von den subventionierten bundes-

eigenen Rüstungsbetrieben RUAG von ihren Fabriken in der Schweiz und im Ausland verkauft. «Der Bundesrat hat wiederum seine eigene Gesetzgebung missachtet, indem er den Begriff des bewaffneten Konfliktes nach Gutdünken interpretiert», wie 70 Rechtsgelehrte schon vor drei Jahren in einem offenen Brief an Bundesrätin Doris Leuthard festhielten: «Der Bundesrat hat den Begriff des bewaffneten Krieges umdefiniert, um in mehr Länder exportieren zu können», wie Prof. Marco Sassòli der Universität Genf und die anderen Rechtsgelehrten damals schrieben. Im Zusammenhang mit dem Steuerkonflikt mit den USA will Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf den Rechtsstaat verteidigen. Warum nicht im Falle der Kriegsmaterialexporte? Schweizer Topplatzierung bei den Kriegsmaterialexporten Von der Kriegsmaterialstatistik der Schweiz nicht erfasst werden Geschäfte des bundeseigenen, subventionierten Rüstungskonzerns RUAG die vom Ausland aus getätigt werden. Diese Geschäfte sind geheim. Dieser Kon-

zern, im Besitze des Schweizer Volkes, produziert auch im Ausland. Die international tätige RUAG besitzt Produktionsstätten in Deutschland (Oberpfaffenhofen, Hamburg, Berlin, Sulzbach-Rosenberg und Fürth), Schweden (Åmotfors, Linköping und Göteborg), Ungarn (Sirok), Österreich (Wien und Berndorf) und in den Vereinigten Staaten (Los Angeles und Tampa). RUAG Verkaufsgesellschaften gibt es in weiteren Ländern, so in Belgien, Brasilien, Frankreich, England, Österreich, Malaysia. 48 Prozent des Umsatzes erzielte die RUAG auf dem zivilen Sektor und 52 Prozent auf dem militärischen. Gemäss dem Internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI veröffentlichten Zahlen war die Schweiz im Jahr 2011 das Land welches nach Schweden, Israel und Russland weltweit am viertmeisten Kriegsmaterial pro Einwohner exportierte. Die Kriegsmaterialexporte und die Verschärfung des Asylrechtes sind ein Todesstoss für die neutrale und humanitäre Schweiz, für Niklaus von der Flüh, Heinrich Pestalozzi, Henry Dunant und Pierre Cérésole.

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Erleben Sie live, wie man ein hiebund stichfestes Alibi aus dem Ärmel schüttelt, als Pilot im Sturzflug seinen Passagieren den Himmel auf Erden verspricht oder aus dem Stegreif eine bühnenreife Liebeserklärung zum Besten gibt. Fünf gewürfelte Icons werden in 180 Sekunden zu Kurzgeschichten kombiniert. Im Dreiminutentakt kreuzen 4 Geschichtentüftler ihre Federkiele und das Publikum bestimmt den Meisterpoeten des Abends. Schauen Sie zu wie mit Sprache gespielt wird oder schreiben sie als Ghostwriter mit.

IconPoet 22. Februar Cabaret Voltaire

Jeweils am letzten Donnerstag des Monats kreuzen unter Aufsicht von Etrit

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Hasler vier Teilnehmer während 90 Minuten die Federkiele.

Donnerstag 28. Feb. 2013 20.00 Uhr Donnerstag 28. Mrz. 2013 20.00 Uhr

Cabaret Voltaire Saal, Spiegelgasse 1, Zürich Eintritt 20 CHF Ticketverkauf an der Abendkasse. Reservationen werden keine entgegengenommen.

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HINTERGRUND 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} Yanik D. Sousa

Wie versprochen schreibe ich nun nochmals für euch und will ein bisschen von meinen Schulbesuchen in einer den staatlichen Schulen erzählen mit einigen interessanten Informationen zum Schulsystem in Senegal. Da wir ja (noch) keine eigene Schule in Senegal haben, schreiben wir die Kinder jeweils an der nächstgelegenen öffentlichen Schule ein. Die meisten Kinder haben wir bisher in der Schule «Grand MBour 1» eingeschrieben. Diese Schule habe ich gegen Ende meines Aufenthalts ein paar Mal besucht. Der Direktor der Schule und der dienstälteste Lehrer waren beide sehr freundlich und offen und meinten sofort, dass es kein Problem sei, wenn ich einige Klassen besuchen würde. Ich meldete mich also für einen ersten Besuch an, welcher mich in eine der beiden sechsten Klassen führte - oder im französischen System, dass auch in Senegal übernommen wurde CM2 (cours moyenne deux). Ich durfte mich nach einer, mehr oder weniger, einheitlichen Begrüssung der Klasse: «Bonjour Monsieur!», hinter das Lehrerpult setzen. Auf dem Stundenplan stand gerade Geometrie. Anschliessend wurde ein Relief Afrikas besprochen und der Lehrer schrieb einen Text dazu an die Wandtafel. Diese Texte, sogenannte «leçons», müssen die Kinder am Abend auswendig lernen. Nun kam noch eine Arabischlehrerin für die letzte Stunde vor der Pause (die Kinder haben am Morgen von 8h00-11h00 und dann nochmals von 11h30 bis 13h00 Schule). Anschliessend setzte ich mich mit Lehrer Monsieur Seck zusammen. Er erzählte mir unter anderem, dass es sehr schwierig sei, mit so vielen Kindern - jeweils um die siebzig - einen guten Unterricht zu führen und dass sie in dieser Schule in jeder Klasse mehr Mädchen als Jungen hätten, was daran liege, dass die Regierung seit einigen Jahren die Einschulung von Mädchen fördere. Das hat mich sehr überrascht, da im Senegal doch immer noch weit mehr Jungen als Mädchen in die Schule gehen.

Es stand Mathematik auf dem Programm. Die Kinder mussten ihre «ardoises» (kleine Taschenwandtafeln) zur Hand nehmen und los gings: Madame Ba knallte mit einem langen Stück Plastik auf den Tisch, «levez vos craies». Es folgten eine Rechenaufgabe und ein weiterer Knall, dann erneut die Aufforderung «levez vos ardoises» und ein letzter Knall. Nun wurden jene Schüler mit einer falschen Lösung barsch angewiesen, die richtige Lösung aufzuschreiben. Das lange Stück Plastik wurde auch mal dazu verwendet, die Aufmerksamkeit eines abgelenkten Kindes zurückzugewinnen, was ein- oder zweimal zu Tränen führte. Nach einer sportlichen Pause in der man sich ausrichtete und auf der Stelle marschierte «comme les militaires» mussten die Kinder noch eine «le-

«In der Pause fragte mich die Lehrerin, ob ich nicht die Einschreibungen und das Schulmaterial für zwei Mädchen aus ihrer Klasse bezahlen könnte.»

Hartes Regime An einem anderen Tag besuchte ich eine zweite Klasse mit wiederum über siebzig Kindern.

çon» abschreiben und dann war es erneut Zeit für die Pause. In der Pause fragte mich die Lehrerin, ob ich nicht die Einschreibungen und das Schulmaterial für zwei Mädchen aus ihrer Klasse bezahlen könnte. Die Mutter der beiden sei vor kurzem gestorben und der Vater kümmere sich nur sehr begrenzt um die Kinder. Manchmal kämen sie am Morgen zur Schule, ohne etwas gegessen zu haben. Ich war sehr froh, dass sich Madame Ba an mich gewendet hatte, denn wir sind mit unserem Projekt ja davon abhängig, dass Leute die sich vor Ort auskennen uns jene Menschen vermitteln, die diese Unterstützung wirklich brauchen. So bin ich der Bitte von Madame Ba gerne nachgekommen. Mein letzter Besuchstag an dieser Schule führte mich am Morgen in eine vierte Klasse und nach der Pause in den Kindergarten. Erzählen möchte ich ein wenig vom Kindergarten. Etwa fünfunddreissig Kinder waren daran, aus einem Haufen von Schultaschen und Trinkflaschen einzelne Exemplare mit einer

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bestimmten Farbe herauszusuchen, auf Französisch versteht sich. Die Lehrerin zeigte uns einige Bilder, die sie am Morgen mit den Kindern gemalt hatte und danach sagten die Kinder uns ein Sprüchlein auf, in dem sie ihre tolle und schöne Schule lobpreisten. Im nachfolgenden Geometrieunterricht erklärte die Lehrerin, was ein Kreis ist und einer nach dem anderen durfte einen Kreis an die Tafel malen, wobei ein Mädchen fast nicht mehr zu bremsen war. Am Schluss wurde auf unseren Wunsch hin noch lautstark gesungen. Auf dem Weg vom Klassenzimmer bis zum Schuleingang wurden wir dann noch von einer kleinen Eskorte aus KindergärtnerInnen begleitet und umstürmt. Überfüllte Klassenräume Als Fazit kann ich sagen, dass die Besuche in der Schule sehr interessant waren. In dieser Schule, und das ist im Senegal leider fast überall so, gab es in den Klassen viel zu viele Kinder, weshalb die Lehrer oft eine grosse Strenge an den Tag legen. So wurde in jeder Klasse die ich besucht habe, mindestens einmal ein Kind geschlagen. Die grosse Schülerzahlen und die grossen Alters- und Niveauunterschiede unter den einzelnen SchülerInnen führen dazu, dass der Unterricht schwer zu führen ist und an Qualität verliert. Die Chance auf Arbeit steigt natürlich, wenn man einen Schulabschluss vorweisen kann (auch wenn sie aufgrund des Mangels an vorhandenen Stellen dennoch sehr gering bleibt) und wir hoffen, dass wir mit unserem Projekt die Chancen auf eine Zukunft mit Arbeit für einige Kinder aus armen Familien erhöhen können.

Gerne weise ich euch auf einen Vortrag am 10.2.2013 bei der Christengemeinschaft Zürich hin. Dort werden wir noch ausführlicher über unser Projekt berichten. Wenn Fragen aufgekommen sind, dann hoffe ich, dass wir diese dann oder auch per Mail beantworten können. yaniksousa@hotmail.com http://www.matura-aid-africa.org/

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TITELGESCHICHTE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} * Simon A. Jacoby & Conradin Zellweger

In den Ursprüngen der Hippie-Bewegung wurde alles geteilt: Männer, Frauen, Drogen und vieles mehr. Der heutige Hippie teilt zwar immer noch, aber nicht mehr alles. Obwohl die 68-er Jahre schon weit zurück liegen, gibt es immer noch Hippies. So auch in der Schweiz. Als Hippies gelten nicht nur ungewaschene Sandalenträger, sondern all jene, die das Teilen als einen ihrer Grundwerte hochhalten. Für die Titelgeschichte machte sich dieperspektive auf die Suche nach drei verschiedenen Hippie-Gruppen: Ein Duo, das sich auf das Teilen vorbereitet, eine junge Frau, die sich seit Jahren auf das Teilen von jeglichen Dingen spezialisiert hat und eine Unternehmer-Troika, die den Wert des Teilens im Verlauf der Zeit gegen das Streben nach dem grossen Geld verloren hat. Leidenschaft T-Shirt Es ist noch nicht viel mehr als eine Idee. Aber die Idee hat die beiden fasziniert. Wortsuchend und mit Engagement erzählen die beiden im Kafi Schnaps an einem Sonntagmorgen von ihrem Plan. Dass sie von T-Shirts angefressen sind wird schnell klar. In Schweden gebe es einen TShirt Produzenten, welcher seine Kunden monatlich mit einem kurzärmligen Designerstück beliefere - per Post. Pablo, der gesprächigere der beiden T-Shirt-Visionären, hat dank diesem T-Shirt Abo gut zwanzig fein säuberlich aufbewahrte T-Shirts in seinem Schrank. «Das T-Shirt ist ein spezielles Kleidungsstück. Wenn du dein Lieblings-Shirt anziehst, dann wird der Tag sowieso gut. Du fühlst dich wohl. Das Gefühl ist bei Hosen nicht annähernd so stark.» Der ruhigere der beiden ist über den technischen Aspekt bei T-Shirts gelandet. Mit präziser Handgestik und pointierten Stichworten erklärt Alun, wie er sich über den Siebdruck für bedruckte Kleidungsstücke zu interessieren begann. Die handgemachten Teile verkaufte er am Rimini Montagsmarkt. So ist es mehr die logische Folge der Leidenschaft der beiden als eine Schnapsidee, dass Alun und Pablo eine T-Shirt Community, dshirts.ch genannt, auf die Beine stellen wollen. Zum Kern der Vision, welche noch in Kinderschuhen steckt. Eine Community soll es geben. Auf der bereits bestehenden Webseite dshirts.ch können Designs und Fotos von speziellen Tshirts hochgeladen werden. Blogeinträge sollen alles rund um das besagte Kleidungsstück beleuchten. Designs sollen zum Verkauf und zu Ausstellungszwecken auf der Webseite zu finden sein. Der Einwand, das Ganze werde dann einfach eine durchgestylte Verkaufsplattform, schlägt Alun in den Wind. «Wir sind weder

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T-Shirts sind kein Winterkleidungsstück. Darum mögen Alun(l.) und Pablo(r.) den Sommer lieber.

ein Flohmarkt, noch wollen wir ein OnlineVerkaufshaus wie Zalando werden.» Es geht um Austausch. Es geht darum, schöne Dinge zu teilen. «Wir werden kein Geld für verkaufte T-Shirts verlangen, noch Kontaktangaben zurückhalten.» Von der Idee zum Projekt An Motivation mangelt es den beiden T-Shirt Liebhabern nicht. Zeit ist der kritische Punkt. Pablo arbeitet Vollzeit als Informatiker. Alun bereitet seine Mappe für den Cast Studiengang an der ZHDK vor. Man erkennt es unschwer, auch wenn erst das Gerüst von dschirts.ch steht, es stecken bereits etliche Tage an Gedankenarbeit und Planung in dem Projekt. Alles unbezahlt versteht sich. Auch wenn die beiden völlig überzeugt sind von ihrer Idee, die ersten Probleme zeigten sich schnell. Wie lassen sich genügend Blogger finden, welche auf eine fast leere Plattform posten? Wie lassen sich Designer finden, welche ihre T-Shirts neben den paar von Alun selbst gefertigten Modellen ausstellen wollen? Eines haben Alun und Pablo sehr schnell bemerkt. Von alleine geht Nichts. Wie

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bei vielen Communities geschieht am Anfang viel über das persönliche Netzwerk. Man fragt Freunde und Kollegen, ob sie Designs oder Blogeinträge für die Plattform machen wollen. Diese Leute, welche einen persönlichen Bezug zu ihnen haben, seien einfacher dafür zu begeistern etwas für eine noch leere Plattform zu machen. Die Verbindlichkeit scheint dann auch grösser zu sein. Die beiden sind realistisch und optimistisch gestimmt. «Wir müssen schauen, dass wir eine kritische Masse an Einträgen und Designs, Fotos und Texten erreichen. Nur so wird eine aktive Community entstehen.» Die Basis und nächsten Schritte für dshirts.ch sind somit geklärt. Aber Pablo gerät nun erst recht ins Schwärmen. Man könnte noch ein App machen, mit welchem man den Blogeintrag direkt auf die Startseite schalten könnte. Alun mag die Idee, fragt sich aber sogleich wie man es bewerkstelligen würde, dass kein Spam auf der Seite landet. Die beiden diskutieren und visionieren. An Ideen mangelt es ihnen nicht. Das Teilen ist etwas grosses und ehrenvolles. Und es liegt in der Definition der Sache, dass nur geteilt werden kann, wenn genügend Teiler bei der Sache mitmachen.

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TITELGESCHICHTE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

früheren Hippies hatten oft ein selbstzerstörerisches Verhältnis zu Drogen. Davon lässt Marlen ganz bewusst die Finger. «Ich habe ohne Drogen bereits eine erweiterte Wahrnehmung der Dinge. Ich erreiche diesen Wahrnehmungszustand, indem ich sämtliche wertende Gedanken gegenüber meiner Umwelt ausschalte. Durch's Weglassen dieser Wertung erweitern sich meine Wahrnehmungen gegenüber meiner Umwelt im Feinstofflichen.» Marlen fährt seit zehn Jahren fast täglich mit dem Fahrrad der Langstrasse in Zürich entlang. Für sie ist die Langstrasse ein ganz besonderer Ort. «Hier begegnet man täglich so vielen Menschen mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten. Wenn es dir gelingt, diese Menschen zu nehmen, wie sie sind, ohne die wertenden Gedanken aufkommen zu lassen, die automatisch aufkommen würden, dann wirst du begreifen, was ich mit erweiterter Sinnes-Wahrnehmung meine.»

Das Gerüst steht. Nun geht es um das Befüllen der Plattform dshirts.ch

Leidenschaft Kleindesign Die Idee ist simpel aber auch sehr unerwartet. So begeisterte das Projekt Designomat bereits tausende Menschen. Im Kulturplatz auf SF 1 und in diversen Zeitungen wurde bereits von den mit Designstücken befüllten Zigarettenautomaten berichtet. Über viertausend FacebookFans bestätigen: Die zwei Jungdesignerinnen Marlen und Dinda haben den Zeitgeist getroffen. Design soll im Alltag vorkommen und einfach zu kriegen sein. Vor lauter Anfragen von Bars und Kaffees können Sie sich kaum noch retten. Dermassen beliebt sind die schmucken Designomaten. Auch Designomat ist ein Projekt, welches auf dem Prinzip des Teilens beruht. Anders als bei dshirts werden bei Designomat Designgegenstände in Zigarettenschachten geteilt. Gekauft werden die Schachteln für den «Unkostenbeitrag» von acht Franken aus Zigarettenautomaten. Auch wenn dieses Projekt bereits eine beachtliche Grösse und einen Jahresumsatz von einem vierstelligen Betrag erreicht hat, die beiden Macherinnen Marlen und Dinda arbeiten aus Freude an der Sache, nicht wegen dem Geld. Geben und Nehmen Im Gespräch verrät uns Marlen, wie sie mit Designomat und weiteren Projekten als selbst ernannter «Stadthippie» lebt. So lange wie für Designomat hat Marlen noch nie für einen Arbeitgeber gearbeitet. Ein Hippie ist sie nicht nur bei Designomat. Marlen mag es in verschiedenen Küchen der Stadt zu Kochen. Sie teilt ein Atelier in der Binz mit Künstlerkollegen. Teilen scheint eines der Lebensmottos von Marlen zu sein. Sie selber beschreibt dies folgendermassen: «Ich möchte nicht nur Nutzer sein, sondern auch geben können, ohne Beachtung dafür zu erwarten.» Andere Personen ins Rampenlicht zu stellen, ist auch das Prinzip von Designomat. Komplimente bekommen vor allem die ausstellenden Designer. Marlen und Dinda liefern nur das Gehäuse, die Plattform für die Stücke.

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Teile dein Design. Einzige Bedingung für die Teilnahme: Das Stück muss in eine Zigarettenschachtel passen

Hippie ohne Drogen und Geld Den Vergleich mit einem Hippie scheint Marlen keineswegs zu stören. Sie teilt die Hauptansichten der Hippies. Ein Hippie habe immer das Herz an erster Stelle. Er bewege sich in einer Community. Seit den 60er Jahren habe sich aber auch einiges geändert. So liege heute der Fokus mehr beim eigenen Wohlbefinden. Die

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Aber wie auch die Hippies habe sie «kein Stutz». «Designomat ist für alle Beteiligten (sowohl Organisatoren, Designer) finanziell betrachtet ein Nonprofitgeschäft. Das Projekt wirft somit für Marlen seit Beginn keinen Rappen ab.» Im Gegenteil. Eine grössere Summe hat Marlen zu Beginn in den Projektaufbau investiert. Geld ist bei Designomat kein Tabuthema. «Wir könnten

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TITELGESCHICHTE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

hundert Automaten betreiben, finanziell würde das Projekt über den Verkauf der Artikel keinen Gewinn abwerfen, da der Verkauf so oder so kein Gewinn einbringt.» Die beiden Macherinnen von Designomat sind sich im Klaren, dass Sie sich in absehbarer Zeit kein Lohn für die geleistete Arbeit auszahlen können. Die beiden Macherinnen von Designomat ernähren sich nach 3 Jahren Projektaufbau von kleinen, finanziellen Lichtblicken, wie z. B. die Briefmarken nicht mehr aus der eigenen Tasche bezahlen zu müssen oder einen neuen Standort nicht aus Privatvermögen zu ermöglichen. Ganz ohne ökonomisches Gedankengut kommt aber auch ein Stadthippie wie Marlen nicht zurecht. «Mein Kapital, welches ich aus meinen Projekten generiere, ist das soziale Netzwerk.» Das Kapital der Stadthippies Über das soziale Netzwerk scheint sich bei Designomat vieles abzuspielen. So hat sich für Marlen dank Designomat auch schon die eine oder andere Türe geöffnet. In mehreren Schulen konnte sie bereits ein eigenes Modul anbieten oder Gastvorträge halten. So hat sie z. B. mit den Studenten der F+F, einer Züricher Kunstschule, Automatengegenstände produziert. Im laufenden Jahr möchte Marlen die Kooperation mit Schulen noch intensivieren, da sie Designomat noch stärker als Nachwuchsplattform etablieren möchte. Für ihre weiteren Projekte, welche sich auch im Kunst-KulturBereich bewegen, konnte Marlen die geknüpften Kontakte gut verwerten. Sie stecke viel von ihrer Energie in das Netzwerk. Dieses werde dann später zum Kapital. Marlen und Dinda setzen sich jeweils Ende Jahr gemeinsame Ziele für's kommende. Dabei werden festgehalten, auf was sie mit Designomat fokussieren wollen.

Kann sich mit dem Begriff «Stadthippie» identifizieren, Marlen von Designomat.

noch viel wichtiger, die Idee hilft anderen. Sie bietet den Jungdesigner eine Möglichkeit ihre Ideen zu teilen.

Streben nach dem Flow Es mag auf den ersten Blick unverständlich sein, wie Marlen die Energie aufbringt, gleichzeitig mehrere Projekte voranzutreiben. Marlen erklärt sich die Motivation für Ihr tun mit der Flow-Theorie, welche aus der Psychologie kommt. Zwischen Langweile und Überforderung gibt es einen Bereich, in welchem man in den Flow kommt. Wenn man sich in diesem Bereich bewegt, dann geht vieles. Man ist motiviert und kann enorme Energien aufbringen. Die Zusammenarbeit funktioniert bei den beiden Macherinnen sehr gut. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, kennt man aus etlichen Beispielen von Projekten, welche schnell größer werden. Man beginnt andere Ziele zu verfolgen und hat andere Ansichten. Vielleicht liegt es bei Designomat daran, dass wenig Geld im Spiel ist. Anders als bei vielen «Start-ups» geht es bei Designomat um andere Werte. «Unser weitaus wichtigstes Ziel ist es, der Idee treu zu bleiben.» Es steht also eine Idee an oberster Stelle. Die Idee will verwirklicht werden. Aber

Leidenschaft Computer Die Jungs von digitec verstehen etwas von Teilen. Jedoch teilen sie auf eine andere Art als dshirt und Designomat. Über 27 900 Fans sehen auf Facebook ihre geteilten Inhalte. Das Unternehmen steht mitten in der digitalen Landschaft. Es ist der Leuchtturm im Schweizer Online-Handel mit elektronischen Produkten. Wer einen neuen Laptop, eine neue Kamera oder das neue Game braucht, kriegt es nirgends billiger als auf digitec.ch. Der Umsatz ist astronomisch hoch. Im Jahr 2012 betrug der umgesetzte Warenwert über eine halbe Milliarde Franken – damit spielt die Firma in der gleichen Liga wie Mediamarkt. Angefangen hat alles viel kleiner. Drei junge Männer - Florian Teuteberg, Oliver Herren und Marcel Dobler – begannen im Jahr 2001 mit dem Basteln. Alles was sie wollten waren schnelle Computer, damit sie ihre Videospiele spielen konnten. Weil es zwar gute Teilchen gab, diese aber nicht optimal zusammengesetzt wurden, kombinierten sie ihre WunschPCs selber. Damit bauten sie die besten Geräte, zu einem unschlagbar günstigen Preis. Der Erfolg kam im kleinen Rahmen. Freunde und Bekannte wollten auch die besten Geräte – ein Spieler ist nur dann gut, wenn das Spiel auf einem guten Rechner gespielt werden kann. Die drei Freunde begannen zu teilen. Im Kinderzimmer flickten sie die Computer zusammen und verdienten so ihr erstes Geld. Das Ziel

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oder die Vision eines Unternehmens hatten sie schon damals, wie der CEO Florian Teuteberg gegenüber dieperspektive betont: «Wir haben früher als andere das Potenzial des OnlineShops erkannt und wollten dies so schnell wie möglich realisieren. Wir brauchten den Shop, um möglichst viele Kunden zu erreichen.» Dass sie Unternehmer geworden sind, merkten die Jungs erst, als sie die Nacht durcharbeiten mussten, um die Bestellungen termingerecht liefern zu können. Schwerreiche Jeansträger Nach vier Jahren war das Spiel zu Ende. Es wurde ernst. Aus dem Teilen wurde das unersättliche Streben nach Wachstum. Geht es nach Teuteberg war das Ziel des Wachstums aber nicht der Gewinn. Viel mehr war dieser das Mittel, um «Ideen zu verwirklichen». Ideen, an die die drei Gründer glaubten. Der professionelle Internet-Laden digitec.ch ging online. Ab sofort konnten alle, die wollten die günstigen Geräte kaufen und sich nachhause liefern lassen. Weil sie ohne Startkapital begannen, arbeiteten sie mit einem alten Trick: Ihre Kunden mussten schneller bezahlen, als digitec den Lieferanten. So hatten sie etwas Zeit, um die Rechnungen zu begleichen. Und die Jungunternehmer unterhielten keine Ladenlokale, wodurch sie die Ausgaben und Margen tiefhalten konnten. Der Gewinn stammt aus der Menge der verkauften Produkte. Die Einnahmeüberschüsse wurden immer in die Firma investiert. Die tiefen Preise sind jedoch nur ein kleiner Teil im Erfolgspuzzle von digitec: Effizienz, Schnelligkeit, Benutzer- und Kundenfreundlichkeit sind

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TITELGESCHICHTE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

Das Digiteclager in Wohlen.

Schlagworte, die das ganze Imperium durchziehen. Das hippiehafte Teilen stand zu Beginn im Vordergrund. Doch auch damals spielte der Wunsch nach Selbstverwirklichung schon eine grosse Rolle. Der «Ehrgeiz, es mit den Grössten aufnehmen zu können» wurde Tatsache. Das Outfit der Firmengründer lässt die alten Zeiten erahnen: Sie treten stets in Jeans und T-Shirts auf. Um den ihre Ideen zu realisieren und weiter zu wachsen, geben die Manager alles. Sie kennen die Firma in- und auswendig. Es ist ihr Reich, das sie der totalen Kontrolle unterworfen haben. Ein perfektes Beispiel für die Innovationskraft und die Kontrolle ist die Software, die digitec verwendet. In einem einzigen Programm sind alle Daten und Abläufe zentral abruf- und koordinierbar. Dieses Programm wird stetig weiterentwickelt und alle paar Jahre komplett neu geschrieben, um den moderneren Anforderungen gerecht werden zu können. Das machen die Bosse selber. Doch nötig hätten sie die viele Arbeit nicht mehr. Florian Teuteberg, Oliver Herren und Marcel Dobler sind Multimillionäre: Wir schreiben das Jahr 2012, Migros will in den Online-Handel einsteigen, weil sie das selber nicht so gut können. Der orange Riese kauft 30% der Digitec Aktien – mit Option auf die Mehrheit. Mit einem Schlag waren die jungen Männer nach einer Schätzung der Zeitschrift «Bilanz»

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je 14 Millionen Schweizer Franken schwer. Die drei Nerds arbeiten weiterhin mit und sind im Verwaltungsrat präsent. Bald laufen digitec und das Online-Warenhaus Galaxus unter einer Aktiengesellschaft weiter. «Migros wird eine Mehrheit übernehmen», erzählt Teuteberg. Sobald es soweit ist, kriegen die drei nochmals mehrere Millionen Franken. Die Geschäftsmänner haben in den Verhandlungen mit Migros eine geschickte Forderung durchgebracht und sich so die Kontrolle über ihr Baby in Zukunft gesichert: Auch wenn der Detailhändler die Aktienmehrheit hat, bleibt der Verwaltungsrat so zusammengesetzt, dass die Väter von digitec nicht überstimmt werden können. Kontrolle, Geld und Macht Die knapp 400 Angestellten bedienen eine Million Kunden, um der Troika noch mehr Grösse und Macht zu bringen. Die Motive von Teuteberg und seinen Freunden sind klar. Auf die Frage, ob die Gründer das Geld aus dem teilweisen Verkauf an Migros direkt in die Firma investieren werden, antwortet Teuteberg knapp: «Das ist derzeit nicht geplant». Zu beachten ist aber auch, dass der Betrag aus dem Verkauf niemals Geld war, das in digitec steckte. Den Verkauf haben sie nur angestrebt, um schneller expandieren zu können. Teuteberg: «Die Beteiligung eröffnet uns enorme Wachs-

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tumsperspektiven». Und: «Wer wächst und damit grösser wird, kriegt von den Händlern die besseren Preise. Wären wir zu klein, würden wir vom Markt verdrängt werden. Unser Wunsch nach Wachstum entspringt also auch einer gewissen Paranoidität.» Spätestens hier ist das Ende des Hippies. Aus dem bastelnden Trio in der Kinderstube wurden drei knallharte Unternehmer, wie es unzählige andere gibt. Es ist nun mal so, dass eine Firma Gewinn machen muss. In einem Punkt hat Teuteberg immer noch Recht: «Was in der Schweiz fehlt, ist der Mut zur Selbstständigkeit. Viele stellen sich das schwieriger vor, als es ist. Es liegt wohl auch an der Schweizer Mentalität, am Sicherheitsdenken und an der Angst, etwas zu verlieren, oder am selbst auferlegten Versagensdruck.»

* Conradin Zellweger, 23, Student in Publizistik & Kommunikation, Co-Chefredaktor von dieperspektive, aus Zürich * Simon A. Jacoby, 23, Co-Chefredaktor von dieperspektive, Student der Politologie und Publizistik- & Kommunikationswissenschaft und aktiver Politiker, aus Zürich

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HIPPIE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} Lisa Gnirss

In den 60er und 70er Jahren reisten Zehntausende auf dem Hippietrail in den Osten. Warum verliessen sie ihre Heimat und wer waren diese Blumenkinder, deren Ideal bis heute gepriesen und deren Freiheit beneidet wird? Allein im Jahr 1967 befanden sich etwa 10 000 Reisende auf dem Weg von Belgrad über Bulgarien, die Türkei, Iran, Afghanistan und Pakistan nach Indien und Kathmandu. Dabei war die Erwartung leicht zugänglicher Drogen und eines unbeschwerten Lebens im Augenblick meist mindestens so ausschlaggebend für die

Reise wie die Ablehnung der Verhältnisse im Westen, die Faszination des Orients und die Hoffnung auf spirituelle Selbsterfahrung. Entlang der verschiedenen Stationen der Reise traf sich die Gruppe der Eingeweihten immer wieder in Herbergen, Cafés und Restaurants, wo man Erfahrungen und Ratschläge austauschte. Dabei offenbarte sich das ‹richtige› Asien den Reisenden laut der National Zeitung (Vorgängerin der Basler Zeitung) vom Dezember 1974 erst in Afghanistan. Davor, so heisst es in der Zeitung, war bloss «europäisch verseuchtes Durchmarschgebiet», geprägt von misstrau-

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ischen Eingeborenen, effizienter Polizei und teuren Drogen. In Kabul jedoch betraten die Hippies eine neue Welt. Das Reisetempo passte sich nunmehr den Zollbeamten der jeweiligen Länder an: Man trank Tee, konsumierte bewusstseinsverändernde Substanzen und liess die Zeit vergehen, ganz im Sinne der Formel «Der Weg ist das Ziel». Die meisten der Glücksuchenden waren junge Männer und Frauen zwischen 18 und 30 Jahren, die ihre westlichen Herkunftsländer – meist kamen sie aus den USA oder Europa – hinter sich gelassen hatten, frustriert von der unpersönlichen und kapita-

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listischen Gesellschaft ihrer Eltern. Sie erhofften sich ein freies, ungebundenes Leben ohne Pflichten und Verantwortung, ohne Arbeitszwang und Verhaltensregeln. Viele von ihnen kehrten nach einigen Monaten oder Jahren der Wanderschaft wieder in den Schoss der Gesellschaft zurück, wenige wurden zu Aussteigern aus Überzeugung und blieben auf dem indischen Subkontinent. Faszination Indien Die Anziehung des Reiseziels lag für viele Hippies in der Weite, der Toleranz und dem relativen Organisationsmangel Indiens. Der Subkontinent versprach ein ursprünglicheres, natürlicheres Leben als die Wohlstandskultur der westlichen Staaten. Viele lebten während einiger Monate in den unzähligen Ashrams des Landes und strebten nach spiritueller Bereicherung, die klosterähnlichen Schulen zwischen Nepal und Goa boten quer über den indischen Subkontinent geistige Anleitung und Unterkunft. Neben derartigen spirituellen Anreizen ist die Beeinflussung durch Popgruppen wie den Beatles oder den Beach Boys nicht zu unterschätzen. Diese reisten Ende der 60er Jahre gemeinsam nach Indien, um sich von Maharishi Mahesh Yogi in der Lehre der Transzendentalen Meditation unterrichten zu lassen. In der Folge wurde der kontroverse Guru weltbekannt und immer grössere Massen gerieten in den Bann der spirituellen Prediger, begeistert von der Faszination Indiens. Auch billige Drogen, allen voran Haschisch, trugen ihren Teil zur Anziehungskraft des Orients bei. Während sie von einigen lediglich als harmloser Zeitvertreib wahrgenommen wurden, sahen andere in ihnen einen Weg zur spirituellen Erleuchtung. In der Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Januar 1968 wurde die Wirkung von Haschisch auf einen Konsumenten wie folgt beschrieben: «Vielleicht vertieft er sich meditierend in einen simplen Gegenstand wie eine Tasse, oder eine Raucherrunde entschliesst sich, den Mond anzusingen, in wirren Tönen zwar, die den Beteiligten aber als eine tiefe künstlerische Erfahrung erscheinen.» «Wir brauchen Geld zum Essen, zum Leben, zum Lieben» Nicht wenige der Hippies stammten aus reichem Elternhaus. In einem Interview mit der katholischen Tageszeitung Neue Zürcher Nachrichten berichtete der französische Re-

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gisseur André Cayatte im Oktober 1969 von einem verwahrlosten 16-jährigen Hippiemädchen, welches er in einer Höhle entlang des Hippietrails angetroffen habe, während es sich eine Dosis Heroin verabreichte. Entsetzt musste er feststellen, dass es sich bei dem Mädchen um eine ihm bekannte Tochter aus der Pariser Oberschicht handelte. Diese Episode mag gar etwas übertrieben anmuten, doch auch in anderen Quellen taucht die Vermutung auf, es habe sich bei einigen der Hippies um wohlhabende Zeitgenossen gehandelt. Das Reisen mit wenig Geld war jedoch durchaus gewollt; man reiste per Autostopp oder in günstigen Bussen, schlief für umgerechnet 80 Rappen pro Nacht in eigens auf Hippiereisende ausgerichtete – und garantiert wanzenfreien! – Herbergen und verliess sich auf die Gastfreundschaft der Einheimischen, wenn der Hunger allzu gross wurde.

«Wir brauchen Geld zum Essen, zum Leben, zum Lieben.»

Doch die Rechnung ging nicht immer auf: Die im Januar 1968 in der NZZ abgedruckte und von einer Hippiegemeinschaft verfasste Aufforderung «Wir brauchen Geld zum Essen, zum Leben, zum Lieben» mutet beinahe unverschämt an, wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Nepalese in Kathmandu, dem Aufenthaltsort dieser Hippies, über weit geringere finanzielle Mittel verfügte als die aus dem Westen kommenden Blumenkinder. Betteln war jedoch nicht der einzige etwas zweifelhaft erscheinende Versuch, den Indientrip zu finanzieren. Manche der Hippies verkauften regelmässig ihre Pässe und liessen sich in der nächsten Botschaft einen neuen ausstellen. Auch gefälschte Studentenausweise liessen sich gut verkaufen, verhalfen sie doch jedermann zu individuellen Vergünstigungen. Andere Reisende spendeten ihr Blut (in einzelnen Ländern soll der Erlös ausreichend gewesen sein für einen Aufenthalt von mehreren Wochen) und wieder andere handelten mit Haschisch. Dies war die weitaus lukrativste, wenn auch risikoreichste Einnahmequelle. Ein Kilo Haschisch wurde in Nepal für rund hundert Franken eingekauft und in den USA oder Europa für etwa 4’000 Franken an die westliche Kundschaft weitergegeben – vorausgesetzt natürlich, genügend

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Zollbeamte waren nachlässig, liessen sich bestechen oder drückten ein Auge zu. Reaktionen auf die Blumenkinder Die Reaktionen der einheimischen Bevölkerung und der ‹in geordneten Verhältnissen› lebenden westlichen Zivilisation auf die Weltenbummler waren sehr unterschiedlich. Mal wurden sie für ihre Unabhängigkeit bewundert und beneidet, mal wurden sie moralisch verurteilt und als Unruhestifter und Aussenseiter vertrieben. Die NZZ vom 5. Januar 1968 charakterisierte «den Gammler» (das Wort wurde in den 60er und 70er Jahre als Synonym zum ‹Hippie› gebraucht) in einer Art und Weise, die den heutigen Leser schmunzeln lässt und Rückschlüsse auf die Haltung der schweizerischen Gesellschaft zulässt: «Anstatt für die Zukunft zu sparen und sich eine Position zu erkämpfen, lebt er für den Moment, ist selbstbezogen und erkennt in der Rücksichtnahme auf die Gesellschaft keinen Wert. Anstatt «korrekt», «vernünftig», «vorausschauend» zu sein, will er nun einmal blöd, plan- und ziellos in den Tag hineinleben.» Manche Botschaften westlicher Staaten fürchteten den Imageverlust ihres Landes, einzelne östliche Regierungen wiederum sahen darin eine negative Beeinflussung ihrer eigenen Jugend. Dennoch wurde vielen Hippies eine beinahe unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung in Indien zugesprochen. Trotz aller Faszination hatte die abenteuerliche Reise in den Orient nicht für alle ein glückliches Ende. Kommentare über eine «Massenverwahrlosung» der Hippies finden sich verschiedentlich in den Zeitungen der Zeit, Fotografien zeigen abgemagerte 20-Jährige, die in Höhlen leben und deren wichtigster Zeitvertreib die Einnahme von Drogen war. Die NZZ beschrieb einst eine «internationale Gammlersolidarität», doch Filme wie Endstation Kabul oder Hippie Masala charakterisierten die Blumenkinder in erster Linie als auf sich und ihr Vergnügen bedacht und ihre (Reise-)Beziehungen als austauschbar. Mit der Invasion in Afghanistan durch die Sowjetunion und der islamischen Revolution im Iran 1979 verschärfte sich die politische Situation entlang des Trails stark und die Reise der Blumenkinder fand ein rasches Ende. Indien und insbesondere Goa blieb noch für einige Zeit Anziehungspunkt für viele Hippies, doch die Reise über die einst verlockende Landroute wurde unwiderruflich durch den Flugverkehr ersetzt.

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{Illustration} Isa Furler


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{Text} * Manuel Kaufmann

Horst ist Hippie. Aufgewachsen in einem bür-

Max Frisch

Max Frisch

gerlichen Haushalt, wo der Kuhbestand des Grossvaters stets auf grösseres Interesse als der israelisch-palästinensische Konflikt traf, wurde ihm bei einem Gespräch mit seiner Mutter, die

Biografie: Ein Spiel

ihm die Vorteile pasteurisierter Milch zu erklären versuchte, plötzlich klar: Es wird Zeit, seinen Penis zu befreien. Denn was er in seiner Lehre zum KFZ-Mechaniker noch nicht gelernt hatte, war, wie man einen Ölwechsel bei

Theater Neumarkt

einem Mädchen durchführt, und das ärgerte

theaterneumarkt.ch

ihn ganz fürchterlich. «Ein Hippie müsste man sein», dachte Horst. «Die sind in den Filmen

Max Frisch spielt bis ans bittere Ende durch, was sich jeder

immer nackt und haben ganz viel Sex». So fing

schon gewünscht hat: Könnte ich noch einmal von vorn anfangen. Die Hauptfigur Kürmann bekommt diese Chan-

er an, sich Petunien in die Schamhaare zu flech-

ce, aber die neue Freiheit, seine Biografie abzuändern,

ten, politische Parolen zu skandieren, deren In-

erweist sich als problematisch. Zu verstrickt ist Kürmann

halt er nicht verstand, und Grossvaters Hanf-

in falschen Vorstellungen, die er für authentische Erin-

seile auf ihre Brennbarkeit zu testen. Bald fand

nerungen hält. «Biografie: Ein Spiel” untersucht unseren

er gleichgesinnte Freunde, doch ihre Anfor-

Zwang, immer dieselben Fehler zu wiederholen, und er-

derungen an ihn waren hoch. Er soll an Goa-

forscht Auswege.

Konzerte gehen, sagten sie, denn wer Goa nicht hört, gehöre nicht richtig dazu. Horst fand keinen Zugang zur Musik, und doch fand er sich jedes Wochenende an einer Party wieder. Er soll Häuser besetzen, sagten sie, denn wer das

Drop City

Siddhartha

nicht tue, unterstütze die Diktatur des Kapitals. Horst verstand das nicht, und doch war er bei jeder Häuserbesetzung dabei. Er soll gegen Neonazis demonstrieren, sagten sie, denn die lauerten überall. Horst hat noch nie einen Neonazi getroffen, und doch nahm er an jeder Demonstration gegen sie teil. Als Hippie ist man wahrlich befreit von allen gesellschaftlichen Zwängen. Nur Sex hatte Horst immer noch nicht, und das ärgert ihn ganz fürchterlich.

* Manuel Kaufmann, 23, verbringt gerade ein Auslandjahr in Peking, wo er für einmal aufgrund von Sprachschwierigkeiten und nicht wegen seinen abstrusen Gedankengängen missverstanden wird. In Zürich ist er vor allem an Konzerten irgendwelcher kleinen Bands, die niemand mag, anzutreffen, wo er betrunken über Haruki Murakami spricht, was in Verbindung mit seinem unkoordinierten Gelalle ironisch anmutet.

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Was denken unsere Follower eigentlich zum Thema? Twitter: guelshaaa: Menschen mit einer tollen Weltanschauung, langen Haaren (am ganzen Körper) und sehr liberalen Haltung zu Drogen #dp_Hippie Facebook: David Thamm: Drogen werden Dich durch Zeiten ohne Geldsorgen bringen. Das ist besser, als wenn Dich Geld durch Zeiten ohne Drogen bringen würde. EIN HIPPIE ZU SEIN, HAT NICHTS MIT KLEIDUNG, VERHALTEN, ÖKONOMISCHEM STATUS ODER SOZIALER UMGEBUNG ZU TUN! ES IST EINE PHILOSOPHISCHE ANNÄHERUNG AN DAS LEBEN, DASS FRIEDEN, LIEBE UND RESPEKT VOR ANDEREN UND DER ERDE NACHDRUCK VERLEIHT!!! Michael Goetz: Never trust a hippie! Benjamino Andrea Giuseppe Priore: Alle, die's nicht miterlebt haben, wissen gar nicht, was «Hippie» überhaupt ist! Saray Nevery: «warum hast du so einen komischen name?» - «meine eltern waren hippies!»

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KUNST- UND KULTURKOLUMNE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} * Philipp Meier {Foto} Connie Hüsser

Ein Text von meinen Facebook-FreundinnEn und mir. Aus einer schieren Überforderung heraus entwickelte ich eine neue Schreibform. Fragen wie «Was ist Schweizer Kunst?» oder «Kann Kunst die Welt verändern?» setzen meine Gehirnwindungen in eine Gefrierschockstarre. Weil ich oft online bin, war der Gedanke naheliegend, meine Facebook-FreundinnEn als «Icebreaker» einzusetzen. Seither poste ich solche Fragen in meine Chronik und lasse durch die Antworten einen Flow entstehen, der mich durch einen Text trägt. Weil mich (und auch die AuftraggeberInnen) die Resultate überzeugten, wähle ich nun für dieperspektive dieselbe Vorgehensweise für «wärmere» Fragen oder Themen. Im Moment dienen die Kommentare der Facebook-FreundinnEn als Gerüst. Ob es irgendwann möglich sein wird, gemeinsam einen Text zu schreiben, steht noch in den Sternen.

Autor und Journalist Dirk Von Gehlen verlangt Geld, damit man bei seinem neuen Buch am Schreibprozess (indirekt) teilnehmen darf (man kriegt Teile des Manuskripts und darf dieses dann kommentieren, worauf Dirk von Gehlen die Erkenntnisse daraus allenfalls ins endgültige Buch einbaut). Keine Frage, das hat noch nicht viel mit «Hippie 2013» zu tun, zumindest was den Geldfluss betrifft. Die Systeme «Crowdfunding» und vor allem «Crowdsourcing» finde ich jedoch ansatzweise «Hippie 2013». Und etwas ähnliches liegt diesem Konzept zugrunde: gemeinsam einen Text schreiben! (Auch wenn die Hoheit über die Gestaltung immer noch bei mir liegt.) Und genau hier setzt David Torcasso mit seinem Kommentar (unbewusst) an:

Als Startschuss für diesen Text postete ich auf Facebook als Statusmeldung (heisst das eigentlich inzwischen Chronikeintrag?) nicht einfach nur «Hippie 2013», sondern folgender Text: «facebook?! schon sooo oft totgesagt. mir gefällt es immer noch hier. auch und v.a. dank euch! zum beispiel habe ich mit eurer hilfe bereits zwei texte geschrieben: einen zur frage «was ist schweizer kunst?» (heft «schweizer kunst», visarte, 2010) und eben erst abgeliefert ein text zu «kann kunst die welt verändern?» für ein aktivismus handbuch (greenpeace). danke an Teresa Schäppi, Sabina Maler, Ivan Engler und Lando Rossmaier u.v.a.m. jetzt geht's aber erst richtig los: ich kriege regelmässig eine kolumne bei dieperspektive, die ich jeweils mit euch zusammen schreiben möchte. sprich: ich werde hier ein stichwort oder eine frage posten und eure reaktionen/antworten/kommentare (teilweise) in die kolumne einbauen. los geht’s»:

Meine Antwort kam postwendend (by the way: «postwendend» ist in diesem Zusammenhang ein amüsantes Wort):

Leicht verdientes geld mit facebook-journalismus, gell

nochmals: ich kriege für diese kolumne keine kohle. des weiteren kenne ich keinen journalisten, der seine facebookfreundinnEn offiziell an seiner schreibe beteiligen würde (die sind alle viel zu profilierungssüchtig;)). die wenigen, die sich auf facebook beziehen, schreiben über, aber sicher nicht mit ihren freundinnEn... Nachfolgendes Insert ist mir erst beim Niederschreiben dieser Zeilen eingefallen (und deshalb genauso von den Gedankengängen meiner FacebookFreundinnEn ausgelöst): Mein Versuch, zusammen mit anderen einen Text zu schreiben, erinnert mich an einen extrem tollen Hippie-Moment der letzten Jahre; und zwar im Zusammenhang mit Occupy: Das «Menschliche Mikrophon».

HIPPIE 2013

Leider habe ich bald die maximalen 6000 Zeichen erreicht. Das tut mir insofern leid, weil ich Euch nun die grossartige, persönliche Nachricht von Ivan Engler, die Hinweise von Franziska Schutzbach zu stilprägenden Filmen, Miri Rosers Angebot für die Feldforschung und 20 weitere Kommentare unterschlagen muss (ausser die persönliche Nachricht von Ivan findet ihr alles in meinem Blog: www.milieukoenig.posterous.com). Mit folgendem Kommentar möchte ich diesen Text nun abschliessen:

Umgehend kam der erste Kommentar rein: Clemens Breitschaft: Dieser Hippie lässt uns schreiben und sackt die Kohle selber ein. Und verkaufts dann noch als Kunstprojekt. Hippie 2013. 6. Dezember um 17:32 via Handy · Gefällt mir · 10 Schön wärs, wenn ich hier Kohle kriegen würde. Meine Erfahrung zeigt jedoch, dass ich selten dort experimentell unterwegs sein kann, wo ich Kohle kriege (ok, meine Anstellung als Direktor des Cabaret Voltaire war so gesehen nicht von schlechten Eltern. Es ist jedoch bezeichnend - und nicht nur schlecht - dass die Tage solcher Jobs gezählt sind). Dieser Einstieg ins Thema fand ich sehr gelungen. Zuerst jedoch zwei weitere Kommentare, die kurz nacheinander rein kamen und die ich als Statements einfach stehen lassen möchte: Stefan Rudin: Still Never Trust A Hippie. 6. Dezember um 17:34 via Handy · Gefällt mir

Paula Abigail: also, beispielsweise finde ich es gar nicht mehr verwunderlich, dass das wort 'hippie' und 'hipster' so nahe beieinander liegen, denn mittlerweilen kann sich leider jeder besitzer von zirka CHF 7.90.- ein hippiebändeli kaufen und es dann tragen, vielleicht noch kommerz-hippiemusik hören, ein bisschen auf wiesen herumliegen, kiffen und dann sagen: juhu, ich bin hippie. wobei das nicht gegen die hippies spricht, sondern gegen die, die den ganzen - und ursprünglichen - hippiekult total kaputt machen. 6. Dezember um 21:44 · Gefällt mir

Walid El Barbir: eine neue Krankheit? 6. Dezember um 17:38 · Gefällt mir * Philipp Meier kennt sich in Zürich fast überall aus. Für uns schreibt er die Kultur- und Kunstko-

Zurück zum Kommentar von Clemens Breitschaft (und nun zitiere ich frei nach meinem Kommentar, der an dieser Stelle folgte): Der Deutsche

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lumne. Antworte ihm auf leserbriefe@dieperspektive.ch und besuche ihn auf seinem Blog: http:// milieukoenig.posterous.com/

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25. Ausgabe, Februar / März 2013

una noche Lucy MuLLoy, cuba

Die Filmsammlung mit Perspektive. Filme und DVDs aus Süd und Ost.

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Aarberg | BE Münchwilen | TG Unterentfelden | AG Zürich 26

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{Text} * Julia Nauer

In Paris heissen sie «bo-bos», die «bourgeoisbohémiens». Bei uns heissen sie «Szenis». Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dieser Begriff mitsamt der elektronischen Musik von Berlin her über die helvetischen Grenzen zu uns geschwappt ist, jedoch ist er in den letzten fünf bis zehn Jahren irgendwie wichtig geworden für die Zürcher, genau so wie der gute alte Kalkbrenner (das neue Album ist übrigens von unbekannt bleiben wollender Quelle in höchsten Tönen gelobt worden). Der Satz «ich bin imfall voll kän Szeni» ist der letzte Schritt des Gelübdes, den Werdegang, das eigenen SzeniDaseins betreffend. Die Stätten und Orte, an denen man sich einzufinden hat um seine Existenz des ambigen Dazugehörens/Einen-auf-Rebell-Machens aufrecht zu erhalten, wechseln so schnell wie der Wind seine Richtung und variieren zwischen Vernissage und Ausstellung (ob in unbesetzten oder besetzten Häusern), Tanz- und eventuellen Drogengelagen an legalen oder illegalen Parties (in Clubs mit tollen Namen wie beispielsweise «Frieda’s Büxe» oder «Übergang»), Literaturdiskussionen in szenigen und hippen Cafés deren Anzahl so gross ist, dass ich jetzt gar keine Namen nenne. Das Ganze ändert eh innerhalb kurzer Zeit; deshalb ist auf die vorigen Angaben ebenfalls kein Verlass und all

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die Referenzen sind mit Vorsicht zu geniessen: Nicht, dass dann empörte Leserbriefe ankommen von wegen «die hät ja kei Ahnig! Ich bin det gsi und s isch voll Kacke gsi».

Ob man sich nun zum falschen oder richtigen Zeitpunkt an den bedeutungsschwangeren Orten einfindet, ist ein Punkt von zentraler Wichtigkeit. Niemals zu verfehlen ist die Kleidungsart, egal, wie das Wetter steht: Ob nun dieser oft gesehene Rucksack mit dem Fuchsemblem schon Mainstream oder noch Hippiekacke oder beides ist, ist offen zu lassen. Dass sich das Holzhackerhemd schon vor

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zwei Jahren zum Kleidungsstück wandelte, welches nun auch gar nicht einmal so wahnsinnig Kulturinteressierte nicht mehr von ihrer Garderobe wegzudenken vermögen, ist ja bekannt und wird offensichtlich, wenn man beispielsweise in den Anti-Szeni-Club «Kaufleuten» am Samstagabend geht. Es gibt ja gar Gerüchte, das Holzhackerhemd hätte die weissen Socken bei den Aargauern abgelöst. Dies wird unkommentiert mal so dahin gestellt. Der Schal gilt als schon lange überholt und die Hornbrille ist schon gar nicht mehr zu erwähnen, da schon Hinz und Kunz mit müden Augen die Sonntagszeitung damit lesen. Doch eins ist klar: Die Hippiekacke ist eine Hure, die ihre Vorlieben all paar Wochen auf unvorhersehbare Weise ändert. Irgendwie ist sie vom urbanen Stadtbild und -geist nicht mehr wegzudenken. Lieben wir sie nicht alle ein bisschen, genauso wie wir sie hassen? Wir nehmen vielleicht selbst ein wenig teil an ihr, geniessen und freuen uns, regen uns wieder abgöttisch über sie auf – doch: Rettet sie uns nicht alle letztlich vor dem nur noch ans Geld-Denken?

* Julia Nauer, 25, lebt zur Zeit in Paris, ist Tänzerin, Model und freischaffende Texterin, studierte Germanistik und Philosophie an der Universität Zürich und an der Sorbonne in Paris.

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{Text} Pascal Witzig

Langsam aber sicher beginne ich die Welt mit den Augen eines Sozialwissenschaftlers zu betrachten. Meistens dann, wenn gar niemand danach fragt und auch keine wissenschaftlichen Meriten dafür zu erwerben sind. So auch nun, während meines Erasmus-Aufenthaltes im Südschwedischen Lund. Hier ist mir nämlich aufgefallen, dass der gewöhnliche Student durch und durch alle Charakteristika des gemeinen Hipsters aufweist. Häufig ist die ganze Bandbreite vorhanden: Ein Rucksack der Marke Fjällräven Kanken, der Hitler-Haircut, der Milchbubi-Schnauz, Duffle Coats oder Army Parkas, Doc Martens Stiefel und mit RentierMotiven versehene Wollpullover. Ich schätze, dass ich nach einem Monat bereits mehr hipsteraktive Strahlung aufgenommen habe, als es ein durchschnittlicher Zürcher während seines ganzen Lebens tut. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn der Schwedische Hipster ist anders, als sein Zürcher Artverwandter: Er ist angenehm. Während sich der homo hipstericus turicensis gerne mit einer etwas arroganten, bemüht avantgardistischen Aura umgibt, ist der Schwede nett und umgänglich. Wodurch wird dieser Umstand herbeigeführt? Die einschlägige Literatur ist ratlos. Ich fühle mich deshalb dazu bemüssigt, einen neuen Forschungszweig auszurufen: Die vergleichende Hipster-Forschung. Für diese erste, streng nach allen Regeln der wissenschaftlichen Kunst durchgeführte Pionierarbeit, formuliere ich zwei Hypothesen. Hypothese 1: Der schwedische Hipster ist authentisch und Hypothese 2: Der Zürcher Szeni gibt sich authentisch. Dieser kurzen Einleitung folgt eine Erörterung der subkulturellen Tradition Schwedens und der Schweiz. Schweden wird als ein Subkultur-Exporteur und die Schweiz als ein Subkultur-Importeur identifiziert. Aus diesen Umständen lässt sich eine Hipster-Typologie ableiten: Der Schwedische Hipster ist ein Natural Born Hipster und der Zürcher Szeni hingegen ist ein Avantgardistischer Hipster. Abschliessend folgt eine Empfehlung für den Zürcher Szeni. Schwedens reiche subkulturelle Tradition Schweden bewegt sich bevölkerungsmässig mit seinen 9.5 Millionen Einwohner absolut im Rahmen der Schweiz. Vergleicht man nun einmal aber die subkulturellen Exporte dieser beiden Länder, dann bleibt einem die Kanelbulle im Hals stecken. Die Schweden haben Bands und Musiker wie The Cardigans, Mando Diao, Looptroop, Peter Bjorn and John, Lykke

Li oder The Tallest Man On Earth hervorgebracht. Die Schweiz hingegen…DJ Bobo, DJ Antoine oder Gölä. In der Modewelt gelten die Schweden dank Acne, Cheap Monday oder Filippa K. als eine einflussreiche Grösse. Und die Schweiz? Switcher. Ähämmm. Wie diese kurze Auflistung demonstriert, ist die Schweiz, verglichen mit Schweden, subkulturelles Brachland. In Schweden ist im Laufe der Jahre immer wieder Musik oder Mode entstanden, die bei den Cool Kids Europas starken Anklang fand. Und Hipster, wir erinnern uns, identifizieren sich besonders durch ihren exquisiten Musikund Modegeschmack, sind also jene coolen Kinder.

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Der Natural Born Hipster Gemäss Wikipedia— und man soll in wissenschaftlichen Arbeiten ja immer Wikipedia zitieren— bedeutet Authentizität Echtheit, im Sinne von «als Original befunden». Wer in Schweden aufwächst, wird automatisch von den oben genannten musikalischen und modischen Einflüssengrössen geprägt. Junge Schweden entwickeln sich deshalb eher unbewusst zu jenem Menschentypus, den wir als Hipster bezeichnen. Dazu kommt, dass jene jungen Schweden sich der Beliebtheit ihrer Subkultur-Exporte

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zer Liebhaber im Ausland auf Schatzsuche gehen. Da dies mit einem grösseren Aufwand verbunden ist, bildet sich nur ein beschränkter Kreis von Kennern und geschmacklichen Vorreitern: den avantgardistischen Hipstern. Wer über Insider-Wissen verfügt, ist anderen in einem bestimmten Gebiet voraus und diese Überlegenheit kann schnell zu Arroganz führen - genau das, was viele am Zürcher Szeni mokieren. Aber eben: Subkultur wird importiert. Der Schweizer Hipster mag den Subkulturimport noch so verinnerlichen - er wird nie authentisch sein, sondern sich bloss authentisch geben.

bewusst sind und Karrieremöglichkeiten sehen. Dies wiederum motiviert viele Talente, sich voll auf Musik oder Mode zu konzentrieren. Jene Mechanismen führen schliesslich dazu, dass der Schwedische Hipster authentisch ist, «als Original» befunden wird. Ja es kann gar nicht anders sein, denn der Schwedische Hipster ist als Subkultur-Exporteur per Definition ein Original. Avantgardistische Hipster Für den Zürcher Szeni sieht die Situation anders aus. Die einheimische Subkultur-Produktion ist medioker. Musik und Mode wird deshalb zu einem grossen Teil importiert. Während schwedische Musik- und Mode-Aficionados im eigenen Land fündig werden, müssen Schwei-

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Eine Empfehlung für den Zürcher Szeni Man könnte sich nun an dieser Stelle mit der Feststellung zufrieden geben, dass der homo hipstericus svedicus authentisch ist und sein Zürcher Pendant sich nur so gibt. Das wäre aber langweilig. Vielmehr fordere ich den hiesigen Hipster dazu auf, Farbe zu bekennen und die eigene Stadt, die eigene Musik, die eigene Mode abzufeiern. Der Zürcher Szeni ist dann am Wenigsten authentisch und, mit Verlaub, am Nervigsten, wenn er mit irgendwelchen Referenzen zu Berlin, London oder New York um sich wirft. Leider ist dieses Verhalten weit verbreitet. In einem Interview auf Westnetz.ch erklären die Macher von dieperspektive bspw., dass Zürich-West einen gewissen «Berlin-Chic» habe, da heruntergekommen aber trotzdem im Stande. Mit anderen Worten messen sie Zürich-West mit Berlin, welches offensichtlich als Original und Referenz-Objekt zu dienen hat. Wozu? Zürich ist nicht Berlin, ist nicht New York und ist nicht London. Dem Zürcher Szeni wird immer etwas Provinzielles anhaften, so lange er die eigene Herkunft verleugnet. Nun ist aber lange nicht alles doof: Institutionen wie Westnetz.ch, dä Zukkihund oder Ronorp demonstrieren genau das, was ich fordere: Selbstbezug und es bizz Schtolz uft Schtatt!

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{Text} * Marianna Lanz

lege die arme um meine brust wenn wir uns sehn noch immer sammle ich mich auf all den pfaden des vergessens ein und finde blumen bin der regenbogen und singe vielleicht wird alles gut vielleicht teilen wir uns mehr als ein bett drei stunden vielleicht sind wir uns heimat für lächelnde lachende monde voll und fett und keiner muss bluten wir betten uns wir essen fressen früchte brüste flügelchen es hagelt pferdchen sterne frieden nie habe ich das dunkel so sehr geliebt und die nacht die mich auffängt schmal und etwas verloren

{Text} * Marianna Lanz

ein bier zwei vier was mach ich hier rabe hase hase nicht rase hase habe wicht der fluss ist zu hoch das eis zu dünn die zeit ist knapp - später du lässt mich ohne mantel gehn wart auf mich warte paris

* Marianna Lanz, Übersetzungen, Lyrik, Schauspiel. Veröffentlichung lyrischer Texte in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien, zuletzt in Kaskaden , Wortwerk und Entwürfe.

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HIPPIE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} Apachenkönig Huntin’Beer

Leider ist zugedröhnt sein manchmal besser als nichts oder Protest. Die Utopie Hippie gebastelt in einem Reagenzglas in Basel. Oder etwa doch nicht? Protest gegen was? Dröhnen aus Protest?! Schöne neue Welt! Blähungen sind der Aufwind des kleinen Mannes. Das war so und wird auch noch ein Weilchen so bleiben. Eine Utopie zu Grabe getragen am 6. Oktober 1967 ohne je vergessen worden zu sein. Albert Hofmann findet im Mutterkorn die Stiefmutter einer Generation. Lysergsäurediethylamid. Scheusslicher Name für eine Mutter. Darum lieber kurz und bündig LSD. Wer hat vom Baum der Erkenntnis genascht? Eva war’s! Aber egal. Wir möchten das auch! Manche mehr, manche weniger. Aber wieso? Möchte man der diktierten Norm einen Riegel schieben? Möchte man sich ein paar Flügel anschnallen um abzuheben und um weiter zu sehen oder doch nur um auf die Köpfe der anderen zu pissen? Sind die Flügel die Krücken auf der Suche nach sich selbst? Kann man sich dabei auch selber vergessen? Oder verleugnet man sich nur, Gefangen in einem kollektiven Rausch? Drogenpäpste propagieren die

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freie Liebe. Sehr verlockend! Ob uneigennützig sei dahingestellt. Päpste sind ja tendenziell meistens ein älteres Semester, nicht nur bei den Katholiken. Und zu oft rezitiert und unvergessen: « Peace, Love & Harmony. Peace, Love & Harmony.» . Das tote Mantra einer Generation. Die Utopie als Zufluchtsstätte bietet auch manchem spirituellen Führer ein paar verlorene Seelen zum Schnäppchenpreis an. Hier ein Yogi, dort ein Schamane. An sich kein Problem, Apachen haben auch Schamanen, aber je grösser der Jahrmarkt umso mehr Quacksalber und Rattenfänger pfeifen und dudeln um die Wette. Nichtsdestotrotz hat uns diese Generation vieles genommen und gebracht. Licht und Schatten. Eine Revolution für kreatives Denken, Handeln und Wandeln. Die Flamingos vor unserer Zeit! Einzigartig und doch gleich. Zu entdecken in unvergesslichen Songs. Darum zum Abschluss Jim Morrison -> People fear death even more than pain. It's strange that they fear death. Life hurts a lot more than death. At the point of death, the pain is over. Yeah, I guess it is a friend. Hoch die Tassen! Das hat gesessen! In Liebe und Ahoi Pivo Apachenkönig Huntin‘Beer

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HIPPIE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} Lars Heinzer

Nein, es ist kein gutes Gefühl. Mit meinem grauen Kapuzenpulli bin ich der hässliche Betonblock neben einem Feld voller wunderschönen Blumen. Es ist wieder Reggaekonzert oder Rockkonzert oder Jazzkonzert. Hippies scheinen die Musikanlässe der Stadt zu okkupieren wie einst den Paradeplatz. Meine Normalofreunde versichern mir, eines der Hippiemädchen schaue immer wieder zu mir herüber. Langsam tanze ich mich in ihre Richtung. Die Blumen scheinen durch die Musik in exzessive Schwingungen geraten zu sein, der Betonblock bleibt eher statisch. Während meines Balztanzes frage ich mich: Warum sehen Hippies anders aus? Warum diese Mühe (karierte Aladinhosen für Männer sind wohl schwieriger zu finden als meine Jeans) bei der Kleiderauswahl?

Ist die Abgrenzung gegenüber dem Philistertum, wie bei den Irokesenpunks, oder nur ein oberflächliches Verbundenheitsgefühl wie bei den Schnurrbartszenis ausschlaggebend? Sind die zerfetzten Ponchos die eigentliche Ideologie der modernen Hippies? Ich erinnere mich an Occupy, habe aber den Liborskandal noch präsenter vor Augen. Wenn die Hippies politisch sind: Haben sie in den letzten Jahren etwas erreicht, oder sehen sie nur noch farbiger aus? Vielleicht bin ich auch nur einer von diesen «Früher war alles besser»Typen, oder ich idealisiere meine Vorstellungen der Blumenkinder der 60er Jahre. Ich habe immer schon stark mit der Woodstockgeneration, ihren Werten und Ansichten, sympathisiert. Die Hippies von heute

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haben es nicht immer leicht; sie werden grundlos beleidigt oder angepöbelt (obwohl ich fest glaube, dass niemand wirklich etwas gegen Hippies hat), eben weil sie anders sein wollen. Und ich weiss, in Hippiekreisen ist jeder willkommen, aber durch die Diskrepanz zwischen ihrem Erscheinungsbild und dem meinigen entsteht eine Art unsichtbare Barriere zwischen uns. Der Gesang wird leise, das Schweinwerferlicht wechselt zu dunkelblau und ich werde nachdenklicher. Wer ist schuld an dieser Barriere? Bin ich zu sehr auf Äusseres fixiert? Sehe ich nicht hinter die Fassade oder ist eben diese das Problem? Das Lied endet und ich kehre dem Regenbogen verunsichert den Rücken zu.

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HIPPIE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} Lisa Gnirss

Die bunt zusammengewürfelte Eintagesreisegruppe wandert der Küste entlang über Stock und Stein, über Hügel und Felsen, bergauf und bergab. Doch er, der Hippie, weigert sich hartnäckig, die Wanderschuhe anzuziehen. Denn er spürt viel: «Ich fühle die Verbindung zur Erde viel intensiver unter der blossen Haut, die Natur entfaltet sich zwischen meinen nackten Zehen...» «Selbstverständlich», denken wir anderen, langweiligeren Zeitgenossen und bleiben bei unserer komfortableren, aber völlig unromantischen Alternative. «Schuhe», so werden wir unfreiwillig belehrt, «zerstören das innere Gleichgewicht und verkrümmen die angeborene Körperhaltung». Interessant. Leider ist un-

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ser haariger Zeitgenosse mit all seiner Sensibilität nicht unempfindlich gegenüber auch nur leicht spitzen Steinen und so warten wir alle hundert Meter geduldig, bis er einen weiteren Abschnitt des beschwerlichen Weges vorsichtig ertastet und gespürt hat. Die Wanderung dauert bedeutend länger als geplant, wir kehren erst nach Einbruch der Dunkelheit zurück. «Aber das macht nichts», erklärt uns unser schillernder Freund, während er gedankenverloren mit seiner Haarpracht spielt, «schliesslich braucht es Zeit, bis man die Liebe der Natur in sich fühlt.» Zwei Monate später in einer grossen Stadt, in einem weit entfernten Teil des Landes: Wir sind auf dem Weg zur Bushaltestelle, als

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mir ein farbenfrohes Bündel und eine wallende Mähne ins Auge stechen. Ausgerechnet ER sitzt gekrümmt auf der Strasse, grübelt an seinem rechten Fuss herum und scheint nicht allzu glücklich in dieser feindlichen Umgebung. Eine Glasscherbe hat sich, trotz seines bewundernswerten Vertrauens zur Erde, hinterrücks und schmerzhaft in seine Haut gebohrt. Nach einigen missmutigen Minuten, umgeben vom Lärm und Gestank der Schnellstrasse, humpelt er schliesslich zur nächsten Wiese, in freundlichere Gefilde. Dort installiert er sich zufrieden mit Bob Marley aus dem Ghettoblaster und wartet noch ein wenig, bis die Liebe der Natur ihn findet.

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HIPPIE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

{Text} * David Thamm

Polo Hofer, Joschka Fischer, Rhavi Shankar, Martin Luther King oder mein Mami sind nur fünf Ikonen einer Epoche, die global eine Pionierleistung erbrachten.Sie erkämpften die erste freie Jugendkultur, die bis heute in vielen Bereichen des gesamten Lebens fortlebt. Die Hippiebewegung der 60er Jahre erkämpfte und erschuf sich ihre eigenen Räume mit ihren neuen Musikstilen. Sie stand für die Gleichberechtigung von Frau und Mann ein, gegen atomare Aufrüstung, Akzeptanz von Homosexualität oder für die körperliche Selbstbestimmung. Mahatma Gandhi lieferte die treffende Antwort auf die Frage wieso der friedliche Protest mit den Zielen von «Love, Peace und Happiness» den unaufhaltsamen Urknall einer von Blumenkindern ausgelösten erstmaligen Jugendkultur darstellte: «Es gibt keinen Weg zum Frieden, der Friede ist der Weg.» Die «heimliche Hauptstadt» der Hippies war der «Haight-Ashbury District» in San Francisco, wo Tausende junger Menschen friedlich und fröhlich ein Leben nach ihren Vorstellungen ausprobierten. Rassentrennung in den USA, der Vietnamkrieg oder die traditionelle Familiengestaltung waren nur einige Ursachen für die Hippiebewegung. Der Zenit von Vertuschungen und Intransparenz in den Gemeinschaften war überschritten und die ausbrechende Gemütsverfassung unausweichlich. Doch die Entwicklung begann schon viel früher und zwar nach dem Zweiten Weltkrieg. In Deutschland war die Gesellschaft völ-

lig übermüdet von den zwei Weltkriegen. Das Gewissen ob ihrer Machtlosigkeit, aber Ahnung und Akzeptanz des Genozids, wurde stets verdrängt und nie richtig verarbeitet. Desillusioniert vom Frieden, stand man vor dem Wiederaufbau ihrer Städte und ihrem nationalen Bewusstsein, wo es kein Platz für lange Diskussionen über vergangene Untaten gab.

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Blumiger Widerstand der früheren Hippies.

Kinder wurden in ihrer Pubertät rigide behandelt oder gar in Heime ausgelagert. Die Entdeckung eines eigenen Geistes und der Willensfreiheit wurde nicht gefördert. Zu Beginn der sechziger Jahre weiterhin ohne eigene Freiräume und ohne Ausdrucksmöglichkeit in den Familientraditionen gefangen, wuchs in den meisten Jugendlichen der Drang zur Flucht. Verantwortung gegenüber der Natur, Eintauchen in fremde Kulturen, sich von Spiritualität inspirieren zu lassen (Buddhismus, Hinduismus, Daoismus und Esoterik) und sein Bewusstsein zu erweitern, (u.a. mit Mithilfe einer

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schweizerischen Entdeckung namens LSD), und natürlich Frieden und die freie Liebe Zelebrieren, sind nur einige Umwälzungen in dieser epochalen Zeit. Selbstbestimmung über den eigenen Körper oder Naturschutz wird uns heute wohl niemand mehr absprechen wo «Ökolifestyle» von Wirtschaft und Politik verlangt und gepredigt wird. Frauenrechte dank Emanzipation und der Anti-Baby Pille war ein liberaler friedlicher Kampf und der Fortschritt, - der damals errungen wurde. Dass Liebe und Sexualität als natürliches, seelisches und körperliches Bedürfnis, frei von gesellschaftlichen Normen gelebt werden darf, verdanken wir ihnen. Die dazumal starren Liebeskonzepte wie die Ehe wurden als Besitz ergreifend, ökonomisch begründet und unfreiwillig kritisiert. Fillmore West in San Francisco und Fillmore East in New York waren Konzerthäuser wo die Musiker zusammen kamen und jammten, dass die Wände wackelten. Ungleichheit wurde in Texte gefasst und hinausgeschrien. Joan Baez brachte schwarze und weisse Jugendliche zusammen. Ironische Folk-Lieder waren ihr Rezept. Mick Jagger, John Lennon, Janis Joplin, Jim Morrison oder Jimi Hendrix begeisterten die Jugend mit ihrer Strahlkraft und Aura, die bis heute im Musikgeschäft Ihresgleichen sucht. Nach der «Hipster» und «Beatgenerations» Kultur in den Jahren 50ern, welche ihre geheimen Orte zum Tanzen vor Öffentlichkeit noch geschickt verbergen musste, suchte man nun die offene Konfrontation. Überall kamen die Menschen zusammen um die Musik zu geniessen. Die wegweisende Musik war der Blues (z.B. John Mayall), Pop (Beatles), Funk (James Brown), Soul (von Marvin Gayes «Whats goin’on») bis hin zum Rock (Pink Floyd, Deep Purple, Led Zeppelin). Sie bleiben bis heute Meilensteine in der Entwicklung zeitgenössischen Musik. Zu erwähnen sei auch das Musical Hair, das als Meilenstein der Popkultur in den späten 1960er Jahren gilt. 1979 wurde Hair durch Milos Forman verfilmt. Bis heute wird es in unzähligen Ländern noch aufgeführt. In der Literatur war «Siddharta» von Hermann Hesse oder Carlos Castanedas «Die Reisen des Don Juan» wegweisend. Die Literatur der Beatgeneration hatte die zivilisationskritische Grundeinstellung der Hippies stark beeinflusst. Ausserdem gehörten die libertären Schriften des Psychoanalytikers Wilhelm Reich zum Kanon der Hippie-Literatur. Die Hippies waren Anfangs keineswegs die harmlosen, versponnenen und naiv pazifistischen «Blumenkinder», als die sie später gern karikiert wurden. Die Hippies der 60er Jahre waren junge, aus der Mittelschicht stammende Menschen, die von der Bürger-

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HIPPIE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

rechtsbewegung in den USA bis zu den rebellischen Studenten in Westeuropa reichte. Hippies misstrauten den etablierten Organisationen und Institutionen. Sie lehnten die Werte des Bürgertums ab. Schon hieraus kann man erkennen, wieso die «harmlosen Blumenkinder» sich jede Menge Feinde machten. Martin Luther King, Malcom X und John F. Kennedy setzten sich politisch unüberhörbar für Gleichberechtigung und Menschenrechte in Amerika ein. In den kleinen Kosmen der persönlichen Welt wurde das Verständnis gegenüber unbekannten Lebenszielen, verschiedener Kunstrichtungen und für neue Bildungskonzepte sowie individuelle Verwirklichung ohne Rücksicht auf veraltete Daseinsnormen vorgelebt. In ihrer Zeit einfach als Protestbewegung wahrgenommen, gelten die 60er Jahre heute als gesellschaftliche, kulturelle und politische Revolution, welche sich in unzähligen Lebensund Arbeitsbereichen niederschlug. Der Gesetzesartikel, welcher die Liebe zwischen den gleichen Geschlechtern als «Unzucht zwischen Männern» oder «widernatürliche Unzucht»

unter Strafe stellte, wurde in Westdeutschland erst 1969 als ein Verstoss gegen das Menschenrecht angesehen und ersatzlos gestrichen.

Der Protest bei den Olympischen Spielen 1968 von Tommi Smith und John Carlos

Der Begriff Hippie geht auf den Slangausdruck «hip» zurück, der erstmals von amerikanischen Jazzmusikern der dreißiger Jahre in der Bedeutung von «erfahren» oder «eingeweiht» benutzt worden war. Ob der «Sommer» schon im Januar 1967 mit dem «Human Be-In Happening» im Golden Gate Park oder doch erst im Juni mit dem legendären Monterey Pop

Festival begann, ist im Grund genommen egal - letztes Endes ging es dabei um ein nicht näher bestimmbares «Summer Feeling» zwischen barfuss im Gras Cannabis rauchen und Freiluftsex in lauer Luft. So kamen zum Abschluss dieser «Love Generation» am Woodstock Festival im August 1969 so viele Hippies zusammen wie bis heute nie mehr. Um 1970 war vieles aus dem Lebensstil der Hippies endgültig «Mainstream» geworden, es regte sich kaum noch jemand über lange Haare oder kurze Röcke auf. In (West-)Deutschland war das gegenüber der «Nachkriegszeit» (bis ca. 1962), aber auch gegenüber den «wilden» 60ern tolerantere und entspannte gesellschaftliche Klima der 70er und 80er Jahre wegweisend für die heutige Postmoderne.

* David Thamm, 33 Jahre junger Neo-Hippie begeistert sich für das Schreiben und die Musik. In Richterswil seit 20 Jahren wohnhaft und im Gastrobereich tätig brauche ich den Umgang mit Menschen.

Der Film Easy Rider 1969 gab den Hippies den Mut sich auf Reise- und Trampertrips zu begeben, die sie auf sogenannten «Hippietrails» bis nach Indien führten.

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IN EIGENER SACHE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

Nach zwei Jahren geben wir uns ein neues Gesicht. Um den Inhalten der Zeitschrift besser gerecht zu werden, erhöhen wir den Umfang. Damit die Zeitung besser in den Händen liegt, drucken wir neu auf dickeres Papier. Dies und vieles mehr wird bei dieperspektive auf die Februarausgabe hin geändert. Weniger oft: Die wichtigste Neuerung betrifft den Erscheinungsrhythmus: Seit der Geburt im September 2010 erschien dieperspektive monatlich. Nun wechseln wir auf alle zwei Monate. Wir wollen uns damit mehr Zeit verschaffen, um der Gestaltung und der Bearbeitung der Inhalte (natürlich nur in Rücksprache der Autoren und Künstler) mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Wir lieben das Detail. Diese Liebe wollen wir ausleben, damit eure Inhalte noch besser zur Geltung kommen. Mehr, schwerer: Die Zeitschrift dieperspektive wird dicker. Ab der Februarausgabe, welche gleichzeitig die erste im neuen Jahr ist, besteht das Papierbündel aus 40 Seiten. Nicht nur der Umfang macht dieperspektive dick, auch das Papier: Damit die inhaltsschweren Texte und

Neuer Ort:: Wir sind umgezogen. Neu sind wir im Karussell an der Zweierstrasse 38 in Zü-

rich zuhause. Dort arbeiten wir am Freitag von 9:00-23:00 an den neuen Ausgaben. Wir servieren dir Kaffee und Bier und du kannst aktuelle Ausstellungen vom Karussell anschauen. Die Möbel vom Karussell lassen sich erst noch günstig erschwingen. In diesem neuen Redaktionsgebäude werden wir auch hin und wieder eine Veranstaltung machen. Offene Redaktion: Beiträge werden bei dieperspektive seit jeher von den Lesern geschrieben und gekünstlert. Neu kann auch jeder bei der Redaktionssitzung mitdiskutieren. Die genauen Daten für die Redaktionssitzungen werden wir jeweils über Facebook verkünden. Du kannst also nicht nur schreiben und illustrieren, auch die Auswahl der Texte und Layoutvorschläge liegen nun in deiner Hand.

Herzliche Grüsse die Redaktion (Conradin Zellweger, Simon Jacoby, Manuel Perriard)

KARUSSELL

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Um dem Januarloch entgegenzuwirken, hat das Karussell eine spontane Aktion ins Leben gerufen: Künstlerinnen, Designer und andere Kreativschaffende konnten während zwei Wochen ihre Arbeiten zum Zeigen und Verkaufen in die Kulturplattform bringen. So entstand eine zufällig zusammengewürfelte Ausstellung. Es gab weder ein Thema noch Vorgaben, umso vielfältiger wurde die Ausstellung dadurch. 23 Künstler und Künstlerinnen haben über 80 Werke eingereicht, darunter sind Fotografien, Zeichnungen, Installationen, Kleidungsstücke und Skulpturen. An der Vernissage vom 24. Januar gaben zahlreiche Besucher positive Rückmeldungen und es fand ein interessanter Austausch zwischen Künstlern und Gästen statt. Die Werke sind noch bis zum 7. Februar im Karussell an der Zweierstrasse 38 in Zürich ausgestellt.

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Illustrationen besser in den Händen liegen, drucken wir ab sofort auf dickerem und hochwertigerem FSC-Papier. Nach dem erfolgreichen Podiumsgespräch mit Roger Köppel und Cédric Wermuth zur politischen Ausrichtung der Schweizer Medien haben wir Lust auf mehr. Euer Interesse an solchen Anlässen hat dazu geführt, dass wir für das Jahr 2013 einige tolle Veranstaltungen geplant haben. Zurzeit sind sieben meist politische Abende geplant. Die Diskussion rund um die Partystadt Zürich am 8. Februar macht den Start in ein debattiervolles Jahr. Über die weiteren Veranstaltungen informieren wir dich, sobald wir alles fix im Kasten haben. Als Abonnent oder Abonnentin von dieperspektive bist du wie immer überall gratis dabei. Im Abo-Preis inbegriffen sind also die Heimlieferung von sechs Ausgaben von dieperspektive und die Eintritte zu allen Anlässen, die wir durchführen. Ein Abonnement lohnt sich nicht nur für dich, du hilfst uns dabei, unsere Ausgaben (Druckerei und Versand) zu decken.

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Januarloch

Kunst- und designinteressierte Besucher im Karussell, dem neuen Zuhause von dieperspektive.

Wir möchten euch fünf besonders überzeugende Objekte der Ausstellung vorstellen. Es sind verlaufende Gesichter, Konservenbüchsen mit Menschen drin, ein Rucksack in Schild-

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krötenmuster, nicht wirkliche Mädels und stillstehende Internetpornos. Schaut euch die Arbeiten auf unserer Webseite an. www.dieperspektive.ch

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IN EIGENER SACHE 25. Ausgabe, Februar / März 2013

Präambel Die Redaktion von dieperspektive orientiert sich an den Grundwerten Unabhängigkeit, Ehrlichkeit, Freiheit und Toleranz. In der Redaktion, bei der Auswahl der Artikel und grafischen Inhalten und im Verlag arbeiten wir immer nach diesen Überzeugungen.

Erklärung der Redaktion : ß Die Redaktion ist und bleibt unabhängig. Solange es uns gibt, lassen wir uns nicht beeinflussen. Wir sind frei in unseren Gedanken und Handlungen. Wir sind fair gegenüber Inserenten und Geschäftspartnern. Bei der Wahl der redaktionellen Beiträge nehmen wir auf sie aber keine Rücksicht. Im Zweifelsfall entscheiden wir uns immer für die Wahrheit und Ehrlichkeit. Auf unsere Autoren und Autorinnen sowie auf unsere Leserschaft nehmen wir Rücksicht. Die Autoren stellen Inhalte zur Verfügung, die wir nach den Bedürfnissen der Leserschaft aufbereiten und publizieren. ß Die Redaktion verdient kein Geld. Seit dem Beginn von dieperspektive im September 2010 hat die Redaktion keinen Rappen verdient. Das ganze Team von dieperspektive arbeitet ehrenamtlich. Unser Lohn besteht in der täglichen Herausforderung, den steigenden Leserzahlen und den positiven und kritischen Rückmeldungen von Personen, die sich mit der Zeitschrift auseinandersetzen, für sie schreiben oder diese lesen. Sollten die Einnahmen eines Tages grösser sein als die Ausgaben, investieren wir das Geld direkt in die Zeitschrift. Die Redaktion wird niemals den wirtschaftlichen Gewinn als Ziel formulieren. ß Die Redaktion hat keine publizistische Leitlinie. User-Generated-Content und Crowdfunding sind Schlagworte unserer Zeit. Die Redaktion versucht keinen Einfluss auf die Inhalte in der Zeitschrift zu nehmen. Die Themen, die wir vorgeben, sind keine Forderungen; sie sollen der Inspiration dienen. Die Redaktion interessiert sich für die Meinungen und Gedanken all jener, die sich mitteilen wollen. Wir sind überzeugt, dass die Themen der kritischen Masse einen Platz in der Medienlandschaft verdienen. Somit stehen wir ein für eine dynamische Themendurchmischung. ß Die Redaktion gönnt sich künstlerische Freiheit. Als unabhängige Zeitschrift nehmen wir uns das Recht auf künstlerische Freiheit. Wir nehmen uns das Recht, mit Provokationen auf Missstände in der Konsumgesellschaft, des politischen und wirtschaftlichen Systems hinzuweisen. Bei unseren Aktionen (Kopie 20 Minuten, Initiative Hauptstadt Zürich) handeln wir frei und ohne Furcht vor Konsequenzen. Der Zweck heiligt die Mittel. Sollten künstlerische Aktionen rechtliche Konsequenzen haben, so stehen wir dafür gerade. Die Redaktion übernimmt für ihre Handlungen die volle Verantwortung. ß Die Redaktion ist tolerant. Wir behandeln alle Themen- und Artikelvorschläge gleichwertig. Die Redaktion ist tolerant gegenüber allen verschiedenen Meinungen. Der Diskurs, der feine Kampf um das beste Argument und der Austausch von Meinungen sollen im Mittelpunkt stehen. Die Toleranz der Redaktion ist intolerant gegenüber Intoleranz. Hetzerische, rassistische, verleumderische und verletzende Inhalte haben bei uns keine Chance. Wir entsorgen diese, ohne sie mit einem Wort zu würdigen. ß Die Redaktion ist ehrlich. In allem, was die Redaktion tut, ist sie ehrlich. Wir verschweigen unsere Motive nicht. Wenn wir mit spektakulären Anlässen, Initiativen, Aktionen auffallen, so kommunizieren wir unsere Absichten transparent. Wir leugnen nicht, dass Handlungen mehrere Absichten gleichzeitig verfolgen. Wenn wir mit einer inhaltlichen Provokation auffallen, so freut uns dies, da Aufmerksamkeit die Leserzahl erhöht und dieperspektive bekannt macht. Je grösser und bekannter die Zeitschrift wird, desto breiter findet die Diskussion um die veröffentlichten Inhalte statt. Es ist uns wichtig, dass sowohl Leserinnen, als auch Autoren wissen, wofür wir einstehen. Bei uns finden sich keine gekauften redaktionellen Beiträge. Unsere Motive sind immer für alle ersichtlich. ß Die Redaktion druckt immer auf Papier. Die Redaktion ist eine erklärte Anhängerin des bedruckten Papiers. Entgegen den Befürchtungen der grossen Medienkonzerne machen wir uns keine Sorgen. Wir sind überzeugt, dass ehrlich geführte Druckerzeugnisse auch in Zukunft für die Leserschaft wichtig sein werden. Die Redaktion ist offen. Die Redaktion ist offen für alle und für jeden. Wir sind froh über Kritik, über Lob, über Anregungen jeder Art. Egal ob Details bemängelt oder gelobt werden, egal ob Anlässe vorgeschlagen, eine neue Papierart, ein neuer Abonnementtyp vorgeschlagen wird, wir sind interessiert. ß Die Redaktion hat Ziele. Die Ziele der Redaktion orientieren sich an den Interessen der Leserschaft im Sinne einer hochwertigen Kommunikation. dieperspektive ist eine Zeitschrift für Kunst, Kultur & Politik. Die Redaktion bietet ein Gefäss, in dem die wichtigen und auch die banalen Themen diskutiert werden können. Wir organisieren Anlässe, die dem Publikum eine neue Perspektive vermitteln sollen. Das Ziel der Redaktion ist es, die Leserschaft und das Publikum auf verschiedene Themen aufmerksam zu machen. Wir wollen aufrütteln, informieren und Diskussionen anregen. Die Redaktion will vor allem beweisen, dass nicht nur die geordneten und konventionellen Wege der bürgerlichen Gesellschaft zum Ziel führen. Jede Idee hat seinen eigenen Weg. Wir wollen zeigen, wie es geht, wenn der Mut dafür da ist.

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Wir schreiben dar端ber.

PUNKTmagazin hetzt nicht dem Tagesgeschehen hinterher, sondern liefert Antworten und Hintergr端nde zu aktuellen Zeitfragen. Wir setzen punktmagazin.ch

40

Zeichen; alle zwei Monate am Kiosk oder im Abonnement.

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