WG Geschichten

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dieperspektive

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IMPRESSUM KONTAKT verein dieperspektive, zentralstrasse 167, 8003 zürich REDAKTION simon jacoby + conradin zellweger + manuel perriard + konstantin furrer + marius wenger + dominik wolfinger LAYOUT isabella furler COVER isabella furler LEKTORAT konstantin furrer DRUCK nzz print AUFLAGE 1000 ARTIKEL EINSENDEN artikel@dieperspektive.ch

WERBUNG simon@ dieperspektive.ch ABO conradin@dieperspektive.ch LESERBRIEFE leserbriefe@ dieperspektive.ch GÖNNERKONTO pc 87-85011-6, vermerk: gern geschehen THEMA DER NÄCHSTEN AUSGABE Roboter machen deinen Job. Was tust du? REDAKTIONSSCHLUSS donnerstag, 25. juni, 23.55 uhr

WG — Geschichten von

Aline Trede Julia Meier Joanna Lisiak Domus Lopus Tamara Hofer Roland Wagner Gregor Schenker Simeon Milkovski Laurin Buser Marco Büsch

Inhalt

Thema

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Illustrator der Ausgabe:

Editorial

T

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T

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Beim WC–Papier hört der Spass auf. Jordan Marzuki, ist Katzenliebhaber und www.theballetcats.com Seiten 8/11/18/19

P

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10 Regeln für eine gute WG

Aline Trede

.. unzlig b % 7 8 +

P T K

T

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Tamara Hofer's WG's 1 – 5

POLITIK

T

THEMA

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KREATIVES

Die erste WG

SEX

MITBEWOHNER

NACHBARiN

T

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+ 25 % Ge ldso rgen

PARTY

Meine Liebste...

HYGIENE/GRUSIG

0

50

101

%

T

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T

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Rolandsky

T

T

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Laurin Buser

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Sammler erklärt sich.

olut 101% Rev

Weegee — Vignetten

ion!

T

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K Ein echter Gregor zum aufhängen

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Gedichte

100% Interieur

esie 100% Po


Editorial

Bei uns zieht einer aus. So geht das im Leben – einer geht, einer kommt und die Erde dreht sich trotzdem weiter. Das Leben in einer WG ist von Kurzlebigkeit geprägt. Kaum mehr als zwei Jahre wohnte ich mit der gleichen Person zusammen. Da habe ich Unterhosen, die länger hielten. Dabei wusste bereits Sherlock Holmes: In einer Wohngemeinschaft lebt es sich am besten. All diese tollen Erinnerungen an am Kinn blutende Mitbewohner, die sich morgens um zwei zu einem ins Bett legen, an besetze Duschen, wenn man sich noch sauber machen sollte vor dem Vorstellungsgespräch, an das frühmorgendliche lärmige Herumgestolpere, wenn man Frühschicht hat, an den allnächtlichen Hustenanfall des Kettenrauchers, der an umfallende Kessel in einem Raum mit guter Resonanz erinnert. Ja, diese Erinnerung machen das WGLeben aus, diese sind ganz schön lustig, um im geselligen Rahmen zu erzählen. Da lachen die Leute. Sie sind aber nur Nebenschauplätze zu dem essenziellen Inhalt eines wohngemeinschaftlichen Zusammenlebens. Es geht nicht darum, nicht einsam zu sein. Es geht darum, Menschen mit verschiedenen Herkünften und verschiedenen Vorstellungen kennenzulernen. Von anderen zu lernen, inspiriert zu werden; auch eine Messlatte zu haben.

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Daher führt wohl der ständige Wechsel in Wohngemeinschaften. Jeder findet für sich heraus, was ihm gefällt und was nicht und lernt sich selber durch andere besser kennen. Auch bei diePerspektive gibt es Veränderung. Einer kommt – einer geht. Mit Dominik Wolfinger haben wir einen kompetenten Nachfolger für den Chefsessel gefunden. Er publiziert seit geraumer Zeit in dieser Zeitschrift und bei «tsüri». Wir wollen es nicht leugnen: Die Zeitschrift stagnierte in letzter Zeit, es fehlte an Motivation. Umso mehr braucht es neue Leute, neue Idee und Visionen. Wir sind überzeugt, dass Dominik die Zeitschrift mit seinen eigenen Ideen und Vorstellung vorantreiben kann.

Ihr fragt, wer geht? Ich. Ciao.

Für die Redaktion, Konstantin Furrer

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POLITKOLUMNE Aline Trede

WG's?

— Ui, das mit den Kühlschränken von Aline Trede, illustriert von Isabella Furler 6


POLITKOLUMNE Aline Trede

M

eine Erinnerung an WGs ist sehr gut. Ich habe in vielen verschiedenen gewohnt von 2 bis 9 Personen, jedes Jahr in einer anderen Wohnung, in einem anderen Quartier, sogar in anderen Städten. Die WGZeit möchte ich nicht missen, es gibt jedoch etwas, da bin ich heute froh, dass ich nicht mehr in einer WG wohne. Und das ist: die Kühlschrankdebatte.

Der Pickfeine In einigen WGs herrschte ganz klare Rangordnung. Jede und Jeder hatte sein Fach, da war klar, dort kommt nur das hin, was auch mir gehört, ich bin verantwortlich für mein Essen und dass es nicht schlecht wird und wenn mir mal was fehlt, muss ich die anderen fragen, ob ichs ausleihen kann. Oder manchmal hat man dann mal einfach was genommen, sicher genau an dem Abend wurde es auch von seinem Besitzer gebraucht. Die etwas abgeschwächte, aber nicht minder pingelige Version dieses Fächliwesens ist das Nämelen. Ein fetter, wasserfester Stift hängt am Kühlschrank und jede Person schreib seinen Namen auf jedes Gut, welche ihr gehört. Das eine Problem ist, dass dies bei mir wirklich Zwangsneurosen auslöst und das anderen, dass wenn mal was nicht angeschrieben ist, wird’s schlecht und niemand schmeissts weg.

Der Familiäre Der Kühlschrank, welche in meiner WG-Erinnerung am besten und effizientesten funktioniert hat ist der Kühlschrank, in dem allen mithelfen den Grundstock zu erhalten. Milch, Butter, Mayo etc. Wenn was leer ist, wird’s ersetzt oder auf den Einkaufszettel geschrieben. Braucht wirklich jemand für ein schönes Znacht die Zutaten, wird das vermerkt oder gesagt, damit niemand davon nimmt und das Menu platz. Geputzt wird einmal im Jahr sowieso die ganze Wohnung, also auch der Kühlschrank. Foodwaste wird wenig produziert, da praktisch alles für alle frei nehmbar ist. Schön!

Der Versiffte Der Kühlschrank, in dem das Chaos herrscht. Alles schmeissen alles irgendwie rein, das neuste zuvorderst, das ältere wird in den Sedimentschichten nach hinten geschoben, versifft dort und stinkt. Niemand räumt auf, niemand fühlt sich verantwortlich, niemand putzt mal den ganzen Kühlschrank gründlich durch, alle essen immer nur das frische in der vordersten Reihe.

Irgendwann muss dann eine WG-Sitzung her und das Thema wird besprochen, dann putzt man gemeinsam den Kühlschrank und nach 2 Monaten sieht alles wieder gleich aus. Wäääh! Und Foodwaste wird am Laufmeter produziert.

In der einen WG hatten wir sogar 2 Kühlschränke und dann mal einen Stormausfall, aber diese Geschichte erspare ich euch, die gehört in eine anderen Kategorie. Aline Trede ist grüne Nationalrätin aus dem Kanton Bern. Nicht alles an ihr ist aber grün: Sie hat fünf verschiedenfarbige Brillen, keine einzige davon ist grün. Weil sie Politikerin ist, schreibt sie für uns immer über Politik.

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THEMA

Ich liebe Dich!

Meine Liebste, ich sage es Dir viel zu selten — Ich liebe dich. von Julia Meier, illustriert von Jordan Marzuki 8


THEMA

Ich liebe Dich!

« Sowieso die Küche – the place to be. Sie ist der beste Dancefloor und jeder Club wird an ihrem Vibe gemessen. /Julia Meier » vergessen wir manchmal. Aber auch diese Unstimmigkeiten und Missverständnisse sind schnell vergessen und wir lachen bald wieder miteinander. Trotz ihnen spricht viel mehr fürs Zusammensein.

D

u bist wunderschön, auch wenn Du nicht herausgeputzt bist. Du gibst mir ein Gefühl der Geborgenheit, des Dazugehörens, des Heimkommens. Du hast es gerne laut und chaotisch, aber ab und zu hat auch mal ein ruhiger Abend Platz. Du bist lustig, es gibt aber auch ernste Themen, die man besprechen kann. Gott und die Welt kann man durchdiskutieren – am besten über einer Flasche Wein. Du vereinst die unterschiedlichsten Ecken und Kanten. All diese verschiedenen Eigenheiten, Interessen, Vorlieben – Du bringst sie zu einem Ganzen zusammen. Es passt einfach. Diese Verschiedenheit macht Dich aus, macht Dich so spannend. Bei Dir fühlen sich alle zuhause. Du hast für alle ein offenes Ohr. Natürlich ist das Zusammensein nicht immer einfach. Wir sehen uns oft, bekommen alles mit. Unsere zickigen, mürrischen, melancholischen oder aufgedrehten Tage. Es gibt kein Ausweichen. Nicht zuletzt, weil die Wände unglaublich dünn sind – Privatsphäre gibt es nicht. Wir wissen alles voneinander. Den Alltag teilen ist wundervoll, aber auch brutal ehrlich. Und führt dazu, dass man über Alltägliches streitet. Vieles bleibt auch unausgesprochen, so sind wir halt. Ich glaube, wir haben das Gefühl, mehr als der andere in uns zu investieren. Mehr beizutragen. Aber das Zusammenleben braucht halt viel und wir geben unser Bestes. Das

Dank Dir habe ich eine Tür, an der ich klopfen kann, wenn mich Sorgen plagen, auch mitten in der Nacht. Dank Dir gibt es einen Ort, wo ich mich vor der bösen Welt verstecken und einfach einkuscheln kann. Von dort aus kann ich wunderschöne Deckenstuckaturen bewundern und mich wie Dornröschen fühlen. Bei Dir findet sich immer irgendwo Schokolade als Seelenpflaster oder ein Glas Wein und Gesellschaft um den Kummer zu ertränken. Und danach in den untiefen der Küche irgendwo etwas zu Essen für den Kater. Sowieso die Küche – the place to be. Sie ist der beste Dancefloor und jeder Club wird an ihrem Vibe gemessen. Sie ist der Ort, wo man sich trifft – an einem faulen Sonntag, nach einem langen Tag zum Kochen oder einfach so für ein kurzes „Hallo wie geht’s?“. Hier ist auch ein Fenstersims zum Hinsetzen – der schönste Ort auf Erden. Auf dem farbigen Teppich in der Stube wurden schon betrunkene Häuflein Elend gebettet. Am majestätischen Esstisch daneben hat es Platz für grosse Runden und man kann seinen kulinarischen Ausbrüchen frönen. Der Kronleuchter darüber bringt stockende Gespräche wieder ins Laufen. Im Spiegel neben meinem Zimmer sind alle die Wunderschönsten und er bringt jeden zum Posieren und Lächeln. All diese Sachen machen Dich zu dem, was Du bist, machen Dich einzigartig. Der Grund wieso ich Dich so abgöttisch liebe.

Natürlich hat die Zeit auch bei Dir Spuren hinterlassen. Die Herdplatte zerbrach an der Liebe und nun gibt’s halt momentan Ofengemüse oder Ähnliches. Die Wände waren schon weisser, denn sie mussten immer wieder Duschen von Kaffee oder Wein ertragen. Und einmal sogar eine Tasse, aus Wut geplant geworfen. Jetzt hat die Wand zwei Löcher, ein kleines und ein grosses. Und die ominöse Geschichte mit dem Brotschlüssel – irgendwie vertrug es diese im Gang aufgehängte Essware einfach nicht, wenn jemand nachts um vier neben ihr angetrunken die Schuhe ausziehen wollte und flüchtete am Boden zerstört ins nächste Zimmer. All diese Spuren zeigen, hier wird gelebt. Das macht Dich aus. Es ist eben mehr als zusammen vier Wände zu teilen – man teilt den Alltag, die Sorgen, die Freuden, das Leben. Danke Dir, meine liebste WG!! Ich möchte Dich nie verlassen. Das Leben in Dir ist so wundervoll. Du bist mein Zuhause. Tausend Dank. Mit grösster Liebe, Deine Bewohnerin Julia Julia Meier, studiert und lebt in Zürich. Ist nach einer Odyssee durch die verschiedensten WGs endlich Zuhause angekommen: in einer mehr als wunderschönen Wohnung mit den zwei besten Mitbewohnern und den tollsten zwei Mitbewohnerinnen im Herzen der Stadt.

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THEMA

Sammmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm m mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm Meine Liebste, mmmmmmmmmmmmmmmmmmm ich sage es Dir viel zu sel mmmmmmmmmmmmmmmmmmm — Ichsich. liebe dich. mmmmmmmmmmmmmmmler erklärt Sammler erklärt sich.

eine Wohnung ist zugegeben voll von Kunst und Versuchen an Kunst voller Gewürze ich habe mehr als genug Bücher und Taschen und Hosen und Schuhe es fehlt mir an nichts und auch Schmuck habe ich echten unechten dann Musik E und Musik U ich bin gut bestückt mit Vorratsdosen habe viele viele Notizzettel und Stifte und Crèmchen so viele so viele so viele habe ich. Doch genauso ist vieles erst gar nicht vorhanden. Hab keine Kissen mit Gesichtern drauf nicht ein einziges Plüschtier auf Kuschelkurs liegt auf meinem Bett wartend auf eine Gutenachtgeschichte auf keinem Globus kann ich mit meinem Finger herumreisen keine Kaffeemaschine brummt je nicht einmal Skis habe ich obwohl ich leidlich fahren kann einen Neopren-Anzug besitze ich nicht dazu gibt es keinen Grund und obwohl auch ich Weihnachten feiere verfüge ich über Weihnachtsmusik nur wenn sie aus dem Radio kommt ich kann hier nicht Wohnwandmöbeln entlang klettern denn solche gibt es hier nicht kein Moos keine Palmen und keine blühenden Kakteen auch sind hier nirgends ovale Bilder zu finden keine Stützstrümpfe keine Eile mit Weile Nagellack ja aber kein grüner keine gefärbten Strähnchen können mir je vom Haupt fallen in einen blubbernden Whirpool kann ich mich abends nicht setzen keine Harfe spielen wenn mir danach ist keine Mickymausohren anlegen keinen Weichspüler in die Waschmaschine leeren mit keinem Rasenmäher herumkurven zum Spass selten Bier trinken denn wenn dann Wein und erst seit kurzem kann ich in echte Gummistiefel steigen dafür nicht einmal Eis am Stiel lecken alles ist reduziert auf vereinzelte Bedürfnisse so dass ich guten Gewissens trotz Anhäufung Besitztum gewissem Überfluss von einer Form von Minimalismus sprechen kann. Joanna Lisiak, diverse Einzelpublikationen sowie zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften. Zuletzt:„Besonderlinge – Galerie der Existenzen I; II“, Wolfbach, Zürich

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/von Joanna Lisiak


lten

THEMA

Beim WC – Papier hört der Spass auf.

Beim WC  –   Papier hört der Spass auf /Ich bin ja kein Bünzli./ von Marco Büsch, illustriert von Jordan Marzuki

D

W

er mit mir in einer Wohngemeinschaft wohnen will, muss zehn Punkte erfüllen. Mindestens. Gut, vielleicht nicht alle immer zu jedem Zeitpunkt, aber es wäre wünschenswert. Denn über gewisse Punkte kann ich hinwegsehen, andere hingegen würden in einen Kleinkrieg ausarten. Und fürs Prinzip würde ich sehr weit gehen. Was ich dafür biete? Ich erfülle diese zehn Punkte ebenso und zwar so gut wie es geht. Hier meine Liste, was mein potentieller WG-Mitbewohner/meine WGMitbewohnerin tun und lassen sollte:

E

s muss immer reichlich Toilettenpapier vorhanden sein. Ist eine Rolle leer, wird sie gewechselt. Ist kein Ersatz mehr hinten auf dem Spülkasten, wird Ersatz geholt. Sind im Schrank keine Ersatzrollen mehr vorhanden, werden neue gekauft und dabei meine ich nicht nur eine Rolle, sondern mindestens zehn. So einfach ist das.

M

eine Zahnpasta ist meine Zahnpasta. Dieses Gesetz ist nicht in Stein gemeisselt und natürlich darf man im Notfall auch mal meine benutzen, ABER sollte dieser Fall jemals eintreten: Die Paste wird von hinten nach vorne langsam hinausgedrückt!

er Zürisack wird nicht erst gewechselt, wenn er übervoll ist. Der Bioabfall auch nicht. Das macht man einfach nicht. Wir sind erwachsene Menschen. Solche Dinge machen Erwachsene in der Regel ohne zu murren. Irgendwann, wenn wir dann reich sind, werden wir über diese Momente lachen, als wir noch selber den Abfall raustragen mussten. Aber bis dahin: Einfach selber entsorgen.

E

s wird am gleichen Abend abgewaschen. Das dreckige Geschirr wird nicht tagelang in der Küche gelagert, es wird am Abend der Benutzung noch abgewaschen. Ausser wir haben eine Party gefeiert, dann gelten Sonderregeln. Aber dann gehen wir vielleicht auch dazu über, einfach alles zu verbrennen. Je nachdem.

E

s wird angeklopft. Wer meinen Privatbereich betreten will, klopft bitte an. Nicht dass ich jedes Mal eine wilde Orgie veranstalte, wenn die Türe zu meinem Zimmer geschlossen ist, aber vielleicht schaue ich mir gerade heimlich das neuste Video von David Guetta an. Und es wäre ziemlich peinlich, wenn ich dabei erwischt würde. Als junger urbaner Stadtzürcher hat man ja einen Ruf zu verlieren.

D D

ie Schuhe gehören in den Schuhkasten und nicht in die Mitte des Ganges. Wir sind nicht mehr fünf- oder achtjährig. Und wir sind auch nicht verhaltensgestört, also sollte das kein Problem sein. Ansonsten finden sich die Schuhe zusammengebunden an der Stromleitung vor dem Haus hängend wieder.

D

ie Miete muss bezahlt werden. Regelmässig. Pünktlich. Mit Geld und nicht mit Lunchchecks. Woher das Geld kommt, ist mir dann auch wurst, solange nicht im Wohnzimmer Kokain auf Kilobasis vertickt wird. Das hat schon damals in «Scarface» nur für Unruhe gesorgt.

F

ifa spielen. Ich brauche immer mal wieder jemanden um Fifa zu spielen und manchmal will man nicht erst jemanden organisieren. Da sollte dann der Mitbewohner ranmüssen. Ich schaue dafür Germanys Next Topmodel mit oder mache sonst etwas, was ich alleine nie tun würde, mir aber trotzdem irgendwie gefallen wird, obwohl ich das nie zugeben würde.

M

eine Esswaren werden nicht gegessen. Und wenn doch: Ersetzen. Und ich rede hier nicht von Ketchup oder Konfitüre, sondern von einem guten Stück Fleisch, welches ich für Gäste eingekauft habe. Ansonsten würde ich einfach den Beluga-Kaviar ersatzlos verspeisen. Auge um Auge. 11

ein Zimmer ist zwar dein Zimmer, aber das berechtigt noch lange nicht, in Überlautstärke Pornos zu schauen. Falls dies doch die Meinung sein sollte, werde ich in den Fachmarkt gehen und mir Schallschutzkopfhörer und eine Helene-Fischer-Live-DVD besorgen. Die DVD wird dann voll aufgedreht laufen bis die Polizei mich wegen schwerer Körperverletzung festnimmt.

Aber ansonsten bin ich ganz umgänglich. Ich bin ja kein Bünzli. Oder zumindest nur ein bisschen. Manchmal.


THEMA ÄHM..

WG 1

/Die Sexfalle

I

/von Tamara Hofer

1 So hätten wir also bei der Motte die Reihenfolge Sex - Fressen (Moral kennt sie nicht; würde sie sie kennen, hätte sie Skrupel so eklig zu sein) und beim Menschen Fressen - Moral - Sex oder Fressen - Sex - Moral oder vielleicht sogar... nun ok, vielleicht gibt es verschie-dene Ausprägungen. Oder nein, wahrscheinlicher: Auch der Mensch kennt die Moral gar nicht (vgl. PostPS) 2 aka romantisches Abendessen zu zweit 2 das ist metaphorisch4 zu verstehen 4 sinnbildlich

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ch behaupte: Die Menschheit überlebt gerade deshalb so gut, weil sie immer verfressener wird. Zur Erklärung folgende Begebenheit aus dem Alltag: Für unsere WG-Haustiere, die gefrässigen Küchenmotten, gilt ein quasi Brecht’scher Grundsatz. Wie für den Menschen das Fressen vor der Moral kommt, kommt für sie Sex vor dem Fressen (daran sieht man übrigens auch, dass der Mensch im Allgemeinen um mindestens eine Stufe höher entwickelt ist als die Küchenmotte). So stürzen sie sich lieber auf den mit Sexuallockstoffen angereicherten Klebestreifen und verenden dort kläglich, als in ihrem Schlaraffenland (unseren Baslerleckerli) weiterzufressen und es vollzueiern, wie sie es taten, bevor wir die Sexfallen aufgestellt hatten. Damit haben wir sie nun endlich ausgerottet. *denk* Daraus, dass sich der Mensch mindestens eine Evolutionsstufe über der Küchenmotte befindet, lässt sich also schliessen, dass beim Menschen das Fressen vor dem Sex kommt1 Das ganze Ausmass dieser Erkenntnis ist mir noch nicht klar, aber wir können zumindest einmal froh sein, dass uns die Evolution zu solch verfressenen Wesen gemacht hat; so können wir während dem Fressen vor dem Sex 2 immerhin noch abwägen, ob wir nach dem Fressen möglicherweise Gefahr laufen, in eine Sexfalle zu stolpern und danach erbärmlich an einer Klebefolie3 zugrunde zu gehen. q.e.d. PS: Logische Denkfehler bitte nicht melden. Ich habe jetzt schon einen Knopf im Kopf vor lauter Moral, Sex und Fressen Hirnen. PostPS: Moralische Bedenken hatte ich bezüglich der Sexfalle interessanterweise noch nie.PostpostPS: Die Fussnoten sind für alle Küchenmotten unter uns. Tamara Hofer, 34, Fussnotenkönigin. Heimlicher Traumjob: Kammerjägerin.


THEMA

Tamara Hofer blüht auf.

WG 2

/Gestern in der Früchteschale

D

irty, Heilsarmee! Dirty! Oder: WG auf Zeit mit Mrs Biederkeit Ich war auf Reisen und es hatte mich in ein Gästehaus der Heilsarmee verschlagen. Das hat damit zu tun, dass ich natürlich nicht vorausgeplant hab und angesichts dieses Resultats müsste ich mir das mit dem Vorausplanen vielleicht doch nochmal überlegen.Die Heilsarmee-Menschen mögen liebe Menschen sein, aber es sind immer noch biedere, liebe Menschen. Jedenfalls war ich also in unglaublicher Biederkeit einquartiert. Die Biederkeit war im kleinen Teppichvorleger, der auf dem Teppichboden lag, im massiven, gepolsterten Stuhl, in den groben Vorhängen - alles in undefinierbarem Gilb gehalten - und sie war vor allem in den Bildli mit den Sprüchli, die über dem Bett hingen und auf dem Tisch standen, in dem die Biederkeit auch war. Ich ging aufs Klo, um zu sehen, wie sich die Biederkeit dort äussern würde.Es hing dort das übliche Schildchen mit dem Aufruf zu Sauberkeit, das Blick-zurückSprüchli, das Hygieneartikel-ins-SäckliSprüchli und... was da auch noch stand, lässt mich noch immer nicht los: «Wenn Ihnen ein Missgeschick passiert, sagen Sie uns bitte Bescheid, wir helfen Ihnen gerne weiter.» Ok?! Meine Fantasie kam sogleich mächtig ins Rotieren, denn mir kam auf Anhieb kein Missgeschick in den Sinn, das mir a) normalerweise auf Toiletten passiert und b) das ich dann auch noch gleich der Heilsarmeeherbergsmutter mitteilen würde. Woran die wohl gedacht haben? Dass jemand den Klositz ver...ziert? Sich unentwirrbar mit dem Tamponschnürchen verheddert? Sich etwas Heikles zwischen Klo und Klobrille einklemmt? Vor meinem inneren Auge spielten sich Szenen ab, die sich schwer in Worte fassen lassen. Eines jedoch wurde mir auf diesem Klo klar: (Auch) Hinter Biederkeit klaffen immense Abgründe. Ich will zurück in meine WG.

WG 3

/Schmuddelwetterprogramm

S

cheisswetter hat ja auch einen nicht zu verachtenden Vorteil: Es schafft Gelegenheit zum Rückzug in die eigenen, wohlig warmen vier Wände. So hatte ich für meinen Teil an diesem kalten Frühfrühlingstag offiziell meine Badewannen-Saison auf unbestimmte Zeit verlängert und dabei die nachwinterliche Stille genossen. Bis...plötzlich höre ich lautes Stöhnen. Na toll. Aber gut, sowas war ja eigentlich zu erwarten, denn auch dazu schafft das Scheisswetter vortrefflichst Gelegenheit. «Oooooaaah! Ja!» «Chum, mach!» Das Stöhnen kommt nicht von irgendwo im Haus, nein, es kommt aus unserer Wohnung. Uii...dabei hatte ich gar keinen Männerbesuch einer meiner Mitbewohnerinnen mitgekriegt? Ich versinke im Kakao-Vanille-Badewasser und will einfach gar nichts mehr hören. (Ja, da kam mir dann auch sehr schnell wieder in den Sinn, dass man unter Wasser noch mehr hört, als oberhalb...) Nach meinem Bad wollte ich wenigstens wissen, was für ein Prachtskerl meine Mitbewohnerin so beglückt hatte und schlich an ihrer Tür vorbei, die einen Spalt breit geöffnet war.Da war nicht nur ein Mann, da waren 22 kleine Männchen auf einem Bildschirm und sie hatten nichts anderes im Kopf als Fussball. Genau wie meine Mitbewohnerin. Tamara Hofer, 34, hat entweder zu viel Phantasie oder zu wenig Interesse an Fussball oder beides.

WG AD /nach WG 5

H

ach alleine wohnen! Es ist paradiesisch. Hier muss ich keinen stinkenden Abwaschlappen mehr benutzen (oder ihn täglich wechseln), weil ihn am Abend (jeden Abend!) jemand (alle ausser mir?!) unausgewaschen und zusammengewurstelt hat liegen lassen. Hier gibt es auch keinen Abwaschschwamm, dessen Geruch und Aussehen mich daran zweifeln lässt, ob er wirklich immer nur für den Abwasch verwendet wurde. Wenn ich die Küchenschere aus der Schublade kramen will, muss ich nicht mehr zuerst kontrollieren, ob ich gleich in eine Kakerlake greife. Wenn ich die Küchenschere aus der Schublade will, muss ich sie nicht vor Gebrauch erst gründlich waschen und sie dann trotz all dem Schrubben ziemlich angewidert benutzen. Der Müllsack ist nicht alle zwei Tage voll, weil keiner der Tetrapak-Trinker je auf die Idee käme, seine Tetrapaks flach zu machen. Der PET-Sack ist nicht alle zwei Tage voll, weil... ja genau, die PETFlaschen(trinker). Ach ja und die Flaschen im PET-Sack sind auch nicht noch halb voll mit vor sich hin gärendem Etwas. Im Kühlschrank muss ich nicht immer erst halbe Biotope umschichten, um meinen Einkauf einzuräumen. Wöchentliche Routineuntersuchungen meiner Lebensmittel im Vorratsschrank erübrigen sich: Hier gibt‘s keine Lebensmittelmotten! (Wow, wirklich!! *seufz*) Das Tischtuch ist nicht permanent klebrig (und stinkt nach o.g. Abwaschlappen) und ich muss mich nicht mehr fragen, ob die Klebrigkeit von etwas Verschüttetem herrührt oder einfach zum allmählichen Zerfallprozess des uralten Teils gehört. Und jetzt zu den wirklich wichtigen Dingen. Ich muss mit niemandem reden. Ich kann in Ruhe essen. Tamara Hofer, 34, lebt mittlerweile nun plötzlich doch wieder in einer WG. Ganz freiwillig. Hier gibt es keine Kakerlaken (bis jetzt), dafür neben den obligaten Küchenmotten nun auch Kleidermotten, Hausspinnen und ein Pony. Aber ich habe gemerkt, wenn man all diesen Tierchen einen Namen gibt, geht es!

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ROLANDSKY

Ein Platz f端r Gorillas

Ein Platz f端r Gorillas

von Rolandsky, illustriert von Isabella Furler

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Ein Platz für Gorillas

ch fordere, dass niemand eine Wohnung hat. Alle sind eine Wohnungsguerilla und ziehen herum. Das heisst, die Privatheit ist eigentlich aufgehoben. Es klingelt an der Türe. Jemand sucht ein Bett für die Nacht. Bei Dir zu Hause hat es zwar keinen Platz mehr, in der Stube wohnen schon drei Hunde, aber wir stellen uns vor, wohnen wäre ein Menschenrecht und wir wären so zivilisiert, dass man jederzeit wo klingeln kann und gratis ein paar Wochen oder Monate bleiben kann. Manche bleiben Jahre, wenn es ihnen gefällt. Oft kaufen sie nicht einmal Abfallsäcke. Sie lassen die Wäsche hängen. Jemand bezahlt die Miete. Das Goldfischglas ist voller Algen. So wohnen wir in einer besseren Welt. Ich finde, es gibt noch viel zu wenig Menschen in den Städten. Es müssten noch viel mehr sein. Dann könnte man mehr Menschen anschauen in den Strassen. Sie würden alle verschieden ausschauen. Es gäbe keine Schlangen mehr bei Wohnungsbesichtigungen, weil man einfach wo klingeln kön-nte. Auch alte Menschen, um die 80 Jahre alt, würden leben wie Dinosaurier. Die Alten würden sich dem Lebensrhythmus der Nachtfalter anpassen und bis in alle Nacht wachbleiben, weil es Licht hat im Wohnzimmer. Wer früher schlafen will, würde auf die Toilette gehen. Es gibt immer Lösungen. Jetzt verstehe ich auch, wer die Kreativität erfunden hat. Auch die Medizin. Alles ist nötig, weil es uns vorwärts bringt. Wenn man es zu Ende denkt, dann ist das Reservoir an Menschen unerschöpflich. Der Mensch findet zu jedem Problem die Lösung. Solange es Läden gibt, kann man einfach die Milch von den Kühen holen. Die Technologie und das Wissen haben uns so weit gebracht.

Es gibt drei Strategien – ich will die mit Euch diskutieren: 1 Ich kann mich reduzieren und ein Liliputleben leben. Wenn es alle machen, was würde passieren? 2 Ich kann sagen, jetzt ist gut, wir bleiben Algen. Dann kommen alle und sagen, das sei nicht möglich. Nein, es bringt nichts darüber nachzudenken. 3 So finden wir keine Lösung. Schon der Wachstumsökonom Thomas Robert Malthus sagte das Bevölkerungswachstum falsch voraus. Trotzdem glauben viele, dass das Wachstum bis etwa 10 Millionen Menschen pro Wohnung weitergeht. Und der Mensch ist ein Tier!

« Ich kann mich reduzieren und ein Liliputleben leben. /Rolandsky

Wir müssen uns bewusst sein, dass es erst seit kurzem Tiere gibt auf der Erde! Wir können es gar nicht beeinflussen. Ich weiss, dass Du es gerne beeinflussen würdest. Mach bei unserem Wettbewerb mit. Wenn Du unsere Ideen gut findest, kannst Du Dich bewerben. Bitte schicke zuerst ein Foto oder ein Selfie. Wir müssen das in den Griff bekommen. Alles andere ist Chaos. Es ist eine Frage der Macht. Gerade für Chaoten in der Zivilisation ist das Wohnen der Knackpunkt. Ohne Wohnen keine Revolution! Rolandsky, mit bürgerlichem Name Roland Wagner.Nach dem Lesen seiner Kolumnen geht es den meisten so: verwirrt, betroffen, aha-so-ist-das, was soll das? Recht hat er...

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I




THEMA

Weegee – Vignetten

Weegee —Vignetten

/Immer gabs jemanden, mit dem man einen Quark essen konnte oder der das Bad blockierte./von Simeon Milkovski illustiert von Jordan Marzuki

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Weegee – Vignetten

M

einem Ostblockpapa, gesegnet mit einem Übermass an Einfühlungsvermögen, verschlägt so schnell niemand die Sprache. Überlasst das ruhig seinem einzigen pubertierenden Kind. Als ich fünfzehn war oder so und ihm eröffnete, ich würde dann wenn alles planmässig lauft aufs Studium hin in eine Weegee ziehn, schluckte er erstmal leer und nickte dann freundlich. Dann wechselte er das Thema. Gleichentags etwas später, Apero mit ma mère. Ich hätte meinem Vater also schon einen Schrecken eingejagt, erzählt sie lachend. Wie hatte ich denn das geschafft? Nun, sagte sie und nahm einen Schluck Chardonnay, für einen Exmusiker aus einem sowjetischen Satellitenstaat mutet die Vorstellung, dass junge Frischmündige in verlotterten Gehäusen irgendwo inmitten einer Grossstadt wie Zürich zusammengepfercht in ihrem eigenen Dreck leben und sich gegenseitig die Spritze setzen halt etwas befremdlich an. Eine Überdosis westlicher Jugendverwahrlosung. Ich fragte, ob meine Eltern meinen, ich hätte irgendwie mit böseren Drogen was am Hut, als ich sonst schon hatte. Meine Mutter lachte. «Nein Nein, keine Sorge, ich hab ihn beruhigt, er weiss es halt nicht besser. Ich hab ihm erklärt dass das heutzutage absolut normal und gang und gäbe ist. Dass deine Onkel alle auch mal in Weegees gewohnt haben und das zu einer Zeit, als die Stadt wirklich noch gefährlich war. Kein Problem also. Er wird sich dran gewöhnen. Abgesehn davon ist es dein Körper, mach damit was du Lust hast.» Meine erste Weegee bezog ich im Sommer Zwozehn in einem wunderschönen Zweifamilienhaus im Grünen zwischen Regensbergbrücke und Bad Allenmoos. Zu fünft waren wir, jung, schön, topmotiviert und so lebenslustig, wie man das halt mit knapp zwanzig noch ist. Und ach, die Freuden des Zusammenlebens. Wer hat das Bad schon wieder nicht geputzt? Die Pfanne ist 19


Weegee  –  V ignetten

noch nicht sauber, Simeon. Jetzt friss nicht immer Cornflakes vor dem Znacht! Unser Staubsauger ist kaputt. Kannst du eigentlich nie genug saufen? Das ganze Bad ist verkotzt! Das war nicht ich, das war die, die ich abgeschleppt habe. Der bin ich im Suff etwas zu ungelenk auf dem Magen abgestützt, da musste halt was raus. Aber sie hat mir gesagt sie hätte alles aufgewischt! Kann man denn niemandem mehr vertrauen? Fick mal leiser, die arme Frau ist doch sicher schon ganz wund. Du hast unser letztes Gras weggeraucht? Spinnst du? Obligatorische Weegee-Party selbstverständlich legendär, mehrere Floors auf allen Etagen, voll besetzter Balkon, Lärmklage und eine zentimeterdicke Schicht Alkohol und Sockenfusel auf dem Wohnzimmerboden, als dann alles vorbei war.

« Nichts hält ewig und manches nicht lange. So kam es, dass ich im Sommer darauf gegangen wurde. /Simeon Milkovski

»

Nichts hält ewig und manches nicht lange. So kam es, dass ich im Sommer darauf gegangen wurde. Der historischen Harmonie verpflichtet bezeichne ich das jetzt mal als „in gegenseitigem Einverständnis“. Hallo Leonie und Nina, ich mag euch trotzdem. Dank unvorhergesehner Loyalität und Kameradschaft eines meiner Nächsten bezog ich dann meine zweite Weegee, diesmal richtig in der Stadt. Druckste ich vorher rum und sagte, ich wohne an der Grenze zum Kreis Sechs, hauste ich plötzlich im Dickicht des flachen Teils von Zürich, und zwar exakt an der Grenze zwischen den beiden besten Kreisen, drei und vier. Nix JuWo, nix Gnossi, nix Sozialwohnung. Eine richtige, echte, private Verwaltung gönnte uns eines ihrer unzähligen Appartements. Die erste Konfrontation liess nicht lange auf sich warten. Wir zwangen die Verwaltung, die marode, leicht schimmlige dunkelbraune Küche herauszureissen und durch eine neue zu ersetzen. Der russische Gastarbeiter, der uns das Ikea-Schmuckstück dann installierte, sprach zwar kein Deutsch, dafür aber seine Vorgesetzten, und ich hab bis heute nie so schnell jemanden ein Bier trinken sehen wie den sächsischen Monteur. Zwei Schlücke und zack, leer war die Dose. Der Mietzins stieg, die Vöglein pfiffen und ich gehörte nun zu den echt coolen Säcken, die in Zigidistanz zum Idaplatz wohnen. Im ersten Jahr geschah etwas spannendes: Der Zufall namens Arbeitsmarkt zwang uns alle drei in Jobs, die vorwiegend elf Uhr nachts begannen. Verrückt, anstatt sich morgens beim Schlipsbinden um die Kanne Bialetti zu streiten, begegnet man sich spätabends im Halblicht der Küche mehr oder weniger ausgangsparat. Noch ein letztes Bier, Augentropfen rein, und ab die Miete verdienen. Ich kam meistens als letzter nach Hause, als die Sonne oft schon aufgegangen war. Manchmal war ich ausgesperrt, musste die Besoffenen also nach ihren ersten zwei Stunden aus dem Schlaf klingeln, wodurch ich mir

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immer, ohne eine Ausnahme, böse Blicke einhandelte. Aber konnte ich irgendwie noch verstehen, ich hätte ja auch einfach im Treppenhaus schlafen können. Nichts Streitwürdiges, nicht das. Was passiert eigentlich, wenn man streitet? Lässt man sich in eine verbale Auseinandersetzung verwickeln, degeneriert man zu einer Vorstufe des zivilisierten Menschen. Vernunft und Zen weichen Geltungsdrang und Lautstärkekampf. Und Gott, haben wir gestritten. Zeitweise hätte man unserer Wohnung eine bipolare Störung diagnostizieren können. Tranken wir eines Abends bis drei Uhr zu guter bis sehr guter Musik und fühlten uns wie die Bolschewiken im November, multiplizierten sich anderntags die kleinen Befindlichkeiten, vom Kater befeuert, zu handfesten Kriegen. Mixt man dann noch etwaige etwas «schwierige» Beziehungsverhältnisse in die Suppe, so konnte man sicher sein, dass es nicht langweilig wurde, öffnete man unsere etwas quietschige Eingangstüre. Im schlimmsten Fall gab es immer noch das Meiers, das hat ja immer bis Vier auf. Dreimal umfallen und ich lieg drin. Genau wegen so Institutionen liebe ich es, Städter zu sein. Und als Student leistet man sich meistens kein eigenes Gehäuse, sondern teilt es schwesterlich mit anderen. Auch wenn ich immer noch der Meinung bin, vorzüglich alleine klar kommen zu können, so ist mir das Kommunenhafte doch sehr ans Herz gewachsen. Ich glaube, das reicht auch schon bis in meine Kindheit zurück. Wir hatten ständig Mitbewohner, manche blieben kurz, manche lang, manche kannte man schon früher, manche nicht. Aber immer gab es jemanden, mit dem man einen Quark essen konnte oder der das Bad blockierte. Good times. Seit mir die zweite Garnitur Mitbewohner ausgeflogen ist (diesmal im Guten, ich schwörs!), wohne ich nun je nach Zählform in meiner zweieinhalbten oder dritten Weegee. Sie wurde auch schon ordentlich eingeweiht, hat doch jeder schon im Suff ins Bad gebrochen. Neue Leute heisst: Neue Musik, neue Esswaren im Vorratsschrank (Edition 2015: Immer Eier und Hering), neue Befindlichkeiten, neue Gäste, die plötzlich auf deinen Stühlen hocken und deinen Kaffee saufen. Manches bleibt sich gleich, manches verschwindet mit dem letzten Karton für immer. Auch wenn wir im Schnitt vielleicht alle zwei Monate wirklich zusammen an einem Tisch Znacht essen, ist das Gemeinschaftsgefühl relativ frisch und stark. Auch weil alles ein Ende hat ausser die Wurst: Im Herbst ziehen wir wohl alle von dannen, in nördlichere, unwirtlichere Gefilde, wo immerhin das Bier etwas günstiger ist. Und wer jetzt denkt, oh, es wird eine Wohnung im 34i frei, gleich mal anklopfen, dem muss ich sagen, zu spät Bengel, Vitamin B, Baby.


Tipp

Das Scheitern der Schmetterligne

Das Scheitern der Schmetterlinge

/ Wie viele Locken hat die Telefonschnur? Wer betreibt die Arithmetik unseres Entzweien? Wo habe ich eine Version der Zukunft vergessen? / 2012 veröffentlichten wir in der 19. Ausgabe von dieperspektive «Das Scheitern der Schmetterlinge» von Carlo Spiller. Der Beitrag wurde als Artikel des Jahres nominiert. Heute, drei Jahre später, liegt der komplette Lyrikband vor. 45 Gedichte. Handgemacht in Zürich. Der Einband wurde von Anneka Beatty liebevoll gestaltet. Erhältlich als eBook auf Amazon, Google Play und im iBooks Store. www.carlospiller.com www.annekabeatty.ch Carlo Leone Spiller, *1990 in Zürich, studierte Germanistik und Philosophie an der Universität Zürich. Seit 2014 studiert er am Schweizerischen Literaturinstitut. Neben Lyrik schreibt er Prosa und Theatertexte. 21


THEMA

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10 Regeln f端r eine gute Wohngemeinschaft.

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Regeln f端r eine gute Wohngemeinschaft.* 10

/Eine gute WG ist wie eine schlechte Ehe./von Domus Lopus 22


* Alle Regeln gelten ausnahmslos für beide Geschlechter

10 Regeln für eine gute Wohngemeinschaft.

1/ Jeder Quadratzentimeter kostet. Wenn du nicht dafür bezahlst, hast du kein Recht ihn zu betreten oder zu benutzen. 2/Ämtchen und Putzkalender sind nur Vorschläge. Und wer vor 14.00 Uhr staubsaugt ist ein Arschloch. 3/ Nur weil man zusammen kocht, muss man nicht zusammen essen. 4/Ehre deinen Mitbewohner. Du wirst ihn vermissen, wenn du morgens Heim kommst und du deinen Schlüssel verloren hast. 5/ Wenn Blut in der Badewanne klebt, leck es nicht auf und fass es nicht an. 6/ Wenn etwas niemanden gehört, gehört es dir. 7/ Falls eine zu laute WGParty stattfindet, du aber nicht teilnehmen kannst, reklamiere erst am nächsten Tag. Niemand darf erfahren, was für ein Schlappschwanz du bist. 8/ Wenn die Toilette länger als fünf Minuten besetzt ist, tritt das ungeschriebene Recht in Kraft, ins Waschbecken zu urinieren. 9/ Über One-NightStands wird nicht geredet. Aber es ist absolut legitim etwas lauter zu sein und die Mitbewohner zu wecken, sodass diese merken, dass du nicht alleine warst. 10/ Eine gute WG ist wie eine schlechte Ehe. Sie dient einzig und allein der Wirtschaftlichkeit. Alles Private wird ausserhalb erledigt.

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THEMA

Die erste WG

Die erste WG dass unsere Winti-Freunde Verständnis haben würden. Leider irrte ich mich. Wie sich später herausstellen sollte, zerbrachen wahrhaftig viele Winti-Freundschaften. Aus den Augen, aus dem Sinn. Vielleicht war es die kaum zu überwindbare Distanz, welche eine zwanzigminütige Zugfahrt in Anspruch genommen hätte. Verständlich. In einem Zeitalter, in dem jede zweite Beziehung eine Fernbeziehung über zwei Kontinente hinweg ist, kann man nicht erwarten, dass jemand seine Komfortzone verlässt und für einen Kaffee in eine andere Stadt fährt. Ironischerweise wohnen die meisten dieser Personen heute selber in Züri. Und einige Freundschaften konnten glücklicherweise später wiederbelebt werden, als man sich physisch wieder näher war. Schon lustig, irgendwie.

/Der Spinat schmeckte zwar wie Gras, aber Hauptsache er war billig./ von Nadja Hauser

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ieser Moment, als ich mit zwanzig endlich von zu Hause auszog, der war grossartig. Ungefähr genauso spannend jedoch war wohl die Vorstellung, dass ich mit zwei meiner besten Freundinnen eine Wohngemeinschaft gründen würde. Ich war mir bewusst, dass dies kein geringes Risiko war und ich damit gleich zwei Freundschaften auf einen Schlag aufs Spiel setzte. Aber ich wollte es unbedingt. An einem warmen Spätsommerabend trafen wir uns auf einem Fussballfeld am Stadtrand, um uns zu beraten. Es gab eine wichtige Frage zu klären, die das Projekt beinahe zum Scheitern gebracht hätte, bevor es richtig losgehen konnte: wo sollte diese WG gegründet werden? Zur Auswahl standen zwei Städte, die eine geschwisterliche Hassliebe verbindet und die beide nicht unbekannt sind für ihren stark ausgeprägten Lokalpatriotismus. In Winti hatten wir alle drei den Grossteil unseres Lebens verbracht, unsere Freunde lebten dort und wir trugen viele gute Erinnerungen von dieser Stadt in unseren Herzen. Aber in Züri studierten wir seit einem Jahr und die Stadt lockte mit neuen Abenteuern. Wir liessen den Zufall entscheiden. Dort wo wir zuerst eine passende Wohnung fänden, würden wir uns niederlassen. Dass wir schliesslich in der Limmatstadt landeten, ging wahrscheinlich zum grössten Teil auf meine Kappe. Als wir die erste, lang ersehnte Zusage für eine Dreizimmerwohnung bekamen, war ich Feuer und Flamme. Beim Anblick meiner tausend Ausrufezeichen auf Facebook mussten einige gedacht haben, ich hätte einen an der Klatsche. Dabei war es bloss Ausdruck meiner überschwänglichen Euphorie. Meine Freundinnen mussten mehr Mut aufwenden, um sich von ihren Wurzeln zu distanzieren. Ich redete ihnen ein, 24

Nachdem meine überzeugenden Überredungskünste also gefruchtet hatten, unterschreiben wir den Vertrag und es fühlte sich an, als hätten wir soeben im Lotto gewonnen. Es kümmerte uns nicht, dass die Wohnung weder im Kreis 3 noch 4 noch 5 noch 6 lag. Wir trösteten uns damit, dass schliesslich nicht jeder ein lässiger Szeni sein konnte, der im Erismannhof wohnt und die Langstrasse sein Wohnzimmer nennt. Nein, unsere WG lag total uncool im Kreis 11. Zwei Tramstationen vom Schwamendingerplatz entfernt. Dort, wo die Strassenbahn unterirdisch fährt und alles so futuristisch gebaut ist, dass man meinen könnte, man wär irgendwo mitten in Berlin. Zumindest hab ich das immer allen so erzählt. Andere hätten wohl gesagt, dass sie nachts Angst haben, alleine durch den Tunnel zu spazieren. Dass da nur Verrückte und Junkies rumlungern. Was natürlich nicht stimmt. Der einzige Penner, den ich regelmässig antraf, kam aus Holland und sprach fliessend Deutsch. Sein schneeweisses Haar war genauso lang wie sein ebenfalls schneeweisser Bart, und manchmal sah man nur noch diese Zotteln um die Ecke flattern. Er bewegte sich schnell und geräuschlos, schielte möglichst unauffällig in die Abfalltonnen und war äusserst gesprächig. Als er mich einmal um 5 Stutz für eine neue Hose bat, drückte ich ihm einen Fünfliber in die Hand und lächelte, wohl wissend, wofür er das Geld ausgeben würde. Zwei Tage später wartete er vor dem Tunneleingang auf mich und streckte mir stolz eine Plastiktüte entgegen. Darin lag, ordentlich zusammenfaltet, eine neu gekaufte Jeans. H&M, schmunzelte er, nur 30CHF. Die ersten Wochen als WG waren eine grosse Herausforderung und ein harter Test für unsere Freundschaft. Ich erinne-


Die erste WG

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re mich an unzählige Ikea-Besuche, bei denen man der Versuchung widerstehen musste, das gesamte Warenhaus in den Einkaufswagen zu packen. Möbel wurden in Bussen und Trams quer durch die Stadt geschleppt. Kompromisse waren erforderlich – nicht zuletzt, da wir alle drei Dickköpfe waren nicht gerne klein beigaben. Es folgte die schmerzliche Erkenntnis, dass das Leben verdammt teuer ist. In den ersten Wochen füllten wir deshalb den Kühlschrank ausschliesslich mit Lebensmittelprodukten von M-Budget und Prix Garantie. Der Spinat schmeckte zwar wie Gras, aber Hauptsache er war billig. Erst als eine meiner Freundinnen ein Ultimatum stellte und damit drohte, wieder auszuziehen, wenn wir nicht anders einkaufen würden, kam auch ich zur Vernunft. Ab sofort wurde auf das Bio-Label geachtet (von den einen mehr als von den anderen) und es galt die gesunde, neumodische Devise lokal-regional-saisonal. Abends schnippelten wir Gemüse und kochten Ragouts, verweilten bis spät am Küchentisch und träumten vom Leben. Oder wir sassen mit einem Glas Rotwein auf unserem knapp drei Quadratmeter grossen Balkon und trotzten den abgasausstossenden Autokolonnen, die vor unserer Nase um die Wette stanken. Und wir waren glücklich dabei. Aber ja, selbstverständlich war auch bei uns nicht immer alles Friede Freude Eierkuchen. Wie in allen WGs kam es gelegentlich zu Reibereien und Streitigkeiten. Einmal zofften wir uns, weil wir uns uneinig waren, wie gross die Kartoffelstücke für die Salzkartoffeln sein sollten. Ein andermal waren es irgendwelche doofen Pullis, die statt 30° ausversehen mit der 40° heissen Wäsche gewaschen wurden. Ja ehrlich. Wenn wir schon keine Mitbewohner hatten, die nachts besoffen auf den Teppich pinkelten, mussten eben andere Streitpunkte her. Zugegeben, auch bei uns wuchsen Pilze im Kühlschrank, im Bad und an den Wänden hinter den Kleiderschränken. Die Abflüsse waren immer wieder verstopft und ich pfiff meine Mitbewohnerin hundertmal an, weil sie ihre Haare nicht aus dem Duschabfluss klaubte. Aber im Grossen und Ganzen gaben wir uns grosse Mühe und zeigten uns proaktiv. Kaum zu glauben, aber nicht einmal ein Putzplan musste erstellt werden. Niemand drückte sich davor, den Staubwedel in die Hand zu nehmen, wir hatten dieselbe Vorstellung von Sauberkeit, das Altpapier wurde stets gebündelt und vor die Tür gestellt, das Altglas gemeinsam wöchentlich entsorgt und mit dem Einkaufen sprachen wir uns ab.

Wir trösteten uns damit, dass schliesslich nicht jeder ein lässiger Szeni sein konnte, der im Erismannhof wohnt und die Langstrasse sein Wohnzimmer nennt. /Nadja Hauser

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Die Jahre vergingen und unsere kleine WG fiel irgendwann auseinander. Wohngemeinschaften sind selten für die Ewigkeit gedacht, aber das ist vielleicht auch besser so. Wir hatten alle drei andere Zukunftspläne und wagten uns zögerlichen Schrittes in die weite Welt hinaus. Die eine verschwand für ein Auslandsemester nach Süditalien, die andere zog mit dem Freund nach Südamerika. Ich blieb vorerst tapfer zurück und war neugierig auf die neuen Mitbewohner. Es kamen glücklicherweise nur gute Leute, mit denen ich bis heute Kontakt pflege, so gut es eben geht. Aber es war nicht mehr dasselbe. Ich musste lernen, dass jede Wohngemeinschaft eine andere, eigene Dynamik entwickelt. Und dass die Vertrautheit unter Mitbewohnern selten so gross ist, dass drei Leute gleichzeitig im Badezimmer duschen, sich schminken und auf der Toilette ihr (kleines) Geschäft verrichten. Meistens haben Menschen, die zusammen in einer WG wohnen, andere Tagesrhythmen, eigene Freunde und verschiedene Vorstellungen des Zusammenlebens. Als die neuen Mitbewohner einzogen, blieben die Zimmertüren plötzlich mehrheitlich geschlossen. Zusammen gegessen wurde nur noch selten und die gemeinsamen Abende, an denen man eng aneinander gekuschelt auf dem Secondhand-Sofa über die Balkonbrüstung schielte, gehörten der Vergangenheit an. Das musste ich lernen zu akzeptieren. Und irgendwann ging ich ebenfalls meine eigenen Wege, übergab mein Zimmer jemand anderem und verliess Zürich schweren Herzens. Ich erinnere mich, wie ich in der letzte Nacht, zwischen Kartonkisten und Möbelstücken eingeklemmt, im Schlafsack auf meiner Matratze lag und an die Decke starrte. Wie schnell die Zeit vergeht, dachte ich noch, bevor ich endlich die Augen schloss. Und dann war ich plötzlich in Genf. In einer WG, in der mir mein Mitbewohner regelmässig die Salami aus dem Kühlschrank klaut. Um sie dann zwei Tage später, vom schlechten Gewissen getrieben, wieder zu ersetzen. In einer WG, in der häufig mehr Leute übernachten als Betten vorhanden sind. Und wir in der Küche immer zu wenig Stühle haben. Aber dazu ein andermal.


Laurin buser

Die beste Methode gegen Schlafstörungen Die WG

Die WG

von Laurin Buser, illustriert von Isabella Furler Wenn ihr meint Dass eure WG die WG sei Dann habt ihr unsere WG noch nicht erlebt Denn nur unsere WG Ist die WG Was hier schon kaputt ging Wie viele Weingläser Herzen und Hirnzellen Kondome und Stühle Und wie oft man es zu flicken versuchte Glaubt ja nicht Eure Geschichten seien besser Denn das sind sie nicht Auch nicht für euch Ihr findet unsere immer etwas krasser Wie oft hier japanische Touri-Ravers klingeln Und fragen, ob hier die WG sei In perfektem Englisch Und wie wir sie dann herum führen Und ihnen zeigen wo sie kotzen können Einmal kam sogar Bob Dylan vorbei Und fragte, ob hier die WG sei In seltsamen Englisch Und ob er ein Konzert spielen könne Wir zeigten ihm, wo er kotzen kann Manchmal trainieren wir so laut Dass die Nachbarin hochkommt Und uns bittet, etwas leiser zu atmen Ich biete ihr dann Haschkekse an Und dann macht jemand von uns mit ihr rum Was hier passiert, bleibt nie hier Die Presse lauert einem ständig auf Aber meistens stehn sie genau da Wo Bob hinkotzen sollte Und schützen sich mit den Notizblöcken Wenn wir das Abflussroh des Lavabos öffnen Weil nichts mehr abläuft Finden wir nicht nur ganze Zahnbürsten Sondern Zähne Von Haters

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Laurin Buser, wohnt in Basel. Normalerweise steht er mit seinen Texten auf der Bühne und im Studio. Er ist Slam Poet, Schau-spieler und Rapper. Wer mehr wissen will geht auf laurinbuser.ch. Für dieperspektive schreibt er in jeder Ausgabe aus seinem Leben. Foto: Janick Zebrowski


LAURIN BUSER

Die beste Methode gegen Schlafstörungen Die WG

Laurin Buser, wohnt in Basel. Normalerweise steht er mit seinen Texten auf der Bühne und im Studio. Er ist Slam Poet, Schau-spieler und Rapper. Wer mehr wissen will geht auf laurinbuser.ch. Für dieperspektive schreibt er in jeder Ausgabe aus seinem Leben. Foto: Janick Zebrowski

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Kreatives Gedichte

/von Marianna Lanz KLAVIER einer schiebt sein klavier in die nacht und kehrt nicht wieder wir fallen durch netze und treiben im meer schaf müsste man sein oder wolf oder hai sind wir aber nicht wir sind vögel die singen und hasen die fliehn DAFÜR SIEHT MAN DEN MOND WIEDER das haus bröckelt die fassaden alles kracht und fällt dafür sieht man den mond wieder der über den trümmern steht gar nicht so fern liegt er und rollt in den teich

geplatzte matratzen weiss noch wie glücklich wir waren damals wir lagen auf geplatzten matratzen und lachten und liessen es krachen assen schmierige schnittchen leerten ein paar flaschen und träumten mondhell und friedlich love peace und so manchmal waren wir so still dass man auch hören konnte was einer schwieg dann lachten wir wieder glucksten und gackerten die eingeweide flatterten und denk ich an diese geplatzten matratzen dann möchte ich es krachen lassen krachen

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Gedichte

NUIT BLANCHE wir laufen durch die nacht die strassen blank die sterne fern denk mit dem knie sagen sie eine hand wäscht die andere du musst halt um die häuser gejagt noch immer aber butter gibt’s in den läden und lametta wir finden ein dach einen baum der die nadeln abstreift im flur hängt dürr und in den nächten die träume

OTTO der alte am tisch den schein vor sich und wie er wieder abzieht im kalten rauch sitzt zuhaus und grämt sich nicht denn es reicht doch und morgen ist wieder lotto sagt otto und lehnt sich zurück die füsse lang die pfeife gestopft die löcher sieht man nicht und es reicht ja schlimmer wärs wenn die flasche leer wär der kopf bald kommt lotte bringt den topf das brot die nadel stopft das loch und morgen ist wieder lotto sagt otto

Marianna Lanz Geboren in der Schweiz. Uebersetzungen, Lyrik, Schauspiel. Lebt nach längeren Aufenthalten in Berlin, Paris und Marseille wieder in Zürich. Veröffentlichung lyrischer Texte in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien, u.a. in Wortwerk, Entwürfe, Muse die Zehnte und auf www. federbar.ch

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PIXELKOLUMNE Polizisten.

Die Rolle der Polizisten in unserer Gesellschaft. Nr.2

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Unsere L辰den Aarberg | BE M端nchwilen | TG Unterentfelden | AG Z端rich


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Pro Ausgabe gibt es ein Schwerpunktthema. Dein Beitrag hat erfahrungsgemäss die grössten Chancen, wenn er dieses Thema in irgendeiner Form behandelt. Es werden Jedoch auch Beiträge über andere Themenabgedruckt. Ausgewählt werden die Beiträge übrigens an der öffentlichen Redaktionssitzung. Dazu bist du herzlich eingeladen. Thema der nächsten Ausgabe: Roboter machen deinen Job. Was tust du?

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