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INTERNATIONALER ROLLOUT – WARUM DAS NICHT „ÜBER NACHT“ PASSIEREN KANN

1. Wachstum durch Internationalisierung Corona hin oder her. Wie auch immer sich die kommenden Wochen und Monate gestalten werden, eine Frage, die sich kleine und große Unternehmen immer wieder stellen ist die der Wachstumsstrategie. Dazu wird gerne die oft zitierte Ansoff-Matrix genutzt, um zu identifizieren, welche Strategie für ein Wachstum die richtige bzw. die realistischste ist.

Oft wird von Unternehmen schnell die Markterweiterung in Betracht gezogen. Bei dieser Strategie geht es darum, mit bestehenden Produkten in einen neuen Markt einzutreten. Dabei sind neue Märkte dann oft andere Länder, in die ein bestehendes Geschäftsmodell ausgerollt oder eingeführt werden soll.

Wir wollen hier die Fälle betrachten, bei denen ein digitales Geschäftsmodell, z.B. ein Online-Vertriebsmodell mit Hilfe eines Online-Shops in andere Märkte und Länder ausgerollt werden soll.

Ansoff-Matrix Bestehend

Neu

Bestehend

Marktdurchdringung

Markterweiterung

Neu

Produkt

Markt

Produktdifferenzierung

Diversifikation

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen die Komplexität dieser Form der Markterweiterung unterschätzen und davon ausgehen, dass sich ein Shop einfach in ein anderes Land „kopieren“ lässt, indem man nur eine weitere Sprache für Produkttexte und redaktionellen Content bereitstellen muss.

Vielmehr ist ein Rollout ein herausforderndes Projekt und sollte gut geplant sein. Als Startpunkt eignet sich die Erarbeitung einer eigenständigen, umsetzungorientierten Rollout-Strategie.

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2.1. Gewichtete Kriterien als Entscheidungsunterstützung Um die strategischen Fragen nach dem Rolloutplan beantworten zu können, sind neben wirtschaftlichen auch technische und organisatorische Aspekte zu betrachten. Ein wesentliches Ziel der Strategie besteht darin, nicht nur technisch fehlerfrei, sondern auch Business-relevant auszurollen. Und Businessrelevant bedeutet auf der einen Seite, Verluste und

Kosten klein zu halten und auf der anderen Seite, Profit und Reichweite so groß zu gestalten, wie möglich.

Dazu bietet es sich an, eine Art Potenzial/Risiko Matrix zu erstellen. Diese Matrix reflektiert dann pro angestrebtem Rollout-Land die Risiken und Potenziale.

Potenzial / Risiko Matrix 600

500

IT IR

400

Risiko

DE

BE

300

SE 200

FR

-100

Cluster B – ähnlicher Katalog, Zahlung, logistische Prozesse

ES

100

0

Cluster A – ähnliche Sprachen, Prozesse und Katalog

UK

DK

NL 0

100

200

300

400

-100

500

...

Nicht geclustert – einzelne Rollouts aufgrund unterschiedlicher Funktionsanforderungen

Potenzial Abbildung 2: Potenzial/Risiko Matrix, A. Käppler, diconium

Die Granularität der Kriterien für Risiken und Potenziale ist sicherlich von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich, sollte jedoch auch bei einem Relaunch unbedingt einmal durchexerziert werden.

höher zu sein als das Potenzial, wohingegen bei FR (Frankreich) das Potenzial größer ist als das Risiko.

Diese Betrachtung kann helfen, die Reihenfolge der einzelnen Länder zu definieren.

Das Beispiel in der Grafik zeigt, wie sich das Ergebnis einer Potenzial/Risiko Betrachtung darstellen kann. Die Länder NL (Niederlande) und ES (Spanien) haben ein geringes Potenzial, jedoch ebenso ein verhältnismäßig geringes Risiko. Anders bei den Ländern IR (Irland) und UK (United Kingdom). Hier sind Potenzial wie auch Risiko hoch.

Bei IT (Italien) scheint das Risiko vergleichsweise

Die farbliche Kennzeichnung aus der Grafik stellt zusätzlich dar, welche einzelnen Länder in einem Cluster, also gemeinsam, ausgerollt werden können. Die Bildung von Clustern bietet sich an, wenn die Länder Gemeinsamkeiten haben, die kombiniert werden können, um entweder Kosten zu sparen oder Geschwindigkeit zu gewinnen (vgl. Kapitel „Potenziale erkennen und heben“).

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2.2. Verluste und Kosten gering halten Die Kosten- und Verlustbetrachtung reflektieren einige Aspekte der Risiko-Seite der Matrix.

Faktoren, die man im Bereich der Verlust- und Kostenbetrachtung analysieren sollte, sind unter anderem:

Einflusses des Mangels bestimmt dann in Zusammenhang mit der Frage der Ressourcenbeschaffung die Stärke des Risikos.

– Das nächste Schaubild zeigt exemplarisch ein ausgefülltes Capability Mapping. Hier sind entlang der Wertschöpfungskette die unterschiedlichen Funktionsbereiche und deren Tätigkeiten abgebildet. Zu jedem Funktionsbereich wurde definiert, ob die Tätigkeiten zentral gesteuert (Headquarter, HQ) oder aus dem lokalen Markt heraus betrieben werden sollen.

Entsprechen der notwendig erachteten Kapazität der jeweiligen Rollen wurde dann geprüft, ob diese Rollen auch ausreichend vorhanden sind und dementsprechend gekennzeichnet. Im Beispiel wäre die Rolle der Übersetzung im Content-Bereich durch einen lokal im Land sitzenden Mitarbeiter zu besetzen, welcher jedoch nicht vorhanden ist. Das Risiko kann man als mittel einstufen, alternativ kann die Tätigkeit ggf. auch durch die Zentrale des Heimatlandes übernommen werden, was zu einem geringen Risiko führen würde, sofern das Heimatland ausreichend Ressourcen hat (nach Re-Klassifizierung der Tätigkeit / Rolle zu „HQ“ würde man erneut das Mapping „Ressourcenbedarf / vorhandene Ressource“ allerdings jetzt auf Headquarter-Ressourcen durchführen, was dann evtl. zum Status „ausreichend vorhanden“ führen kann).

– Stärke des Wettbewerbes im Zielland – Aktueller und/oder geplanter Umsatz. Dieses, wie auch andere Kriterien, können sowohl als Potenzial wie auch als Risiko betrachtet werden.

In der Risikobetrachtung würde man das Scheitern des Rollouts annehmen und dann gewichten, wie schwerwiegend sich der Verlust des Umsatzes auswirkt (im Falle eines Relaunchs).

– Affinität der Kunden für das angedachte Geschäftsmodell – Hat das Land ausreichend Budget, den Rollout technisch zu bestreiten und anschließend zu vermarkten?

– Gibt es ausreichend Ressourcen, das Geschäftsmodell im Zielland zu etablieren und zu betreiben? Hier bietet sich ein sogenanntes „Capability Mapping“ an, in welchem die notwendigen Rollen sowie deren Menge definiert sind. Diese Anforderung an Menge von richtiger Ressource kann dann gegen das Vorhandensein der Ressourcen gelegt werden. So wird ersichtlich, an welchen Stellen ggf. Lücken und zusätzliche Bedarfe sind. Die Bewertung des

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2.4. Finalisierung der Matrix durch Business-individuelle Einschätzung Bei allen genannten Faktoren, die in die Potenzialund Risikobetrachtung einfließen können, ist es notwendig, seine individuellen Faktoren zu finden.

So können sich Gewichtung oder Kriterien von Geschäftsmodell zu Geschäftsmodell unterscheiden, d.h., die hier dargestellten strategischen Fragen sollen als kleiner Anhaltspunkt dienen, die richtige Reihenfolge für weitere Rollouts zu wählen.

Die Matrix zeigt nun die Potenziale und Risiken, doch die Frage nach der Rollout-Strategie ist noch nicht wirklich beantwortet. Die letzte Entscheidung, die es zu treffen gilt, beantwortet die Frage, ob der Rollout in mehrere Länder eher defensiv (risikoorientiert) oder offensiv (potenzialorientiert) erfolgen soll. Die defensive Strategie würde daher die Länder zuerst ausrollen, die ein eher geringen Risiko bergen, auch im Falle eines nicht ganz optimalen Rollout-Verlaufs. Oft gehören zu einem technischen Rollout auch redaktionelle und marketingtechnische Umstellungen. Bei einem defensiven Rollout wird versucht, einerseits die Geschwindigkeit bei der Markterweiterung zu steigern und dabei gleichzeitig die Folgen von etwaigen Fehlern im Rollout-Prozess möglichst klein zu halten.

Diese Reihenfolge und damit die Strategie für mehrere Rollouts ergibt sich jedoch nicht ausschließlich aus der Potenzial/Risiko Matrix, sondern manchmal ist es hilfreich, Länder zu Clustern zusammenzufassen und gemeinsam auszurollen. Das kommt besonders dann in Frage, wenn sich Synergien heben lassen, sprich, wenn sich Länder mit gleichen Eigenschaften bündeln lassen. Diese Gemeinsamkeiten können verschieden sein:

Der offensive Rollout würde zuerst die Länder ausrollen, die hohes Potenzial bergen und dabei das Risiko eher vernachlässigen. Das ist sinnvoll, wenn es sich im Grunde nur um Layout-Anpassungen oder kleinere Umstellungen handelt oder zahlreiche Funktionserweiterungen für Nutzer angeboten werden, die Technologie jedoch überwiegend gleichbleibt.

Dann bestehen zwar immer noch Risiken, diese sind jedoch abgewogen und können unter Umständen zweifelsfrei in Kauf genommen werden.

1) Mehrere Länder haben das gleiche Set an verfügbaren Sprachen (Belgien und Frankreich nutzen Französisch, Österreich und Deutschland nutzen beide Deutsch) 2) Mehrere Länder nutzen die gleichen PaymentMethoden 3) Mehrere Länder nutzen die gleichen Logistikdienste 4) Mehrere Länder nutzen die gleichen BackendSysteme und Schnittstellen 5) Mehrere Länder nutzen die gleichen Übersetzungsbüros 6) Etc.

Die dritte Strategie wäre die Kombination aus defensiv und offensiv. Bei diesem Vorgehen würde man zuerst die Länder ausrollen, die im strategisch defensiven Umfeld angesiedelt sind. Ziel ist es, Erfahrungen zu sammeln, Redakteure zu schulen, Schnittstellen zu erproben und Lastgrenzen zu erkennen. Diese Erkenntnisse fließen dann zurück in das Capability Mapping und können so noch einmal die Potenzial/ Risiko Matrix verändern. Anschließend würde man dann die offensive Richtung einschlagen und die Länder mit den höheren Potenzialen ausrollen, um diese schnellstmöglich auch zu heben.

Durch das Clustern und damit Zusammenschließen kann es gelingen, die Aufwände für einen Rollout massiv zu senken. Wenn diese Überlegungen bereits in die Potenzial-Betrachtung einfließen und gewichtet werden, fließt diese Kennzahl bereits in die Matrik ein, was dadurch eine konsolidierte Ansicht vereinfacht.

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