DETAIL Praxis Farbe

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Farbsysteme – illustrieren, vergleichen, kommunizieren Axel Venn

1 360° Farbenkreis: Der Buntheitsgrad der Farben ist auf der Außenachse (dem Farbenkreis) am Größten. Er bildet die »Äquatorlinie« des Farb­ aufbaus. 2 Die RAL-Farbtonkarte 040: in empfindungs­ mäßigen gleichen Schrittfolgen zeigen die Farbtonkarten aus dem insgesamt 360° umfassenden ­Farbenkreis, Helligkeitswerte, die Buntheit und die Grauwertachse.

Warum wir heute Farbsysteme für eine Vielzahl handwerklicher, kreativer, medien- und marketingspezifischer Berufe für unerlässlich halten, hängt mit der Vernetzung der Aufgabengebiete, der Internationalisierung und der Kom­ plexität von Produkt- und steigendem Wertanspruch zusammen. So muss das Automobilinterieur gleichtonig auf fünf oder sechs Materialtypen abgestimmt sein, oder die Gebäudeausstattung eines Krankenhauses folgt einer ästhetischen, heil- und pflegeorientierten Farbkonzeption. Beide Aufgaben verlangen nach klar beschriebenen und eindeutig kommunizierbaren Definitonen.

beschäftigte sich in seinem Werk Meteorologika mit den Farben und Kontrasten des Lichts: über Naturbeobachtungen der Farben am Tag, vom weißen Mittag bis zum späten Nachmittag und vom Abendrot bis zum Purpurviolett und zur Schwärze der Nacht [1]. Er erkannte ­beispielsweise, dass bunte Stickereien bei hellem Sonnenlicht anders wirkten als in fahlem Öllicht. Farbe ist nicht gleich Farbe, sondern Farbe ist abhängig vom Licht. Rot wirkt vor einem weißen Hintergrund anders als vor einem grünen Hintergrund. Platons (um 427 – 347 v. Chr.) Erklärung der Farben beruhte auf der Vorstellung, dass das Sehen über einen Lichtstrahl, der vom Auge ausging, erfolge [2]. Der Glanz der Flächen war für ihn gleichwertig neben der Farbe selbst. Aristoteles und Platon waren sich bewusst, dass ­hinter den Farben Harmonie und geheimnisvolle Dissonanzen verborgen waren. Der Weg zur naturwissenschaftlichen Erkenntnis war ihnen verwehrt. Farben wurden von Aristoteles als reale Eigenschaften von Materialien und Körpern und nicht als Empfindungen wahrgenommen.

Reflexion

020 010 360 3 50 030 34 040 0

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Helligkeit

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RAL DESIGN System NAVIGATION (CIELab)

Ordnung und Ortung Das von Werner Spillmann herausgegebene Buch Farb-Systeme 1611– 2007 stellt 68 verschiedene Farbordnungs­ konzepte in Form von Farbsystemen und Farbsammlungen vor [4]. Der Wunsch, eine möglichst systematische Ordnung und somit eine Verortung der Farbvielfalt zu entwickeln, kann man als die wesentlichen historischen Hintergründe einer umfassenden Visualisierung bezeichnen. Je nach Nutzenoption war es den System­ erfindern und Farbsammlern wichtig, eine

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95 090 085 08 0 0 00 0 75 0 1 11 07 0 0 12 0 0

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Sinn und Ursprung Die Idee, Farben in einem philosophischen Diskurs zu erklären und in einem Kanon von Regeln und Gesetzmäßigkeiten einzufangen, bestand bereits in der Antike. Im Folgenden wird gezeigt, dass die ­Wissenschaft und die Farb­ philosophie am Anfang der Erkenntnis stehen, denn eine stabile Definition dessen, was der Mensch betrachtet, ist weder objektivierbar noch vergleichbar. Bereits Aristoteles (384 – 322 v. Chr.)

Am Anfang einer exakten – nach heutigen Begriffen wissenschaftlichen – und systematischen Suche nach einer Erkenntnis über die Lichtfarbe steht am ehesten Sir Isaac Newton (1642 –1726). Er erkannte, dass die Farben des Lichts nicht gefärbt sind, sondern in ihnen eine »gewisse Kraft und Fähigkeit liege, die Empfindung dieser oder jener Farbe zu erregen« [3]. Mithilfe seiner Experimente bewies er, dass sich das Licht in Spektralfarben ­zerlegen lässt und wieder zusammen­ geführt weißes Licht ergibt: additive Farbmischung, im Gegensatz hierzu steht die subtraktive Farbmischung.

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Buntheit

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