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Sozial und auf der Suche nach neuen Wegen – der Wiener Wohnungsbau
2015 ¥ 9 Konzept ∂
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Gebäudehöhen/ Height of construction <9m 9–21 m 21–26 m 26–35 m > 35 m
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Gemeinsames Wohnzimmer in der Mono struktur In den neuen Wohngebieten um den 2015 fertiggestellten Hauptbahnhof im Süden der Innenstadt wurde die Weichenstellung für eine nutzungsdurchmischte Stadt völlig versäumt. Es handelt sich hier vielmehr um ein Nebeneinander von Nutzungen. Im 5500 Wohnungen umfassenden Sonnwendviertel (Abb. 7), auf dem Gelände des ehemaligen Frachtenbahnhofs, buhlen Bauträger und Architekten um den Titel für das auffallendste Projekt. Aus den überwiegend monofunktional genutzten Wohnblocks sticht das Projekt »Wohn_Zimmer« hervor, das mit Leichtigkeit dieses Wetteifern für sich entscheiden konnte. Architekten aus drei Generationen entwickelten für einen trapezförmigen Bauplatz ein gemeinsames Siedlungsgefüge (Abb. 8). Die Architekten sorgen in der jeweils eigenen Handschrift für die dreiseitige Fassung der Anlage. Klaus Kada führt in seinen roten Türmen, die wie überdimensionale skulpturale Möbel ein raumbildendes Dreigestirn an der Südseite bilden, vor, was Grundrissflexibilität bedeuten kann. 70 % der Wohnungstrennwände bestehen aus beweglichen Schrankwänden, womit die Wohnbauförderung gleich einen Teil der Möbel mitfinanziert hat. Viele Gemeinschafts einrichtungen und ein gutes Freiraumangebot sollen kompensieren, was kleinere, auch für einkommensschwächere Familien er-
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schwingliche Wohnungen funktional aus schlichter Platznot nicht zu leisten imstande sind. Miteinander vernetzt sollen sie so etwas wie ein riesiges Wohnzimmer bilden. Neben einem Kino, einer Kletterhalle – ebenso dreigeschossig wie der Kinderspielraum mit vertikalem Klettermöbel – gehören auch ein schallgedämpfter Probenraum und ein zentral gelegener großer Gemeinschaftsraum mit Küche zum Angebot des »Wohnzimmers Sonnwendviertel«. Diese Räume werden weitgehend in Selbstorganisation bespielt, während das Schwimmbad im Kellergeschoss einem professionellen Betreiber überantwortet wurde und auch von externen Besuchern genutzt werden kann. Gemeindebau neu Im Wahljahr 2015 kündigte Bürgermeister Michael Häupl die Wiederauferstehung des Gemeindebaus an. 2000 Wohnungen innerhalb von fünf Jahren will die Stadt nun nach zehnjähriger Abstinenz als Wohnungsbauherr selbst errichten, zu deren Finanzierung sich ein »Sondertopf« von 25 Mio. Euro gefunden hat. Da vorerst bloß ein Projekt mit 120 Wohnungen im Süden von Wien konkret in Angriff genommen werden soll und keine großartigen programmatischen Inhalte verlautbart wurden, ist anzunehmen, dass der »Gemeindebau Neu« die Wohnbaulandschaft nicht umkrempeln wird, sondern eher wahltaktische Überlegungen im Vordergrund stehen. Der im »Roten Wien« der Zwischenkriegszeit begründete pauschal gute Ruf des Wiener Wohnungsbaus, der immer noch breiten Bevölkerungsschichten Zugang zu erschwinglichen Wohnungen gewährt, ist dennoch gerechtfertigt. So ist z. B. bei den im Zuge der Wohnbauinitiative entstandenen Wohnungen die Nettomiete auf 6,10 bzw. 4,75 Euro pro Quadratmeter begrenzt, wenn der Mieter sich mit 150 bzw. 500 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche an der Finanzierung beteiligt. Immerhin 60 % der Wiener Bevölkerung leben im gemeindeeigenen Wohnungs bestand oder einem geförderten Wohnbau zu im internationalen Vergleich moderaten Mieten bei guten Qualitätsstandards.
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eues Leitbild Nordbahnhof, 2014; N Entwurf: Studiovlay und Agence Ter PaN Wohnpark Nordbahnhofviertel, 2013; Architekten: Werner Neuwirth mit Sergison Bates architectes und von Ballmoos Krucker Architekten Stadtentwicklungsgebiet Sonnwendviertel Wohnanlage»Wohn_Zimmer«, Sonnwendviertel, 2014; Architekten: Klaus Kada, Riepl Kaufmann Bammer, Studiovlay
uilding heights: new proposals for North Station, B 2014; design: Studiovlay and Agence Ter PaN Housing Park, North Station district, 2013; architects: Werner Neuwirth and Sergison Bates and von Ballmoos Krucker Architects Sonnwend urban development area “Living Room”, Sonnwend development area, 2014; architects: Klaus Kada, Riepl Kaufmann Bammer, Studiovlay
Despite the gradual liberalization of public housing and the termination of domestic con struction in 2004, the city of Vienna has man aged, with the aid of subsidies, to keep its grip on a large part of housing production. Only a few years before the millennium, when various model schemes sparked off discus sions of new topics like the car-free city, housing for women and everyday situations, and when instruments like the council for building sites and competitions for developers were implemented with a view to improving quality, conditions seemed to be opportune for new ideas. Population growth was only moderate or even stagnating, so that predictions for the year 2021 remained modest with an overall popu lation of approximately 1.7 million. This level has long been reached, however. Present es timates are for 1.9 million in 2020, and 2030 should see the 2 million mark exceeded. After years of stagnation, the city is beginning to re cover the self-confidence of a metropolis. At the same time, this dynamic development and the stress it occasions may have an effect on the customary “Gemütlichkeit”. Some 8,000–11,000 new housing units are needed every year, it is calculated. This, to gether with the economic crisis, high land prices and increasing construction costs, means poor conditions for upholding Vienna’s much acclaimed social housing system. Architects and building developers confirm that the qualities achieved so far in publicly supported housing are higher than in freely financed construction, which has largely to do with the developers’ competitions introduced in 1995. This instrument for the identification and formulation of projects is applied to the development of building sites in Vienna – also to land that is not in the ownership of the so cial housing fund when such sites exceed an overall volume of 300 dwelling units eligible for support. For this purpose, developers and architects jointly draw up concepts for building sites that have been appointed for this purpose. The council for sites, an interdisciplinary specialist jury, evaluates submissions according to a four-part model; i.e according to economic