Engagement im Ehrenamt
Der Manager der Wettkämpfe Jan Kruspe ist Organisator im Kletterzentrum und hat eine ungewöhnliche Lebensgeschichte von Klaus Utzni Wenn Jan Kruspe, 46, sich an seine Kindheit erinnert, dann gerät er regelrecht ins Schwärmen: wie er als Elfjähriger mit seiner Familie zum Klettern loszog und beim sogenannten Boofen unter freiem Himmel schlief, wie die Mäuse zwischen den Schlafsäcken raschelten, wie er am Lagerfeuer saß, sich im Fluss wusch. Es war PfadfinderRomantik pur. Bei schönem Wetter war Jan an jedem Wochenende mit seiner Familie unterwegs, um sich an steilen Wänden zu erproben. Doch nicht an Kletterfelsen in Konstein oder in den Allgäuer Bergen. Ihr Kletterparadies war das Elbsandsteingebirge in der damaligen DDR. Der Hausberg von Vater und Sohn war der „Mönch“ bei Rathen nahe Dresden in der Sächsischen Schweiz – ein 40 Meter hoher Felsen mit einer weithin sichtbaren, mannshohen Wetterfahne aus Blech darauf, die einen Mönch darstellt. Die Kletterbegeisterung hat Jan sein ganzes weiteres Leben begleitet – bis hinein in unsere Sektion, in der seine ehrenamtliche Arbeit und sein klettersportliches Können nicht mehr wegzudenken sind. Jan, der in Diedorf wohnt und arbeitet, hat überdies eine ungewöhnliche Lebensgeschichte, die mit der Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands zusammenhängt.
Mitgliedsausweis des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR, Abteilung Bergsteigen. Foto: Jan Kruspe
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Wie einen Augapfel hütet Jan noch heute sein Mitgliedsbuch des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR, Abteilung Bergsteigen. Es ist eine Erinnerung an die Kindheit. Der Ausweis zeigt ihn 1988 als 13-Jährigen in der Sportgemeinschaft BSG Rotation Pirna. Zu diesem Zeitpunkt wartet die Familie Kruspe aus Dresden schon zwei Jahre lang auf die Entscheidung der DDR-Behörden über einen Ausreiseantrag in den Westen. „Mein Vater hatte Probleme mit der Stasi, deshalb
Auf dem Glungezer in den Tuxer Alpen. Foto: K. Ficker
wollten wir weg“, nennt Jan als Grund für den Wunsch der Eltern, die DDR zu verlassen. Ein Jahr später sollte dieser Wunsch in Erfüllung gehen. Ende Oktober 1989 saß Jan mit seinen Eltern in einem Interzonenzug und fuhr in die ersehnte Freiheit. Ironie der Geschichte: Nur zehn Tage später, am 9. November 1989, fiel die Mauer, die Grenzen öffneten sich ohnedies für alle. „Meine Mutter hatte damals geahnt, dass es so kommen würde“,
Jan Kruspe ist begeisterter Kletterer, hier in Nassereith (Tirol) beim Mehrseillängenklettern. Foto: S. Speiser
erinnert sich Jan. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in einer hessischen und zwei weiteren Aufnahmeeinrichtungen fand die Familie Kruspe eine neue Heimat im Unterallgäu. Jan konnte nun die ersehnte Freiheit genießen. Mit 23 ging er für knapp zehn Jahre in den Köln-Aachener-Raum. Was ihm dort jedoch fehlte, waren Felsen zum Klettern. Das änderte sich, als er 2009 in die Region Augsburg zog. Ein Jahr später trat Jan in unsere Sektion ein. Von nun an konnte er seiner Kletterleidenschaft frönen, ob in unserer Kletterhalle oder im Freien in Konstein, in Arco am Gardasee, im Tessin, in den Ammergauern oder im Fränkischen Jura. In der Halle an der Ilsungstraße suchte Jan, der seinen sächsischen Dialekt nicht verbirgt, nach Kletterpartnern – und fand sie auch. Und die Sektion fand in ihm fortan einen äußerst engagierten ehrenamtlichen Mitarbeiter, den man getrost als „Allrounder“ bezeichnen kann. Und das kam so: Der damalige Schriftführer Reinhard Mayer suchte Mitarbeiter für unser Magazin alpenblick. Jan sagte „Ja“ und gestaltet seither das Ausbildungs- und Tourenprogramm in Satz und Layout.
alpenblick 4 | 2021
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