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Die Sektion Friedberg gratuliert Paul Pöller zum 80. Geburtstag

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Aus dem Vorstand

Aus dem Vorstand

Ein Interview mit dem Ehrenvorsitzenden

Das Interview führte Rudi Nägele

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RN: Vor 80 Jahren bist du, Paul, in Memmingen zur Welt gekommen und dort aufgewachsen. Der dort gesprochene Dialekt begleitet dich bis heute. Was hat dich, den bekennenden Allgäuer, nach Friedberg verschlagen?

Paul Pöller beim Empfang für den Trientiner Bergsteigerchor SOSAT 2019 im Wittelsbacher Schloss in Friedberg. Foto: Rudi Nägele

Paul Pöller: Nach dem Abitur in Memmingen wollte ich an der Universität München studieren. Aber es war fraglich, ob sich meine Eltern eine Wohnung für mich in München leisten konnten. Da erklärten sich meine Friedberger Tante Zenzl und ihr Mann Leo bereit, mich aufzunehmen. So bin ich jeden Tag mit Bus und Zug nach München gefahren und wurde von ihnen, meiner Kusine Irma und Onkel Beppo richtig verwöhnt bis zum Ende des Studiums, mit Ausnahme der zwei Trimester an der Universität Edinburgh.

RN: Die Friedberger Sektion des Alpenvereins ist untrennbar mit dem Namen „Pöller“ verbunden. Wie kam es, dass nach deinem Onkel Beppo Pöller mit dir wieder ein Pöller die Vereinsführung übernommen hat?

Paul Pöller: Als Beppo mit zunehmendem Alter das Amt des 1. Vorsitzenden zu belastend wurde, bat er die Vorstandschaft, zu der ich als Jugendleiter gehörte, möglichst bald einen Nachfolger zu suchen. Es war zunächst niemand bereit. Schließlich kündigte Beppo an, dass er bei der nächsten

Als 6-jähriger Bub wanderte Paul schon auf die Gipfel der Nagel uhkette in den Allgäuer Bergen. Foto: Paul Pöller Hauptversammlung seinen Rücktritt bekanntgeben werde. Bei einer Sitzung von Vorstandschaft und Beirat sah es nach längerer Diskussion so aus, dass wir keinen Kandidaten haben würden. Als ich von allen gebeten wurde, mich doch zur Wahl zu stellen, sagte ich zu. Das war am 8. Mai 1987.

RN: War die verwandtschaftliche „Thronfolge“ oder auch eine spezielle Motivation der Grund, gerade im Alpenverein ehrenamtlich tätig zu sein?

Paul Pöller: Meine Tätigkeit als Jugendleiter war mein erstes Ehrenamt im Alpenverein. Der Grund dafür war, dass es in unserem Verein vorher keine Jugendgruppe gab. Ich wusste, dass Beppo viel daran lag, den Nachwuchs zu fördern. Dass ich ihm mit der Übernahme dieses Amts eine Freude machte, war mir klar. In erster Linie ging es mir aber um den Alpenverein, mit dem ich mich schon seit vielen Jahren eng verbunden fühlte. Weil mir die doch verantwortungsvolle Arbeit auch viel Spaß machte, blieb ich vierzehn Jahre lang Jugendleiter und war dann auch noch zwei Jahre lang Jugendreferent.

RN: Gibt es etwas, was dich in deiner Zeit als Vorsitzender besonders bewegt hat?

Paul Pöller: Da könnte ich eine Reihe von wunderbaren Erlebnissen nennen. Doch ich denke an etwas, was mich zutiefst erschüttert hat. Es war ein herrlicher Sommertag, als ich zur Familie von Peter Agerer fahren musste und seiner Frau und den Kindern, die fröhlich zusammen im Zimmer waren, berichten musste, dass Peter am Zinalrothorn tödlich abgestürzt war.

RN: Im Sommer 2019 musste das Berghaus Rinnen aufgegeben werden. Welche Emp ndungen hat dieses Ereignis bei dir ausgelöst?

Paul Pöller: Eine Riesenenttäuschung. Mir war bewusst, dass alle Vereinsmitglieder und viel andere, die das Berghaus als eine Unterkunft in idealer Lage schätzten, diesen Verlust kaum fassen konnten. Ganz persönlich dachte ich an

In der Brenta ist Paul besonders gern. Das Bild zeigt ihn 1974 auf der Cima del Campanile Basso (2.883 m) vor dem Felsrücken im Hintergrund, der Cima Tosa (3.173 m). Foto: Paul Pöller

die vielen schönen Aufenthalte dort, an fröhliche und auch besinnliche Abende, an die Nikolausfeiern und gemeinsame Touren – und auch an die schwierigen Gespräche mit der Besitzerin Paula Rimml, wenn es um die Pachtverlängerung und um Beschwerden ging. Vor allem aber beschäftigte mich der Gedanke, wie schwierig es für die Vorstandschaft sein würde, einen Ersatz zu nden.

RN: Du warst und bist nach der Zeit Beppo Pöllers auf Friedberger Seite der Motor der Freundschaft zu SOSAT. Kannst du uns von deinen ersten Erlebnissen und der Entstehung der Freundschaft mit SOSAT erzählen?

Paul Pöller: Unvergessen ist für mich der erste Abend mit dem SOSAT-Chor 1969 im Gasthaus Linde. Entscheidend war, dass wir einen jungen sympathischen Sänger bei uns zum Übernachten hatten. Nach dem ersten Konzert entstand der Gedanke, mit ihm und dann auch mit anderen Mitgliedern des Chors in Kontakt zu bleiben. Beim ersten Gegenbesuch des Alpenvereins Friedberg 1970 in Trient und in der Brenta war ich an der Teilnahme verhindert. 1974 unternahmen dann Jungmannschaftsleiter Heinz Bauer und ich die erste gemeinsame Tour mit Mitgliedern unserer Jugend und Jungmannschaft zusammen mit Bergsteigern von SOSAT auch in der Brenta. Das war der Beginn von vielen gemeinsamen Unternehmungen mit unseren Freunden. Natürlich trugen in den folgenden Jahren vor allem die Konzerte des Chors in Friedberg zur Festigung der Freundschaft bei.

RN: Warum kann man die Beziehung des Alpenvereins Friedberg zu SOSAT als Freundschaft bezeichnen. Was ist ein besonderes Merkmal dafür?

Paul Pöller: Die Beziehung unserer Sektion zu SOSAT ist etwas ganz Besonderes. Dass sich zwei Sektionen mit unterschiedlichen Sprachen über Ländergrenzen hinweg fünfzig Jahre lang die Treue halten, dass auch einzelne Mitglieder der beiden Vereine engen Kontakt miteinander haben, dass die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit bei Begegnungen kaum zu übertre en sind, das sind nur einige wichtige Merkmale einer echten Freundschaft.

1996 war Paul (links) mit der Jugendgruppe im Naturpark Paneveggio in der Palagruppe. Rechts neben ihm steht Silvio Detassis, damals Ehrenpräsident von SOSAT, der mit Beppo Pöller, dem Onkel von Paul, die Freundschaft zwischen dem Trientiner Bergsteigerchor und der Sektion Friedberg begründet hat. Foto: Paul Pöller

RN: Du sprichst sehr gut italienisch. War die Freundschaft zu SOSAT der Grund?

Paul Pöller: Ich spreche nicht sehr gut italienisch. Aber ich spreche so gut, dass ich mich halbwegs gut unterhalten kann, wenn es nicht um schwierige Sachverhalte geht, und dass mir die Korrespondenz mit italienischen Freunden Vergnügen macht. Ich habe mit einem Schallplattenkurs angefangen, Italienisch zu lernen, nachdem ich mit siebzehn, also 1958, zum ersten Mal in den Dolomiten war und damals feststellen

musste, dass in den Hütten und bei anderen Gelegenheiten erwartet wurde, dass man italienisch spricht. Über viele Jahre habe ich dann nicht viel dazugelernt. Es war dann tatsächlich die Freundschaft zu SOSAT, die der Grund war, mehr zu tun. Ich blieb weitgehend Autodidakt, doch einige Konversationskurse, Italienurlaube und Tre en mit SOSAT haben mir weitergeholfen.

RN: Welche Empfehlungen gibst du einem Vereinsmitglied mit, das sich irgendwann später um diese Freundschaft kümmern soll?

Paul Pöller: Möglichst eißig Italienisch zu lernen und möglichst viel italienisch zu sprechen. Viele Italiener schätzen das sehr, egal ob man Fehler macht oder nicht. Ganz wichtig ist natürlich der persönliche Kontakt zu Mitgliedern von SOSAT. Ich kann gerne helfen, weil ich vor allem per E-Mail mit mehreren Freunden von SOSAT und dem SOSAT-Chor in Verbindung bin.

RN: Von einem Alpenvereinsvorstand ist viel Engagement gefordert. Haben deine Frau Helene und deine beiden Kinder nicht manchmal gemurrt?

Paul Pöller: Dazu eine kleine Anekdote: An dem Abend, bevor ich zu der Ausschusssitzung ging, bei der entschieden werden sollte, oder musste, wer als Beppos Nachfolger kandidiert, sagten meine Kinder, Monika damals 14, Manfred 16: „Wenn du ja sagst, brauchst du gar nicht mehr heimkommen.“ Das war nicht nur spaßig gemeint. Aber sie respektierten meine Entscheidung dann doch. Helene wusste selbstverständlich, dass mich diese Aufgabe viel Zeit und auch Kraft kosten würde. Doch sie unterstützte mich vom ersten Tag an, hielt mir oft den Rücken frei und übernahm sehr oft Aufgaben für den Verein, die ich sonst hätte selber machen müssen oder die ohne sie manchmal nicht machbar gewesen wären. Sie weiß, wie dankbar ich ihr dafür bin.

Ohne das Verständnis seiner Frau Helene wäre es Paul nicht möglich gewesen, in seinem Ehrenamt als Sektionsvorstand so aktiv zu sein. Foto: Sektionsarchiv 2014 trafen sich die Bergsteiger von SOSAT und eine Gruppe der Friedberger Sektion in der Kalkkögelgruppe südlich von Axams in Tirol zu gemeinsamen Wanderungen. Bei Begegnungen wie dieser mit Freunden auf Berghütten fühlt sich Paul besonders wohl. Hier stößt er mit Tony Zanetti (links) auf der Terrasse der Adolf-Pichler-Hütte auf eine gelungene Tour an. Foto: Fred Wanzel

RN: In einem Verein wie dem Alpenverein sind Menschen unterschiedlichster Charaktere und Interessen sowohl unter den Mitgliedern als auch im Vorstand und Beirat. Welche Erfahrungen hast du beim Umgang mit divergierenden Meinungen und schwierigen Menschen gemacht? Hat dir dabei deine Erfahrung als Lehrer genützt?

Paul Pöller: Das ist schwer zu beantworten, weil ich nicht beurteilen kann, ob ich mich als Vereinsvorstand anders verhalten hätte, wenn ich einen anderen Beruf gehabt hätte. Natürlich war ich es als Lehrer gewohnt, dass ich mich mit anderen Meinungen auseinandersetzen musste, vor allem mit Schülern der Oberstufe, die als Erwachsene sehr gut argumentieren können. Aber wenn ich auf die 21 Jahre als Vereinsvorsitzender zurückblicke, kann ich guten Gewissens sagen, dass ich nur wenige ernsthafte Auseinandersetzungen hatte, und wenn, dann ging es meist um nanzielle Probleme, die sich dann lösen ließen. Dass ich in Vorstandschaft und Beirat so viele gute und selbstständige Mitarbeiter hatte, machte es mir möglich, so lange für unseren Verein aktiv zu sein.

RN: Wenn man dir zuhört, merkt man, dass du mit Herz und Seele den Verein geführt und gestaltet hast. Seine tiefe Verwurzelung in der Stadtgesellschaft ist auch dein Verdienst. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Gute.

Paul Pöller: Danke. Ich wünsche dem Alpenverein Friedberg weiterhin viel Erfolg und allen Mitgliedern noch viele schöne und unfallfreie Bergtouren.

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