Realitätsorientierungstraining und Millieutherapie

Projekt Betreuungskonzepte f체r Menschen mit Demenz

Thema: Realit채tsorientierungstraining & Milieutherapie Verfasser: Maria Sabatowski Jasmin Lenck Jochen Seuffert Elvira Keiler Nicole Wohlleben Datum: 25.3.2013 Ort: Hamburg

Realitätsorientierungstraining Das Realitätsorientierungstraining (ROT) ist ein Verhaltenstherapeutischer Ansatz der 1966 von J. c Folsom (Psychiater) und später unter Mitarbeit von Lucille R. Taulbee in den USA entwickelt wurde. Zuerst war es für Kriegsopfer gedacht, wurde dann aber auch für die Arbeit mit verwirrten Menschen aus Pflegeheimen eingeführt. Das ROT soll räumliche, zeitliche, situativ und personenbezogene Orientierung verbessern. Es ist also nicht speziell für dementiell erkrankte Menschen konzipiert sondern allgemein für Menschen mit Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Orientierungsschwierigkeiten in Institutionen unabhängig von den zugrunde liegenden Krankheiten.

Nach Folsom verfolgt das Realitätsorientierungstraining das primäre Ziel: → Gedächtnisleistung zu steigern → Zeitliche, örtliche, personelle Orientierung zu verbessern Ein weiteres Ziel ist es auch vorhandenen Ressourcen der Pflegebedürftigen auszu schöpfen und es ihnen zu ermöglichen Situativ sich zu orientieren, das Erinnerungs vermögen zu erhalten und die Interaktion mit den Pflegenden sowie die Kommunikation und Zuwendung zum Gepflegten zu verbessern. Außerdem soll die Identität der Verwirrten erhalten und ihre Selbstständigkeit, ihr Wohlbefinden und ihre Sozialen Kompetenzen gefördert werden.

Praktische Umsetzung: Das von J. Folsom entwickelte Konzept wird in seiner Ursprünglichen Form nicht mehr angewandt, aber Teilaspekte finden sich in der Milieutherapie wieder. → Z.b. Namensschilder und Photografien an den Türen der Bewohnerrimmer → Kennzeichnung der Nasszellen → Uhren und Kalender anbringen in jeden Zimmer und Aufenthaltsräumen → Anbringung von großen Spiegeln → Jahreszeiten geschmückte Wohnbereiche → Verwendung von Medien: TV, Zeitung etc Diese Sachen sollen die Realität erleichtern.

Milieutherapie: Der Begriff stammt aus der Psychiatrie und Sozialpsychologie, geht auf den Psychiater und Psychoanalytiker Wilfried Bion zurück und bedeutet: Dementiell erkrankte Menschen nicht medikamentös zu behandeln.

Wilfried Ruprecht Bion, geb. 08.09.1897, in Mathura (Indien), gestorben am 08.11.1979 in Oxfort (England) Für ihn war es wichtig, mit den Bewohnern einen struckturierenden Tages – und Wochenablauf zu erhalten.

Es arbeiten immer wieder verschiedene Leute an diesen Betreuungskonzept. Die Milieutherapie ist ein therapeutisches Handeln zur Anpassung der materiellen und sozialen Umwelt an die Krankheitsbedingten Veränderung der Wahrnehmung, Empfinden, Erlebens und Kompetenzen (Verluste und Reserven) der Demenzkranken um diese zu verstehen und anzupassen. Es Stellt ein umfassendes Betreuungskonzept dar, soll eine Verbesserung des gesamten therapeutischen Milieus in Langzeiteinrichtungen (Altenheime, Pflegeheime) erzielt werden. Dabei sollen die psychischen Bedürfnisse der Demenzkranken im Vordergrund Stehen.

Theoretischer Hintergrund: Die Milieutherapie gehört zu den „nicht medikamentösen“ Behandlungsmöglichkeiten einer Alzheimer Therapie. Durch die altersbedingte Veränderungen kann die Umweltkompetenz alter Menschen abnehmen und durch die kognitive Störungen verlieren demente

Menschen die Fähigkeiten zu einer realistischen Beurteilung der Umgebung und zur Anpassung ihres Verhalten an die sozialen Normen und Erwartungen. Umweltkompetenz bedeutet in diesen Zusammenhang eine gelungene Anpassung an Umweltanforderungen, die einen Anforderungsdruck auf die betroffenen Personen ausüben. Die Anpassung an diesen Druck ist von individuellen Ressourcen abhängig. Im optimalen Fall herrscht ein Gleichgewicht zwischen der Anforderung der Umwelt und Umweltkompetenz. Dieses Gleichgewicht stellt eine hohe Lebenszufriedenheit dar. Die adäquate Gestaltung der Umgebung bekommt so eine „Schutzfunktion“, sie soll Quellen der Überforderung abbauen und Sicherheit und Geborgenheit ausstrahlen. Sie hat auch die Aufgaben die Selbstständigkeit zu erhalten und zu fördern und das Selbstwertgefühl zu stärken. Die Milieutherapie soll Demenzkranken ein Menschenwürdiges, der persönlichen Lebensgeschichte angepasste Umwelt ermöglichen.

3 Kernelemente der Milieutherapie: 1.soziale Umgebung: → Sollte Beziehungskonstant sein, also feste Bezugspersonen → Persönliche Beziehung zwischen Betreuten und Betreuenden → Umgang einfühlsam, geduldig, sensibel sein und Biografiewissen ist positiv im Umgang mit Betreuten → Kommunikation und Kommunikationsstil den dementen Menschen angepasst.

(Verbal: deutlich, langsam, einfache Sätze / Nonverbal: Blickkontakt, Berühung, Gesten) → Einbeziehung Angehöriger in Betreuung (Kein Bruch im Beziehungsgefüge entsteht) → Besseres Verständnis für den Betreuten 2.Tagesstruktur: → Optimierung des Milieus → Jeder Tagesablauf gleichstrukturiert → für Sicherheitsgefühl → Vermittelt das Gefühl der Bestätigung, Steigerung des Selbstwertgefühls. Wohlbefinden → Zum strukturierten Tagesablauf gehört auch das regelmäßige treffen von Gruppen (Bedürfnisse nach sozialen Kontakten und Isolierung entgegen gewirkt, Teil der Gruppe fühlen) → Trotz relativ festen Rahmen im Tagesablauf soll Spontanität und Wünsche der dementen Personen im Vordergrund stehen → Teilnahme an Aktivitätsangeboten freigestellt 3.Architektonisch – räumliche Umgebung: → Dementengerechte räumliche Umgebung muss primär die Funktion „ Schutz und Aktivierung“ erfüllen → Bei gelingen positiver Auswirkung auf den dementen Menschenwürdig → Barriere freie Wege → für Bewegungsdrang → Vermeidung von Flurenden (Sackgassen) kann zu Unsicherheit Überforderung und somit unangemessenes Verhalten führen → Positiv wären endlose Flure oder Rundwege

Wie praktikabel ist das Betreuungskonzept für den pflegerischen Alltag – Umsetzungsmöglichkeiten?

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es ist recht einfach dieses Betreuungskonzept in der Praxis anzuwenden Voraussetzung ist Empathievermögen Einteilung in 24-Stunden-ROT und ROT-Gruppe

24-Stunden-ROT

das Pflegepersonal soll stets interaktiv Informationen vermitteln, die eine zeitliche, örtliche und personale Orientierung fördern – alle PK's sollten Namensschilder tragen und stellen sich dem Bewohner regelmäßig mit Namen vor – Der Bewohner wird regelmäßig an aktuelle Termine und Veranstaltungen innerhalb der Einrichtung erinnert.

– Der aktuelle Wochentag und die derzeitige Jahreszeit werden regelmäßig Thematisiert.

– Es werden regelmäßig biografische Daten in das Gespräch mit dem Bewohner integriert – Tagesaktuelle Nachrichten werden an den Bewohner weitergegeben und dieser ggf. um seine Einschätzung gebeten – Alle Mitarbeiter sprechen in einfachen kurzen Sätzen. Der Bewohner kann ggf. aufgefordert werden, einzelne Informationen zu wiederholen oder auf Fragen zu antworten.

– Die räumliche Umgebung wird mit geeigneten Zeichen und Hinweisen versehen.

Dazu zählen große Kalender oder Uhren. Die wichtigsten Anlaufpunkte in den Einrichtungen wie der Therapieraum oder der Speisesaal werden mit klar erkennbaren Piktogrammen kenntlich gemacht.

– Der Tagesablauf des Bewohners wird gleichförmig gestaltet. Sich täglich wiederholende Ereignisse, Rituale und Gewohnheiten vermitteln dem Bewohner ein Gefühl der Sicherheit.

– Die Dekoration der Aufenthaltsräume sollte sich nach der Jahreszeit richten – Selbständiges und orientiertes Verhalten des Bewohners wird gelobt und so positiv verstärkt – Äußerungen oder Handlungsweisen, die auf Desorientierung beruhen, werden behutsam korrigiert, ohne die Gefühle und die Individualität des Bewohners zu verletzen – Fragen des Bewohners werden wahrheitsgemäß beantwortet, sofern der seelische Zustand des Bewohners eine Notlüge nicht zwingend erfordert – Bewohner werden ermutigt, im Fernsehen die Nachrichten zu verfolgen, oder einen Radiosender auswählen, bei dem auch Textbeiträge gesendet werden.

– Es kann auch mit Merkzetteln (wenige) gearbeitet werden, an Stellen die Sinn machen z.B. Merkzettel am Fernseher mit der Aufschrift: Fernseher bitte nicht zu laut stellen.

ROT-Gruppe: –

Die Durchführung ähnelt den regulären Freizeitaktivitäten, wie etwa Bastelstunden, Singstunden usw. Allerdings wird stets auf einen engen Bezug zur Realität geachtet.

Zudem sollten die Einschränkungen bedacht werden, die die dementielle Erkrankung der Teilnehmer mit sich bringt Kriterien für ein erfolgreiches Gruppen-Rot: – Auf einem Flipchart oder an der Tafel werden das aktuelle Datum und das Thema des Treffens gut leserlich geschrieben – Alle Bewohner stellen sich zu Beginn der Stunde gegenseitig vor – Lieder sollten einen Bezug zur Jahreszeit oder anstehenden Festtagen haben – Bei Diskussionen sollte ein aktuelles Thema gewählt werden – Trotz des spielerischen Charakters darf der pädagogische Ansatz nicht aus den Augen verloren werden. Gruppen-ROT ist Freizeitbeschäftigung und Therapie gleichzeitig

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Bewohner sollten gefordert werden, ohne dass Leistungsdruck entsteht Es werden regelmäßig Pausen eingelegt, wenn die Konzentration nachlässt Die Ausgrenzung von mental schwächeren Teilnehmern muss vermieden werden.

Wenn ein Teilnehmer nicht mehr in der Lage ist, das Niveau der übrigen Senioren zu erreichen, sollten die Gruppen neu eingeteilt werden Der Schwierigkeitsgrad steigert sich behutsam aber kontinuierlich innerhalb einer Sitzung von einfachen Übungen (z.B. zählen) zu komplexeren Tätigkeiten (z.B. rechnen) Der Rückweg vom Gruppenraum zum Wohnbereich und Zimmer des Bewohners kann als räumliches Orientierungstraining genutzt werden Die Bezugspflegekraft wird regelmäßig über das Verhalten und das mentale Leistungsvermögen des Bewohners informiert

Ist das Betreuungskonzept sinnvoll?

Das Betreuungskonzept des Realitätsorientierungstraining und Milieutherapie hat seine Vor- und Nachteile. Im Anfangsstadium der Demenz kann das Betreuungskonzept sinnvoll sein, im fortgeschrittenen Stadium kann es zur Überforderung der Menschen mit Demenz kommen, führt zu Negativerlebnissen und verhindert Wohlbefinden, deshalb sollte es nur im frühen Stadium der Demenz als Therapie eingesetzt werden.

Kritik: Das Betreuungskonzept wird insbesondere deswegen kritisiert, weil die starke Strukturierung des Alltags den Pflegenden entmündigt und die umfangreichen Maßnahmen zu einer Überforderung des Betreuten führen kann. Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der kaum umsetzenden strukturellen und konzeptionellen Anpassung an nachlassende Fähigkeiten. Dies kann bei den Betroffenen zu Emotionen wie Wut, Angst und Trauer führen die das Erinnerungsvermögen nachteilig negativ beeinflussen kann.

Unbedachte Anwendung des Betreuungskonzepts kann zu Frustrationserlebnissen, Depression und Ängste führen, darum sollte ein gewisses Vertrauen zu den Pflegebedürftigen aufgebaut werden um dies optimal durchführen zu können.

Welches Menschenbild liegt dem Betreuungskonzept zu Grunde: Aus dem „Demenzkranken“ wird der Mensch mit Demenz. Er stellt keine ausgelöschte sondern eine einzigartige Persönlichkeit mit dem Bedürfnis nach Liebe, Trost und Einbindung, sinnvoller Betätigung und Identität dar. Er verfügt über eine hohe körperliche, emotionale und sinnliche Lebensqualität. (Und entzieht sich als Individuum schematisierten Kategorisierungsversuchen) Wir sehen den uns anvertrauten dementen Bewohner als einen Menschen mit einer eigenen Lebensgeschichte die ihn geprägt hat. Wir wissen um seine Einmaligkeit als Individuum. Wir respektieren den Menschen in seiner Ganzheit und lassen uns auf seine Persönlichkeit und seine Welt ein. Aus diesem Grunde ist es selbstverständlich , den Menschen unterstützend in seiner Selbstbestimmung bis zum Lebensende individuell zu begleiten.

Quellen: www.we-serve-you.de (Betreuungskonzepte) www.realit채ts-orientierungs-training-wiki.de www.rohawi.de