Kommunen
Ein Parlament im Streitmodus Die einen wettern, die anderen schütteln den Kopf: So beschließt Freiburg den Haushalt
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Illustrationen: © freepik
er Freiburger Gemeinderat hat am 27. April den gut zwei Milliarden Euro schweren Doppelhaushalt 2021/2022 beschlossen. Einen mit 245 Millionen Euro Investitionen. Einen auf Pump. Einen, dem sich erstmals überhaupt die CDU-Fraktion und die Freien Wähler verweigerten. Zudem die Fraktionsgemeinschaft FDP/BfF, die AfD und Freiburg Lebenswert. Unabhängige Frauen und die Grüne Alternative enthielten sich. 20 von 48 Volksvertretern im Gremium tragen den Haushalt der Stadtspitze nicht mit. Vor zwei Jahren hatte es zwei Gegenstimmen gegeben. Um den Haushalt überhaupt genehmigungsfähig aufzustellen, kassierte der Gemeinderat ein gutes Dutzend alter Investitionsbeschlüsse wieder ein: etwa das Außenbecken Westbad, die Erweiterung des Berthold-Gymnasiums oder die Sanierung der Max-Weber-Schule. Carolin Jenkner, Fraktionsvorsitzende der CDU (6 Sitze), kritisierte in ihrer Rede, dass Oberbürgermeister Martin Horn und eine Mehrheit im Gremium im Kampf für mehr bezahlbaren Wohnraum der Freiburger Stadtbau (FSB), statt sie für Neubauprojekte finanziell möglichst krisenfest aufzustellen, mit dem FSB-2030-Konzept eigene Einnahmequellen verunmöglicht und sie so „an
den städtischen Tropf“ hänge – ohne dass am Ende auch „nur eine einzige Wohnung mehr gebaut“ werde. Würde man die FSB stattdessen zur Querfinanzierung des sozialen Mietwohnungsbaus weiter mehr als nur 25 Prozent Eigentumswohnungen bauen lassen, würde das unterm Strich genauso viel Wohnraum schaffen, zusätzlich aber Menschen in Eigentum bringen. Zudem beschließe die Mehrheit, „selbst in den bizarrsten Situationen kein einziges städtisches Grundstück mehr zu verkaufen, auch wenn es für die Stadt überhaupt keinen Nutzen hat“. Seit dem Amtsantritt von Horn 2018 haben sich die Schulden im Kernhaushalt von knapp 190 auf geplante 347,5 Millionen Ende 2022 fast verdoppelt: „Das ist fatal. Wir finden uns in diesem Haushalt nicht mehr wieder.“ Das gelingt auch den Freien Wählern (3 Sitze) nicht. „Der von OB Horn und Finanzbürgermeister Stefan Breiter eingebrachte Doppelhaushalt hat unsere seit Jahren bestehenden schlimmsten Befürchtungen noch bei weitem übertroffen“, so Fraktionschef Johannes Gröger. 90 Millionen Neuverschuldung, 60 Millionen zusätzliche Kassenkredite und mehr als 20 Millionen ins Haushaltsjahr 2020 geschobene Ausgaben würden die „nicht anders als dramatisch zu bezeichnende“ finanzielle Situation aufzeigen. Es sei der Milde des Regie-
22 | chilli | business im Breisgau | 05.2021
rungspräsidiums und dem niedrigen Zinsniveau zu verdanken, „dass in dieser Stadt nicht bereits der Insolvenzverwalter das Sagen hat“. Auch Gröger kritisiert, dass die Stadtspitze der FSB „die wirtschaftliche Selbstständigkeit entzieht und auf Jahre an den städtischen Subventionstropf hängt“. Untermalt werde dies mit der Grundeinstellung des OB und einer Mehrheit des Gemeinderates, dass Wohneigentum offenbar nicht wünschenswert sei, trotz ständig steigender Mieten und einer massiven Zunahme der Altersarmut. Was an einer solchen Politik nachhaltig und sozial sein soll, „kann nicht nur unsere Fraktion nicht erkennen“. Welcher fiskalische Sachverstand es rechtfertige, auf den Verkauf von einzelnen städtischen Grundstücken zu verzichten oder anzunehmen, dass das Baugebiet Kleineschholz oder der städtische Anteil im Dietenbach über die sogenannte Erbbaurechtslösung realisierbar ist, bleibe völlig offen: „Wir reden hier über Hunderte von Millionen zusätzlicher Schulden.“ In dieselbe Kerbe schlägt Sascha Fiek, Fraktionsvorsitzender der FDP/BfF (4 Sitze): „Die Mehrheit dieses linken Hauses behandelt den Haushalt weiterhin wie einen Pott Spielgeld am MonopolyTisch.“ Sorgen bereite der Fraktion vor allem der Bausektor: „Wir verheddern uns inzwischen in einem dichten Ge-