chilli - Ausgabe November 2012

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ei der zuweilen durchaus lauten käuflichen Liebe herrscht derzeit das große Stillschweigen in den Amtsstuben: Im Rathaus verweist Stadtsprecherin Edith Lamersdorf auf eine Pressekonferenz zu einer neuen Bordellkonzeption noch im November, bei der Polizei erklärt Sprecher Karl-Heinz Schmid, dass man sich in Absprache mit der Stadtspitze lieber nicht äußern will. Auch die Betreiberin des Studio 79 etwa gibt sich bedeckt, „weil da im Moment was im Gange ist“. Dem Stadtmagazin chilli aber liegen die entscheidenden Drucksachen bereits vor: Demnach will die Stadt eine Sexsteuer erheben, sieben Bordelle legalisieren und geht mittlerweile von einem Bedarf von 120 Liebesdienerinnen im Stadtgebiet aus. Drucksache G-12/229. Unter dieser Chiffre ist federführend bei Baubürgermeister Martin Haag die neue Bordellkonzeption erarbeitet worden. Die Chefetage im Freiburger Rathaus wusste schon lange, dass die derzeit geltende aus dem Jahr 2001 veraltet ist und längst nicht alles regeln kann, was sie soll. Die neue weist nun neben den erlaubten Puffs House of Love in der Wiesentalstraße 15 und dem FKK-Palast an der Tullastraße gleich sieben weitere Bordellstandorte aus. Und sie geht – nach Bedarf auf einem Vergleich mit anderen Städten und Erkenntnissen der Kripo – von einem Bedarf von 120 Prostituierten aus. Nicht nur SPDStadtrat Walter Krögner reagierte überrascht auf die exklusiven chilliInformationen: „Das ist aber das offizielle Anerkenntnis eines Bedarfs, der bisher gerne kleingehalten wurde. Die Stadtverwaltung sieht der Realität ins Auge, muss ins Konzept aber auch noch den Schutz der Prostituierten an ihren Arbeitsplätzen einarbeiten.“ Zudem gäbe es auch in der Moltkestraße eine Einrichtung, die in der Auflistung fehlen würde. Aus der rechtlichen Grauzone heraus kommen sollen die bordellartigen Betriebe Studio Fantasy (Auf der Haid 1), Passion Palace (Wiesentalstraße 1), Erotikstudio Münzer (Bettackerstra-

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Rathaus

Foto: © Felix Holm

FKK-Palast: Zum Blowjob-Contest kamen 200 Männer an die Tullastraße. ße 25), Hexenhäusle (Schildackerweg 30), Noblesse Freiburg (Todtnauer Straße 1), die Villa Haslach (Haslacher Straße 21 a) und das Studio 79 (Robert-Bunsen-Straße 11a), das als Bordell nach dem erzwungenen Umzug aus der Tullastraße bisher baurechtlich nicht zulässig war. Das soll der Gemeinderat am 20. November beschließen. Im Kern will das Rathaus sich mit der Ausweitung der Bordellzone rechtlich in sichere Gefilde schätzt den bringen, denn wie einst bei der Windkraft hätten die Gerichte auch bei der Blowjob-Branche die Möglichkeit, die genehmigenden Behörden für eine – verbotene – „Verhinderungsplanung“ abzustrafen. Die realitätsnahere Ausweisung von nun insgesamt neun Bordellstandorten soll vor allem die Ansiedlung weiterer horizontaler Betriebe an allen anderen Stellen im Stadtgebiet (!) rechtssicher verhindern. Nicht nur Insider mutmaßen, dass die bisher restriktive Haltung im katholischen Freiburg den Wildwuchs der – intransparenteren – Terminwohnungen beflügelt hat. Die Frage nach einem größeren Bedarf für die käufliche Liebe hat der FKKPalast ungefragt schon beantwortet: Seit der Eröffnung vor einem Jahr strömten nach Angaben des Inhabers Berthold Lorenz täglich rund 50 Frei-

200 Huren

er ins Freudenhaus an der Tullastraße – mithin rund 20.000 im Jahr, nur ein Drittel davon kommen aus Freiburg. Allein zum Einjährigen – der Palast hatte zur Feier des Tages einen kostenlosen Blowjob-Contest angeboten – kamen weit über 200 Männer. „Mit dem Palast ist der Bedarf in Freiburg jetzt eigentlich gedeckt“, findet Lorenz. In der Drucksache G-12/229 heißt es: „Zwischenzeitlich gibt es im Stadtgebiet 80 Bordelle, bordellartige Betriebe und Einrichtungen der Wohnungsprostitution.“ 2005 waren den Behörden insgesamt nur 30 bekannt. Die Branche boomt. Mehr als 50 seien nach neuen Ermittlungen der Kripo bordellartige Betriebe. 15 werden als Terminwohnungen geführt, gegen die dann – wie heute auch schon – nicht eingeschritten werden soll, wenn von ihnen kein Ärger ausgeht. Städtebaulich nicht erwünscht, aber mit Bestandsschutz ausgestattet sind Rotlichtbetriebe am Rankackerweg, an der Kronenstraße, am Werderring und südlich des Schwabentors. Sie werden nicht ins neue Bordellkonzept aufgenommen. Schon 15 Betrieben haben die Behörden übrigens in den vergangenen anderthalb Jahren die Nutzung untersagt. Bei der Freiburger Kripo zählt die Branche zum organisierten Verbrechen. Im vergangenen Jahr, ist in der Kriminalitätsstatistik zu lesen, ist November 2012 CHILLI 9


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