REPORTAGE Handel mit Abfall
Schmutziges Geschäft Die guten, die schlechten und die hässlichen Seiten vom Handel mit Müll
Fotos: © Felix Holm
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ast zwei Millionen Kilogramm (1854 Tonnen) Elektroschrott landeten 2012 auf den Recyclinghöfen der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF). Dass bei so einer Masse nicht alles völlig unbrauchbar ist, ist fast logisch. Daher stehen vor diesen Höfen fast täglich Menschen, die hoffen, aus dem, was die Freiburger wegwerfen, noch Geld machen zu können. Menschen, für die zehn Euro einen großen Unterschied im Leben bedeuten. Sie machen vor allem Jagd auf Elektrogeräte. Was genau sie allerdings damit vorhaben, ist nicht endgültig geklärt. Dem ASF-Geschäftsführer Michael Broglin sind diese Müllsammler ein Dorn im Auge. Nichtsdestotrotz macht auch die ASF auf ihrer „Warenbörse“ ein Geschäft mit noch brauchbaren Recyclinggegenständen. Das, was die Freiburger wegschmeißen, landet dann – sowohl auf offiziellen als auch auf inoffiziellen Wegen – teilweise in Frankreich, Marokko, Rumänien oder auch auf Freiburger Parkplätzen.
Stummer Zeuge: Wer in der Nähe von St. Gabriel über die Parkplätze schlendert, macht unschöne Funde.
Montag, kurz vor zwei. Die Freiburger Müllwoche beginnt. Vor dem Recyclinghof St. Gabriel an der Liebigstraße sammelt sich eine bunte Gesellschaft. In einem Kastenwagen mit französischem Kennzeichen kniet eine arabisch aussehende Frau auf einem Gebetsteppich, den Kopf neigt sie in Richtung Kleingartenanlage Hettlinger. Neben dem Auto steht ihr Mann und blickt in Richtung Tor: Um 14 Uhr öffnet die wöchentliche Warenbörse, bei der die ASF noch gut erhaltene Sachen für sehr günstige Preise verkauft. „Quelque chose pour la maison“ suche er – etwas für zu Hause. Auf der anderen Straßenseite stehen Menschen, die manche wohl in die Hartz-IV-Schublade stecken würden: Den meisten sieht man den Migrationshintergrund förmlich hipkarte, an, viele tragen Jogginganzüge „Diese Scheiß-C ckt“: oder Tarnhosen, ein Mann mit da wirst du verrü mmen nur Vokuhila hat ein StacheldrahttatAsylbewerber ko d. too um den Hals. Mit „salem aleischwer an Bargel kum“ werden zwei Neuankömmlinge begrüßt. Dann, um Punkt zwei, kommt ASF-Bereichsleiter HansMichael Ganter und öffnet die Pforte. Alles eilt zum Eingang der Verkaufshalle, wo es, bei schlechten Windverhältnissen, nach Fisch stinkt.
12 CHILLI JUNI 2013
Wie die Sardinen drängen sich die Menschen vor den großen Metalltüren. Als sich die schließlich öffnen, gibt es kein Halten mehr: Die Anwesenden stürmen in die zweistöckige Halle und reißen Dinge aus den Regalen, ohne sie richtig anzusehen. Der Tätowierte greift nach einer Gitarre, der französisch sprechende Mann schleppt jede Menge Möbel zu seinem Kleinwagen – er scheint ein großes Zuhause zu haben. Yalahoui Mustapha aus Freiburg, der heute mit seinen zwei Söhnen hier ist und nach einem Fahrrad sucht, kennt ihn: „Der kommt jede Woche und packt sein Auto voll. Die Sachen steckt er in einen Container und verschifft sie nach Marokko – da zahlen sie noch gutes Geld dafür.“ Von wegen „pour la maison“.
Erwachsene streiten um einen Fernseher Es lässt sich nicht verhindern, dass Menschen mit dem Müll anderer ein Geschäft machen, das weiß auch Ganter, der die „Warenbörse“ verteidigt: „Diese Einrichtung ist immens wertvoll. Alles, was hier angeboten wird, hat noch eine gewisse Qualität. Es kommen auch Studenten hierher.“ In seinen Augen ist das Recycling in Reinform: Alte Sachen, die ein anderer wegwirft, werden wieder verwendet und müssen nicht zerstört werden. 20.000 Euro verdient die ASF jährlich mit der Börse. Allerdings nicht mit Elektroartikeln. „Da ist das Problem die Produkthaftung. Die Geräte sind ja in der Regel kaputt“, erklärt Broglin, „wenn wir das abgeben und es verletzt sich hinterher jemand beim Gebrauch, stünden wir in der Haftung.“ Zudem gebe es bei den Elektrogeräten strenge gesetzliche Vorschriften, die eine professionelle Entsorgung nötig machen würden. Aber genau diese Geräte sind es, die für manche einen Schlüssel zu einer etwas besseren Welt bedeuten. Keine 20 Stunden nach der Warenbörse beginnt am St. Gabriel-Hof die Woche