2,7 D Wir gehen in die Berge um zu schweigen und zeichnen Karten um uns zu verirren

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Woher kommen die Macht und ihre Exzesse? Wegen der Exzesse und Verwüstungen, die von dieser Macht ausgehen, welche in verschiedenen Formen auftritt, und wegen der Blindheit der manchmal tyrannischen Macht lautet die Erklärung, die plötzlich zu Tage tritt, dass man hier das Kennzeichen der – in diesem Fall – menschlichen Natur sieht. Ob es sich nun um die Macht und ihre Exzesse und Extravaganzen handelt, zu denen allein das seinsbewusste Wesen (être conscient d’être) fähig ist, es ist die Natur, die man zu Tage treten sieht, eine Art Bestialität, die trotz des Bewusstseins wieder auftaucht, dessen einziger Fehler darin besteht, dass es sich durch diese immer schlecht beherrschte Natur in den Rücken fallen lässt. Obwohl es doch so einfach wäre, die Entstehung der offensichtlichen Korrelation zwischen „vouloir“ (wollen) – durch das das seinsbewusste Wesen sich singularisiert – und „pouvoir“ (können) zuzulassen, auch wenn die Gefahr besteht, „le pouvouir“ (die Macht) zu sagen, wenn der Infinitiv zu etwas wird, das Formen angenommen hat, die sich beschreiben lassen. Unsere Natur ist die von seinsbewussten Wesen, die dem unterstehen, was man das Gesetz der Sprache nennen kann. Bleibt, was es damit auf sich haben kann,

menschlich zu sein, außerhalb der Wirkungen dieses Gesetzes. Die Vorstellung, wir könnten diese anderen Gesetze, die zur Ordnung der Naturgesetze gehören oder gehören würden, entdecken, liegt mir fern. Was für alle natürlichen Phänomene gilt, gilt noch mehr, wenn sich das seinsbewusste Wesen mit dem beschäftigt, was es selbst zu sein glaubt. Es scheint ihm, in der Lage zu sein, das zu spüren und auszudrücken, was es mit dieser Seinsweise auf sich hat, welche die seine ist. Von da an wird verdunkelt, was es damit auf sich haben kann, menschlich zu sein, da das Bewusstsein, das wir davon haben, ein Wesen zu sein, jeden Zugang zu dem blockiert, was den verbalen Formen entgeht, die dieses subjektivierte Eine jedes Einzelnen, das wir sind, besiegeln, und daher geht es um den Menschen, der wir sein sollen (sich bewusst sein, ein Wesen zu sein), was kaum etwas mit dem zu tun hat, was es bedeuten kann, menschlich zu sein. Das Seinsbewusstsein führt zu einem Bruch, das Dunkel wird zum Spiegel; darin sieht sich der Mensch so, als ob er menschlich wäre, oder fast so. Was nicht heißt, dass er weit davon entfernt ist. Er ist es überhaupt nicht.

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Entweder wir denken, dass das Indivi­ duum, das nichts sagt, schweigt (se tait), oder, da es nicht über den Gebrauch von Redewendungen verfügt, dass es des „se“ (sich) beraubt ist, was es nicht daran hindert zu sein, sondern uns daran hindert es zu denken. Wo sich zeigt, dass, den anderen oder das andere zu denken, eine Macht ist. Es geht also für uns darum diesen Spiegel­ belag wegzukratzen, wenn wir sagen, dass ein Kind, das nichts sagt, anders gesehen werden kann, anstatt zu sagen, dass es schweigt.

Dass die Kratzer, die wir eventuell in den Spiegelbelag des Seinsbewusstseins machen können, unaufhörlich unter dem Einfluss eben dieses Bewusstseins selbst, das sich erneut ausbreitet und sie wieder schließt, verschwinden, ist genau das, was wir unaufhörlich wahrnehmen. Kein Wollen treibt uns an, außer dem, Ähnliches zu sehen, und dieses Zeichengeben-wollen, das uns überkommt, oder das Verstehen-wollen. Also zu verstehen, obwohl es darum gehen müsste, den Abstand zu respektieren und somit zu fremden. Fernand Deligny: Eine einzigartige Ethnie


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