Der Ruf der Wildnis Welche Forderungen der Bund Naturschutz mit der Heimkehr des Luchses verbindet
D
er Luchs ist eine der seltensten Tierarten Bayerns. Die wenigen Paare in Ost- und Nordbayern lassen sich fast noch an einer Hand abzählen. Dennoch geht es heute nicht mehr um ein Ja oder Nein zum Luchs in Bayern – diese Frage hat der Luchs selbst bereits beantwortet. Nein, es geht um den Umgang und um das Leben mit dem Luchs. Die vereinzelten, heiseren Ranzrufe der Luchse sind ein Ruf der Wildnis, auf den Jagd und Naturschutz in Bayern reagieren müssen – und zwar gemeinsam.
Mehr Infos Zu dem gemeinsamen Luchsseminar von BNBildungswerk, LBV und BJV ist ein umfassender Tagungsband erschienen. Erhältlich bei der BN-Service GmbH, Spitalstr. 21, 91207 Lauf, Tel. 0 91 239 99 57-0, Fax 9 99 57 -99, E-Mail: info@ service.bundnaturschutz.de
Das Symposium von Bayerischem Jagdverband (BJV), Landesbund für Vogelschutz (LBV) und Bund Naturschutz (BN) mit fast 200 Teilnehmern im November 1997 in Deggendorf war dazu ein erster Schritt und ein ermutigendes Signal. Der Luchs braucht die rückhaltlose Akzeptanz der Jägerschaft. Um so wichtiger war das klare Bekenntnis des Präsidenten des Jagdverbandes, Jürgen Vocke, daß der BJV den Luchs akzeptiert und begrüßt. »Die bayerischen Jäger stehen einer natürlichen Zuwanderung des Luchses positiv gegenüber«, erklärte Vocke. Er sei davon überzeugt, dass »die Rückkehr des Luchses zur Bereicherung der Artenvielfalt in unseren Landen beitragen wird«. Übereinstimmung besteht auch darüber, dass eine aktive Wiedereinbürgerung des Luchses derzeit nicht nötig ist. Illegale Aussetzung wird ebenso abgelehnt wie der illegale Abschuss. Der Einfluß der Waldkatze auf Schalenwildbestände ist viel niedriger als oft geglaubt, daher brauchen weder die Jäger Befürchtungen noch die Förster (oder Naturschützer) unrealistische Hoffnungen zu haben. Viele Jäger sind begeistert über die Wiederkehr des Luchses, des neuen Jagdkollegen, auch als Bereicherung des Naturerlebens im Revier. Allerdings gibt es immer noch tiefsitzende Ängste an der Basis des BJV und
10
Foto: Save/Kuchling
Naturerleben wird reicher
Gerüchte über illegale Abschüsse. Der BN lehnt Positionen des BJV ab, dass »bei gesicherter Bestandsentwicklung des Luchses eine mögliche Populationsnutzung kein Tabuthema« sein soll oder dass allein das Vorhandensein eines Luchses zur pauschalen Verringerung des für die Waldverjüngung unverzichtbaren Rehwildabschusses führen soll.
Ein Naturerbe mit Zukunft Der Luchs in Bayern hat als Symbol der Wildnis und als europäisches Naturerbe nur Zukunft, wenn folgende Forderungen des BN erfüllt werden: Eine Informationskampagne muss »Urängste« gerade im ländlichen Raum und bei Grundbesitzern abbauen. Umwelt- und Landwirtschaftsministerium sollen dafür Mittel bereitstellen, insbesondere
Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Naturschutz 2001«
auch für fachkundige Beratung durch Luchs-Spezialisten vor Ort. Der Luchs braucht Akzeptanz und noch viel Überzeugungsarbeit an der Basis der Jägerschaft. Regionale Arbeitsgemeinschaften von Naturschützern und Jägern wie im Bayerischen Wald und Fichtelgebirge sind zu unterstützen und auszubauen. Dringend erforderlich sind wildbiologische Freilanduntersuchungen und ein landesweites Monitoring der oft unklaren Bestandsentwicklung und der nur bruchstückhaft bekannten Ausbreitungsvorgänge. Forschungen wie in der Schweiz oder in Tschechien müssen durch Einsatz vorhandener Mittel der Jagdabgabe und des Naturschutzfonds auch in Bayern selbstverständlich werden. BJV, LBV und BN sowie die Teilnehmer der Tagung in Deggendorf haben über 10 000 Mark bereitgestellt für einen Luchsfonds, der mögliche – und bislang sehr seltene – Schäden an Nutztieren und Gatterwild ausgleicht. Ein Schadensfall, der rasch reguliert wird, ist gut für den Luchs, ein verzögert ausgeglichener Fall ist schädlich und ein gar nicht erfolgter Schadensausgleich ist tödlich für den Luchs! Dieser Beitrag zur Akzeptanzerhöhung und Problemlösung vor Ort muss durch öffentliche Mittel unterstützt werden. Großflächige, möglichst unzerschnittene Waldgebiete und das »Grüne Band« von Biotopen entlang der Landesgrenze zu Tschechien sowie entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze müssen als Lebensraum und grenzüberschreitende Wanderkorridore auch für den Luchs erhalten werden. Der Erhalt ost- und nordbayerischer Wälder braucht Vorrang vor der Zerschneidung durch hemmungslosen Straßenbau (z.B. die geplante B 12, A 6 oder B 303)! Gerade von den Fachministerien und Umweltpolitikern ist mehr gefordert als nur ein verbales Bekenntnis zum Luchs, das letztlich unverbindlich bleibt. Der Freistaat kann nicht aus der Pflicht entlassen werden, wenn es darum geht, dem kleinen Bruder des bayerischen Löwens wieder eine Heimat zu geben! Hubert Weinzierl, BN-Vorsitzender und Dr. Kai Frobel, BN-Referent für Arten- und Biotopschutz