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BUND stellt Fünf-Punkte-Programm vor
Bürgerrechte 21
Die Menschen wollen sich die Missachtung ihres Willens bei Großprojekten nicht mehr gefallen lassen. Siehe Stuttgart 21. Der BUND fordert jetzt, das Mitspracherecht der Bürger zu stärken.
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er BUND und der Bund Naturschutz in Bayern beklagen schon seit Jahrzehnten die Ohnmacht von Bürgern in Planungsverfahren bei staatlichen und privaten Großvorhaben. Zeugnis dafür in Bayern sind beispielsweise der wirtschaftlich sinnlose Bau des RheinDas Fünf-PunkteMain-Donau-Kanals oder jüngst das sture Beharren Programm auf den Weiterbau der A94 durch das Isental, eines der Die kompletten schönsten Wiesentäler Oberbayerns. Trotz einzelner Thesen, die derzeit großer Erfolge der Umweltbewegung und des BN, wie im BUND diskutiert etwa der Verhinderung der WWA in Wackersdorf, wuchs und weiter überarder Unmut vieler Bürger gegen das staatliche Durchbeitet werden, finden Sie unter www. drücken problematischer Planungen von Jahr zu Jahr. bund.net/ueber_ Diese Wut der Bürger ist absolut verständlich: Wer uns/arbeitskreise/ schon einmal den Erörterungstermin in einem Großrecht. verfahren erlebt hat, weiß nur zu gut, dass es im Wesentlichen nur um die Herbeiführung und rechtliche Absicherung einer Genehmigung geht. Außerdem gibt es in diesen Verfahren keine »Waffengleichheit«: die Bürger können finanziell nicht mithalten, sie haben häufig keinen Zugriff auf gleichwertige Gutachter und werden rechtlich bei der Überprüfung der Entscheidung gegenüber dem Vorhabensträger durch eine Kaskade von Vorschriften benachteiligt. Viele verantwortliche Politiker ignorierten diese Situation beziehungsweise verschlechterten kurzsichtig die Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten in Großverfahren so lange, bis sich diese fortgesetzte Missachtung des Bürgerwillens in den Protesten um Stuttgart 21 entlud. Dieser Aufschrei kam mitten aus der Bürgerschaft und führte im Nachdenken über die AKW-Katastrophe in Fukushima zu einem Regierungs- und Politikwechsel in Baden-Württemberg. Spätestens seit diesen Vorfällen ist die Politik alarmiert und bereit, über Der Autor erste Änderungen bei der Beteiligung von Bürgern Peter Rottner ist Landesgeschäftsnachzudenken und in einen Dialog einzutreten. führer des Bundes Der BUND fordert bereits seit Ende der 1980er-Jahre Naturschutz in aktiv eine Stärkung der Bürgerrechte und setzte sich Bayern. Der Jurist beispielsweise gegen die Deregulierung des Umweltleitet seit 1999 den rechts ebenso ein wie für ein Verbandsklagerecht. In Arbeitskreis Recht des Bundesverban- dieser Tradition hat der BUND nun ein Fünf-PunkteProgramm zum Ausbau und zur Effektivierung der des BUND.
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Natur + Umwelt BN-Magazin [4-11]
Bürger besser vorher fragen Die Proteste gegen Stuttgart 21 kamen aus der »Mitte der Gesellschaft«. Das macht Politiker nachdenklich und eröffnet Chancen auf eine künftig fairere Bürgerbeteiligung bei Großprojekten.
Bürgerbeteiligung erarbeitet. Es enthält zusammengefasst folgende Forderungen:
1. Projekt-Vorprüfung
Bei Großvorhaben werden in einem vorgeschalteten Raumordnungsverfahren die Rechtfertigung des Projektes, mögliche Projektalternativen und die Eignung des Standorts verbindlich geprüft. Die Entscheidung hierüber kann im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage durch die Bürger gerichtlich überprüft werden. Diese Entscheidung ist für das nachfolgende Genehmigungsverfahren verbindlich. Dies hat den Vorteil, dass durch die frühere Entscheidung über das »Ob« eines Projektes die Verfahren ergebnisoffener werden.
2. Faire Regeln für Bürgerbeteiligung
Vielfältige Behinderungen der Bürger im Genehmigungsverfahren – zum Beispiel kurze Fristen oder die Präklusion (Ausschluss) von Einwendungen, die unzureichende Information der Bürger – sollen beseitigt werden.
3. Ombudsleute
Die Bürger können sich bei Missständen im Planungsverfahren an Ombudsleute als »Bürgeranwälte« wenden. Diese können in die Verfahrensgestaltung eingreifen.
4. Verbesserung der Rechtskontrolle
Durch eine Kaskade von Rechtsvorschriften wird die gerichtliche Überprüfung von Rechtsvorschriften erschwert. Diese Vorschriften sollen überarbeitet werden.
5. Volks- und Bürgerbegehren
Dieses Instrument der direkten Demokratie hat sich bewährt und hilft, nicht akzeptierte Politikentscheidungen durch den Volkswillen zu überprüfen. Es soll auf allen Politikebenen eingeführt werden. Peter Rottner