Natur+Umwelt 3-2017

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Porträt

geladen und sei damit den Weg von Rufach nach Sulz gegangen. Auf diese Wanderung habe er zwölf Männer mitgenommen; sie alle seien schwach und krank zu­ rückgeblieben, da er ihnen mit Hilfe der Eberwurz die Kraft entzogen und auf sich gelenkt hatte.

Wenn sich der Sommer neigt, erscheinen auf sonnigen und trockenen Wiesen die großen Blütenköpfe der Silberdistel (Carlina acaulis): Weißsilbrig glänzende, innere Hüllblätter umgeben die gelblich oder rötlich gefärbten kleinen Röhrenblüten. Ihre Zugehörigkeit zu den »Disteln« macht die Pflanze mit stacheligen Blattzipfeln deutlich.

Foto: privat

V

Die Autorin Dr. Gertrud Scherf hat mehrere ­P flanzenbücher verfasst.

erbreitungsschwerpunkte der Silberdistel liegen in kalkreichen Mittelgebirgen und in den Alpen, wo sie bis in Höhen von über 2000 Metern vorkommt. Sie fehlt im Tiefland und auf Sandböden. Die Unterart subsp. acaulis mit flach auf dem Boden ausgebreiteten Rosettenblättern und meist kurzem Stängel ist im öst­ lichen Bayerischen Wald und in den östlichen bayeri­ schen Alpen sowie deren Vorland verbreitet, die Unter­ art subsp. caulescens mit meist gestrecktem, locker ­beblättertem Stängel im übrigen Deutschland. Die volksmedizinische Verwendung der getrockne­ ten Wurzeln gegen Verdauungsbeschwerden und Er­ kältungskrankheiten ist, auch wegen möglicher Neben­ wirkungen, nicht mehr gebräuchlich. Der gekochte oder rohe Blütenboden wurde gegessen. Die Silberdistel heißt auch Große oder Stängellose Eberwurz. Nach dem Ethnobotaniker Heinrich Marzell (1885 – 1970) leitet sich der Name möglicherweise von der früheren Verwendung gegen Schweinekrankheiten ab. Wetterdistel wird die Pflanze genannt, weil die in feuchter Luft sich schützend über den Blüten zusam­ menschließenden Hüllblätter Regen ankündigen. Nach altem Volksglauben kann die Eberwurz die Kraft von anderen Menschen abziehen. Der Arzt und Alchemist Paracelsus (1493 – 1541) berichtet über eine Beobachtung im Elsass: Ein Mann, der Eberwurz bei sich trug, habe sich ein drei Zentner schweres Weinfass auf­

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Natur + Umwelt BN-Magazin [3-17]

Wahrzeichen der Rhön Die nach der Bundesartenschutzverordnung beson­ ders geschützte Silberdistel ist ein Trockenheits-, Ma­ gerkeits- und Basenzeiger und eine Pflanze der exten­ siv beweideten Mager- und Halbtrockenrasen. Die Roten Listen zeigen die Silberdistel in Bayern als »po­ tentiell gefährdet«, in einigen anderen Bundesländern in den Kategorien »gefährdet« bis »vom Aussterben ­bedroht«. Da die Silberdistel wegen der stacheligen Blätter vom Weidevieh gemieden wird, gruben früher Landwirte die tiefreichende Pfahlwurzel aus. Für den Rückgang dürften heute andere Faktoren ausschlagge­ bend sein, insbesondere Stickstoffeintrag aus Luft und Niederschlag sowie den Bodenbewuchs schädigende Wintersportaktivitäten. Der BUND Naturschutz weist auf die Bedeutung von trockenen Magerstandorten für die Artenvielfalt hin und beteiligt sich an Pflegemaßnahmen. Das Rhön­ schaf-Projekt von BN und BUND, das seit 1985 wesent­ lich zum Erhalt dieser gefährdeten Nutztierrasse bei­ trägt, nützt auch der vielfach »Wahrzeichen der Rhön« genannten Silberdistel. Sie und viele andere, zum Teil gefährdete Pflanzen gedeihen durch die extensive Schafbeweidung der mageren Flächen.

Buchtipp: Zauberpflanzen Hexenkräuter

Von Alraune und Königskerze bis ­Eisenhut und Tollkirsche: In diesem Buch stellt unsere Autorin Gertrud Scherf die Geheimnisse magischer Pflanzen vor – eine spannende Symbiose aus alten Überlieferungen und modernem Pflanzenwissen. Zu jeder Pflanze gibt es einen botanischen Steckbrief, ­Mythos, Magie, Geschichte, Brauchtum, Nutzung und Heilwirkung. BLV-Verlag, ISBN-Nr. 978-3-8354-1240-8, 24,99 Euro, ­erhältlich im Buchhandel oder im Internet

Zeichnung: Claus Caspari; aus »Der BLV Pflanzenführer für unterwegs«, BLV Buchverlag

Silberdistel


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