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Eine App für die Baumartenwahl im Klimawandel
Welche Baumart eignet sich in Zukunft auf einem Standort, wenn sich das Klima verändert? Diese Frage hilft die Tree App zu beantworten. Sie bringt Baumartenempfehlungen aufs Handy.
Dr. P. Brang
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Die «optimale» Baumart gedeiht im heutigen Klima, erträgt aber auch mehr Wärme und Sommertrockenheit, was zukünftig zu erwarten ist. Dagegen wird eine Baumart, die klimatisch immer weniger passt, zunehmend ungeeignet. Doch welche Baumart passt wo? Welche könnte dazukommen, zum Beispiel in einem Lärchen-Arvenwald mit Erika bei La Punt im Engadin (Abb. 1)? Und wie kann man dabei die besonderen Standorteigenschaften berücksichtigen, zum Beispiel den Boden und die Exposition? Das ist möglich, wenn man den heutigen «Standorttyp» (Waldgesellschaft) als Grundlage nimmt. Die etwa 300 im Schweizer Wald beschriebenen Standorttypen dienen der Charakterisierung der Waldstandorte und sind mit Baumartenempfehlungen verknüpft. Die Tree App baut auf diesen Standorttypen auf.
Abb. 1: Lärchen-Arvenwald mit Erika (Standorttyp 59E) in der obersubalpinen Stufe bei La Punt.
(Bild: Ralf Fluor)

Abb. 2: Screenshots der App auf dem Handy, Fallbeispiel eines Lärchen-Arvenwalds mit Erika (Standorttyp 59E) in der obersubalpinen Stufe bei La Punt.
Klimaannahmen
Der App sind ein «mässiger» und ein «starker» Klimawandel unterlegt. Beim mässigen (starken) Klimawandel nimmt die mittlere Temperatur von April bis September bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um 3,1 °Celsius (4,3 °Celsius) zu und die Niederschlagssumme um 2 % (19 %) ab (Allgaier Leuch et al. 2017, WSL-Merkblatt). Die Klimaentwicklung ist unsicher und daher ist keine der beiden Klimaannahmen «richtig». Das Klima dürfte sich kaum weniger stark ändern als beim mässigen Klimawandel angenommen. Die tatsächliche Änderung dürfte eher zwischen dem mässigen und dem starken Klimawandel liegen oder gar über dem starken.
Wie finde und starte ich die Tree App?
Die Tree App ist eine Webapp. Man lädt sie nicht als App herunter, sondern öffnet auf einem internetfähigen Gerät (Handy, Tablet, PC) in einem Browser (z. B. Chrome, Edge, Firefox, Safari) die Webseite www.tree-app.ch. Achtung: Falls Sie die App schon verwendet haben, wird evtl. eine alte Version geladen. Falls als aktuelle Version (siehe unter «Infos» «Über die Anwendung») nicht mindestens 2.0.4 angezeigt wird, müssen Sie den Cache manuell leeren.
Grundidee und Methode
Die Tree App beruht auf Analogien. Sie übersetzt die Änderung von Temperatur und Niederschlag in eine Änderung der Höhenstufe. Grundsätzlich
wechseln die Waldstandorte im Laufe der nächsten Jahrzehnte in wärmere Höhenstufen; ein subalpiner Fichtenwald kann zum Beispiel zu einem hochmontanen Fichten-Tannenwald werden (Frehner et al. 2018).
Bedienung der App: wichtigste Funktionen
Auf dem Hauptschirm (Abb. 2) kann man wechseln zwischen der Kartenansicht (1), der Standortbestimmung (2), der Ausgabe von Baumartenempfehlungen (3) und Informationen zur App (4). Nach der Wahl des Orts (5) auf der Karte (Doppelklick, auf dem Handy auch Symbol für die Verwendung des GPS anklickbar), für den eine Empfehlung gewünscht ist, muss man den heutigen Standorttyp angeben. Dies ist im Modus «Standortbestimmung» (2) möglich, indem man Informationen zu verschiedenen Kriterien eingibt (6, Abb. 2). Damit lassen sich die möglichen Standorttypen eingrenzen. Die Eigenschaften der verbleibenden Standorttypen kann man sich, indem man sie im Ökogramm anklickt (7), anzeigen lassen, um eine Wahl zu treffen. Unterhalb des Ökogramms sind weitere Standorttypen aufgelistet, die im Ökogramm nicht darstellbar sind. Der Standorttyp kann auch direkt im «Empfehlungsmodus» (3) angegeben werden, indem man ihn in der Aufklappliste (8) anklickt. Die App liefert vier Baumartenempfehlungen (Abb. 2): eine für den gewählten Standorttyp im heutigen Klima (Nr. 9) und je eine für mässigen (Nr. 10) und starken Klimawandel sowie eine Zusammenfassung (Nr. 11). Im hier gezeigten Beispiel bei La Punt im Engadin ist die Empfehlung für mässigen und starken Klimawandel dieselbe (10). In der Zusammenfassung (Nr. 11) zeigt die App vier Kategorien von Baumarten an: «Empfohlene» Baumarten gedeihen im heutigen Klima und bei beiden zukünftigen Klimaannahmen, bei denen sie zumindest wichtige beigemischte Naturwaldbaumarten sind. ✓ «Bedingt empfohlene» Arten gedeihen zwar heute, aber bei einer zukünftigen Klimaannah-
me nicht mehr, oder sie fallen bei beiden Klimazukünften nur in die Kategorie «weitere» Baumart. «Gefährdete» Arten sind nur heute empfohlen.
In Zukunft sind sie höchstens bei einer Klimaannahme «weitere» Baumart.
Als Spezialfall wird der invasive Götterbaum erwähnt. Die App liefert Baumartenempfehlungen, ist aber kein Rezeptbuch und es gibt keine Erfolgsgarantie. Sie ersetzt den Sachverstand der Bewirtschaftenden nicht. Und eine App ist auch nie fertig. Zum Beispiel wird angestrebt, dass der Standorttyp direkt aus bestehenden Standortkarten ausgelesen wird. Vor Anpassungen soll aber zuerst Erfahrung mit der jetzigen Version gesammelt werden. Ihr Feedback ist erwünscht (E-Mail an info@tree-app.ch)!
Wer hat die App entwickelt?
Die Grundlagenarbeiten zur Tree App leistete ein Team rund um Monika Frehner (Sargans) und Barbara Huber (Abenis AG, Chur) im Projekt «Adaptierte Ökogramme». Die App entwickelte die Firma geOps AG (Olten) im Rahmen eines WSL-Projekts, das vom Bafu finanziert wurde.
Dr. Peter Brang ist Senior Scientist an der Eidg. Forschungsanstalt WSL und war Leiter des inzwischen abgeschlossenen Forschungsprogramms Wald und Klimawandel.
Literaturverzeichnis auf www.buenderwald.ch