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Editorial
Wenn ich an Standortkunde denke, kommen mir zwei Hauptsachen in den Sinn: Zeigerpflanzen und selbstverständlich Klimawandel. Ich habe mich oft gefragt, ob ich die Einzige bin, welche eine Hassliebe gegenüber Zeigerpflanzen hat. Wir haben diese im Studium beherrscht und man freut sich extrem, wenn man die eine oder andere im Wald erkennt. Aber nach Jahren passiert es immer öfter, dass ich mich im Wald befinde und mich frustriert fühle, weil ich mich nicht mehr an den Namen einer Zeigerpflanze erinnern kann. Die Kolleginnen und Kollegen, welche vertiefte botanische Kenntnisse haben, werden immer mit Bewunderung und Respekt beachtet. Zum Glück bieten die Forschung und die neuen Technologien auch in diesem schwierigen Bereich wertvolle Instrumente, welche die Standortbestimmung und die waldbaulichen Entscheidungen erleichtern. In wenigen Schritten kann mein Smartphone meine Position errechnen, durch Bilderkennung Zeigerpflanzen bestimmen und mir mögliche passende Waldgesellschaften für heute und in 80 Jahren empfehlen. Superlativ, aber trotzdem wollen wir immer mehr. Wir wollen Sicherheiten sowie vorgefertigte Rezepte und glauben unseren Instrumenten bald mehr als unseren Augen. Die Forschung hat während der letzten zehn Jahre wertvolles Wissen über Standortkunde und Klimawandel generiert, und sie wird auch nicht aufhören. Die Untersuchungen gehen immer weiter und werden auch immer konkreter und relevanter für die Praxis. Es ist also Zeit, in der Praxis die ersten Ergebnisse zu nutzen und ihren Teil dazu beizutragen. Die Umsetzung von neuem Wissen braucht Zeit und Ressourcen. Wir müssen den Forschern vertrauen, aber gleichzeitig müssen wir uns mit der Thematik auseinandersetzen. Wir können heutzutage fast alles modellieren, aber um die Ergebnisse richtig interpretieren und nutzen zu können, müssen wir die Modellierung selbst verstehen und als Modellierung betrachten. Welche per Definition eine Vereinfachung der Realität darstellt. Sicher ist, dass wir nicht mehr warten können, die perfekt vorgefertigten Rezepte gibt es nicht, aber man kann trotzdem das vorhandene Wissen umsetzen. Jede Erfahrung und jeder Versuch zählt. Nicht nur die hochwertigen und wissenschaftlich perfekten Versuchsflächen der WSL werden in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen, sondern auch alle kleinen Versuche, welche täglich von Förstern/-innen und Forstingenieuren/-innen im Feld durchgeführt werden, können wertvoll sein. Es freut mich zu sehen, dass immer mehr Förster/innen und Forstingenieure/-innen proaktiv sind: Man pflanzt auch andere Baumarten und versucht dabei, die Risiken zu verteilen. Aber wir sind alle mit vielen anderen Arbeiten überlastet, welche durchgeführt werden müssen. Ergebnis: Es werden wertvolle Versuche gemacht, aber nicht dokumentiert. Es ist nicht einfach, sich Zeit zu nehmen für etwas, das niemand offiziell verlangt. Eine kleine Dokumentation kann aber in 10 bis 20 Jahren konkrete Analysen erlauben und die geleistete Arbeit wird noch mehr wertgeschätzt.
Redakteurin Viola Sala
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Liebe Leserinnen und Leser Die Redaktion und Herausgeber des «Bündner Walds» wünschen euch
schöne Weihnachten und einen guten Start ins 2021. (Bild: R. 7 Schwitter)