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Kunst als schöner Wahnsinn – Interview mit Kristof Magnusson

LITERATUR

Kristof Magnusson

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Geboren 1976 in Hamburg, wuchs Kristof Magnusson als Sohn einer Deutschen und eines Isländers zweisprachig auf und machte eine Ausbildung zum Kirchenmusiker. Er arbeitete in der Obdachlosenhilfe in New York und studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Hochschule der Künste Berlin. Magnusson schreibt Romane, Theaterstücke und übersetzt

aus dem Isländischen. Für sein literarisches Schaffen wurde er bereits vielfach ausgezeichnet. Am Literaturinstitut Leipzig war er zweimal als Gastprofessor engagiert. Im Kunstmann Verlag sind von Kristof Magnusson bereits die Romane Das war ich nicht, Zuhause und Arztroman erschienen. Der Autor ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und lebt in Berlin. Kristof Magnusson Ein Mann der Kunst 240 S., 22,00 € eBook 16,99 € Kunstmann

Kristof Magnusson Ein Mann der Kunst 2 MP3-CDs, 20,00 € * Kunstmann

Zum Buch Der Künstler KD Pratz lebt auf einer Burg am Rhein. Er mag die Öffentlichkeit nicht, aber er möchte seinen Nachruhm sichern. So kommt es, dass einige Kunstfreunde, die ein Museum für ihn bauen wollen, ihn besuchen dürfen. Wie diese Kunstliebhaber die Contenance verlieren, als der Meister ihnen die Verkommenheit der Welt, die des Kunstbetriebs und ihre eigene um die Ohren haut – davon erzählt Kristof Magnusson so virtuos wie unterhaltsam.

Kunst als schöner Wahnsinn

Der Schriftsteller Kristof Magnusson über seinen Roman Ein Mann der Kunst, in dem ein exzentrischer Künstler und ein eigensinniger Kunst-Förderkreis aufeinanderprallen

Herr Magnusson, in Ihrem Roman Ein Mann der Kunst erzählen Sie wie der Förderkreis eines nicht so großen Kunstmuseums eine Reise zu einem Künstler unternimmt. Sie beschreiben diese Gruppe Menschen mit all ihren Eigenheiten und Skurrilitäten umwerfend anschaulich. Waren Sie jemals auf so einer Reise dabei? Auf einer richtigen Kunstreise war ich nie dabei. Aber ich kenne natürlich die Gruppenreise an sich, diese absurde Situation, in der sich zivilisierte und gebildete Menschen plötzlich wieder benehmen wie Schüler*innen auf der Klassenreise.

Im Herzen der Handlung steht die Frage, ob der Förderkreis und der Künstler KD Pratz zusammenfinden und gemeinsam ein Museum für seine Werke bauen können. Doch der Künstler ist eigensinnig und die Förderkreismitglieder sind sich höchst uneins. In der Presse liest man immer wieder von solchen Vorhaben, die oftmals auch an ihren exzentrischen Mitspielern scheitern. Gab es ein reales Projekt, das Sie besonders inspiriert hat? Viel reizvoller, als direkte Vorbilder zu verbraten, finde ich die Herangehensweise, Realität und Fiktion möglichst eng miteinander zu verweben. Personen, Orte und Begebenheiten sollen so real wie möglich sein, aber auf keinen Fall auf konkrete Vorbilder verweisen.

Wenn man so einen klugen Roman über Kunst schreibt, liebt man Kunst vermutlich … Ein Mann der Kunst ist natürlich ein Roman über einen Künstler, aber noch viel mehr ist es ein Roman über Kunst-Fans! Ich bin fasziniert von Kunst, aber ebenso sehr fasziniert davon, was Kunst in ganz normalen Menschen auslöst, und zwar sowohl intellektuell als auch emotional. Es ist doch eigentlich eine verrückte Situation, wenn ein gediegenes bürgerliches Ehepaar sich in einem stillen, ordentlichen Museum Kunst ansieht: Da sind ja oft sehr radikale Sachen dabei, Darstellungen von Sex, von Ge - walt … Ich finde es faszinierend, wie die Kunst solche unterschiedlichen Welten zusammenbringt. Und über solche Begegnungen wollte ich schreiben: Über Menschen aus einer bürgerlichen Welt, in der nichts ohne Kompromisse geht, die auf einen Künstler treffen, der schon immer von seiner Radikalität, seiner Kompromisslosigkeit gelebt hat.

Ein Mann der Kunst erzählt auf gelehrte Art von Kunst. Gleichzeitig muss man oftmals lachen, weil Sie herrlich witzige Dialoge über Kunst kreieren. Sind da welche dabei, die Sie dem echten Leben abgeschaut haben? Leuten zuzuhören, die über Kunst reden, ist oft ein riesiger Spaß! Und manche Texttafeln in Museen und Kunstgalerien grenzen an unfreiwillige Komik. Das ist ja auch logisch. Wir müssen das, was wir sehen, übersetzen in Sprache, das KANN doch gar nicht einfach sein.

Und was machen Sie, wenn sich jetzt – nach der Lektüre Ihres Romans – ganz viele Kunstliebhaber ertappt fühlen? Nach Ihrem Roman kann man sich ja genau genommen nicht mehr guten Gewissens über Kunst unterhalten … In diesem Zusammenhang finde ich es interessant, dass manche Leute mein Buch als eine scharfzüngige Satire auf den Kunstbetrieb lesen, andere es hingegen als unglaublich menschenfreundlich empfinden. Jede Person in dem Buch hat aber auch gute Seiten. Selbst der Figur des manipulativen Museumsdirektors kann man ja zugutehalten, dass er für seinen Job brennt und alle Hebel in Bewegung setzt, um das Museum nach vorne zu bringen. So gesehen muss sich niemand ertappt vorkommen oder gar schämen.

Was wäre das Leben ohne Kunst? Keine Gesellschaft funktioniert ohne Kunst. Und erst recht keine Demokratie.