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Mohamed Amjahid

Ich bin Experte für: Die Kombination von Geschmäckern und Gewürzen. Das habe ich tatsächlich von meiner Mama nebenbei gelernt, in meinem Elternhaus wurde viel und gut gekocht. Manchmal lohnt es sich also, sich in die Küche zu verirren und ein wenig aufzupassen, was da passiert.

Das interessiert mich gar nicht: Wie viel Platz haben wir? Haha! Also Fußball finde ich sehr langweilig, manchmal höre ich Radio und dort wird in einer sehr trivialen Art und Weise darüber gesprochen. So im Sinne von: „Die Mannschaft kann gewinnen, aber auch verlieren.“ Dann denke ich mir: Gut, dass mich das wenig interessiert. Aber gleichzeitig gönne es ich all jenen, die sich damit die Zeit vertreiben können.

Das sammle ich: Ich bin in Marokko aufgewachsen und konnte bis zu meinem 18. Lebensjahr nicht reisen, auch weil ich nur die marokkanische Staatsbürgerschaft besaß. Deswegen habe ich seitdem Eindrücke auf Reisen gesammelt. Für mich hat sich danach eine ganze Welt (der Globus) geöffnet. Aber mittlerweile bin ich alt, fliegen ist schädlich für die Umwelt, die Bahn ist immer zu spät und ich habe in meinem Reporterleben schon viele Eindrücke beisammen, deswegen sammle ich jetzt gute Bücher. Wenn ich mal wirklich sesshaft werden sollte, kann ich darauf zurückgreifen.

Das habe ich schon mal verloren: Der Klassiker: meine Geldbörse. Da waren all meine Karten und Ausweise drin, war richtig blöd. Auch weil ich eher pedantisch bin und auf so etwas aufpasse. Und Jahre später hat sie ein Hund an der Spree gefunden und das Herrchen hat nach meinem Namen im Internet gesucht und mich angeschrieben. War richtig cute und Hundi hat dann von mir ein paar Leckerlies bekommen. Alle happy.

Ich habe noch nie probiert: Die ganz großen Karussell-Geschichten auf der Kirmes. Ich koche gerne, habe aber in dieser Hinsicht wirklich einen schwachen Magen. Neulich hat mich eine meiner besten Freundinnen gezwungen auf ein (objektiv betrachtet sehr harmloses) Fahrgeschäft, so eins mit Wasserrinne und man sitzt in so einer Wanne und es dauert eigentlich nur 25 Sekunden. Ich habe geschrien und mir war drei Stunden schlecht. Deswegen: Die wilde Maus dann ohne mich.

Wenn ich ein Tier wäre: Ich rede viel, deswegen wäre ein Papagei vielleicht passend. In meinem Job höre ich aber auch viel zu … Moment, ich suche kurz nach Tieren, die gut zuhören können … oh wow, habe gelernt, dass Elefanten und Delfine gut hören können, ob zuhören darunter fällt, stand da nicht. Aber damit kann ich auch gut leben.

... kennt ihr noch die tollen Freund:innenbücher? Antworten verlgeichen, durchblättern und in Erinnerungen schwelgen, ewig darüber nachdenken was denn jetzt das Lieblingsessen ist oder der wahre Traumberuf. Wir dachten uns: warum nicht auch mal unsere Lieblingsautor:innen die einzig wahren Fragen des Lebens stellen? Mohamed Amjahid hat unsere Sätze vervollständigt und auch gleich ein bisschen mit uns über den Literaturbetrieb geplaudert...

Was haben Sex, Berlin und der Literaturbetrieb gemeinsam?

Man sollte auf die Hygiene achten. No Kink Shaming Here! Ich bin wie gesagt eher pedantisch. Einige Texte und Autor:innen mit rechtsextremen und menschenfeindlichen Ansichten gehören halt nicht in die Vorschau, einige rechtsextreme Verlage nicht auf Buchmessen.

Was sind deine kuriosen Facts zum Literaturbetrieb?

Natürlich sind die Zeiten schwieriger geworden, die Möglichkeit, mit Büchern und Literatur Geld zu verdienen auch. Aber manchmal heulen einige im Literaturbetrieb schon übertrieben geschauspielert. Einige Verlage machen gute Gewinne und sollten diese in neue Talente investieren. Lesen ist weiterhin angesagt und es zeigt sich zum Beispiel, dass mit Liebe und Leidenschaft geführte Buchhandlungen oft ein treues Stammpublikum anlocken. Ich habe by the way oft die Situation bei meinen Lesungen, dass Buchhändler:innen nicht genug Bücher dabei haben. Deswegen braucht es neben Leidenschaft ein bisschen mehr Sinn fürs Geschäft.

Let`s talk about ... worüber sollte im Literaturbetrieb mehr gesprochen werden?

Geschichten, die noch nicht erzählt wurden oder auserzählt wurden. Bei einigen weiß ich nach Seite 10 schon wie die Geschichte ausgeht, deswegen sind jetzt andere, unterrepräsentierte Perspektiven dran. Auch weil es die ganze Sache spannender und prickelnder gestalten würde.

Ich lese am liebsten: warum Verhütung auch Männersache ist

Im Park, im Sommer. Ich nehme dann ein Kissen und eine Decke mit und setze mich in den Schatten und lese und lese und lese. Bis ich Hunger bekomme und wieder kochen muss. Ich lese für meinen Job generell viel am Schreibtisch, deswegen ist das Zelebrieren von Lesen im Park unter der Sonne eine Maßnahme, wieder den Genuss daran wertzuschätzen.

Nach Periode ist politisch – Ein Manifest gegen das Menstruationstabu, in dem sich Franka Frei mit Scham und Tabuisierung auseinandersetzt und sich damit gegen das Menstruationstabu zur Wehr setzt, folgt jetzt ihr zweites Sachbuch, dass sich mit dem weiblichen Körper und Zyklus beschäftigt: Überfällig. Warum Verhütung auch Männersache ist. Beim Kinderkriegen sind zwar zwei Menschen beteiligt, doch wird Verhütung meist als „Frauensache“ angesehen, woran sich seit den sechziger Jahren, trotz immenser Fortschritte innerhalb der Forschung in jeglichen Bereichen, nicht groß etwas geändert hat. Knapp die Hälfte der Frauen im Alter zwischen achtzehn und neunundvierzig Jahren in Deutschland schluckt nach wie vor täglich die Antibabypille. Die finanziellen Kosten werden nicht selten ignoriert vom anderen Geschlecht und die starken negativen körperlichen und seelischen Erscheinungen, die die Einnahme der Anti-Baby-Pille mit sich bringen, werden, auch von Ärzt:innen, gerne ausgeklammert und als nicht problematisch angesehen. Paradox, denn die „Pille für den Mann“ kam wegen genau dieser Nebenwirkungen lange Zeit gar nicht erst auf den Markt – zu stark der Einfluss auf den Körper. Mit dem Buch fordert Franka Frei die Leser:innenschaft auf, radikal umzudenken und Verhütungsgerechtigkeit als längst überfällige Maßnahme zu betrachten, auf die wir bestehen müssen. Das Buch ist ein persönlicher Erfahrungsbericht, der stellvertretend für viele andere Schicksale steht, ein Einblick in die Geschichte der Verhütung auf der Suche nach dem Grund, weswegen Verhütung überhaupt zur „Frauensache“ wurde. Und am Ende ein Wachrütteln und ein Aufruf dazu, den Kampf über reproduktive Gleichberechtigung zu führen. Je mehr ich das Buch las, desto wütender wurde ich darüber, dass diesem politischen Thema bisher so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde und desto glücklicher bin ich, dass Franka Frei, für alle zugänglich und verständlich, diesen Rückstand aufdeckt, so dass in noch mehr Köpfen ein Umdenken stattfinden kann. Dieses Buch ist so, so wichtig!

Franka Frei: Überfällig. Goldmann Verlag, 288 Seiten, 17 €

Liebeserklärung an die feministische Szene

Stevie Schmiedel, die Gründerin von Pinkstinks, der reichweitenstärksten Bildungsorganisation gegen Sexismus in Deutschland, hat ein Buch geschrieben! Sie bewegt sich auf das Minenfeld der Genderstudies, beschäftigt sich mit Privilegien und Gendersternchen. Die Autorin zeigt, wie moderner Feminismus aussieht, beantwortet wichtige Fragen und stellt sich der Debatte. Hierbei deckt sie auf, wie viele Unstimmigkeiten es auch unter Frauen gibt, häufig bestimmt durch Alter, Generation und Umfeld. Die Fronten verhärten sich, je unterschiedlicher die Meinungen. Problematisch, denn letztendlich möchten doch eigentlich alle das Gleiche: Etwas bewegen, für Frauen und Gesellschaft. Einfacher wäre es, wenn wir einen gemeinsamen Weg finden. Die Autorin möchte mit diesem Buch einen Dialog zum Thema "Gender" zwischen festgefahrenen Positionen, jung und alt beziehungsweise "woke" und klassisch, anstoßen. Ein Gespräch, in dem alle zu Wort kommen. Die Grundlage dafür schafft sie, indem sie überraschende Tatsachen einfach erklärt, ohne dabei streng zu belehren. Sie möchte Verständnis schaffen und Kompromissbereitschaft fördern, anstelle Aufregung, Genervtheit und Stress zu begünstigen. Sehr verständlich, hervorragend recherchiert und mit einer großen Portion Humor. Ein tolles Buch mit einer Mischung aus Donnerwetter und Liebeserklärung an die feministische Szene für alle.

Stevie Schmiedel: Jedem Zauber wohnt ein radikaler Anfang inne. Kösel Verlag, 256 Seiten,

That’s the thing about scripture: the devil can quote it too.

Matt Ruff is one of my favourite authors still writing today, and one of the most underrated. Ruff’s books are all amazing (except one, which I am yet to forgive) and distinctive, yet stylistically difficult to pin down. From fantastic college showdowns with talking animals and warring sprites to a love story between two people with multiple personalities to, of course, a homage to and takedown of Lovecraftian horror and bigotry, respectively, centred around a group of Black friends and relatives. It is to the latter Lovecraftian world of 1950s America that Ruff’s latest novel The Destroyer of Worlds returns, following its characters as they orbit and converge on the central arc of evil’s resurrection. It’s surprisingly comforting to meet these characters again and see how they’ve absorbed and been absorbed into the madness of their earlier adventures. The narrative is dynamic and effortless. There is a sense that this is the very real everyday life of these people. And of course there is the constant spectre and fact of racism, which Ruff captures with deft understatement, more a persistent, insidious menace than a tangible, chthonic monster.

A thoroughly enjoyable continuation of the Lovecraft Country saga, over much too soon, but with hopefully more instalments to follow. It’s fantasy and horror tethered to real Jim Crow racism. It’s the Ku Klux Klan if the Grand Wizard was a real wizard. Hope you enjoy it as much as I did!

Matt Ruff: The Destroyer of Worlds. HarperCollins Publishers, 320 pages, 30,50 €

Whoever thinks, that this book is just another ordinary summery of studies, numbers and a misogynistic explanation of the female psyche, is terribly wrong.

The book What Women Want follows the 15 year long journey of psychotherapist Maxine Mei-Fung Chung and her relation to seven women she accompanied within their journey of healing, growing and their pursuit of happiness, self-love and acceptance. Sensitively and empathetically, Mei-Fung Chung illuminates the needs and longings of her protagonists, their hopes and fears and, in the synopsis, shows what being a woman means today and what women want. Although each story and each woman is as different as they could be regarding their age, personal history and struggles, they all have one thing in common: providing a deeply intimate and vulnerable view onto the inner lives of women. The author conveys the deep inside of her cliwents in a highly touching way, combining anecdotes and thoughts in a sense that makes you feel, connect and suffer with each person and, most importantly, makes you think about your own desires, hopes and needs.

Reading this book and following these women gave me a strong sensation of not being alone with my insecurities and my struggles in this world, that it is okay to feel lost and helpless from time to time and that my personal well-being and needs matter. I made me reflect on my self and what I want.

Maxine Mei-Fung Chung: What Women Want. Random House, 290 Seiten, 23€

Es gibt so viele kleine aber feine Verlage, die mit viel Herzblut und Leidenschaft schöne Bücher machen. Aber nicht immer finden die Bücher ihren Weg zu den Leser:innen. Deshalb feiern wir am Indiebookday und darüber hinaus besonders tolle Bücher. Wir haben auch gleich mal unsere Buchhändler:innen nach ihren liebsten Indiebooks gefragt:

Vor fünf Jahren hatte Linus Giese sein Coming-out als trans* Mann. Weil er sich traute, öffentlich darüber zu sprechen, erntete er Hass – und überwältigenden Zuspruch, insbesondere von jungen Menschen. Mit seinem neuen Buch möchte er ihnen etwas zurückgeben und Mut machen für die Zukunft. Trans* Menschen erleben Diskriminierung im Alltag und auch strukturell, auf dem Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen, durch das Transsexuellengesetz, das als verfassungswidrig eingestuft wurde. Dagegen entwirft Giese ein Szenario, wie wir leben würden, wenn das Recht auf Selbstbestimmung für alle nicht nur ideell eingeräumt, sondern auch gesetzlich verankert würde. Und warum endlich Schluss sein muss mit der Pathologisierung der Geschlechterdiversität, um für alle Teile der Gesellschaft mehr Freiheit zu ermöglichen.

Linus Giese: Lieber Jonas oder der Wunsch nach Selbstbestimmung. Kjona Verlag, 80 Seiten, 18 €

In Anemos, einer postapokalyptischen verstrahlten Stadt, hat sich eine prekär ausbalancierte Gemeinschaft aus Mischwesen und Mutant*innen gebildet – für das gemeinsame Überleben braucht es die Leuchtqualle Oberon, die die Wasserversorgung der Stadt sicherstellt, aber auch die geweihbewehrte Titania, die für die wilden Feste der Stadt sorgt. Doch eines Jahres endet das Fest Walpurgis mit Oberons Tod im Liebesspiel – und das kleine Schleimtierchen Müxerl muss Oberons Aufgaben übernehmen. Denn: Was du kaputt machst, musst du richten, so verlangt es das Gesetz von Anemos. Was, so fragt Elisabeth Klar, kommt nach dem Anthropozän? Und welche Gesetze kann sich eine Gesellschaft geben, um unter widrigen Umständen nicht nur zu überleben, sondern auch leben zu wollen?

Elisabeth Klar: Es gibt uns. Residenz Verlag, 192 Seiten, 24 €

Iona, hochschwanger und obdachlos, bricht eines Nachts bei strömendem Regen in ein leerstehendes Haus in einem süddeutschen Dorf ein. Sie sucht dort ihren Vater Tahvo, den sie nie kennengelernt hat, nie kennenlernen wollte. Doch nun braucht sie Geld. Tahvo aber ist verschwunden – stattdessen trifft Iona auf seine Nachbarin. Tine, die ihre Adoptivtochter über alles liebt, aber nie verwunden hat, keine leiblichen Kinder bekommen zu können, hatte eine Affäre mit Tahvo, und sie vermisst ihn. Karolin, die Tavho vor vielen Jahren in Berlin kannte, führt die einzige Gaststätte des Dorfes. Auch sie kämpft mit den Geistern der Vergangenheit und ihren Erinnerungen. Die drei Frauen machen sich auf in Tahvos Heimat Finnland, um dort nach ihm zu suchen. Auf der Reise geraten ihre unter schiedlichen Vorstellungen von Mutterschaft, vom Leben und davon, wer Tahvo eigentlich ist, mehr und mehr aneinander.

Marie Malcovati: Als hätte jemals ein Vogel verlangt, dass man ihm ein Haus baut. Edition Nautilus, 224 Seiten, 22 €

Marlen Hobrack erzählt die Geschichte von Mara Wolf – Schulabbrecherin, Anfang zwanzig, depressiv, arbeitslos in Dresden. Ihren Alltag füllt sie mit Instagram, Dating und Online-Shopping. In einer Bar lernt Mara den PR-Agenten Hanno kennen, der von ihr und ihrem schrägen White-Trash-Auftreten begeistert ist. Er engagiert sie für eine Party und überredet sie, sich als Romanautorin auszugeben. Den Roman geschrieben hat ein alter weißer Mann, der genauso wie Hanno und sein Lektor nicht glaubt, dass es sich unter seinem Namen verkauft. Die drei Männer schmieden einen Plan für einen großen literarischen Erfolg, auf den sich Mara einlässt. Schrödingers Grrrl ist ein zeitgenössischer Entwicklungsroman, eine Hochstaplerin-wider-Willen-Studie, eine Geschichte über eine junge Frau, die keinen Platz in der Gesellschaft findet, weil sie gar nicht erst daran glaubt, einen beanspruchen zu können.

Marlen Hobrack: Schrödingers Grrrl. Verbrecher Verlag, 300 Seiten, 24 €

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