Uplengen Blattje Juli

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Juli/August 2011

Viele Ostfriesen gingen nach Amerika DEUTSCHE HOCHMOORKULTUR ERMÖGLICHTE DEN AUFSCHWUNG EXKURSION ZUM NSG LENGENER MEER UND NSG STAPELER MOOR – TEIL 17

Primitiv aus Torfe, Lehm und Heideplaggen errichtete Moorhütten dienten den Torfgräbern zum Unterstellen und zeitweise auch zum Übernachten. BILD: Focke-Museum

Von Werner Strate Die von den Fehngesellschaften angeheuerten Torfgräber – sowohl deutsche als auch holländische – errichteten sich zunächst primitive Hütten aus Weißtorfsoden und Heideplaggen und fanden darin Schutz während der Schlechtwetterperioden. In späteren Jahren bewohnten sie diese nicht nur im Sommer während der Torfgrabezeit, sondern mit ihren Familien in den Wintermonaten. Doch die unzureichenden Torftransportmöglichkeiten waren wohl ein Grund dafür, dass es mit der wirtschaftlichen Situation der Fehngesellschaften nicht so recht „bergauf“ ging. Denn aufgrund der enormen Transportschwierigkeiten warfen die Einnahmen der Gesellschaften durch die Torfgräberei und den Verkauf des Torfes als Brennmaterial, nicht die erhofften Gewinne auf. Sie warfen die „Flinte ins Korn“ und überließen die Torfgräberei den Kolonisten. Somit war es weder die Fehnund die Moorbrandkultur, die die große Not der Menschen damals lindern konnte. Zwischen 1850 und 1920 war die Armut in ganz Ostfriesland beängstigend groß. Es herrschte einfach ein Mangel an billigem Land und Geld und insbesondere der Nahrungsmangel bedrückten die Menschen in der ganzen Region. Hinzu kam der enorme Kinderreichtum vieler Familien, die die finanzielle Situation vieler Moorbezwinger stark belastete. In einigen Familien gab es damals soviel Nachwuchs, der, heute nicht nur für eine ganze Fußballmanschaft, sondern auch noch für den Trainer, Schiedsund Linienrichter sowie einige Zuschauer reichen würde. In diesen Jahren, als in Ostfriesland eine große Not in der Bevöl-

kerung herrschte, bot das junge Amerika vielen Not leidenden Ostfriesen eine geradezu verlockende Perspektive. Die größte Auswanderungswelle erfolgte in den Jahren von ca. 1850 bis ca.

Trotz in ärmlichen Verhältnissen lebend, erreichten die Menschen auch damals schon ein recht hohes Alter. In die Zeitgeschichte der Moorbesiedlung als älteste Person eingegangen ist u. a. Jantjemö aus Voßbarg. Jantjemö ist am 23. Oktober 1803 in einem ganz primitiven Moorhütte geboren, hat ihr ganzes Leben dort verbracht und ist der geschichtlichen Überlieferung nach im 106. Lebensjahr gestorben. Das historische Bild von Jantjemö aus Voßbarg, wurde dem Verfasser von Gerhard Canzler, Schulleiter und Buchautor, freundlicherweise zur Veröffentlichung im „BLATT JE“ zur Verfügung gestellt. Dafür ein Dankeschön.

Alte Moorkate. In solchen primitiven Behausungen lebten die ersten Moorsiedler um 1800 herum. BILD: Focke-Museum

1920. In diesen Jahren verließen mehr als 20.000 Ostfriesen ihre angestammte Heimat, weil sie in Amerika ein neues und vor allem besseres Leben beginnen wollten. Die größte Masse der Auswanderer zog es damals nach Illinois, um von dort aus weiter in den Westen des Landes hinaus zu ziehen. Aber auch in lowa ließen sich viele Ostfriesen nieder. Der Grund dafür war wohl, weil die dortige Landschaft der ostfriesischen sehr ähnlich war. Die enorme Auswanderungswelle ebbte erst ab, als sich in Ostfriesland die wirtschaftliche Lage in den Moorkolonien und Fehnsiedlungen besserte. In den 1870er Jahren wurde in Bremen die Zentralkommission mit einer Versuchsstation gegründet. Dabei ging es einzig und allein darum, neue Bewirtschaftungsmethoden für die gwaltigen Hochmoorflächen zu finden. Und man wurde fündig. Die neue Bewirtschaftungsmethode erhielt den Namen: die Deutsche Hochmoorkultur. Und damit schien man auch wirklich einen vielversprechenden Trumpf in der Hand zu haben. Und das war der in der Zwischenzeit entwickelte Kunstdünger. Der Kunstdünger war der Schlüssel zur Lösung des Hauptproblems aller bisherigen Kolonisationsversuche: nämlich die Düngung der nährstoffarmen Hochmoorböden. Man plante zuallererts die radikale Entwässerung der Hochmoore durch den Bau von Gräben, Vorflutern und Kanälen, jedoch ohne die bei der Fehnkultur vorgegebene und notwendige Abtorfung. Der Grundgedanke hierbei war nämlich, neues ackerfähiges Land zu schaffen, weil man davon ausging, auf den Hochmooren sei Ackerland den auf der angrenzenden Geest gelegenen Wiesen und Weiden in der Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnis-

sen sogar noch überlegen. Fortan wurde die Kultivierung der Hochmoore nahezu ausschließlich zu Ackerland durch den Einsatz von großen Mengen an Kunstdünger vorangetrieben. Die allererste praktische Anwendung der Laborversuche in Ostfriesland wurde auf einer Hochmoorfläche im Ostfriesischen Marcardsmoor realisiert. Nur das Problem dabei war, dass das dortige Hochmoor damals noch über keinen durchgängigen Kanal (Wieke) verfügte. Doch 1866 wurde auch Ostfriesland in den preußischen Staat integriert, und von da ab wurde sofort der Ausbau von Kanälen in Angriff genommen. Allerdings schon 1827 hatte man damit begonnen, den Nordgeorgsfehnkanal zu graben. Der Ausbau dieser Wasserstraße erfolgte in zwei Abschnitten, zunächst von Stickhausen bis Neudorf, und später von Neudorf durch Wiesmoor bis zum EmsJade-Kanal. Der Ausbau des Nordgeorgsfehnkanals, der der Entwässerung der beidseitigen Moorflächen und der späteren Torfschifffahrt diente, schaffte viele Arbeitsplätze, so dass sich viele dadurch ein Zubrot verdienen konnten. Wie viele Arbeiter nötig waren, um den Kanal zu graben, darüber gibt es keine Kenntnisse. Wohl aber beim Bau des Ems-Jade-Kanals. Dabei wurden damals mehrere Arbeitskolonnen von jeweils 400 Personen eingesetzt, und das über eine Gesamtbauzeit von fast 10 Jahren. Nach der Moorkolonisation, der Fehn- und der Brandkultur, war es endlich die „Deutsche Hochmoorkultur“, die für die Menschen den wirtschaftlichen Aufschwung brachte. Doch darüber mehr in der nächsten Ausgabe vom Blattje.


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