Wo Erholung noch erholsam ist. DIE NIEDERÖSTERREICH AUSGABE #16
Neue Leute: Woher kommen die und was wollen sie bei uns?
E-Spiritus: Mit ein wenig Unterstützung lässt es sich gut Radpilgern.
Dauerbrenner: Die wärmsten Empfehlungen der Redaktion.
DAS ERDÄPFEL-WEIHNACHTSWUNDER
DU SPENDEST 1 EURO, WIR
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DEINE SPENDE HILFT DOPPELT
Armut ist in Österreich Realität: 336.000 Menschen gelten aktuell als arm und können sich somit Lebensmittel kaum leisten. Der BioBauernhof Böhm hilft da, wo es benötigt wird. Durch eine Lebensmittelspende kannst DU dazu beitragen, dass auch bedürftige Menschen in Wien und Niederösterreich Zugang zu besten Waldviertler Bio-Erdäpfeln haben. Denn wir spenden ein Kilogramm Bio-Erdäpfel für jeden Euro, der gespendet wird.
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Deine Erdäpfel-Spende geht zu 100% direkt an Einrichtungen der Caritas, dem Hilfswerk und der Tafel Österreich - mit denen wir in Kooperation stehen. Gemeinsam helfen wir Menschen, die sich Nahrungsmittel nicht mehr leisten können. Denn das Besondere ist für ALLE da!
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BEDÜRFTIGE MENSCHEN, SONDERN AUCH DIE REGIONALE, KLEINSTRUKTURIERTE BIO-LANDWIRTSCHAFT.
In Kooperation mit:
DER RICHTIGE WEG IST DAS ZIEL
Die Gäste sind wir in Niederösterreich zuallererst einmal selbst! Also die NiederösterreicherInnen, WienerInnen und RestösterreicherInnen. Das sind insofern gute Nachrichten, als den größten Einfluss auf die Frage, wie umweltschädlich ein Ausflug ist, die Art der Anreise hat. Das gilt nicht nur für den zweiwöchigen Sommerurlaub im Süden, sondern auch für Tagesausflüge. Da solche viel häufiger gemacht werden, ist der Effekt einer ressourcenschonenden Anreise umso größer.
Grobe Planung hilft. Ohne klares Ziel ins Auto zu steigen, sorgt bei den meisten Paaren, Familien, Gruppen – so cool sind wir dann auch wieder nicht – eher für Stress als ungeahnte Freizeitabenteuer, die wir dringend wiederholen wollen. Und doch: Fühlen sich viele von uns in unserer Spontaneität eingeschränkt, reagieren ganz empfindlich, wenn sie zum öffentlichen Anreisen angehalten werden. Womöglich verbirgt sich dahinter ein Mangel an Ideen und Entscheidungsfreude. Vielleicht können wir mit dem vorliegenden Heft einen kleinen Beitrag dagegen leisten – Schauma mal!
Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber
IMPRESSUM
HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORiNNEN Florian Jauk, Martin Mühl, Christian Schwägerl, Thomas Weber GESTALTUNG Stefan Staller ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Michael Mazelle, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 2 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien.
BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. BIORAMA erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erscheinen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.
PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at
PEFC/06-39-08
NÖ INHALT
NAHELIEGENDES (MIT MARILLEN)
Wer in Niederösterreich Urlaub macht, hat selten eine Weltreise hinter sich. Doch woher kommen die Gäste von auswärts?
MIT HILFE NACH OBEN
Radpilgern durch die Hügellandschaft der Sebaldusregion.
03 Editorial
06 Bild der Ausgabe
08 Splitter
12 Naheliegendes (mit Marillen) Woher kommen die Gäste von auswärts?
16 Mit Hilfe nach oben Radpilgern durch die Hügellandschaft der Sebaldusregion.
21 Stückwerk
Damit Niederösterreich wirklich zum »Radland« wird, müssten übergeordnete Strategien vom Land umgesetzt werden.
27 Urlaub am Bauernhof Was in der kalten Jahreszeit für ein Quartier auf einem Biohof spricht.
32 Après-Ski
Ecoplus-Alpin-Geschäftsführer Markus Redl im Interview.
34 Ausflugsdestinationen fürs ganze Jahr. Keine »Geheimtipps«, sondern die Lieblinge aus der Redaktion.
Damit Niederösterreich »Radland« wird, müssten mehr Strategien auch umgesetzt werden.
Reblausexpress
URLAUB AM BAUERNHOF
Was in der kalten Jahreszeit dafür spricht, sich auf einem Biohof einzuquartieren.
Landesausstellung
GANZJAHRESDESTINATIONEN
Keine »Geheimtipps«, sondern die Lieblinge aus der Redaktion.
SOJA ÜBER ALLES
Elisabeth Fischer von »Soja aus Österreich« zeigt, wie man Tofu selber machen – und Soja noch einsetzen kann.
ES IST 1986 …
… St. Pölten setzt sich in der Volksbefragung gegen Krems, Baden, Tulln und Wiener Neustadt durch und wird zur Landeshauptstadt Niederösterreichs – ein entscheidender Wendepunkt für die Stadtentwicklung. In der Luftaufnahme eines unbekannten Fotografen (das Bild findet sich in der Topothek St. Pölten) aus dem Jahr 1987 schön erkennbar: die Inexistenz etwa des Regierungsviertels. Das ist dann gut sichtbar auf dem aktuellen Vergleichsfoto (des Fotografen der Stadt St. Pölten, Josef Vorlaufer). Die Einwohnerzahl stieg von rund 45.000 in den 1980er-Jahren auf über 60.000 im Jahr 2025. Um die Jahrtausendwende ist die Stadtbevölkerung allerdings geschrumpft – unter anderem gezielte Investitionen zur kulturellen Attraktivierung der Stadt und Verdichtungsmaßnahmen wurden ergriffen – inzwischen wächst die EinwohnerInnenzahl seit mehreren Jahren um rund 2 % jährlich.
IRINA ZELEWITZ
BILD: ARCHIV DER STADT ST. PÖLTEN
BIO. ECHT. EINFACH.
DEIN GARTEN:
MY
GARTEN,
MY KLIMASCHUTZPROJEKT
Ein kooperatives Projekt in Niederösterreich erforscht, wie private und öffentliche Gärten zum Klimaschutz beitragen.
Supermarkt war gestern. Heute kommt das BioKistl zu dir.
Frischer, bunter, vielfältiger und in 100% Bio-Qualität. Direkt vom Feld, bequem zu dir nach Hause.
www.adamah.at
Die meisten GartenbesitzerInnen nutzen ihren Garten vorrangig für Erholung und Freizeit – oder erproben damit das Selbstversorgerdasein im Kleinen. Dabei können entsprechend gestaltete Gärten die Artenvielfalt fördern, Wasser regulieren sowie CO2 speichern. Das Projekt Klimagärten3 untersucht unterschiedliche Gartentypen in Österreich und deren klimatische Wirkung, analysiert die Einstellungen der GartenbesitzerInnen zu Klimaschutz, Gestaltung und Nutzung ihrer Gärten und entwickelt konkrete Maßnahmen, um klimafreundliche Gartengestaltung mit individuellen Bedürfnissen der BesitzerInnen zu vereinen. Städte und Gemeinden sind verpflichtet, bis 2045 ihre CO 2-Emissionen um 80 % zu reduzieren – sowohl durch Einsparungen als auch durch Kompensationsmaßnahmen. Sie können die Ergebnisse von Klimagärten3 für ihre Berichte nutzen, wenn das CO2-Senkenpotenzial privater und öffentlicher Gärten quantifizierbar ist. Das Projekt ist eine Kooperation von Natur im Garten Niederösterreich & Natur im Garten Steiermark, TU Wien, dem Gartenbaubetrieb Augustin, Oikoplus, einem Unternehmen für Wissenschafts- und Innovationskommunikation, Humus+ oder auch Garten Tulln und Stadt Graz. Aktuell läuft auf der Website eine Umfrage, mit der man den eigenen Garten durch Weitergabe von Informationen zum Teil des Projekts machen kann. MARTIN MÜHL
klimagaerten3.at
DEINE GEMEINDE:
WO RASEN IST, KÖNNTEN BLUMEN BLÜHEN
20 Kommunen leisten mit #unsereblumenwiesen geförderte Beiträge zur Artenvielfalt – Nachahmung erwünscht.
Von April bis Juli konnten sich Gemeinden mit Flächen bewerben, die im Rahmen der Aktion Blühende Gemeinden nun gefördert werden. Insgesamt 250.000 Euro wurden dazu zur Verfügung gestellt – Ziel war, die besten Ideen für Beiträge zur Artenvielfalt zu finden und diese nicht nur umzusetzen, sondern auch weiterzuverbreiten. Zusätzlich zur Projektförderung wurde daher auch ein Publikumspreis bei einer Onlineabstimmung vergeben – die Erstellung eines Imagevideos im Wert von 4000 Euro ging nach Schwertberg in Oberösterreich, wo gleich 2,1 Hektar Fläche naturnah umgestaltet werden – von Magerwiesen bis Obstbaumalleen sollen unterschiedlichste Lebensräume geschaffen und in die Pflege Bevölkerung, Vereine, Schulen und Kindergärten eingebunden werden. Unter den heuer 20 prämierten Projekten finden sich zehn in Niederösterreich. Darunter eines in Krumbach. Dort werden auf insgesamt einem Hektar öffentlicher Flächen, verteilt auf das Gemeindegebiet, naturnahe Blumenwiesen angelegt – für Insekten und Kleintiere, aber auch als Plätze zum Verweilen bzw. als »grünes Klassenzimmer« genutzt. Zur Initiative zusammengeschlossen haben sich die Stiftung »Blühendes Österreich«, die Initiative »Natur im Garten«, der Gemeindebund und die Österreichische Gartenbau-Gesellschaft – 25 Hektar ökologische Trittsteine sollen so entstehen. IRINA ZELEWITZ
bluehendesoesterreich.at/unsereblumenwiese
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Restlos wertvoll
Tonnenweise Lebensmittel landen ungenutzt im Abfall. Jede kleine Rettung hilft der Geldbörse und der Umwelt.
Da liegt sie, halb eingetrocknet, vergessen, in der Küche. Eine Topfengolatsche. Vor zwei Tagen wurde sie gekauft. Doch der Hunger blieb aus. Und dann landet sie in der Tonne. Szenen wie diese wiederholen sich so oder so ähnlich tagtäglich in Niederösterreichs Haushalten. Was mit Sorgfalt und Ressourcenaufwand produziert, transportiert und verpackt wurde, wandert oft unbedacht in den Müll. In Niederösterreich werden jedes Jahr rund 230.000 Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Ein großer Teil davon wäre vermeidbar.1
TEUERUNG VERSCHÄRFT DEN WIDERSPRUCH
Gerade in Zeiten, in denen Lebensmittelpreise spürbar gestiegen sind, wirkt diese Verschwendung paradox. Grundnahrungsmittel wie Brot, Milch oder Obst sind in den letzten Jahren deutlich teurer geworden. Dennoch landen sie weiterhin im Abfall, oft aus Bequemlichkeit oder Unwissen über richtige Lagerung. Das zeigt: Nicht nur der Umwelt,
sondern auch der eigenen Geldbörse zuliebe lohnt sich ein bewusster Umgang mit Lebensmitteln. So bekommt selbst die vergessene Topfengolatsche eine zweite Chance: Ein Spritzer Wasser, kurz in den Ofen und schon ist sie wieder duftend und frisch. Und genau hier liegt die Chance: Jede und jeder kann im Alltag einen Unterschied machen.
DIE NÖ UMWELTVERBÄNDE
EMPFEHLEN DIESE 5 TIPPS:
Nie hungrig einkaufen gehen.
Mit einer Einkaufsliste Spontankäufe vermeiden.
Wöchentliche Menüplanung hilft beim gezielten Einkauf.
Lebensmittel richtig lagern, um ihre Haltbarkeit zu verlängern.
Reste kreativ verwerten statt wegwerfen.
Trotz aller Sorgfalt kann es passieren, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten wird. Panik ist dann fehl am Platz. Das MHD gibt lediglich an, bis wann ein Lebensmittel bei richtiger Lagerung seine volle Qualität behält. Viele Produkte wie Hartkäse oder pflanzliche Öle sind auch Wochen oder Monate danach noch genießbar. Der 3-Sinne-Test hilft: sehen, riechen, schmecken. Wirkt das Lebensmittel frisch, riecht angenehm und schmeckt einwandfrei, kann es meist noch lange nach Ablauf des MHD genossen werden, statt im Müll zu landen.
JEDE MAHLZEIT ZÄHLT
Sorgsamer Umgang mit Lebensmitteln ist nicht nur moralisch richtig, sondern auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Vermeiden wir Verschwendung, schonen wir Wasser, Energie und reduzieren CO22 Österreich hat sich dem UN-Ziel verschrieben, vermeidbare Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren. Das kann nur gelingen, wenn jede und jeder im Alltag Verantwortung übernimmt. Die weggeworfene Topfengolatsche ist kein Einzelfall. Sie ist ein Symbol für all die Lebensmittel, die unbedacht entsorgt werden. Geben wir Lebensmitteln eine zweite Chance, dann schonen wir Ressourcen. Mit jeder Entscheidung, die wir bewusst treffen, beim Einkaufen, Kochen und jedem geretteten Lebensmittel bewahren wir, was wirklich zählt: restlos Wertvolles.
Mehr Infos, einen Saisonkalender und Rezepte gibts hier bei den NÖ Umweltverbänden
SO TEILT MAN LEBENSMITTELABFÄLLE 4 EIN
Vermeidbare Lebensmittelabfälle beschreiben jene Lebensmittelabfälle, die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung noch uneingeschränkt genießbar sind (z.B. letztes Pizzastück) oder die bei rechtzeitiger Verwendung genießbar gewesen wären (z.B. schimmliges Brot).
Nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle sind jene Lebensmittelabfälle, die üblicherweise während der Speisenzubereitung entfernt werden. Zum Beispiel: Zubereitungsreste wie Apfelgehäuse oder Fischgräten und Knochen.
AM HÄUFIGSTEN LANDEN DIESE LEBENSMITTEL IM
ABFALL 3 :
28 % Brot, Süß- und Backwaren
11 %
Wurst, Fleisch und Fisch
12 %
Eier & Milchprodukte
22 % diverse Speisen und Speisereste
1 Quelle: NÖ Abfallwirtschaftsplan 2024
27 % Obst & Gemüse
2 Quelle: ecoplus, BOKU, denkstatt, OFI (2020): Lebensmittel – Verpackungen – Nachhaltigkeit: Ein Leitfaden für Verpackungshersteller, Lebensmittelverarbeiter, Handel, Politik & NGOs.
3 Quelle: Institut für Abfallwirtschaft, BOKU Wien, DI Felicitas Schneider et. al. (2012): Sekundarstudie Lebensmittelabfälle in Österreich; Stand 10/2024
4 Quelle: BOKU; Scherhaufer et al.
NAHELIEGENDES (MIT MARILLEN)
Wer in Niederösterreich Urlaub macht, hat selten eine Weltreise hinter sich. Doch woher kommen die Gäste von auswärts?
TEXT
Niederösterreich ist mehr oder weniger naheliegend, zumindest gilt das für die allermeisten Gäste, die im größten österreichischen Bundesland übernachten. Zum größten Teil kommen sie aus Niederösterreich selbst, wie die offizielle Statistik der Landestourismusgesellschaft Niederösterreich Werbung zeigt: Im Vorjahr entfielen etwas mehr als 1,5 Millionen Nächtigungen auf NiederösterreicherInnen selbst, knapp gefolgt von Gästen aus Wien (annähernd 1,4 Millionen touristische Übernachtungen). Dann kommt verhältnismäßig lange nichts. Dann Deutschland (mit knapp 800.000), dann Oberösterreich und die Steiermark (mit 640.000 bzw. 420.000 Nächtigungen). Dann wieder lange nichts. Dann Polen, Ungarn und Salzburg (jeweils um die 200.000). Gäste aus dem Burgenland und aus Kärnten sind mit 185.000 bzw. 181.000 Übernachtungen erfasst, jene aus Tschechien mit 162.000,
die aus der Slowakei mit 105.000; und aus dem westlichsten, am weitesten entfernten Bundesland Vorarlberg wurden 2024 immerhin noch 86.000 Nächtigungen erfasst.
UNESCO-WELTERBE BRINGT GÄSTE
Auch wenn absehbar ist, dass die Zahlen für 2025 insgesamt etwas zurückgingen (was die Branche vor allem auf den verregneten Sommer zurückführt), dürfte sich an den Verhältnissen wenig ändern. Und auch am Faktum, dass selten eine Weltreise hinter sich hat, wer in Niederösterreich urlaubt. Doch was konkret bringt internationale Gäste, für die das Gute vielleicht nicht ganz so nah liegt wie für Menschen aus Wien oder Niederösterreich selbst, hierher? Es ist weder das Wein- oder Waldviertel noch das Most- oder Industrieviertel. Die Attraktion schlechthin für BesucherInnen von weither ist die Wachau. »Das Unesco-Welterbe Wachau
Thomas Weber
zählt international zu den Aushängeschildern Niederösterreichs«, sagt Michael Duscher, Geschäftsführer der Niederösterreich Werbung. »Besonders beliebt sind die sonnenverwöhnten Terrassenweingärten und die Wachauer Marillen, die zur Blüte- und Erntezeit zahlreiche BesucherInnen anlocken.« Obwohl die Marillenblüte natürlich auch Gäste aus dem Inland anzieht, sind ausländische Gäste nirgendwo in Niederösterreich so bedeutsam wie in der Wachau. Eindrucksvoll zeigt das zum Beispiel die Frequenz am Nikolaihof in Mautern, dem ältesten Weingut im deutschsprachigen Raum, das sich bis in die Antike zurückführen lässt und bereits seit den 1970er-Jahren nach Demeter-Richtlinien biodynamisch bewirtschaftet wird. »Wir haben zwar keine Aufzeichnungen darüber, wie viele unserer KundInnen und Verkostungsgäste nicht aus Österreich kommen«, heißt es auf Anfrage, »wir schätzen aber,
dass es an die 80 Prozent sind«. Seinen Newsletter verfasst der Familienbetrieb jedenfalls nicht nur auf Deutsch, sondern auch in englischer Sprache.
Obwohl die Wachau geografisch zum Waldviertel gehört, wird sie nicht vom Waldviertel Tourismus vermarktet, sondern von der Tourismusgesellschaft Donau Niederösterreich (die außerdem den Nibelungengau, den Wagram, das Römerland Carnuntum, Kampund Kremstal sowie die Donau-Region Tulln beinhaltet).
SOMMERFRISCHE IN DEN WIENER ALPEN
Neben den klassischen vier Vierteln Niederösterreichs (mit jeweils einer eigenen Vermarktungsgesellschaft) werden sonst nur die »Wiener Alpen« eigenständig vermarktet. Dabei handelt es sich um keine historische Region, sondern eine touristische Bezeichnung, die sich im 19. Jahrhundert für die klassische Sommerfrischegegend südlich von Wien durchsetzte. Erst seit 1996 aber werden Bucklige Welt, Wechsel, Semmering, Rax, Schneeberg und Hohe Wand (samt der Stadt Wiener Neustadt) gemeinsam offiziell als Wiener Alpen vermarktet. »Die Berge der Wiener Alpen sind für WanderI aus der Slowakei und aus Ungarn aufgrund der Nähe besonders beliebt«, sagt Michael Duscher. »Auch das alpine Mostviertel mit seinen zwei Seen und der beeindruckenden Natur der Ötschergräben ist ein beliebtes Ausflugsziel für ausländische Gäste.«
AM WICHTIGSTEN BLEIBT WIEN
Zumindest für eine Vielzahl von Tourismusbetrieben bleiben ausländische Gäste bislang aber eine vernachlässigbare Größe, besonders in Gegenden, die lange etwas abseits der allgemeinen Aufmerksamkeit lagen. »Unsere Hauptzielgruppe ist der Wiener Gast«, sagt Nina Pichler, Chefin des Molzbachhofs, einem Hotel in Kirchberg am Wechsel, »nicht österreichische Gäste haben einen geringen Stellenwert. Sie machen höchstens ein Prozent aus«. Konkret sind das 250 der insgesamt etwa 25.000 Nächtigungen, die der Molzbachhof verbucht. Zwar sei jede und jeder willkommen, die Touristi-
kerin vermutet aber, dass die weitgehende Abwesenheit ausländischer Gäste »ein bisschen der Region geschuldet« sei: Lange gab es in der Gegend schlicht keine richtigen Attraktionen. »Mittlerweile bringen die Wexltrails aber langsam auch Leute aus Tschechien und Polen«, sagt Pichler. Wobei ihr Ganzjahresbetrieb für WienerInnen eben besonders naheliegt, der Betrieb bietet Abgeschiedenheit in relativer Nähe zur Bundeshauptstadt. Auch die Anreise mit dem Zug ist möglich, wird seit Langem gefördert. Zweimal am Tag fährt ein Bus des Molzbachhofs die Bahnhöfe Gloggnitz und Grimmenstein an. Der Service ist kostenlos; und: »Er wird sehr gut angenommen«, sagt Pichler, »zwischen 25 und 30 Prozent unserer Gäste nehmen ihn bereits in Anspruch«. Damit erreicht der Familienbetrieb mutmaßlich genau jene Klientel, um die sich auch die Tourismusgesellschaften des Landes angeblich ganz besonders bemühen: anspruchsvolle, bewusste GenießerInnen mit oft außergewöhnlichen Vorlieben. Oder, wie es Michael Duscher ausdrückt: »Die Niederösterreich Werbung hat für die Gäste-Ansprache zwei Milieus als Zielgruppen identifiziert: das postmaterielle Mili-
Das Naturhotel Molzbachhof bietet Gästen, die mit Öffis anreisen, ein regelmäßiges Shuttle. Die meisten kommen aus Wien.
eu und das kosmopolitisch-individualistische Milieu.«
NEUE MILIEUS, NEUE ZIELGRUPPEN
Das Modell hinter dieser Einordnung sind die sogenannten Sinus-Milieus, mit denen die Werbewelt seit Längerem Zielgruppen beschreibt. Dabei werden gemeinsame Werthaltungen und Vorlieben beschrieben, weil diese mehr aussagen als harte Fakten wie beispielsweise das Alter, das Einkommen oder der Wohnort. Als plakatives Beispiel für grundverschiedene Vorlieben wurden lange zwei schwerreiche britische Familienväter, die mit auf einem Anwesen residieren, genannt: König Charles und Ozzy Osbourne (1948–2025). »Vergleichbare Milieus finden sich international in allen Gesellschaften – die Logik der Sinus-Milieus ist somit in allen Auslandsmärkten anwendbar«, sagt Michael Duscher. Sozial sind beide von der Niederösterreich Werbung besonders adressierte Milieus in der Mittleren Mittelschicht und in der Oberen Mittelschicht und Oberschicht angesiedelt. Die Postmateriellen machen in Österreich derzeit (laut Marktforschungsinstitut Integral, Stand 2022) 11 Prozent der Bevölkerung aus, die kosmopolitischen Individualisten 6 Prozent. Damit positioniert sich Niederösterreichs Tourismuswerbung klar zukunftsorientiert. Denn beide Milieus repräsentieren einen Teil der Bevölkerung, der der Zukunft offen und positiv gegenübersteht. In den vergangenen Jahren hat die Werteanalyse eine gravierende Veränderung ausgemacht: das Ende der Bürgerlichen Mitte, wie wir sie kannten. Abgelöst wurde sie von einem neuen Milieu, den Nostalgisch-Bürgerlichen (12 Prozent). Dieses ist tendenziell überfordert, unzufrieden, zweifelt Fakten an, stellt sich gegen Eliten und möchte eine vermeintliche »Ordnung der Vergangenheit« wiederherstellen. In der Realität sind Grenzen zwischen den Milieus freilich oft fließend. Als Zukunfts-Zielgruppe in Niederösterreich erachtet Michael Duscher die Kosmopolitischen Individualisten. Es überlappt signifikant mit dem neuen Milieu der »Progressiven Realisten« (die 7 Prozent ausmachen), die sich besonders für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Wandel einsetzen. Dazu passt, dass sich Nie -
Die
derösterreich 2024 mit einem eigenen strategischen Leitfaden dem sogenannten »regenerativen Tourismus« verschrieben hat, der »anstrebt, Destinationen und Gemeinschaften zu stärken und zu erneuern, anstatt sie nur zu erhalten« (Michael Duscher). Was das konkret bedeuten kann, wurde Anfang Oktober im Naturparkzentrum Ötscher-Tormäuer
Mehr zum Demeter-Weingut mit biozertifizierter Weinstube Nikolaihof BIORAMA.EU/NIKOLAIHOF
in Wienerbruck bei einem dritten »Symposium Nachhaltigkeit« des niederösterreichischen Tourismus nicht nur diskutiert, sondern auch anhand einzelner vorbildlicher Betriebe gezeigt. Ein wesentliches Element des Symposiums waren Beratungsstände des Umweltzeichens, der Energie- und Umweltagentur Niederösterreichs (Enu) oder des Vereins »Natur im Garten«. Letzterer informierte beispielsweise, wie sich Parkplätze und Asphaltflächen praktikabel entsiegeln und begrünen lassen. Auch naheliegend: Der größte Teil der Teilnehmenden reiste für das Symposium gemeinsam mit der Mariazellerbahn an.
beschauliche Landschaft der Wachau lockt, besonders zur Zeit der Marillenblüte, auch Gäste von weit her. Im Bild: Dürnstein.
MIT HILFE NACH OBEN
Radpilgern durch die Hügellandschaft der Sebaldusregion.
Die Welt liegt einem zu Füßen, wenn man mit dem E-Bike mühelos auf der Mostviertler Höhenstraße von St. Leonhard am Wald zur Basilika am Sonntagberg dahingleitet. Zur Linken rollende Hügel mit parkähnlich gepflegter Vegetation sowie imposante Bergzacken, zur Rechten die weite Ebene des Donautals. Und darüber tiefes Blau. Hier dürfen sich RadpilgerInnen dem Himmel sehr nahe fühlen – und genau das ist auch das Ziel hinter der 2024 eingeweihten Sebaldus-Radregion. Deren sieben Rundrouten sind um markante Kirchen im Grenzgebiet Nieder-
österreich und Oberösterreichs konzipiert, sollen aber auch Andacht und Besinnung in der Natur fördern.
Die 69 Kilometer lange »Sonntagbergrunde« führt von Weyer aus in Richtung Nordwesten zu der von außen leuchtend weißen und innen von reichlich Goldbelag glänzenden Basilika, die schon aus der Ferne gut zu sehen ist. Hunderttausende Pilger haben diesen Ort schon aufgesucht. Das kühle Kirchenschiff bietet an heißen Sommertagen eine willkommene Zuflucht vor der Hitze draußen – und es erwartet den Besucher noch mehr als kunstvolle barocke Decken-
malereien und ein der heiligen Dreifaltigkeit gewidmeter prunkvoller Hochaltar.
INSPIRIERT VOM MYTHOS UM EINEN HEILIGEN EINSIEDLER
In zwei Seitenaltären werden, wie für große Wallfahrtskirchen üblich, Reliquien gezeigt, die oftmals aus den Katakomben von Rom stammen und frühchristlichen Märtyrerinnen und Märtyrern zugeordnet werden. Am Sonntagberg sind in dieser Tradition mit Schmuck und Kleidung drapierte Skelette in Schaukästen zu sehen, die der heiligen Felicitas und der heili-
gen Prospera zugeschrieben werden – ein Anblick, bei dem Unbedarfte durchaus zusammenzucken können. Im Schatzkammermuseum der Kirche sind Mitbringsel von Pilgern – die sogenannten Votivgaben –, wertvolle Priestergewänder sowie »Mirakelbücher« mit wundersamen Begebenheiten präsentiert.
Vier der sieben Radrouten der Sebaldusregion führen größtenteils durch Niederösterreich: Neben der »Sonntagbergrunde« sind das die 55 Kilometer lange »Seitenstettenrunde«, die 76 Kilometer lange »Maria-Seesal-Runde« und die 72 Kilometer lange »St. Georgen-Runde«. »Die Routen führen durch eine wunderbare Kulturlandschaft«, sagt Andreas Purt, Geschäftsführer der Mostviertel Tourismus GmbH. Das Ambiente sei alpin, aber die Strecken seien dennoch »recht einfach zu fahren«.
Das stimmt, sofern man entweder in einer Fitnessklasse radelt, in der man auch das rot gepunktete Bergtrikot der Tour de France einsammeln könnte, oder elektrischen Strom zu Hilfe nimmt. Wie bei der Sonntagbergrunde schlängelt sich auch bei der »Sebaldusroute Heiligenstein« im Zentrum der Radregion das Sträßchen mehrere Kilometer steil bergauf zur Kirche.
PILGERN MIT DEM AUTO GILT NICHT
Die Kirche am Heiligenstein ragt aus dem Bergwald empor, und an ihrem Fuß liegt in einer Grotte friedlich die Statue eines schlafenden Heiligen. Sebaldus heißt der Mann, der dem Radtourismusprojekt als Namensgeber dient. Eigentlich beansprucht ihn das weit jenseits
Radtourismus
Informationen zu den Radtourismus-Förderzielen in Niederösterreich bietet die Wirtschaftsagentur Ecoplus: ecoplus.at/regionalfoerderung/radfahren
Übernachten
Die Informationsseite vom Tourismusverband Steyr und Nationalpark Kalkalpen bietet einen Überblick über die Routen der Sebaldusregion samt GPS-Daten zum Download als gpx-Datei.
der Berge, des Mostviertels und der Donau gelegene Nürnberg für sich. Fränkische Kaufleute haben die Geschichte des wohltätigen Einsiedlers wohl auf einer ihrer Reisen den Menschen in der Gegend von Weyer erzählt. Die fanden sie so gut, dass sie wenig später behaupteten, dieser Mann habe mehr als zehn Jahre in einer Höhle am Heiligenstein ein frommes Einsiedlerleben geführt.
Es gibt zwar keine Belege dafür, dass Sebaldus zu seinen zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert vermuteten Lebzeiten für mehr als die Durchreise von Rom nach Franken in dieser Gegend weilte. Begraben ist der Heilige in der nach ihm benannten Kirche im Zentrum von Nürnberg. Die Legende setzte dennoch einen schon seit Jahrhunderten anhaltenden Strom von Pilgern in Gang, die sich zum Heiligenstein mühen, um für ihre Anliegen zu beten. Der Wunsch Unverheirateter, endlich den Richtigen oder die Richtige zu finden, ist dabei am populärsten geworden. Das mutet paradox an. Denn die Legende besagt, dass Sebaldus seine Frau, eine französische Prinzessin, noch in der Hochzeitsnacht verließ, um nach Rom zum Papst zu pilgern und zum Kirchenmann zu werden. Für KatholikInnen gehört es aber dazu, solche Ungereimtheiten mehr oder weniger augenzwinkernd einfach zu akzeptieren. Über die Jahrhunderte betrachtet, kamen wohl die meisten Pilger zu Fuß zum Pilgerstein, doch später begannen viele, den steilen Weg mit
OBERÖSTERREICH
dem Auto abzukürzen. Das schadet nicht nur dem irdischen Klima, sondern kann durchaus ein religiöses Risiko sein: Werden Gebete von PilgerInnen, die vorher nicht ordentlich geschwitzt und gelitten haben, überhaupt erhört?
EINE NEUE ZUKUNFT FÜR EINE KLEINE STADT
Heidenreichstein
Heute bietet das E-Bike glücklicherweise einen Mittelweg: Anstrengung ja, aber in Maßen. Und dafür, dass dieses Fortbewegungsmittel beim Pilgern in theologischer Hinsicht auch wirklich gilt, gibt es nun sogar kirchlichen Segen. Die Initiative für die Sebaldusregion kommt von einer Gruppe von Freunden aus Weyer, die sich regelmäßig zu Radtouren durch die von steilen Hügeln geprägten Landschaften entlang von Flüssen wie Ybbs und Enns traf. Man plauderte, ging gut essen – und machte regelmäßig Halt an den kleinen und großen Kirchen. Aus den privaten Radtouren hat sie ein ganzes touristisches Konzept gezaubert: Auf sieben Routen geht es durch üppige Hügellandschaften zu den Wallfahrtskirchen im Dreibundesländereck.
Raabs an der Thaya Waidhofen an der Thaya
Gmünd
WALDVIERTEL
Zwettl
Rappottenstein
Die Region war lange vom Eisenbergbau geprägt, aber früher war das Städtchen Weyer auch Tourismuszentrum. Weil sich der Ort von Wien aus mit der Eisenbahn direkt und schnell erreichen lässt, zog es Beamte des kaiserlichen Hofstaats für die Sommerfrische hierher. Diese Blütezeit endete aber schon vor mehr als hundert Jahren. In Weyer blättert heute der Putz
Gföhl Heiligenstein
MOSTVIERTEL
Wilhelmsburg
von den Fassaden, und ein imposanter Tunnel, der in den Fels gebohrt wurde, hält künftig den Verkehr von der teilweise von venezianischen Baumeistern errichteten Innenstadt fern. Zwar sind alle froh, wenn keine Lastwagen mehr durchbrettern, aber zugleich droht es still zu werden, zu still vielleicht. Wo liegt da die Zukunft der Stadt und ihrer Umgebung?
Auftritt Rudi Grogger, einer der radelnden Freunde: Der pensionierte Tierarzt strotzt vor Tatendrang und wollte sich unbedingt an einem Ideenwettbewerb der regionalen Tourismusagentur beteiligen, wie sich die Heimatregion touristisch aufwerten lässt. Grogger hat selbst keine Mühe, für das elegante, direkt am Radweg gelegene Gästehaus, in das er im Ruhestand seine frühere Praxis verwandelt hat, ausreichend Gäste anzuziehen. Doch er möchte, sagt er, dass Weyer an seine Blütezeit anschließt und noch attraktiver für junge Menschen wird. Eine Pop-up-Bar auf dem Marktplatz, die Studenten auf Heimaturlaub eingerichtet haben, lässt dem Fünfundsiebzigjährigen das Herz aufgehen wie das sprießende Kulturleben mit Lesungen und Konzerten.
SIEBEN ROUTEN, MEHR ALS SIEBEN WALLFAHRTSKIRCHEN
Im Tourismus-Ideenwettbewerb bekamen Grogger und der Kreis lokaler Initiatoren den Haupt- und den Publikumspreis: Weyer soll zur Hauptstadt einer »Radpilgerregion« werden, die ganz im Geist der Freundestouren Sport, Landschaftsgenuss und Glauben verbindet. »Radfahren ist in, Pilgern ist in, und wir bringen das zusammen«, sagt Grogger. Das Projekt »Radpilgern in der Sebaldusregion« wurde gerade erst offiziell eingeweiht. Den kirchlichen Segen dafür, mit dem E-Bike zu pilgern, erteilte der Torwart der österreichischen Nationalmannschaft der Priester. Die Route zum Heiligenstein ist die kürzeste davon und gut zum Aufwärmen. Die Sebaldusregion ist eine Bereicherung für die Radwanderkarte Niederösterreichs. Die Tourismusförderung des Landes hat mit der Modernisierung des Ybbstalradwegs in jüngster Zeit auch dazu beigetragen: Seit April 2025 verläuft der Radweg von Ybbs an der Donau bis nach Sonntagberg – quasi als Zubringer für die Pilgerregion – auf einer ruhigeren Route, ab Waidhofen geht es auf der früheren Bahntrasse tiefer in die Sebaldusgegend hinein.
Mit diesem Blick werden alle belohnt, die – ohne oder mit E-Antrieb – die Sonntagbergroute bestreiten.
Christian Weinberger, der bei Niederösterreichs Wirtschaftsagentur Ecoplus für die Förderung der Infrastruktur des Radtourismus zuständig ist, nennt als Priorität, insgesamt zehn definierte Hauptradwege in Niederösterreich durchgängig komfortabel und sicher nutzbar zu machen. »Dabei sind wir schon gut vorangekommen, aber es gibt immer noch etwas zu tun«, sagt er.
Zu den Hauptrouten zählt freilich der Donauradweg mit knapp einer Million RadlerInnen pro Jahr, der Wien-Br�eclav-Radweg und der Eiserner-Vorhang-Radweg, die allesamt auch europäische Langstreckenrouten sind, zudem kürzere Strecken wie der Triestingtal-Gölsental-Radweg oder regionale Langstreckenrouten wie die 400 Kilometer lange Kamp-ThayaMarch-Radroute durch das Waldviertel. Früher zwei Drittel, heute die Hälfte der Kosten für den Aufbau einer besseren Radinfrastruktur können Gemeinden als Zuschuss bekommen, wenn sie an den Hauptrouten zum Beispiel statt Schotter glatten Asphalt bieten, die Trassenführung optimieren oder Wegweiser und Rastplätze nach vorgegebenen Qualitätskriterien verbessern wollen. Die Investitionen können pro Projekt in die Millionen gehen.
WIE ADAM UND EVA IM BACHBETT
Für Radfans aus Niederösterreich können die Sebaldusrouten eine Anregung sein, als VelopilgerInnen auch die angrenzenden Bundesländer zu erkunden. So führt die »Brunnbachrunde« ins Reichraminger Hintergebirge – auf ihr kann man radelnd darüber sinnieren, was genau mit dem in der Bibel formulierten Schöpfungsauftrag gemeint war. Der Weg führt zuerst entlang der Enns, dann von Gebirgsbächen, deren grün-
Anreise
Weyer und Gaflenz sind mit den ÖBB per Zug zu erreichen. Ab St. Pölten beträgt die Reisezeit grob 1,5 Stunden. Die regionale Zugstrecke kann auch genutzt werden, um Radrouten abzukürzen.
Österreichs erstes Weltnaturerbe: Die Buchenwälder und Buchenmischwälder im Nationalpark Kalkalpen erstrecken sich von 380 bis 1450 Metern Seehöhe.
blau-klare Gumpen so einladend wirken, dass sich manche Besucher aus Ästen und Decken eigene kleine Behausungen in deren Bett bauen, als wären sie Adam und Eva im Garten Eden. Bald verkünden nicht nur Schilder, dass hier der Nationalpark Kalkalpen beginnt, sondern auch die sattgrünen Buchenwälder an den karstigen Hängen, deren Schutz als »größte Waldwildnis Österreichs« er dient.
Fahrradverleih
Radsport Ginner in Waidhofen an der Ybbs bietet den Verleih von E-Bikes je nach Modell für 35 bis 55 Euro pro Tag an. Telefon 074 421 / 55 343 ginner-sport.com
Zu ähnlichen Tarifen bietet E-Mobility Erlebniswelt an mehreren Standorten Räder an: Telefon: 0676 / 56 46 261 emobility.co.at
Offenlegung: Der Tourismusverband Steyr hat Unterkunft und E-Bikes zur Verfügung gestellt.
Über mehr als zweihundert Quadratkilometer erstreckt sich der Nationalpark, der sich rühmt, »das größte Buchenwaldschutzgebiet der Alpen« zu sein – und ein Relikt von Naturwüchsigkeit. Denn rund um den unweit gelegenen steirischen Eisenberg wurde über Jahrhunderte der Wald in großem Stil abgeholzt und zu Holzkohle verbrannt, mit der die Hüttenwerke auf die nötigen Betriebstemperaturen kamen. Ein kleiner Abstecher vom Radweg führt durch kühle Tunnel zu einer Klamm, die früher geschickt angestaut wurde, nur um dann Tausende ins Wasser beförderte Baumstämme auf einer Flutwelle talabwärts zu schicken. Als es in den Achtzigerjahren Pläne gab, an der Stelle der Klamm eine 120 Meter hohe Staumauer zur Stromproduktion zu errichten, war der Widerstand groß – und das Vorhaben schlug in sein ökologisches Gegenteil um, die Gründung des Nationalparks Kalkalpen, der die verbliebenen Naturwälder bewahrt. Eine der Buchen könnte mehr als 500 Jahre alt sein, haben Wissenschaftler herausgefunden.
Während der Radpilger darüber nachdenkt, ob nun die Eisenerzverhüttung oder der Nationalpark näher am göttlichen Auftrag aus dem Buch Genesis liegt, nähert er sich Brunnbach.
Früher ein Drehkreuz der Holzwirtschaft, könnte man sagen, das Örtchen befinde sich heute »in the middle of nowhere«, wenn dieses Nichts nicht von Tausenden verschiedenen Blütenpflanzen, 1500 Schmetterlingsarten, seltenen Vögeln wie dem Dreizehenspecht und dem Zwergschnäpper sowie 55 Säugetierarten, darunter Luchs und Fischotter, bewohnt wäre und sich eher nach »middle of everything« anfühlte.
Im Stadel unten am Bach brummt zumindest am Wochenende das Leben. Wer nicht gerade ein Fastengelübde abgelegt hat, sollte sich hier mindestens eines der üppig und kunstvoll belegten Brote einverleiben, bevor es dann steil zum Pilgerziel hinaufgeht, der Kirche mit Zwiebelturm, die der Heiligen Familie gewidmet ist. Ein paar Höhenmeter hinter der Kirche beginnt eine Abfahrt zurück in Richtung Enns und Weyer, die so berauschend schön und lang ist, dass sie einen Platz im Traumreigen jedes Radfahrers verdient hat.
»KRAFTPLATZERL« FÜR AGNOSTIKERINNEN
Für gläubige Menschen, die gleichermaßen gerne Rad fahren und Kirchen besuchen, ist das Angebot der »Sebaldusregion« wie gemacht. Eine Gruppe von E-BikerInnen formuliert ihre Hoffnungen im BesucherInnenbuch so: »Mit viel Schweiß haben wir den Heiligenstein erklommen, unsere Sünden sind uns jetzt genommen.« Aber auch RadfahrerInnen, die ihr Heil eher außerhalb von Kirchen suchen, kommen auf den sieben Routen auf ihre Kosten – wegen der herrlichen Natur und ihrer besonderen Orte.
Der Legende nach war der Heiligenstein schon als solcher bekannt, bevor hier eine Kirche entstand – womöglich wurde das Gotteshaus, wie so oft, gezielt auf einer naturreligiösen Kultstätte vorchristlicher Zeiten gebaut. Sie befand sich, so heißt es, am Gipfel zwischen zwei spitzen Felsen in einer von Farnen und Moos bewachsenen Einbuchtung. »Kraftplatzerl« haben die Einheimischen diese Stelle heute getauft. Zwischen den Blumen liegt es sich gut zum seelischen Stromladen, bevor es dann pfeilschnell und jauchzend wieder ins Tal geht.
STÜCKWERK
Damit Niederösterreich wirklich zum »Radland« wird, müssten Gemeinden die Zersiedelung beenden und übergeordnete Strategien vom Land umgesetzt werden.
Es wird in Niederösterreich mehr Rad gefahren. Besonders in St. Pölten. Die im November 2024 veröffentlichte Mobilitätserhebung 2024, durchgeführt von der Stadt, hat ergeben, dass der Radverkehr im Modalsplit im Vergleich zur letzten Erhebung davor im Jahr 2018 von 14 % auf 18 % zugenommen hat. Gleichzeitig ist der Autoverkehr von 55 % auf 46 % gesunken. Und das, obwohl die Bevölkerung in diesem Zeitraum gewachsen ist. Mehr Menschen, die weniger Auto fahren – es ist also möglich.
Auch außerhalb von St. Pölten wird öfter auf das Rad als Transportmittel zurückgegriffen.
Maria Zögernitz, Teil des Vorstands des Vereins Radlobby Niederösterreich, führt das unter anderem auf ein breiter werdendes Angebot an Rädern zurück: E-Bikes spielen dabei
eine große Rolle, wenn es darum geht, längere Strecken zu bewältigen, aber auch Lastenräder oder Anhänger. Dass es heute ein vielfältigeres Angebot an Fahrrädern und Fahrradzubehör gibt, sorgt schlicht dafür, dass sie auch vielfältiger und häufiger einsetzbar sind. Die neue Mobilitätserhebung für das gesamte Bundesland wird gerade durchgeführt und es gibt noch keine Ergebnisse.
GESUCHT: ÜBERGEORDNETE PLANUNG
Damit der Radverkehr noch attraktiver wird und noch mehr wird, müssten sich für Maria Zögernitz vor allem zwei Dinge ändern: Zum einen muss mit einer falschen Siedlungspolitik aufgehört und die Orte der kurzen Wege umgesetzt werden. Und zum anderen müssten Gemeinden und das Land eine gemeinsame Stra-
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Martin Mühl
»Viele der für den Tourismus eingerichteten Radwege sind im Alltag wenig hilfreich, weil sie nicht die für diesen wichtigen Punkte miteinander verbinden.«
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Maria Zögernitz, Radlobby Niederösterreich
RadtourismusStrategie 2025
Niederösterreich hat in den letzten Jahren in diesem Rahmen 13 Millionen Euro investiert. Umsätze von rund 252 Millionen Euro hängen mit dem Radtourismus in Niederösterreich zusammen. Im Schnitt gibt ein Radler, der in Niederösterreich nächtigt, 94 Euro pro Tag aus.
tegie entwickeln und diese auch umsetzen. Die Zersiedelung der vergangenen Jahrzehnte findet weiterhin statt: »Die Ortskerne sind verlassen und werden zu wenig revitalisiert, noch immer setzen zu viele Gemeinden auf Gewerbeflächen, Wohngebiete und Supermärkte außerhalb des Ortes, die am besten mit dem Auto erreichbar sind. Das führt auch in kleinen Ortschaften zu langen Wegen«, spricht Zögernitz eine Ursache vieler Probleme an. Ein weiteres grundsätzliches Problem sind die Verbindungswege, die Landstraßen zwischen den Ortschaften, oft nicht auf den Radverkehr ausgelegt und gefährlich. Immer wieder kommt es zu – auch tödlichen – Unfällen. Die Gemeinden wären oftmals durchaus motiviert, bessere Radinfrastruktur zu schaffen, können es sich alleine aber schlicht nicht leisten. Und das Land hat andere Prioritäten: Laut Voranschlag 2025 sollen im Jahr 2025 ingsgesamt 516 Millionen Euro in den Straßenbau fließen … inklusive schlanken 14,5 Millionen Euro für »Rad- und Interessentenwege«. Bis 2024 gab es zweckge-
Die Radlobby Niederösterreich sorgt für Vernetzung, stellt Forderungen und macht RadfahrerInnen und ihre Interessen mit Aktionen sichtbar.
bundene Mittel für den Ausbau der Radinfrastruktur vom Bund, die sind ausgelaufen. Anfang Oktober 2025 hat das Land Niederösterreich mitgeteilt, 15 niederösterreichische Gemeinden in der Errichtung von Radinfrastruktur zu fördern – mit in einer Gesamthöhe von rund 586.000 Euro.
TOURISMUS SETZT SICH AUFS RAD
Ein wichtiger und finanziell potenter Player ist auch in Niederösterreich der Tourismus –und dieser setzt ganz bewusst auf das Rad als Freizeit- und Sportgerät. Mit der »Rad-Tourismusstrategie 2025« wurden Infrastruktur und Erlebnisqualität verbessert, mit GastgeberInnen am Angebot gefeilt, wurden Verleih- und Reparaturservices ausgebaut und das Angebot auch schlicht besser kommuniziert. Niederösterreich bietet hier sowohl etwas für MountainbikerInnen als auch für jene, die genießen wollen, dass es in Niederösterreich auch viel flaches Land gibt. »Hier ist allerdings zu beachten, dass viele der eingerichteten Radwege, die sich an TouristInnen richten, die Schönheit der Strecken in den Vordergrund rücken, Sehenswürdigkeiten oder Weinberge. Diese Wege sind oft im Alltag wenig hilfreich, weil sie nicht die für diesen wichtigen Punkte miteinander verbinden. Ausnahmen sind deren Start- und Endpunkte, die in Ortschaften zu Hauptplätzen oder Hotels führen«, so Zögernitz. Wege wie der Traisentalradweg, der sich touristisch und im Alltag nutzen lässt, sind tendenziell eher die Ausnahme. In den Augen der Radlobby wird ein weiterer Punkt oft vernachlässigt: nämlich dass Wien mitten im Bundesland Niederösterreich liegt und es viel Mobilität vor allem zwischen diesen beiden Bundesländern gibt. Auch hier wäre es nötig, gemeinsame Lösungen zu finden und Infrastruktur gemeinsam auszubauen. Erste Ansätze dazu gibt es mit Routenplanungen. Die Radlobby Niederösterreich richtet sich mit ihren Forderungen an die zuständigen Stellen, wie die niederösterreichische Landesregierung und die Gemeinden oder nützt konkrete Anlässe für Schwerpunktsetzungen. Etwa, wenn in St. Pölten eine neue Polizeizentrale abgelegen auf einem Hügel gebaut wird, statt an einem gut erreichbaren Ort. Damit Niederösterreich für alle zum »Radland« wird, ist jedenfalls noch einiges an Anstrengungen nötig.
Der GesunDheitsplan nieDerösterreich.
Wir machen Die Gesun D heitsversorG un G zukunftsfit.
Das 2024 wiedereröffnete Stadttheater Wiener Neustadt bietet auch ein großes Angebot für Kinder und Jugendliche.
Alles klingt, alles spielt:
Wiener Neustadts lebendige Kultur
Kinder, Kunst und die Strahlkraft der Schulstadt: Die vierte Staffel des »Kultur4Kids«-Podcasts in diesem Jahr führt nach Wiener Neustadt.
Wiener Neustadt ist nicht nur eine Schulstadt, sondern auch eine Kulturstadt. So gesehen naheliegend, dass Kultur für ein junges Publikum in der zweitgrößten Stadt Niederösterreichs besonderen Stellenwert genießt. Und logisch, dass sich auch der Podcast »Kultur4Kids« dem reichen Angebot der »Statutarstadt Wiener Neustadt« (so der Titel der neuen Staffel) widmen wird. Mit dem Podcast bringt die Kunst- und Kulturabteilung des Landes Niederösterreich die kulturellen Schätze des Bundeslandes näher: abenteuerlich, spielerisch und kindgerecht erzählt von Sophie Berger und Robert Steiner. Was entdecken die beiden in der mit knapp 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner zweitgrößten Stadt Niederösterreichs?
Zunächst: eine Stadt, in der überall Musik ist: 565 Kinder und Jugendliche werden derzeit an der städtischen Musikschule von 27 Lehrenden unterrichtet. Tendenz
Der »Kultur4Kids«-Podcast macht Lust, das Kinderkultur-Angebot Niederösterreichs zu entdecken. – z. B. die Inszenierung von »Das Neinhorn«.
steigend, wie der scheidende Direktor Raoul Herget sagt. Der Zulauf an seine Schule habe mit der starken Strahlkraft der Schulstadt zu tun: »Wenn die Kinder aus der Region in die Schule pendeln, melden sie sich vielfach gleich auch hier zum Musikunterricht an.« . In der musikalischen Früherziehung nähern sich Vorschulkinder spielerisch Rhythmus, Singen und Musik an und lernen mittels »Instrumentenkarussell« kennen, welche Instrumente es gibt. Traditionell sind an seiner Schule Streichinstrumente und seltene Holzblasinstrumente wie Oboe und Fagott besonders beliebt, ebenso wie das gemeinsame Musizieren in Orchestern und Ensembles, das an der Josef Matthias Hauer-Musikschule verstärkt gefördert wird. Neben der musikalischen Ausbildung bietet die Musik- und Kunstschule zudem die Möglichkeit, die künstlerischen Fähigkeiten auszubauen, zum Beispiel in Fächern wie Malen, Schau-
spiel oder Fotografie. Eine große Veränderung im Laufe seiner 34 Berufsjahre sei aber augenscheinlich, sagt Raoul Herget: die allgegenwärtige Ablenkung. »Kinder haben heutzutage schon fast zu viele Möglichkeiten, um sich einer Aktivität ernsthaft über einen längeren Zeitraum zu widmen«, sagt der Musikschuldirektor. »Auch Eltern wollen oft schnelle Erfolge sehen, aber um ein Instrument zu beherrschen, braucht es viel Übung, Geduld, Zeit und eben wenig Ablenkung.«
NEU UND OFFEN: DAS STADTTHEATER WIENER NEUSTADT
Auch am runderneuerten Stadttheater Wiener Neustadt hat sich das Team um Maria Großbauer einiges einfallen lassen, um für unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen attraktiv zu sein. »Ein großer Schwerpunkt ist das junge Publikum«, sagt die Geschäftsführerin. Es gibt ein großes Angebot für Schulen. Neben Gastspielen des Landestheaters (derzeit etwa eine Inszenierung von Marc-Uwe Klings »Das Neinhorn« oder von Michael Endes »Der Wunschpunsch«) ist der Leiterin des Stadttheater aber auch wichtig, dass das junge Publikum selbst aktiv wird. »Kinder und Jugendliche sollen nicht nur still im Theater sitzen und zuhören, sondern auch selber was machen«, sagt Großbauer. In der ersten verkürzten Saison nach der Wiedereröffnung – das Haus wurde renoviert und ist nun barrierefrei – gab es fünf eigene Projekte mit Schulen, etwa einen Sprachenwettbewerb oder ein Musical. Insgesamt 73 Schulen haben das Haus immer wieder besucht. Damit reicht das Einzugsgebiet weit über Wiener Neustadt hinaus – bis Wien. »Wir profitieren davon, dass wir von Meidling aus in nur 23 Minuten mit der S-Bahn und unser Haus vom Bahnhof in fünf Minuten durch die Fußgängerzone erreichbar ist«, sagt Maria Großbauer. »Unser Vorbild, was die Vielfalt und Bandbreite der Genres angeht, ist das Wiener Konzerthaus. Aber wir haben am Stadttheater sogar noch Sprechtheater und Kino.« Für Konzerte – etwa die »Funk Night« – werden da schon einmal ein paar Sesselreihen entfernt und das Parkett vor der Bühne wird zur Tanzfläche. Bei Kinovorführungen darf sogar im Saal gegessen und getrunken werden (etwa im – natürlich für Erwachsene programmierten – Angebot »Vino im Kino«). Seit Kurzem gibt es auch ein »Babykino«, in das Eltern mit dem Kinderwagen kommen können, um endlich mal wieder ins Kino gehen zu können. »Da ist es allen egal, wenn mal ein Kind weint, weil ohnehin alle mit dem Baby da sind und Verständnis haben«, sagt Großbauer. Wiener Neustadt hat nicht nur »Kultur4Kids«, sondern viele Angebote für die ganze Familie.
Weitere Tipps: kultur4kids.at/kulturkompass
KULTUR4KIDS TIPPS
»Die Weihnachtsgeschichte« nach Charles Dickens ist ein Klassiker. Das gilt mittlerweile aber auch bereits für die Musical-Adaption von teatro in der Stadtgalerie Mödling (Intendanz und Musik: Norberto Bertassi). Bereits das zehnte Jahr in Folge ist die beliebte Produktion rund um den verbitterten Ebenezer Scrooge dort zu sehen. (Und wer zu Weihnachten gemeinsame Zeit schenken möchte: Im Februar 2026 organisiert das teatro Familienworkshops zum Thema »KönigInnen der LöwInnen«.) 2340 Mödling, Kaiserin-Elisabeth-Straße 1; von 6. bis 23. Dezember teatro.at
Jeden dritten Samstag im Monat lädt das offene Atelier »Family Factory« der Kunstmeile Krems Kinder und ihre Familien zum gemeinsamen kreativen Probieren, Basteln und Experimentieren ein. In der Vorweihnachtszeit sogar an zwei Samstagen, jeweils von 14 bis 17 Uhr: am 13. Dezember (Motto: »Klingelingeling«) und am 20. Dezember (Motto: »Weihnachtszauber«). 3500 Krems, Steiner Landstraße 3/1. OG (Atelier Kunstmeile Krems) kunstmeile.at
Bis 8. Februar 2026 im KinderKunstLabor St. Pölten zu sehen: die Ausstellung »Schattenfänger«. Auf experimentelle Weise begeben wir uns nach Sonnenuntergang in einen nächtlichen Garten in eine inspirierende und kollaborative Schatten- und Klanglandschaft, in der wir fantastischen Kreaturen, viel Licht und viel Schatten begegnen und mit diesen interagieren. Fantasievoll.
3100 St. Pölten, Schulring 24 kinderkunstlabor.at
An Samstagen, Sonn- und Feiertagen finden im Museum Niederösterreich in St. Pölten familiengerechte Touren durch die Ausstellungen statt. Zu »Kinder des Krieges« ebenso wie zu »Tiere der Nacht«. 3109 St. Pölten, Kulturbezirk 5; unterschiedliche Zeiten, Dauer jeweils 60 Minuten museumnoe.at
Sechs Wikinger – Björn, Erik, Fridmundur, Galman, Harald und Sven – und die Ziege Heidrun aus den kalten Nordlanden erzählen in Cordula Nosseks »Als die Wikinger Weihnachten entdeckten«, warum sie eines Tages beschlossen, auch Weihnachten zu feiern. In ihrer Sprache heißt das Fest »Jul«. Eine Inszenierung des Dachttheater für Kinder ab 3 Jahren im Stadtsaal Mistelbach. 2130 Mistelbach, Franz Josef Straße 43 (Wilhelm Benatzik-Saal); am 7. Dezember, 15 Uhr puppentheatertage.at
Kinder, Flucht und Kinderrechte
Kinder sind eine wichtige Zielgruppe des Museums St. Peter an der Sperr, auch für die anstehende Ausstellung »Für das Kind«, erklärt Leiterin
Ihre Ausstellung »Für das Kind« widmet sich dem Handgepäckstück, das Kinder, die zwischen Dezember 1938 und September 1939 aus dem Deutschen Reich nach Großbritannien in Sicherheit gebracht wurden, mitnehmen durften. Kinder sind da eher nicht die Hauptzielgruppe, oder?
Da würde ich sagen: Jein. Wir bieten Vermittlungsprogramme für Schulklassen und Familien mit größeren Kindern an. »Für das Kind« ist eine Wanderausstellung, die wir selbst erweitert haben. Die Eröffnung macht das Fotoprojekt zweiter britischer Fotografinnen aus. Sie baten ehemalige »Kindertransportkinder« um wichtige Erinnerungsstücke und haben diese in Koffern fotografiert. Wir haben das selbst um Schicksale aus Wiener Neustadt erweitert. Einige Kinder wurden damals rechtzeitig nach Großbritannien gebracht. Andere konnten über die sogenannte Jugend-Alijah nach Palästina auswandern. Der dritte Teil der Ausstellung widmet sich Kinderrechten. Auch damit versuchen wir dem Thema Aktualität zu verleihen.
Was befand sich denn damals im Gepäck der Kinder?
Da gibt es ganz unterschiedliche Erinnerungsstücke: Fotos, Bücher, Puppengewand, Kleidungsstücke.
Die Kinder durften ja nicht viel mitnehmen. Neben Gewand war da natürlich Praktisches wie Wörterbücher dabei. Wertgegenstände
Julia Schlager.
durften nicht mitgenommen werden, das wurde auch kontrolliert. Ich denke, dass sich das auch heutigen Kindern erschließt. Das Thema Flucht und Krieg ist ja leider immer aktuell und Kinder bekommen die politische Weltlage über Medien, Gespräche der Eltern und ihr Umfeld mit.
Ist die Ausstellung auch als Teil des ausklingenden niederösterreichischen Gedenkjahrs 2025 zu verstehen?
Auf jeden Fall. Das offizielle Gedenkjahr bezieht sich ja auf die 5er-Jahre Weltkriegsende, Staatsvertrag und so weiter. Dem Aufruf des Landes Niederösterreich die Erinnerungskultur wach zu halten, sind wir wirklich sehr gerne gefolgt.
Beziehen Sie auch die lokale Bevölkerung ins Erarbeiten von Ausstellungen ein?
Ehrlicherweise ist das schwierig. Dazu sind wir als Team zu klein. Projekte mit Partizipation sind sehr personalintensiv. Wir versuchen, für die Stadt relevante Themen zu erarbeiten und die Bevölkerung mit Aktionstagen reinzuholen. Sehr beliebt sind unsere Themenführungen durch die Stadt – z. B. zu verborgenen Kirchen und Klöstern, Henker- oder Nachtwächterführungen. Oft kommen Kinder, die bei einem Workshop oder in unserer Mitmachausstellung waren, wieder und bringen ihre Familie mit.
Julia Schlager, Leiterin des Museums St. Peter an der Sperr in Wiener Neustadt, des ältesten Stadtmuseums Österreichs (gegründet 1824)
museum-wn.at
WINTERURLAUB AM BIOHOF
Ob mit oder ohne Schnee: Die Atmosphäre auf einem Bauernhof ist auch im Winter einzigartig.
Ruhe und Natur, das ist es, was die Gäste auch in der kalten Jahreszeit am Biohof Lueg suchen. »Wir sind sicher kein klassischer Winterbetrieb«, sagt Bäuerin Brigitte Fallmann, »viele Wintergäste wollen Skifahren gehen und möglichst neben der Piste wohnen. Das können wir nicht bieten.« Das nächste Skigebiet – Lackenhof am Ötscher – ist eine halbe Autostunde entfernt. Auf 450 Metern Seehöhe kann Ginselberg, wo der Hof einsam und allein im Wald liegt, auch keine Schneesicherheit bieten. »Gibt es Schnee, dann lieben die Kinder
das Bobfahren vor dem Haus«, sagt Fallmann. Auch Langlaufloipen sind in Reichweite. Wobei die Bäuerin nichts versprechen will: »Was die Schneelage angeht, ist es leider nicht mehr wie vor 30 Jahren.« Dafür gebe es aber eben wirklich Ruhe, Natur und – nach Winterwanderungen oder ausgelassenem Spielen im Winterwald – eine Infrarotkabine.
LANDSCHAFT UND TIER SIND IMMER DA »Mithelfen im Stall kann man ohnehin zu jeder Jahreszeit«, sagt Fallmann. Im Winter,
TEXT
Thomas Weber
Biohof Lueg
Familie Franz und Brigitte Fallmann
OBERÖSTERREICH
3270 Scheibbs, Ginselberg 6 biohof-lueg.at
Biohof Kurzeck
Familie Angelika und Hubert Rettensteiner
3345 Göstling an der Ybbs, Königsberg 9 ferienambauernhof.net
wenn die Murbodner Rinder bevorzugt im Stall sind, geht das sogar etwas leichter. Auch Schweine, Hühner und Enten gibt es am Hof. Nur die Bienen bleiben bis zum Frühling verborgen. Ihren Honig allerdings gibt es das ganze Jahr über zu verkosten.
WALDVIERTEL
Die Anwesenheit von Tieren, regionale Spezialitäten aus bäuerlicher Produktion, vor allem aber die familiäre Atmosphäre und Gastfreundschaft, Landschaft und Lage bringen viele Menschen dazu, ihren Urlaub auf einem Bauernhof zu verbringen. Der durchschnittliche Gast ist 50 Jahre alt, vom Säugling bis zu den Großeltern gerechnet. Ohne Schikarten und teure Pistenausrüstung kommt ein Winterurlaub am Bauernhof Familien auch günsti-
ger als anderswo. Abwechslung und Aktivitäten gibt es auch abseits der Schigebiete genügend. »Wir bewerben im Winter alles außer Schifahren««, sagt Gerlinde Wagner vom Dachverband Urlaub am Bauernhof mit Sitz in Salzburg. Der sanfte Tourismus stehe im Vordergrund, »in Niederösterreich ist das Sanfte sogar besonders wichtig, weil es hier keine richtig hohen Berge gibt«, so Wagner. 244 Mitgliedsbetriebe bieten im Bundesland Urlaub am Bauernhof an, 14 davon sind biozertifiziert. Seit 2024 bewirbt der Verband gemeinsam mit der bäuerlichen Interessensvertretung Bio Austria auch ganz besonders den Urlaub am Biobauernhof. Marktforschung hat ergeben, dass die wachsende Zahl von Deutschen und ÖsterreicherInnen, denen Bioqualität bei der Wahl ihrer Lebensmittel wichtig ist, darauf auch im Urlaub nicht verzichten will. Interessanterweise sind Bio und Nachhaltigkeit den Gästen im Winter sogar besonders wichtig (Quelle: Jahresbericht Urlaub am Bauernhof 2024). Bei dieser Zielgruppe rechnet sich der Dachverband besondere Chancen und eine Affinität für Urlaub am Bauernhof aus.
WO BRAUCHTUM UND RUHE ZU HAUSE SIND
MOSTVIERTEL
OBERÖSTERREICH
Im vergangenen Winter zeigten Werbeanzeigen neugierige Rinder im Schnee (»Dein Urlaub am Biobauernhof wartet«). Auch wenn es die meisten Menschen während der Sommermonate auf Bauernhöfe zieht: Der Winter ist für die landwirtschaftlichen TourismusanbieterInnen »die zweitstärkste Saison«, sagt Gerlinde Wagner. Mittlerweile gibt es in der Wintersaison auf den beherbergenden Bauernhöfen 41 sogenannte Vollbelegtage; das heißt: 41 Wintertage, an denen alle verfügbaren Zimmer und Appartements auf österreichischen Bauernhöfen ausgebucht sind.
Im Winter wird auf den Höfen häufig Wert auf Brauchtum und Gemeinschaft gelegt. »Viele bieten Aktivitäten wie Adventkranzbinden oder Keksebacken an«, sagt Gerlinde Wagner. Bei Familien mit Kin-
Schneesicherheit zum Bobfahren am Ginselberg gibt es auf 450 Metern Seehöhe längst keine mehr. Doch: »Mithelfen im Stall kann man zu jeder Jahreszeit«, sagt Biobäuerin Brigitte Fallmann.
Hollabrunn Retz
Tulln an der Donau
dern ist das ebenso beliebt wie bei Gästen fortgeschrittenen Alters.
GENUSS VOM EIGENEN HOF
»Es wird nichts inszeniert«, sagt Biobäuerin Angelika Rettensteiner, »aber wenn Brauchtum gelebt wird – was bei uns der Fall ist –dann sind die Gäste natürlich willkommen und wir lassen sie gerne teilhaben.« Gemeinsam mit ihrem Mann und unterstützt von ihrem Sohn bewirtschaftet sie den höchstgelegenen Biohof im Mostviertel. Auf 1025 Metern Seehöhe ist Schnee im Winter schon eher wahrscheinlich, wenn auch keine sichere Sache. »Wenn Schnee liegt, dann sind der Hang und unsere Wiesen und Wege aber ideal zum Rodeln«, sagt sie. »Kinder lieben es, Schneemänner zu bauen, Schneeballschlachten zu machen, auch mit Tourenschiern oder Schneeschuhen kann man unterwegs sein und die nahegelegene ›Siebenhütten‹-Alm erreichen.« Neben den Rindern sind die drei Pferde bei Gästen besonders beliebt. »Wenn’s glatt ist,
Susanne Vorstandlechner Programmleiterin „Vitalküche in den NÖ Kliniken“
»Wir bewerben alles außer Schifahren.«
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Gerlinde Wagner, Urlaub am Bauernhof
gehen wir mit den Pferden aber nicht raus«, sagt Rettensteiner, »das wäre nicht zu verantworten«. Stammgäste schätzen das Frühstück am Hof. »70 Prozent dessen, was auf den Tisch kommt, sind wirklich von uns am Hof: Butter, Marmelade, Brot, Saft«, sagt die Biobäuerin. Milch und Joghurt müsse man zwar zukaufen. Um frische Butter zu haben, wird aber eine der 10 Mutterkühe zweimal täglich gemolken. Auch dabei kann man zuschauen. Sechs Uhr früh ist den Gästen meist zu zeitig. Gerne leisten sie ihrem Mann »auf’d Nacht«, so gegen 18 Uhr im Stall Gesellschaft.
Gemeinsame Plattform des Dachverbands Urlaub am Bauernhof und dem Biolandwirtschaftsverband Bio Austria urlaubambiobauernhof.info
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Das kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. Unser Angebot: gemeinsam besser essen! „Vitalküche“ macht gesunde Ernährung in Niederösterreichs Küchen einfacher – mit Beratung und Begleitung direkt vor Ort. Mahlzeit!
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Impressum:
BARBARA NOTHEGGER SIEBEN STOCK DORF
APRÈS-SKI
Um den Schnee soll es sich bei Niederösterreichs Bergbahngesellschaft auch in der kalten Jahreszeit weniger drehen. Je früher diese Transformation erfolgt, desto sanfter, ist ihr Geschäftsführer Markus Redl überzeugt.
BIORAMA: Sie sind Ecoplus-Alpin-Geschäftsführer. Man würde sich darunter nicht sofort das Managen einer Seilbahngesellschaft vermuten.
MARKUS REDL: Die »Ecoplus Alpin GmbH« gibt’s noch gar nicht so lang. Gegründet wurde die Gesellschaft 2010 als Niederösterreichische Bergbahnen-Beteiligungsgesellschaft (NÖ-BBG). 2021, nach 10 Jahren des Bestehens, haben wir umfirmiert, weil wir immer Teil der Ecoplus GmbH waren. Erstens war der Name nicht gerade kurz und prägnant, zweitens wollten wir die Zugehörigkeit zur Wirtschaftsagentur Niederösterreichs deutlich machen.
Es wurde auch Bilanz über die Arbeit von 10 Jahren gezogen – Landesrat Danninger hat zu diesem Anlass festgehalten: »Es war damals eine richtige Entscheidung, die Entwicklung von Schigebieten selbst in die Hand zu nehmen«. Ist der alpine Tourismus in NÖ immer auch Schitourismus?
Das ist ein Prozess. Wir beginnen mit diesem schrittweise. Wenn man damit nicht beginnt, wird man eines Tages vor den Kopf gestoßen. Man kann den Schnee produzieren, aber was nützt einem das, wenn der durch lange Warmwetterphasen beschädigt und jeden zweiten Winter durch Starkregenereignisse weggeschwemmt wird. Der Klimawandel bringt be-
sondere Risiken mit. Wir befinden uns wie die meisten österreichischen Schigebiete in einem Übergangsprozess.
Das hören vermutlich nicht alle gern. Sie sind seit 15 Jahren in Ihrer Funktion. Wie geht’s Ihnen, wenn Sie auf andere BergbahnvertreterInnen treffen – haben Sie da eine Sonderrolle?
Meine Publikationstätigkeit ist sicher eine ungewöhnliche. Das ist nicht für alle angenehm – weil dann etwa auch Medien zu anderen Destinationen gehen und sagen: Wir haben das beim Redl gelesen – Was ist Ihre Strategie dazu? Ich glaube aber, dass ich eine bestimmte Funktion erfülle, ich habe in zehn Jahren im Blog rund 100 Beiträge aus der Perspektive der Seilbahnwirtschaft geschrieben und werde aus unter-
Irina Zelewitz
Die Wexl Arena in St. Corona am Wechsel soll Vorbildwirkung für Infrastruktur haben, die bei unterschiedlichsten Temperaturen nutzbar ist. wexltrails.at
Rezension zu Markus Redls »DIE ZUKUNFT DER SKIGEBIETE. DAS WEISSE GOLD WIRD GRÜN!« auf BIORAMA.EU/ZUKUNFT-SKIGEBIETE-REZENSION
schiedlichen Bereichen alpenweit gelesen. Die strukturellen Themen sind mir ein Anliegen –deswegen fahr ich kreuz und quer durch die Gegend und halte meine Vorträge.
Angesichts des Klimawandels ist es in den meisten Lagen Niederösterreichs pokern,
INTERVIEW
»Das ist eine Kulturfrage: Wir müssen dafür sorgen, dass ich mich im Vorhinein informiere, dass ich eine Fahrt im Vorhinein plane. Die Alternative zur individuellen Reise muss möglichst komfortabel sein.«
Markus Redl
auf einen Winter mit solidem Schnee zu setzen. Aber was ist denn nicht nachhaltig am Schitourismus selbst?
Markus Redl
Der Geschäftsführer der Ecoplus Alpin hat nicht nur mehrere Bücher zum Thema Alpintourismus im Klimawandel verfasst, er bloggt auch.
tp-blog.at/author/ markus-redl
Das große Problem, sogar wenn der Schnee künstlich produziert wird, ist die Mobilität. Und zwar die der Gäste und die der MitarbeiterInnen.
Das Charmante am Schifahren – wie übrigens an jeder Aktivität, die viele Menschen auf kleiner Fläche vereint–, ist der geringe Flächenverbrauch, wir bewegen uns im Promillebereich der Alpen. Es ist also eine naive Vorstellung, dass die ganzen Alpen voller Schigebiete sind.
Teilweise sind es besonders sensible Gebiete, und auch wo keine neuen Lifte und Pisten entstehen, passiert nach wie vor Flächenverbrauch durch Ausbau touristischer Infrastruktur.
der Klimawandel. Also kommen wir zurück zur Mobilität. Wie reisen die Gäste an und was kann man da machen?
In aller Regel reisen die Gäste individuell an, mit dem eigenen oder dem geliehenen PKW. Auf Elektromobilität sind wir zwischenzeitlich gut eingestellt. Sie können bei uns einen bevorzugten Parkplatz buchen – Sie müssen auch einen buchen. Wir versuchen, das Mitfahren zu incentivieren, etwa mit den Kollegen von Ummadum. Die Tendenz hier ist –bundesweit – leider eine gegenteilige: Die Anzahl der Gäste pro PKW nimmt eher ab. Das ist eine Kulturfrage: Wir müssen dafür sorgen, dass ich mich im Vorhinein informiere, dass ich die Fahrt im Vorhinein plane. Die Alternative zur individuellen Reise muss möglichst komfortabel sein. Wir werden da einhaken, wir haben mit MitarbeiterInnen von »Bahn zum Berg« einen Routenplaner erarbeitet, in dem man abhängig vom Ausflugsziel sieht, wann klassische Anreise- und Abreisezeiten sind. Mit diesem November (seit 1. 11.) ist er verfügbar. Da sind auch Bedarfsfahrten etwa von Wien auf das Hochkar durch Blaguss Reisen inkludiert.
Urlaub im Nirgendwo: Niederösterreich wirbt nicht nur gern mit den klassischen Attraktionen, sondern kokettiert auch ein wenig mit Zielen, wo es nichts – manche würden sagen: besonders viel Ruhe – gibt. Sind die dafür gebrauchten Mitarbeiter im Tourismus noch in der Gegend?
Mehr Infos zu den Neuerungen auf ecoplus.at/ beteiligungen/ecoplus-alpin und Angeboten auf wieneralpen.at mostviertel.at
Bei neuen Projekten gibt es strenge Prüfungen, die Zeit der Neuerschließung ist vorbei, in Niederösterreich und wohl im Großen und Ganzen auch im Rest Österreichs. Unsere Linie ist seit Jahren: Die Flächen auf die gut Beschneibaren zu reduzieren. Das sind schmerzhafte Entscheidungen, wenn Pistenteile aufgelassen werden.
In puncto Naturschutz ist der anhaltende Trend zum Tourenschi, der eh hauptsächlich auf Pisten stattfindet, problematischer – denn sobald ich den Weg verlasse – hab ich den 50-fachen diesbezüglichen Impact.
Das größere Problem auch für die Biodiversität ist in diesem Kontext vermutlich
Grundsätzlich ist es bei uns im Gegensatz zu Westösterreich so, dass wir nicht das extreme Missverhältnis zwischen Einheimischen in einem Ort und einem Vielfachen an Nächtigungsgästen, die in der Saison gleichzeitig aufhältig sind, haben. Wir kommen grundsätzlich mit einheimischen Arbeitskräften aus. In der Peripherie – Göstling an der Ybbs beispielsweise –ist es etwas komplizierter. Aber die Landflucht ist schon vor Jahrzehnten passiert, derzeit erfahren wir keine Beschleunigung. Der Tourismus braucht eine gute Mischung zwischen unqualifizierten und qualifizierteren Tätigkeiten. Bei den Seilbahnen arbeiten heute HTL- und FH-AbsolventInnen. Und so schaffen wir Jobs und werten auch welche auf.
Am Anfang meiner Tätigkeit habe ich mich ein wenig verheddert bei dieser Paradoxie: Im Auftrag der öffentlichen Hand wollen wir in der
südlichen alpinen Peripherie Niederösterreichs Bergtourismus machen. Und dann findet man dafür keine Leute, weil die Jungen und Besserqualifizierten, speziell die Frauen, eh schon in Richtung jener Orte gegangen sind, wo die Kinderbetreuung, Ausbildungsmöglichkeiten, wo Arbeitsplätze für Partner oder Partnerin existieren.
An diesem grundsätzlichen Befund hat sich nichts geändert. Allerdings beobachte ich eine Entwicklung zu Kristallisationskernen, vor allem in den Bezirkshauptstädten. Da geht es um Orte wie Waidhofen an der Ybbs, Scheibbs, Lilienfeld, Kirchberg am Wechsel, Wieselburg. Das sind Orte, wo es heutzutage eine bessere Kinderbetreuung gibt und ein besseres, breiteres Bildungsangebot. Anekdotisch beobachte ich das Lebensmodell, dass man bei den Tourismusorten wohnt, aber das wachsende Angebot dieser Bezirkshauptstädte nutzt.
In vieler Hinsicht ist die Entwicklung zum Ganzjahrestourismus gelungen, der den Winter ergänzt. Aber was sind die Winterangebote, wenn kaum Schnee fällt?
Was früher Nebensaison war, ist es nun nicht mehr. Und das Angebot ist zum Teil dann kein spezifisches Winterangebot, sondern eine andere Nutzung bestehender Infrastruktur. Dass wir Trails oder Rodelbahnen (z. B. in St. Corona am Wechsel passiert das schon), die wir für den Sommer gebaut haben, im Winter in Betrieb nehmen. Und zwar parallel zum schneesportlichen Angebot. Inzwischen sind wir im echten Hybridbetrieb. Ein weiteres Beispiel ist der Teichlift bei den Wexl Trails, ein reiner Bikelift – dort wird nie schigefahren.
Leidet der niederösterreichische Alpintourismus unter der strukturell kurzen Aufenthaltsdauer?
Die Auslastung unserer eigenen Betriebe passt, die kurze Aufenthaltsdauer bleibt aber. Wir sind durch die gute Erreichbarkeit für einen Ausflug prädestiniert – das ist Fluch und Segen. 90 Minuten Reisezeit ist erfahrungsgemäß eine Schmerzgrenze für den Tagesausflug. Bei manchen unserer Destinationen leben im Umkreis von 90 Minuten fünf Millionen Menschen.
Das sind Strukturen, die sich nicht ohne Weiteres ändern. Aber aufgrund der internationalen geopolitischen Lage rechne ich damit, dass auch längere Urlaube vermehrt in NÖ stattfinden.
Wir müssen dazu ein Angebot bieten, das einen mehrtägigen Ausflug rechtfertigt. Zum Beispiel für Leute, die wegen des Mountainbikens kommen, und länger bleiben. Bei uns ist das Biken früher in der Saison und länger im Herbst möglich. Attraktionen müssen so gut sein, dass sich der Aufenthalt lohnt. Das sehe ich auch im Mariazellerland gegeben: Da kann man viel unternehmen, ist mehrere Tage gut beschäftigt. Dazu braucht es nun die Beherbergungsbetriebe – das ist ein wichtiger Teil unseres Jobs, Betreiber zu suchen, zu betreuen, zu binden.
Wir schauen aufs Ganze. Die Biobäuerinnen & Biobauern
AUSFLUGSDESTINATIONEN FÜRS GANZE JAHR.
Keine »Geheimtipps«, sondern die Lieblinge aus der Redaktion.
FLORIAN JAUK
Wenn das Donaufestival nach Krems an der Donau kommt, wird’s in der sonst eher ruhigen Innenstadt plötzlich lauter, bunter – und intensiver. Zwischen Barockfassaden und Kunstinstallationen, mit internationalen Gästen und kurzen Gesprächen, wird die Stadt für ein paar Tage zur eigenen Welt. donaufestival.at
DONAUFESTIVAL
Ein Spaziergang durch den alten Kurpark geht das ganze Jahr. Am 25. April beginnt dann im Thermalbad Bad Vöslau die Frühlings- und Sommerfrischesaison – und zu Beginn ist noch angenehm wenig los. Im Grünen Becken des Thermalbads schwimmt man in echtem Mineral- und Heilwasser aus der Ursprungsquelle, bei konstant rund 21 °C. Wald ringsherum, die Kurbad-Atmosphäre – allein das lohnt schon den Besuch.
thermalbad-voeslau.at
Nicht nur das Ziel zählt – der Donauradweg auf der Strecke zwischen Wien und der Wachau ist einer der schönsten Tagesausflüge auf zwei Rädern. Entlang der Donau, durch kleine Orte und Weingärten. Je nach Tempo mit Kaffee, Marillenmarmelade oder Rückenwind.
MARTIN MÜHL
Gut essen kann man in Niederösterreich in vielen Orten und man findet auch das eine oder andere zertifizierte Bioangebot in der Gastronomie. Wenige leben und verkörpern die Verbindung von kulinarischem Genuss mit Nachhaltigkeit so sehr wie »Der Floh« in Langenlebarn bei Tulln. Nicht gerade ein Geheimtipp – aber doch immer einen Besuch wert, der in der Dauer, wenn man sich nicht zügelt, durchaus einen Schnellladezyklus an Flos E-Tankstelle übersteigen kann.
STEIERMARK
derfloh.at
Es ist nicht immer einfach, Kinder zu einem Spaziergang oder einer kleinen Wanderung zu motivieren: Im Naturpark Hohe Wand gibt es den Hexenwald und dort den »Weg der bunten Steine«. Auf dem rund 2,5 Kilometer langen Rundweg mit Spielplatz und anderen Abenteuern motivieren auch für Kleinkinder gut sichtbare große bunte Steine, die jeweils nächste Mini-Etappe anzugehen.
naturpark-hohewand.at
Donaufestival Krems
»Der Floh« Langenlebern
Radweg Wien – Wachau
Thermalbad Bad Vöslau
Naturpark Hohe Wand Steinbrunner See
Ein Großteil des Steinbrunner Sees befindet sich in Niederösterreich, das öffentliche Strandbad schon im Burgenland. Der kleine Badesee nahe dem Neufeldersee verfügt über Kinderspielplatz und Beachvolleyballplatz, bietet trotzdem im Sommer mehr Ruhe als die größeren Badeseen der Umgebung. Im Winter lädt er zum Eislaufen ein (auf dafür freigegebenen Flächen!) – denn die Kantine am See (leider nicht bio) ist ganzjährig geöffnet. Mit dem Bus aus Wiener Neustadt auch öffentlich erreichbar.
steinbrunn.at
NATURPARK HOHE WAND
Traismauer
St. Pölten
Mödling
Wr. Neustadt
Gloggnitz
Scheibbs
Stockerau
Ybbs an der Donau
Melk Wieselburg
Waidhofen an der Ybbs
IRINA ZELEWITZ
Ein Zufluchtsort bei jedem Wetter und an Wochenenden selten überlaufen: das Haus der Geschichte in St. Pölten. Die Dauerausstellung bietet für alle Altersgruppen einen balancierten Schnellstdurchlauf durch die Menschheitsgeschichte, die ergänzenden Sonderausstellungen sind alle paar Monate Grund, wiederzukommen: derzeit und bis 22. Februar 2026 zum Beispiel die Wanderausstellung »Hitlers Exekutive. Die österreichische Polizei und der Nationalsozialismus«. Der Museumsbetrieb ist nach österreichischem Umweltzeichen zertifiziert, jetzt fehlt nur mehr die Umstellung des Museumscafés auf bio.
OBERÖSTERREICH
Aigen13
NÖ Landesausstellung 2028
Besonders für Ortsunkundige, etwa nach Ostösterreich Zugezogene wie mich, empfiehlt es sich, ab und zu in einen Zug zu steigen, aus dem Fenster zu schauen und auszusteigen, wo es einem gefällt: Wer die alte Südbahnstrecke nicht kennt, beginnt natürlich dort – mit oder ohne Stopp im Semmeringbahn-Museum (am Bahnhof Semmering). Im Norden verbinden müde RadlerInnen das Nützliche mit dem Angenehmen im demnächst Jubiläum feiernden Reblaus-Express (samt kostenlosem Fahrradtransport) von Retz nach Drosendorf – am 6. Dezember ist übrigens auch der Heilige Nikolaus mit von der Landpartie.
reblausexpress.at
museumnoe.at
Welterbe-Steig Wachau 3 Semmering
STEIERMARK
In der Wachau gibt es sie noch: die harte Grenze zwischen Haupt- und Neben-, nein, Nichtsaison: vor Mai und nach Juli ist es hier daher am schönsten, auch wenn viele Gastronomiebetriebe geschlossen oder Marillenknödel noch nicht oder nicht mehr auf der Karte haben. Die Wanderung von Weißenkirchen nach Spitz (retour kommt man auch gut mit dem Bus) entlang des »Welterbe-Steigs Wachau 3« bietet mehrfach malerische Aussicht auf Donau, Steinterrassen und die Orte in den Winkeln dazwischen. Wenn es dann warm wird, finden sich nahe der beiden Ortschaften auch Möglichkeiten zur Abkühlung in der Donau – und das Freibad (beispielsweise in Spitz) ist auch während der Hauptreisezeit kaum Ziel der typischen Wachaureisenden.
Gloggnitz
Scheibbs
Ybbs an der Donau Melk Wieselburg
St. Valentin
REBLAUSEXPRESS
THOMAS WEBER
Grenzen bleiben fließend. Besonders schön zu sehen ist das seit Kurzem im hohen Norden Niederösterreichs, von der »Umlaufblick« genannten Aussichtswarte, die im Frühjahr zum 25-Jahr-Fest des Nationalparks Thayatal eröffnet wurde. Von der frei zugänglichen Plattform erschließt sich aus knapp zwanzig Metern Höhe, wie unerheblich Grenzen sein können. Die Thaya, die sich durch den dichten Wald mäandert, kümmert es nicht, dass nördlich Tschechien und südlich Österreich liegt. Der Blick von dort oben: atemberaubend – ein lebender Fluss und wohin die Augen reichen: Wald. Was staunte ich erst, als ich, wieder festen Boden unter den Füßen, bei der Eröffnungsfeier gefragt wurde, ob mir »meine« Aussichtswarte gefalle. Jahre zuvor hatte ich einmal bemerkt, dem Nationalpark würde eine Plattform fehlen, um zu erfassen, wie der Fluss die Landschaft prägt – meine Anregung wurde aufgegriffen und eine Aussichtswarte gebaut. Klar, dass der »Umlaufblick« mittlerweile zu einem meiner Lieblingsorte in Niederösterreich wurde. Mit Öffis ist der Nationalpark leider schwer erreichbar.
np-thayatal.at
UMLAUFBLICK
Wer also ohnehin schon mit dem Auto unterwegs ist, kann in Aigen 13 absteigen; in einer der beiden liebevoll in einem alten Dreiviertelhof hergerichteten Ferienwohnungen von Cornelia Schierl und Mathias Lixl. Das aus Salzburg zugezogene Paar hat sich dem »langsamen Leben« im Waldviertel verschrieben. Ihr Motto als GastgeberInnen: »Wie damals, nur mit Komfort.«
aigen13.at
Aigen gehört eigentlich zu Groß Gerungs, das 2028 gemeinsam mit Gmünd und Litschau die niederösterreichische Landesausstellung beherbergen wird. Details dazu sind noch keine bekannt. Nur, dass sie entlang der Zuglinie der »Waldviertelbahn« stattfinden wird; was ja durchaus zum Auskosten der Langsamkeit passt.
AIGEN13
NÄCHSTER HALT: OBERGRAFENDORF
Der Pielachtaler Kosmetik- und Schokoladenhersteller Styx feiert
60-Jahr-Jubiläum
– Anlass für ein Gespräch mit Wolfgang Stix über Regeln und Märkte.
INTERVIEW
Irina Zelewitz
Wolfgang Stix hat aus dem einstigen Nebenprojekt, dem Familienunternehmen Styx, eine internationale Marke gemacht.
BIORAMA: Wie viele Toiletten muss man bieten, damit internationale Reisebusse auch nach Obergrafendorf finden?
WOLFGANG STIX: Wir haben 2022 unser neues Welcome Center gebaut und in dieses vier Frauentoiletten und vier Herrentoiletten bzw. Pissoirs gebaut. Eigentlich geht’s darum, dass die barrierefrei sein müssen – nicht nur aus Prinzip, sondern auch, damit man von manchen Reiseplattformen überhaupt aufgenommen wird.
Sind Sie da zufällig draufgekommen oder weiß man das, wenn man sich um die eigene Vermarktung als Ausflugsziel kümmert?
Naja, wir haben 1999 ganz klein begonnen mit Betriebsführungen, quasi in einer umgebauten Garage. Da das Angebot angenommen wurde, haben wir, als wir unser erstes Verkaufsgebäude gebaut haben, im Keller ein Drogeriemuseum eingerichtet und dort unsere Führungen gestartet. Nur: Unsere Gäste wurden von Jahr zu Jahr älter, da sind einfach viele Menschen dabei, die halt ›fußmarod‹ sind. Und uns haben laufend Anfragen von Reisegruppen zur Barrierefreiheit erreicht, die nicht das Ri-
siko eingehen, dass sich bei uns jemand beim Stiegensteigen verletzt.
2020, mitten in der Pandemie, ist unser Nachbar in Konkurs gegangen, wir konnten das Gebäude ersteigern und so umbauen, dass wir nun endlich barrierefrei sind.
Ruckzuck haben wir dann auch vom Roten Kreuz die Auszeichnung »barrierefreies Ausflugsziel« bekommen. Und mit dieser Rot-Kreuz-Auszeichnung ging es dann rasant aufwärts.
Wie haben sich die BesucherInnenzahlen seit der Jahrtausendwende verändert?
Begonnen haben wir mit ca. 700, 800 Leuten. Das hat sich dann langsam gesteigert, voriges Jahr hatten wir 22.000 BesucherInnen.
Das verdanken Sie in erster Linie Reisegruppen?
Wir arbeiten da auf verschiedenen Ebenen. Eine sind die Reisebüros und die Busunternehmen. Eine andere, dass wir das erste »Top-Ausflugsziel« in Österreich sind, das CO2-neutral erreichbar ist. Das heißt, wir sprechen auch die Truppe der extremen KlimaschützerInnen an,
weil sie können mit der Mariazeller Bahn bis in unser Betriebsgelände fahren. Der Bahnhof gehört zu uns, das heißt, man steigt bei uns wirklich schon im Betriebsgelände aus.
Melk
St. Valentin
Die extremen KlimaschützerInnen sind die, die mit dem Zug zu Ihnen kommen?
Ich meinte es so: Also zum Beispiel das Kulturministerium hatte unter Bundesminister Werner Kogler die neue Vorgabe, dass die Betriebsausflüge mit klimaneutraler Anreise zu erfolgen haben. Da sind dann 1200 Mitarbeiter in Etappen zu uns gekommen. Wien – St. Pölten geht ja mittlerweile sehr flott, und mit der Mariazeller Bahn fährt man dann zwei Stationen und ist bei uns. Wir verdanken das also der Mariazeller Bahn. Die hat nun den »9 Plätze – 9 Schätze« (ORF-Sendung, in die jährlich alle Bundesländer einen Ort ins Rennen um den schönsten Platz Österreichs schicken, Anm.) gewonnen – davon werden wir vermutlich auch gut profitieren können.
Mit der Lage sind Sie privilegiert. Wie viele kommen denn öffentlich – wie viele mit dem Bus oder dem Privat-Pkw – und woher?
Für das Jahr 2024 hat uns das Ministerium die Statistik zerschmissen, das Jahr wäre also nicht repräsentativ. Nehmen wir 2025, denn wir sperren Ende Oktober bis März zu, also kann man da quasi schon Bilanz ziehen: Rund 10 % kamen mit der Mariazellerbahn, 40 % mit dem Privatauto und 50 % mit dem Autobus. Die Gäste kommen zu 90 % aus Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark. Und 10 % sind internationale Gäste.
Sehen Sie sich als jemand, der für und mit der Region seines Standortes arbeitet – hilft Ihnen das auch umgekehrt? Funktioniert das symbiotisch mit der Politik oder sind Sie da allein?
Das ist eine gemeine Frage. Natürlich klopft uns die Politik immer wieder auf die Schulter: So lieb und schön, dass du das machst! Aber sonst kommt da nicht viel. Anders die lokale Politik der Altbürgermeister und auch der jetzige Bürgermeister Handlfinger haben mir sehr bei der Entwicklung des Geländes geholfen. Auch dem Bahnhof von Obergrafendorf ver-
Ybbs an der Donau
Wieselburg
Amstetten
Scheibbs
Waidhofen an der Ybbs
St. Pölten
Ober-Grafendorf
Weinburg
MARIAZELLERBAHN
Kirchberg an der Pielach
Frankenfels
Winterbach
Mariazell Gösing an der Mariazeller Bahn
Erlaufklause
danke ich einem Hinweis des Bürgermeisters. Und die regionalen Lieferanten sind froh, dass es uns gibt.
Verstehen Sie sich als Regionalentwickler?
Wir haben im Pielachtal viele Akzente gesetzt und leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, dass mehr TouristInnen kommen. Und die Autobusse, die zu uns kommen, fahren ja auch weiter zu anderen Schaubetrieben und konsumieren in der Region.
Außerdem verarbeiten wir nicht nur regionale Produkte, sondern etablieren oder festigen auch regionale Marken – wir sind das Dirndltal – also das Tal, in dem die Kornellkirsche sehr oft angebaut wird und populär ist.
Wir arbeiten viel mit Unternehmen aus der Region zusammen – die Kooperation mit der Mariazellerbahn ist eine richtig gute – ich wäre aber offen für mehr.
Wie hat sich Ihr Unternehmen seit seiner Gründung verändert und warum haben Sie sich für die Richtung entschieden, die Sie letztlich eingeschlagen haben?
Mein Großvater hat sich mit Kräutern beschäftigt und im kleinen Rahmen für die Ortschaft im Waldviertel, in der er gelebt hat, Salben gegen diverse Wehwehchen, Rheuma oder Ischias oder sonstige Schmerzen erzeugt. Nach diesen Rezepturen hat mein Vater, er war Tierarzt, nebenbei in kleinen Chargen weiterproduziert, die meine Mama dann verkauft hat. Auch
Traisen
STEIERMARK
»World of Styx«
Von 1. April bis 31. Oktober hat das BesucherInnenzentrum von Styx in Obergrafendorf geöffnet. Gruppen haben nach Voranmeldung ganzjährig Zugang. styx.at
»Generell sind die Vertriebsstellen kritischer als die KonsumentInnen. Wir werden teilweise vom Handel getrieben –gewisserweise ist das gut so.«
Wolfgang Stix
mich haben die Kräuter als Kind schon fasziniert, ich habe daher eine Ausbildung zum Drogisten gemacht. Im 81er Jahr haben wir gesagt: »Wir machen Kosmetik ohne ›Chemie!‹«, sprich: Wir fingen an, Naturkosmetik zu machen.
Das war nicht so leicht, die entsprechenden Rohstoffe waren kaum zu bekommen. Aber wir haben uns durchgebissen und es ist laufend einfacher geworden. Nachdem mein Vater 1984 plötzlich verstorben ist, habe ich übernommen – und in der Zeit bis heute schon einige Entwicklungen mitgemacht:
Neben den bestehenden Regeln, was nicht in Naturkosmetik darf, gab es dauernd Neuerungen – kleine und große wie etwa »tierversuchsfrei«. Dann hat es geheißen, es muss auch noch biozertifiziert sein – und als Letztes ist nun auch noch vegan als Anforderung dazugekommen.
Wo meinen Sie damit Vorgaben der Naturkosmetik und wo die Ansprüche Ihrer Zielgruppe?
und dürfte es in Deutschland und Österreich verkaufen.
Sie meinen beispielsweise: Wenn auf einer Kosmetikverpackung steht »mit Biokamille« – aber nur ein Inhaltsstoff aus Bioanbau stammt, der Rest nicht und es daher auch kein Biozertifikat fürs Produkt gibt?
In Deutschland darf man bei Kosmetik quasi alles draufschreiben. Und es dann so legal bei uns auf den Markt bringen.
Die Rahmenbedingungen schaffen also einerseits der Gesetzgeber und die Handelsvorgaben und andererseits die Erwartungen der KonsumentInnen.
Ist es dieselbe Zielgruppe, der anfangs tierversuchsfrei gereicht hat, die nun bio und vegan verlangt?
Das weiß ich nicht. Schwierig ist beispielsweise, dass Palmöl verteufelt ist, Bienenwachs aber aufgrund des tierischen Ursprungs für viele auch nicht geht. Das ist insofern schade, als Bienenwachs ein wunderbar regional verfügbarer Konsistenzgeber in Bioqualität ist. Generell sind die Vertriebsstellen kritischer als die KonsumentInnen. Wir werden teilweise vom Handel getrieben und gewisserweise ist das gut so. KundInnen, die in Bioläden einkaufen, sollen voraussetzen können, dass die Produkte dort zertifiziert sind.
Das ist im Bereich Kosmetik nur zum Teil der Fall, Sie meinen wohl die großen Filialisten?
Die Ukraine ist der drittgrößte Absatzmarkt des Unternehmens Styx. Es setzt international auf ein Netz an lokalen Vertriebspartnern und beschäftigt in der Ukraine über 40 MitarbeiterInnen, die dort die im Pielachtal produzierten Produkte vertreiben.
Der Handel (der deutsche Biofachhandel, Anm.) verlangt von uns grundsätzlich seit den 1980ern die externe Überprüfung. Die Regulierungsstellen waren in Deutschland, in Österreich gab es nichts dergleichen, und die Preise für die Zertifizierung waren horrend. Wir haben mit dem BDIH begonnen und sind im Laufe der Jahre mehrfach gewechselt, am Ende zu Ecocert (beides Naturkosmetikstandards, nach denen zertifiziert werden kann, Anm.), und dort geblieben.
Hinzu kommt der Gesetzgeber. Weil wir Biorohstoffe verarbeiten und das auch auf dem Produkt ausweisen wollen, müssen wir uns als österreichisches Unternehmen biozertifizieren lassen – würde ich von einer deutschen Adresse aus vertreiben, könnte ich auch ohne externe Überprüfung überall »bio« draufschreiben
Bei Denns zum Beispiel gibt es keine Kosmetik ohne Ecocert-Zertifizierung. Aber seit die Kosmetikerzeugung ein freies Gewerbe ist, gibt es grundsätzlich sehr viele Kleinstproduzenten. Und was viele von denen für einen Schrott erzählen, ist für mich immer wieder bemerkenswert. Das wäre eine Spielwiese, sich dumm und dämlich zu verdienen, die alle auf unlauteren Wettbewerb zu klagen. Also was da behauptet wird, da greift man sich wirklich aufs Hirn.
Möchten Sie mir ein Beispiel nennen?
Nein.
Ich meine keine bestimmte Marke, sondern eine der Werbeaussagen, auf die Sie anspielen.
Achso! Naja, zum Beispiel schreiben sehr vie-
le gern »100 % natürliche Inhaltsstoffe« drauf, und hinten bei den Inhaltsstoffen steht dann Sodium Benzoate als Konservierungsstoff, das ist ja ein Witz.
Es ist ja nicht Ihre ganze Linie Biokosmetik. Warum setzen Sie teilweise auf bio und teilweise nicht, liegt das an Rohstoffen oder Formulierungen, auf die Sie nicht verzichten wollen?
Wenn Sie ein Kosmetikprodukt verändern, weil sich die erlaubten Inhaltsstoffe verändert haben, sagen KonsumentInnen sofort: »Das riecht anders! Das ist nicht mehr so gut.« Auch wenn die Wirkweise unverändert ist – die kann man eben in der Anwendung nicht so einfach feststellen wie den Geruch. Es ist also eine konstante Herausforderung für uns, möglichst viele Produkte aus dem Bestand mit zeitgemäßen Formulierungen weiterzuführen, ohne Kundinnen und Kunden in unseren international recht unterschiedlich zusammengesetzten Märkten zu verlieren.
Bei neuen Produkten tun wir uns leichter.
Ich erwische Sie am Sprung zu einer Reise in die Ukraine. Wie ist es derzeit, mit diesem Markt zu arbeiten?
Wir sind in der Ukraine sehr gut aufgestellt und machen dort mittlerweile mehr Umsatz als vor dem Krieg. Insgesamt ist es schmerzhaft, zu sehen, dass die Menschheit keine Geschichtsbücher liest und vergisst, was vor 50, 80 oder 90 Jahren war.
Wodurch wird das Wachstum möglich?
Im Gegensatz zum Großteil des Mitbewerbs arbeiten wir nicht mit internationalen MitarbeiterInnen, sondern mit Menschen vor Ort. Erst einmal kennen die die Mentalität ihrer Mitbürger und zweitens wollen wir grundsätzlich die regionale Wirtschaft stärken, nicht nur die in unserer Region.
Vor anderthalb Jahren war ich das erste Mal in der Ukraine – ich wollte unseren KosmetikerInnen, die unsere Schulungen ja auch vor Ort absolvieren, gratulieren. Wir haben uns auf halbem Weg getroffen, in Uschgorod, direkt an der slowakisch-ukrainischen Grenze. Das hat sich nun so eingebürgert und weil dort nicht sehr viele WesteuropäerInnen herumspazieren, hat mich die Rezeptionistin beim zweiten Aufenthalt gefragt, was mich herbringt. Und als ich ihr
sage, ich mache Kosmetik einer Marke namens Styx, hält die mir einen fünfminütigen Vortrag, wie gut unsere Produkte sind. Ich habe den Eindruck, dass die Begeisterungsfähigkeit in Südosteuropa verbreiteter ist, bei uns passiert einem so was kaum jemals, mir zumindest nicht – es ist aber sehr wichtig, wenn man wahrgenommen wird und merkt, dass man mit seinen Produkten den Leuten auch eine Freude macht.
Sie feiern 60-Jahr-Firmenjubiläum, wie viele Jahrzehnte macht es Ihnen noch Freude?
Ich bin in der glücklichen Lage, dass mein Sohn seit seiner Kindheit sagt, dass er die Firma übernehmen wird. Bei unserer Tochter ist es noch offen, wohin es sie zieht. Die nächsten zehn Jahre, so lange ich noch der Chef bin, wird sich an der Richtung nichts ändern – ich rechne aber auch für die Zeit danach nicht damit, dass wir unsere grundsätzliche Linie verlassen – vielleicht haben wir neue Vertriebsideen.
Was ist denn die Richtung, die Sie auszeichnet und die Sie vom Mitbewerb auch unterscheidet?
Das ist unser regionaler Weg zur möglichst geringen Umweltbelastung in der Herstellung natürlicher Produkte. Und überall, wo wir ein neues Produkt machen, läuft alles in eine biozertifizierte Richtung.
BDIH und Ecocert
Zwei der großen europäischen Naturkosmetikstandards, die von großen Naturkosmetikunternehmen gegründet wurden und deren Standards regelmäßig weiterentwickelt bzw. verändert werden
Styx produziert neben Kosmetik- und Pflegeprodukten auch Bioschokolade. Seit Kurzem ist diese nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland in allen Denns-Filialen gelistet.
SO SIMPEL, SO SELTEN
Wer glaubt, Müsli aus Niederösterreich gibt's zu Hauf im stationären Handel, irrt. Drei der seltenen.
3
1 KNUSPER
MÜSLI,
GEWUSST WIE
In Traiskirchen wird ein Müsli aus Zutaten hergestellt, auf die schon Hildegard von Bingen geschworen hat – das zumindest weiß »Gewusst wie«. Was an solchen Aussagen dran sein kann, ist aufwendig zu überprüfen (Mehr dazu im Allgemeinen unter biorama.eu/hildegard). Aber, womöglich wichtiger: Hafer, Dinkel dominieren geschmacklich. Agavendicksaft, Äpfel und Beeren machen es leicht süß, geschmacklich – und im Vergleich zu den vor allem stark gezuckerten konventionellen Knuspermüslis auch wirklich – auf der gesunden Seite. Ein Klassiker. gewusstwie.at
3
VIELFALTER KNUSPER MÜSLI, WALDLAND
Das Vielfalter-Knuspermüsli aus Oberwaltenreith fällt schon optisch auf –Honig als erste gelistete Zutat ist auch nicht schwach. Dinkel, Hafer und dann wird es schon exotischer mit Hanfnüssen, Leinsamen, Kürbiskernen, Graumohn – ungewöhnlich, knackig, nussig, leicht bitter und honigsüß. Probieren!. waldland.at
2
BIOKNUSPERMÜSLI, JOSEPH BROT
Nackthaferflocken, Cashews, gemälzte (!) Gerste vertragen sich gut mit den Röstaromen, Kokoschips verleihen Frische, Zucker und Honig und Ahornsirup und Salz runden ab. Geballten Geschmack (und Nährwert und auch ein wenig Eiweiß) aus einem feinen mix aus regionalen Zutaten ergänzt um Bioimportware liefert das Team Weghaupt da aus Burgschleinitz, zweite Portion bitte! joseph.co.at
SOJA ÜBER ALLES
Nur weil sich das ganze Buch um Soja dreht, heißt das noch lange nicht, dass darin rein pflanzlich gekocht wird. Die Autorin ist einfach Sojafan – Elisabeth Fischer hat als Köchin in ihrem vegetarischen Münchner Lokal vor Jahrzehnten, wie sie schreibt, Soja kennen und schätzen gelernt, nicht zuletzt aufgrund gesundheitlicher Vorteile einer vorwiegend pflanzlichen Ernährung. Das hält sie nicht davon ab, auch in den Rezepten, in denen statt Topfen und Milch Soja zum Einsatz kommt, Eier für die Panade oder Butter zum Ausfetten der Backform zu empfehlen. Fürs heutige Auge ungewöhnlich, aber da überall die Alternativen zum Veganisieren des Rezeptes genannt werden (dass Butter durch Margarine ersetzt werden kann) – sollten alle zurechtkommen. Folgerichtig gibt’s unter den
Gerichten eine ganze Rubrik »wie bei Oma«. Mit »Tofu, Miso, Tempeh – Soja neu entdecken und genießen mit 100 Lieblingsrezepten« legt die stellvertretende Obfrau des Vereins »Soja aus Österreich« ein Kochbuch vor, das Soja erklärt und den Umgang EinsteigerInnen vermittelt, aber auch routinierten Soja- und TofuverwenderInnen neue Ideen liefert. Für den Verein bitet sie Kurse für Gastronomie und Kantinen an und tourt zu diesem Zweck regelmäßig durch die Bundesländer – Niederösterreich steht bisher noch nicht am Programm –eingeladen zu werden, würde sie daher besonders freuen, denn, wie sie sagt: »Meine Art zu kochen verträgt sich ganz wunderbar mit der klassischen Wirtshauskarte – es muss ja kein Entweder-oder sein, es kann das Schnitzel mit Fleisch neben dem mit Soja stehen!«
TEXT
Irina Zelewitz
TOFU SELBST MACHEN
Das Prinzip ist einfach: Heiße Sojamilch wird durch ein Gerinnungsmittel zum Ausflocken gebracht. Der »Sojabruch« kommt in Setzkästen, tropft ab, wird gepresst –und fertig ist der Tofu. Der Vorteil des Selbermachens: Die Presszeit kann angepasst werden, kürzeres Pressen ergibt einen weichen Tofu, längeres macht ihn fester. Als Gerinnungsmittel wird Nigari verwendet, das traditionell aus Meerwasser gewonnen wird. Unraffiniertes Nigari besteht hauptsächlich aus Magnesiumchlorid, enthält aber über 100 weitere Mineralsalze. Eines davon ist für den bitteren Geschmack des Nigari verantwortlich, darum ist es wichtig, die Nigari-Menge genau abzuwiegen.
ZUTATEN FÜR CA. 550 GRAMM
• 350 g Sojabohnen
• 3 l Wasser
• 16 g Nigari
ZUBEREITUNG
1. Sojamilch (Rezept zum Selbermachen im Buch – Zubereitungsschritte 1 bis 9).
2. Den Topf vom Herd nehmen. Die Sojamilch auf 80 °C abkühlen lassen.
3. Nigari in 450 ml kaltes Wasser rühren und vollständig auflösen. In 3 Portionen à 150 ml teilen.
4. Damit die Sojamilch möglichst gut gerinnt und sich große Flocken von Sojabruch bilden, muss die NigariLösung sorgsam eingerührt werden. Die Sojamilch mit einem großen Spatel ca. siebenmal im Uhrzeigersinn und siebenmal gegen den Uhrzeigersinn rühren, dabei ein Drittel der Nigari-Lösung in die Sojamilch rühren. Die Sojamilch noch einige Male langsam umrühren, dabei auch den Boden und die Wände des Topfes erreichen.
5. Den Spatel senkrecht in den Topf stellen, kurz warten, bis die Sojamilch zum Stillstand kommt.
6. Das zweite Drittel der Nigari-Lösung über den Rücken des Spatels gleichmäßig auf der Oberfläche der Sojamilch verteilen.
7. Den Topf zudecken und die Sojamilch 3–5 Min. gerinnen lassen.
8. Die restliche Nigari-Lösung sehr vorsichtig in die noch milchig-trüben Stellen des Sojabruchs rühren. Darauf achten, dass die Lösung nur in die oberste Schicht (ca. 2 cm) gerührt wird. Topf zudecken. Sojabruch
3 Min. lang stehen lassen. Wenn die Sojamilch schon vor diesem Schritt ganz geronnen und die Molke klar ist, muss die letzte Portion Nigari-Lösung nicht untergemischt werden.
9. Die oberste Schicht des Sojabruchs zuerst ca. 30 Sekunden lang vorsichtig umrühren. Dann mehrmals vorsichtig mit dem Spatel bis auf den Boden stechen. Sollte sich am Boden des Topfes noch Sojamilch befinden, kann diese aufsteigen und gerinnen. Ganz wichtig: Darauf achten, dass die Sojabruch-Flocken ganz bleiben.
10. Sanft umrühren, bis die Sojamilch ganz geronnen ist und sich dichte Flocken gebildet haben, die in einer gelblichen, fast klaren Molke schwimmen.
REZEPTE AUS:
11. Den Presskasten mit einem dünnen Presstuch auskleiden. Kuchengitter auf einen großen Topf oder ins Spülbecken stellen. Presskasten daraufstellen, so kann der Tofu gut abtropfen.
12. Ein feines Sieb in den Topf mit dem Tofubruch halten, die Molke, die sich darin ansammelt, abschöpfen und in den Presskasten gießen. So lange damit fortfahren, bis möglichst viel Molke abgeschöpft ist und im Topf ein relativ zusammenhängender Sojabruch zurückbleibt.
13. Den Tofubruch vorsichtig mit einem Schöpflöffel in das Presstuch heben. Darauf achten, dass die großen Flocken ganz bleiben.
14. Presstuch über dem Tofubruch zusammenschlagen. Pressdeckel daraufsetzen. Obenauf ein ca. 1,5 kg schweres Gewicht geben.
15. Für weichen Tofu beträgt die Presszeit ca. 15–20 Min., für festen etwas länger.
16. Den Tofu, in kaltem Wasser schwimmend, zugedeckt im Kühlschrank lagern. Tofu hält sich 3–4 Tage. Das Wasser täglich wechseln.
UND GENIESSEN MIT 100 LIEBLINGSREZEPTEN« Elisabeth Fischer, smarticular Verlag, 2024.
FROSTI-TOFU
Wird Tofu eingefroren, gewinnt er dadurch eine neue Konsistenz und das eröffnet ganz neue kulinarische Möglichkeiten. Der Arbeitsaufwand für Frosti-Tofu ist minimal. Aufgetaut und leicht ausgedrückt, kann der Tofu Aromen besonders gut aufnehmen, wird in Suppen und Soßen gesimmert und schmeckt auch paniert als knuspriges Schnitzel. Ob fester oder weicher Tofu Natur, Seidentofu oder Räuchertofu, sämtliche Sorten eignen sich für diese Kältebehandlung.
ZUTATEN FÜR CA. 200 GRAMM
• 250 g Tofu Natur oder
• 300 g Seidentofu
• Außerdem Gefrierbehältnisse
ZUBEREITUNG
1. Den Tofu Natur oder Seidentofu in ein Gefrierbehältnis geben und einfrieren.
2. Den entstandenen Frosti-Tofu vor der Verarbeitung auftauen, leicht ausdrücken und in die gewünschte Form schneiden.
Geschnitten einfrieren
Praktisch ist es, festen Tofu schon geschnitten einzufrieren, denn dann kann der Frosti-Tofu auch für kleine Portionen entnommen werden. Dafür die Tofuwürfel oder -scheiben zuerst nebeneinander auf einen Teller legen, gefrieren lassen und dann in Gefrierbehältnisse geben. Seidentofu portionsweise in kleinen Behältnissen einfrieren.
Ideal für die Vorratshaltung
Tofu ist, da sehr eiweißreich, leicht verderblich. Sobald die Vakuumverpackung geöffnet ist, hält er sich im Kühlschrank nur wenige Tage, selbst wenn es sich dabei um pasteurisierten Tofu handelt. Wenn also beim Kochen nicht die ganze Packung verwendet wird, das Ablaufdatum auf der geschlossenen Packung bald erreicht ist oder kostbarer selbst gemachter Tofu übrig ist, empfehle ich, einfach einen Vorrat an Frosti-Tofu anzulegen.
FROSTI-SCHNITZEL
Außen knusprig gebraten, innen zart, saftig und aromatisch –ein Klassiker, der sowohl heiß als auch kalt schmeckt. Ganz wichtig für den Erfolg: den Frosti-Tofu zuerst etwas ausdrücken, dann saugt er die würzige Marinade besonders gut auf. Durch das Panieren wird die Marinade im Tofu eingeschlossen, und das gebratene Frosti-Schnitzel bleibt saftig. Die klassische Beilage zum Schnitzel sind Kartoffelsalat (Rezept im Buch) und grüner Salat.
ZUTATEN FÜR FÜR 4 PORTIONEN
500 g gefrorener Frosti-Tofu (siehe Rezept)
Marinade
• 120 ml Gemüsebrühe
• 3 EL Sojasoße
• 2 TL Tomatenmark
• 2 TL Senf
• 1 TL Zitronensaft
• 1/2 TL brauner Zucker
• 2 Knoblauchzehen, gepresst
• 1 TL Koriander, zerstoßen
• 1/2 TL Thymian
• Muskat, Ingwer, gemahlen
ZUBEREITUNG
Panade
• 2 Eier (vegane Variante siehe unten)
• 60 g Weizenmehl
• 80 g Semmelbrösel
Außerdem
• Öl zum Braten
• Zitronenspalten
• Petersilie
1. Frosti-Tofu auftauen lassen, in dünne Scheiben (8 mm) schneiden, etwas ausdrücken.
2. Alle Zutaten für die Marinade verrühren.
3. Tofuscheiben kurz in die Marinade tauchen, nebeneinander auf einen flachen Teller legen. Tofu mit der restlichen Marinade bestreichen und für 3 Stunden kalt stellen, so kann der Frosti-Tofu die Aromen gut aufnehmen.
4. Für das Panieren das Mehl, die verquirlten Eier und die Semmelbrösel jeweils in einen Suppenteller geben.
5. Mit Küchenpapier die überschüssige Marinade auf dem Tofu abtupfen.
6. Tofu im Mehl wenden und etwas abschütteln, damit der Tofu nur von einer dünnen Schicht Mehl bedeckt ist.
7. Tofu durch das Ei ziehen, abtropfen lassen und sofort in den Semmelbröseln wenden, überschüssige Semmelbrösel leicht abschütteln.
8. Panierte Tofuschnitzel sofort braten, sonst wird die Panade feucht und die Schnitzel werden nicht knusprig.
9. Reichlich Öl (2–3 cm hoch) in einer Pfanne erhitzen. Schnitzel im Öl schwimmend auf beiden Seiten gold-
braun ausbacken. Dabei am besten nicht zu viele Schnitzel auf einmal braten.
10. Frosti-Schnitzel auf Küchenpapier abtropfen lassen, eventuell im Ofen warm halten und mit Zitronenspalten und Petersilie anrichten.
Vegane Variante: Eier ersetzen durch 2 EL Sojamehl, verrührt mit 4–6 EL kaltem Wasser.
NEU ODER NOCH GUT
Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen. Von Neuentdeckungen und alten Perlen. Auf dass uns Weghören und -sehen vergeht.
»WERKZEUGKASTEN DER ZUKUNFT« / Katapult. 2025
Vorgelesen für alle, die in den großen offenen Werkzeugkasten zur Weltrettung greifen wollen, um selbst aktiv zu werden.
Wer sich laufend mit der Weltrettung und ihren mannigfaltigen Ansätzen und Möglichkeiten beschäftigt, wird in diesem Buch wenig wirklich Neues entdecken. Wir wissen, was zu tun ist: Wir brauchen »Fitte Städte« und »Futter für alle!«, müssen »Erneuerbare Energien ausbauen«, die schwindende »Biodiversität stärken«, gleichzeitig unsere »Gesellschaft nachhaltig gestalten«, die »Umwelt sauber halten« und die »Erdtemperatur stabilisieren« und – weil alles ineinandergreift – beschränkte bzw. ungleich verteilte »Ressourcen schonen« (durch kluges Wassermanagement, geschlossene Nährstoffkreisläufe, Kreislaufwirtschaft, Reparatur- und Sharingmodelle). Trotzdem ist vorliegender »Werkzeugkasten der Zukunft« brauchbar: als umfassende Sammlung konkreter Ideen, die sich auf unterschiedlichen Ebenen vorantreiben oder auch einfach nur unkompliziert ausprobieren und verwirklichen lassen; von der Entsiegelung des eigenen Einflussbereichs bis zur Vergabe von Mikrokrediten. Zu allen acht genannten Themenbereichen, nach denen das Buch gegliedert ist, gibt es ansprechende Illustrationen und im Anhang jeweils (einige wenige) Adressen für weiterfüh-
rende Informationen. Und auch wenn die Recherchen des zehnköpfigen Redaktions- und Grafikteams allesamt nicht sonderlich in die Tiefe gehen, der größte Verdienst dieses Buchs bleibt, dass es dem vereinzelten Individuum zeigt: »Du bist nicht allein.«
ERWIN STEINHAUER, FRANZ SCHINDLECKER / »SO SIND WIR NICHT« / Überreuter, 2025
Vorgelesen für ÖsterreicherInnen, die gerne unterhaltsam an das erinnert werden, was sie eh schon wissen – und zwischendurch noch was lernen wollen.
Diese Spurensuche, wie wir wirklich sind, geht so: Steinhauer und Schindlecker sitzen beim Abendessen in einem kleinen Ort in Mittel-, nein, Niederösterreich – nur dass das letzte Wirtshaus mit warmer Küche die umgebaute Tankstelle ist und die Psycherl, die hier stellvertretend für unsere Nation analysiert werden, die anderen Gäste sind. Dann werden mit viel Zärtlichkeit Archetypen des ÖsterreicherInnentums studiert, entlang der erwartbaren kleinen und großen heiklen Themen, und gezeigt, wie sie mit dummen wie klugen Gedanken und Aussagen an die Grenzen ihrer sozialen Umgebung stoßen. Österreich eben. Hoffentlich. Vor allem für nicht-so-österreichische Seelen: Balsam. IRINA ZELEWITZ
THOMAS WEBER
UND SONST SO, IM BIORAMAUNIVERSUM ...
20 JAHRE
Wir feiern die 100. Ausgabe!
Im Dezember erscheint unsere 100. Ausgabe. Man kann es drehen und wenden: Die Zeit ist verflo gen, eine Menge Arbeit war es trotzdem – und was für eine! Eine schöne jedenfalls. Den Rest wollen wir aber von euch hören: Also fragen wir –zum hundertsten Mal :), was euch gefallen hat und was weniger, was wir zu Unrecht abgeschafft haben und welche neue Idee uns gut steht oder stünde. Wir danken euch – und würden es euch gern recht machen, meistens zumindest. Daher bitten wir um eure Meinung auf biorama.eu/LeserInnen
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BIORAMA BIOKÜCHE 2026
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Das BIORAMA-Bookazine für alle ÖsterreicherInnen, die Wert auf biologische Küche legen, geht in die sechste Runde! Wir zeigen die Vorzeigebetriebe der Bioverpflegung genauso wie jene, die deren Grundlagenarbeit machen: BioproduzentInnen von Vorarlberg bis zum Neusiedler See. Bei uns erzählen sie, worauf sie stolz sind und womit sie hadern. Dieses Jahr zum Schwerpunkt Fiber –denn Ballaststoffe sind fast überall in unserer Nahrung und trotzdem bekommen wir oft nicht genug davon. Richtig viele, richtig gute Produktempfehlungen, ernährungsphysiologisches Wissen, Küchentipps und Rezepte gibt’s wie immer obendrauf! Die nächste Ausgabe erscheint Ende 2025. Die bisherigen Ausgaben der BIORAMA BIOKÜCHE sind auch online.
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MAGAZIN
MAGAZIN
KOLUMNE
WAS WAR, WAS KOMMT: DER ELCH.
Eine der erfreulichsten Erscheinungen des Jahres: Emil, der einsame Elch auf Wanderschaft.
EMISTELBAC H
Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu
nde Oktober wurde in der Slowakei ein Elch von einem Auto angefahren. Laut Polizeibericht blieben alle Insassen unverletzt, das Tier wurde bei dem Unfall getötet. Auch mich hat es bei der Meldung kurz ›gerissen‹. Doch, große Erleichterung: Es war nicht Emil, den es erwischt hat. Der treibt sich mittlerweile wieder im tschechischen Teil des Böhmerwalds herum. Das weiß ich, weil ich gelegentlich auf der Facebookseite vorbeischaue, die Fans im August für ihn eingerichtet haben, als der über Tschechien vermutlich aus Polen hereinspazierte Bulle erstmals bei Mistelbach gesichtet wurde. Ein paar Wochen hat das Jungtier, es ist vermutlich zwei oder drei Jahre alt, halb Österreich bewegt, mehrmals die Donau überquert und als dankbarer Werbeträger hergehalten. Von der ÖBB über die Fitnessstudiokette Clever fit bis zur IG Windkraft: Kaum jemand kam auf Social Media ohne Sympathiebekundung für und Posting mit Emil aus. Die Dörfer und Kleinstädte, auf deren Gemeindegebiet er sich zwischenzeitlich aufhielt, freuten sich sowieso über die überregionale Aufmerksamkeit. Sogar die Vienna Film Commission montierte einen Elch als Gast in ein Filmset vor der Staatsoper – und die Wiener Grünen in einer Visualisierung an den Wienfluss (um auf die Pläne zur Renaturierung des Gewässers vom Donaukanal bis in den Wienerwald hinzuweisen). Kaum dass der echte Elch Oberösterreich erreicht hatte beziehungsweise dort der Westautobahn nahegekommen war, wurde er allerdings betäubt, besendert und hinauf ins nördliche Mühlviertel gebracht. Die Hoffnung: Er möge gen Tschechien weiterwandern, auf eine der
dort verstreut lebenden Artgenossinnen treffen und den ohnehin viel zu dünnen Genpool der lokalen Elchpopulation auffrischen; also: Nachwuchs zeugen. Erfüllt sich diese, dann war der einsame Wanderer bloß ein Vorbote; dann werden künftig vermehrt Elche nach Österreich kommen, sich vielleicht auch in Niederösterreich welche ansiedeln. Geeignete Lebensräume gibt es auch bei uns, im Waldviertel genauso wie im Mostviertel (wie im Buch »Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser«, herausgegeben von Sebastian Brackhane und Klaus Hackländer, nachzulesen ist). Zuletzt war es hierzulande recht ruhig um Emil geworden. Wohl auch, weil der Akku des an seinem Geweih angebrachten Senders seinen Geist aufgegeben hatte. Nur die Rechtsradikalen versuchten noch einmal, den Elch zu reiten (mit einem fremdenfeindlichen Posting zur hundertprozentigen Abschiebebilanz der »Regierung« bei Elchen). Wobei längst nicht sicher ist, dass die Geschichte mit Emil gut ausgehen wird. Für ein Wildtier bewegt er sich auch in Tschechien viel zu nah am Menschen. Das hat ihn zwar zum Social-Media-Star gemacht, aber auch zum potenziellen »Problemelch«. Nur weil das Problem aus österreichischer Sicht gerade aus der Welt ist, bedeutet aber nicht, dass wir uns hierzulande nicht Gedanken machen sollten, wie wir in Zukunft mit zuwandernden Elchen umgehen wollen. Zumindest die Populationszuwächse in Polen deuten an: Wir brauchen einen Elchplan.
Thomas Weber
Noch kein
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