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Wer wirft noch alles das Handtuch? Man sieht es fast überall: Wo noch vor kurzem ein kleinerer Laden seine Ware feilbot, herrscht nun gähnende Leere. Die Rollläden sind herunter gelassen, die Scheiben schon etwas verschmiert bzw. verdreckt, ein Schild mit „Zu vermieten/Zu verkaufen“ prangt an der Eingangstür. Was ist los in Bozen und in mehreren Landgemeinden?
BOZEN (pka). Ein kurzes Schlendern in der Bozner Sernesigalerie zeigt das Dilemma auf: 4 Lokale, die einsam und verlassen dastehen, lediglich eine Aufschrift mit „affittasi/zu vermieten“ ist sichtbar. Ähnlich verhält es sich in der Europagalerie, denn auch hier sind mehrere Rollläden dichtgemacht. Und auch die Museumstraße, nach den Lauben die Pracht- und Einkaufsstraße schlechthin, steht nicht viel besser da. Die Bezirkszeitung hat sich beim hds (Handels- und Dienstleistungsverband Südtirol), bei einigen Ortsobleuten und einem Geschäftsinhaber umgehört.
DER GRIESER PLATZ DROHT AUSZUSTERBEN
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Der Grieser Platz, einst Treffpunkt vielfältiger Handels- und Gewerbetätigkeit, ist zu einem dürren Ast geworden: Zahlreiche Geschäfte und Dienstleister schließen oder verlegen ihre Tätigkeit. Beispiele gefällig? Der Fahrradhändler Marchetti gibt seinen Betrieb auf, der Inhaber von Agraria, der Eisen- und Haushaltswaren vertreibt, überlegt gerade, ob er noch
weitermachen kann und soll, die traditionelle Grieser Kellereigenossenschaft (nach der Fusion heißt sie Kellerei Bozen) verlegt ihren Geschäftssitz und das angeschlossene Detailgeschäft nach Moritzing, die Hausärztin Dr. Windisch zog bereits mit ihrer Praxis in den nahen Grieserhof um. Was in Gries allerdings geblieben ist, besser gesagt, sich noch sehr stark vermehrt hat, ist der Durchzugsverkehr. Für die Kaufleute würde dies aber so gut wie gar nichts bringen, es bliebe lediglich der Stau, die Abgase und der Lärm zurück. Einer, der weiß, wovon er spricht, ist Günther Pancheri. Er hat vor rund 10 Jahren ein Spielwarengeschäft am Grieser Platz eröffnet, und das lief anfangs recht gut. Seit einiger Zeit jedoch spürt Pancheri die Flaute, die sich vor allem durch die stark gesunkene Kundenfrequenz bemerkbar macht. „Waren vor 2 oder 3 Jahren täglich noch rund 80 Käufer in meinem Geschäft, so sind es jetzt 30 bis höchstens 40 am Tag, somit habe ich meinen Umsatz mehr als
halbiert“, erklärt ein verbitterter Geschäftsinhaber.
Günther Pancheri Was ist aber die Ursache für diesen radikalen Rückgang? Pancheri nennt dabei mehrere Gründe: So seien einige „wichtige“ Nachbarn weggezogen, wie beispielsweise die bereits erwähnte Hausärztin, die Kita und der psychologische Dienst, die allesamt im kürzlich eröffneten Grieserhof eine neue Bleibe fanden. Und auch mehrere Detailhändler (siehe oben) ziehen sich aus ihrer Geschäftstätigkeit zurück. Ein kleines Desaster, wie Pancheri erläutert, denn dadurch würden bisherige Kundenströme wegfallen und könnten nicht anderweitig aufgefangen werden.
Bozen, stellen die Geschäftsauflassungen kein neues Phänomen dar, denn „vor allem durch den on-line-Handel ist der stationäre Einzelhandel arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Entweder sind hier große Standortvorteile gegeben, oder er hat sich spezialisiert oder weist eine starke Touristenfrequenz auf, sonst sind die Mieten und die hohen Nebenkosten kaum zu schaffen. Die ausufernde Bürokratie tut noch das ihre dazu.“ Es sei aber mitunter auch ein Generationenproblem, die Nachfolgerschaft fehle auch immer öfters, viele würden sich die Mühen und Plagen eines 12und mehr-Stunden-Tages nicht antun. Die Folge in Bozen sei, dass manche Branchen völlig verschwunden seien, denke man nur an die Eisenwarengeschäfte oder an die Metzgereien, die nur mehr spärlich vorhanden wären.
WAS SAGEN DIE HDS-ORTSOBLEUTE VON BOZEN DAZU? Für Thomas Rizzolli, Ortsobmann von
Thomas Rizzolli