Deutscher Mittelstand

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INTERVIEW

Sebastian Moritz und Marcus Schreiber (rechts)

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strategisches Denken wagen

Eine Lehre aus der Pandemie: Mittelständler sollten sich stärker für Gefahren wappnen, raten Sebastian Moritz und Marcus Schreiber von TWS Partners

dem Hintergrund anderer Pandemien wie SARS oder MERS, die ja in der Vergangenheit regelmäßig aufgetreten sind, genug getan haben, um vorbereitet zu sein. Haben wir?

N

ARMIN FUHRER ach der Pandemie sind wir schlauer als vor der Pandemie – zum Beispiel ist das Bewusstsein, dass ein Land wie Deutschland in der Lage sein muss, bestimmte Produkte selbst herstellen zu können, gewachsen. Corona hat große Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft und vor allem auch auf die Lieferketten. Hätte die Gefahr einer Pandemie vorher erkannt werden können?

Sebastian Moritz: Die Bundesregierung hatte genau das Szenario einer globalen Pandemie in ihrer Planung, aber mit einer sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeit. Daher wurden auch in Normalzeiten seitens der Bundesregierung und Unternehmen nicht Milliarden in die Risikovorsorge investiert, denn es ist den Bürgern schwer zu verkaufen, warum man das Geld für Risikovorsorge ausgeben soll und nicht für den Bau von Schulen oder die Pflege. Man muss sich aber auch eingestehen, dass es eine Vollkaskoversicherung gegen solche extremen Risiken wie Covid-19 nicht gibt. Die Frage ist aber, ob wir vor

Moritz: Als es los ging mit Corona, mussten wir in Deutschland feststellen, dass wir gar nicht mehr die Fähigkeit besitzen, einfache Masken herzustellen. Großbritannien war nicht in der Lage, Beatmungsgeräte zu produzieren, und die USA mussten den National Defense Authorization Act aktivieren, um die Industrie dazu zu zwingen, Basisprodukte herzustellen. Wie es dazu kommen konnte, müssen sich die Regierungen fragen und fragen lassen. Marcus Schreiber: Ich glaube, was solche Fragen angeht, sind wir jetzt schlauer. Das Bewusstsein, dass man nicht nur bestimmte Produkte auf dem Weltmarkt kaufen kann, sondern sie auch selbst herstellen muss – also flexibel sein sollte – ist gewachsen,

auch wenn das Geld kosten wird. Wir zahlen zum Beispiel einem Unternehmen wie Airbus sehr viel Geld, um die Luftfahrtindustrie als strategische Industrie von nationalem Interesse im Land zu halten, denn wir wollen bei militärischer Ausrüstung nicht von den USA oder anderen Staaten abhängig werden. In der Gesundheitsindustrie war uns das bisher nicht wichtig. Da ist ein Umdenken erforderlich. Wie sieht es auf der Seite der Unternehmen aus? Schreiber: Sie müssen sich fragen, wer bei ihnen zuständig ist und was sie bereit sind, für die Vorsorge zu zahlen. Jede Maßnahme, die Risiken aus den Lieferketten herausnimmt, führt zu zusätzlichen Kosten für Unternehmen und erfordert eine Abweichung vom operativen Optimum zum Beispiel durch eine breitere Lieferantenbasis mit mehr Komplexität, mehr Lagerhaltung etc. Ich verstehe gut, dass Unternehmen sich scheuen, solche „Versicherungen“ für Risikofälle systematisch aufzubauen. Wenn es


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