frequenz
DasMagazindesDepartementsGesundheit
1|2025

ChronischenSchmerzen gezieltvorbeugen
NeueAnsätzefür mehrLebensqualität
Seite12
DasMagazindesDepartementsGesundheit
1|2025
ChronischenSchmerzen gezieltvorbeugen
NeueAnsätzefür mehrLebensqualität
Seite12
MehrWahlfreiheit beiderGeburt
Hebammenstärken, Versorgungerweitern. Seite18
NeueModellefür diePflege WieVersorgungauf demLandgelingt Seite28
InnovativeWege
4 DasGesundheitswesenaufdemOP-Tisch–VisionenundWidersprüche
6 7 Fakten, die ein Umdenken erfordern
8 InnovationfürmehrSelbstständigkeit: EinRoboterarmimPraxistest
10 TechnologiefördertMobilitätundSicherheit inderLangzeitpflege
12 DieChronifizierungvonSchmerzenverhindern
14 RehaBot:EindigitalerBegleiterfürdieRehabilitation
16 Care@home:ZuGastbeidenPatient*innen
18 Geburt3000:DieGeburtshilfeneudenken
20 BedarfsgerechtePflegeimSpitalfürältereMenschen
22 Hitze,SchmerzundStress–eineunterschätzte VerbindungimGehirn
24 PsychiatrischeAkutstationengemeinsamneudenken
26 MitmehrTransparenzzufairenMedikamentenpreisen?
28 InnovativeModellefürländlicheRegionen
30 BessereSpitalpflegedurchdigitaleDaten
32 DurchinterprofessionellesWissendieErnährungsmedizinfördern
Gesundheitbetrifftunsalle–unddochstehtdasGesundheitswesen vordrängenden Fragen: Werkümmertsichumdie Patient*innen, wenn Fachpersonen fehlen?Wie gehen wirmit derzunehmenden Multimorbiditätum,diedieBehandlungkomplexermacht?Undwie können wirsteigende Gesundheitskosten und die wachsende Zahl vonKonsultationen managen? Oder anders gefragt:Wie sieht eine zukunftsfähigeGesundheitsversorgungaus?
In dieser Ausgabe des «frequenz» präsentieren wirmutigeKonzepte, die dasGesundheitswesen gerechter,effizienter und nachhaltigergestalten können. Wirstellen Forschungsprojekte vor, die neue WegebeschreitenundbeleuchtenInitiativen,dieinnovativeVersorgungsmodelle erproben. Dazu gehören Advanced-Practice-Rollen, digitaleAssistenzsystemeundvernetzteStrukturenfüreinebessere Betreuung.Technologie spielt eine entscheidende Rolle:Digitale Daten helfen, die Pflegequalität in Spitälern zu verbessern, und intelligenteLösungenfördernMobilitätundSicherheitimAlter
DiePräventionvonchronischenSchmerzenzeigt,wieinterdisziplinäre Zusammenarbeit frühzeitig eingreifen kann. Und was wäre, wenn Architektur und Design die Genesung in psychiatrischen Akutstationenpositivbeeinflussenkönnten?
AuchinderGeburtshilfewirdeinneuerAnsatzverfolgt:EinModell verbindet klinische und hebammengeleitete Geburten, um Frauen und Familien echte Wahlfreiheit zu bieten. All diese Ideen zeigen: Die Gesundheitsversorgung der Zukunft wird vernetzter,smarter undflexibler.LassenSiesichinspirierenvonmutigenAnsätzenund frischenPerspektiven.
VielFreudebeimLesen!
Impressum
Herausgeberin: BernerFachhochschuleBFH, DepartementGesundheit,ISSN2297-1084
Auflage: 6600Ex
Redaktion:SandroNydegger,NicoleSchaffner,KatjaWey
Lektorat:KatjaWey
Bilder: BFH,sofernnichtandersvermerkt
Illustrationen: AdobeStocku.a.
Layout:EtageEstGmbH,Bern
Druck: erkur,Langenthal
Erscheinungsweise: i
Abonnement: bfh.ch/gesundheit/frequenz m m ag med zweimaljährlich en
DieTextediesesWerkessindlizenziertuntereiner Creative CommonsNamensnennung-Nicht kommerziell4.0InternationalLizenz.BilderundGrafiken stehen gemäss SchweizerUrheberrechtsgesetz für nichtkommerzielleZweckefreizurVerfügung.
Direktorin Departement Gesundheit Berner Fachhochschule
DasGesundheitswesenaufdemOP-Tisch–
SteigendeKosten, Fachkräftemangel,Bürokratie–das GesundheitswesenstehtvorgrossenHerausforderungen.WiekanndieZukunft aussehen?NicolasHermannvomStapferhausinLenzburgsprichtüber dieaktuelle Ausstellung«Hauptsache gesund», dieWidersprüche aufzeigt,VisionenvorstelltundzurDiskussioneinlädt.
Das Stapferhaus präsentiertneun Visionenzur Zukunft desGesundheitswesens in einem OP-Saal undlässt die Besucher*innen über die Behandlung abstimmen. (Bilder:Anita Affentranger, Stapferhaus)
«Hauptsachegesund.EineAusstellungmit Nebenwirkungen» –warum dieser Titel?
WirmöchtendievielenWidersprüchlichkeitenantönen, dieeszudiskutieren,aberauchauszuhaltengilt,wenn wirüberGesundheitsprechen.GesundheitwirdinunsererGesellschafteinimmerwichtigeresGut,manchesprechenauchvomeinzigunhinterfragtpositivenWertunserer Zeit oder voneinem «Megatrend». Das hat sicher
vielepositiveAuswirkungen,dochbringtesauchNebenwirkungenmitsich.SonimmtderDruckaufdasIndividuum zu, gesund sein zu müssen, und es stellt sich die FragenachderSolidaritätmitMenschen,dieuntereiner Krankheit leiden oder keinen gesunden Lebensstilpflegenwollen oder können. Unsere Ausstellung bietet Raum,über solche Fragen –aber auch über daseigene Gesundheitsverständnis–nachzudenken.
In derAusstellungzeigenSie Ideenfür neue Wege im Gesundheitswesen.Wieso?
WährendunsererRecherchenhörtenwirimmerwieder, wiefestgefahrendieGesundheitspolitikseitJahrensei, dass es mehr um wirtschaftliche Interessen einzelner Akteur*innenundumKostendiskussionengeheundweniger um Werteund Visionen. Uns schien es deshalb sinnvoll,solchen Visionen eine Plattform zu geben und den Besucher*innen zu vermitteln, dass es in der GesundheitspolitikumFragengeht,dieallebetreffen,zum Beispiel:Wie viel Profitdarfmit Gesundheitgemacht werden?SollunserGesundheitssystemdenFokusmehr auf Gesundheitstattauf Krankheitlegen?Wie viel Zwischenmenschlichkeit braucht es in der Medizin?Über solcheFragenbrauchtesmehröffentlicheDiskussion. Siepräsentieren neun Visionen zurZukunft des Gesundheitswesensineinem OP-Saalund lassen dieBesucher*innen über dieBehandlungabstimmen. Wiekam dieIdee?
Das Gesundheitswesen gehörtzuden grössten Sorgen derBevölkerung.FachpersonenwarnenvorVersorgungsengpässenundFachkräftemangel,diedieQualitätunseres Systems aufsSpiel setzen. Es schien uns deshalb passend, die Zukunft desGesundheitswesens in einem Notfallraum auf den OP-Tisch zu legen, in dem eine dringlicheAtmosphäreherrschtunddieBesucher*innen zum aktivenTeildes OP-Teamswerden, indem sie abstimmen. Nebenden Pro-Argumentenlassenwir auch kritischeStimmenzuWortkommen.Wirwollenzeigen, dass es zu jederIdeeauchbedenkenswerteEinwände gibt.DasGesundheitswesenistkomplex.UnserZielwar es,dassVisionundGegenstimmeeinSpannungsfelderöffnen,indemmanStellungbeziehenkann.
Gabes Visionen,die Sienicht aufgenommenhaben? Fallsja, warum?
EsgibtnochvieleweitereIdeenfürdasGesundheitswesen derZukunft–dieAuswahlfielunsnichtleicht.EinKriterium warz.B.,dassMenschenohneFachkenntnisseleichtAnknüpfungspunktefindenunddassdenVorschlägenspannendeWertefragenzugrundeliegen.Deshalbhabenwiruns gegenvoraussetzungsreiche«innermedizinische»VorschlägewiebeispielsweiseeinneuesTarifsystementschieden.
Welche Idee hatSie persönlich am meistenüberrascht oder vielleicht sogarinspiriert?
IchhattemehrereAha-Momente:Mirwarbeispielsweise vorher nicht richtig bewusst, dass die Schweizer KopfprämienunddiehohenSelbstbehalteinternationaleinzigartigsind unddass es kaum Staaten gibt,inderen Gesundheitswesen weniger Umverteilung stattfindet Auch die Gegenargumente haben mich immer wieder überrascht –etwazur Idee,Bürokratieabzubauen und demGesundheitsfachpersonalmehrVertrauenzuschenken. Aufden ersten Blick sprichtwenig dagegen.Doch dannmerktenwir,dasssicheinspannenderDiskussionsraum öffnet,wenn man aus Sicht der Patient*innensicherheitdarübernachdenkt
Gibt es bereits erste Trends zu denAbstimmungen? StandMitteMaiverzeichnetderVorschlag,dieBürokra-
tieimGesundheitswesenradikalabzubauen,diehöchste Zustimmungsrate, gefolgt vonder Forderung, mehr GeldinmedizinischesPersonalzuinvestieren.Interessantist,dassachtvonneunVorschlägenZustimmungsratenvonüber50Prozenterzielen,nureinerliegtsehr knappdarunter
Wiesolldie Ausstellungdie Debatteüberdie Zukunft desGesundheitswesensanregen undsind Folgeprojektegeplant?
IndemwirdenBesucher*innenvermitteln,wasallesmitspielt,wenn wirüber Gesundheit diskutieren und sie dazu anregen, sich selbst zu positionieren.Neben der AusstellunggibteseinePublikationundeinvielfältiges Veranstaltungsprogramm.Ausserdemprüfenwir,obTeilederAusstellungauchananderenOrtengezeigtwerden können.Ebenfallsevaluierenwirzurzeit,waswirmitden Abstimmungsresultaten machen. Denn auch wenn sie nichtrepräsentativsind,könnensieeinespannendeDiskussionsgrundlagebieten. Über Inputs freuenwir uns sehr:input@stapferhaus.ch.
HabenSie durchdie AusstellungneuePerspektiven gewonnen?
Ichmuss zugeben:Bevor wiruns entschieden haben, eine Ausstellung zum Thema Gesundheit zu machen, habeichmeistweitergeblättert,wennesinderZeitung umGesundheitspolitikging.IchhieltGesundheitspolitik füreinetechnokratischeDebatte,diemichkaumbetrifft DochwährendderArbeitanderAusstellungwurdemir klar,dass auch Nicht-Expert*innen eine Meinung dazu habenkönnen.Ichhoffe,dassesunserenBesucher*innen ähnlichgehtunddieAusstellungzuröffentlichenDiskussionüberWerteimGesundheitswesenbeiträgt
DieAusstellungimStapferhausläuftnochbisam26.Oktober2025.
ZuallenneunZukunftsvisionen fürdasGesundheitswesen
Interview: Nicole Schaffner,Kommunikation Departement Gesundheit
DiesteigendenKostenKonsultationennehmenzu
ImJahr2000betrugendieGesundheitskostenproEinwohner*innochrund 6000Franken,heutesindsieaufüber10000Frankengestiegen.
Quelle: BAG
15,3% derBevölkerunginderSchweiz
leiden an mindestens zwei nichtübertragbarenKrankheiten
ProzentderBevölkerungab15Jahrenmitmindestens einerKonsultationbeiÄrzt*innenimletztenJahr
Quelle: BAG
MultimorbiditäterhöhtKomplexität
Altersgruppen
MitdemdemografischenWandelnimmtdieMultimorbiditätunddamit dieKomplexitätzu.DieserfordertbesserausgebildeteFachpersonen
Quelle: BAG
Fachkräftemangel
«Pflegefachperson»
istdiemeistausgeschriebeneBerufsgruppe aufSchweizerJobportalen.
Quelle: x28
Quelle: BAG
PflegefachpersonalTertiärstufe Fachmann/-frauGesundheit(EFZ) Fachmann/-frauBetreuung(EFZ) Pflege-undBetreuungspersonalSek.II(EBA) Pflegehelferund-helferinnen
EntwicklungderAnzahlausgeschriebenerStellenimPflegebereichinderSchweiz von2018bis2023,aufgeschlüsseltnachBerufsgruppen.
Quelle: x28
21,5% desPflege-undBetreuungspersonalsinderSchweiz haben ihrenAbschluss im Auslanderworben.
MenschenmitTetraplegieundanderenkörperlichenBehinderungen sollen dank einerAssistenztechnologie mehr Autonomiegewinnen. Das interprofessionelleForschungsteamentwickeltdasSystemiterativ:
DieSteuerungdesRoboterarmswirdschrittweiseverbessert–basierend aufdirektemNutzerfeedback.
Die Aufgabeerfordert vielKonzentration: Gabriela Pozzi versucht,eine Flasche vomBoden aufzuheben. Wasfür die meistenMenschen ein alltäglicher Task ist, istfür Gabriela Pozzi eigentlich unmöglich. Denn seit einem Velounfall istdie 64-Jährigequerschnittgelähmt. Damit sie die Flasche trotzdem selbstständigvom Boden aufhebenkann,hilftihreinRoboterarm,montiertanihrem Elektrorollstuhl.
DasProjekt
DasProjektteammitAlineChristen,Dr.AnjaRaab, JulianRösch,Dr.RaphaelRätz,BarbaraWortmann undIrisdeBoer(v.l.n.r.)
DasForschungsprojekt«EntwicklungeinesRoboterarmsmitundfürMenschenmiteinerTetraplegie»wirdvondenDepartementenGesundheit sowieTechnikundInformatikdurchgeführt. DieFinanzierungerfolgtüberdieSchweizerParaplegiker-Stiftung
DasRoboterarmsystem istein Prototyp,entwickeltvon einem interdisziplinären Team der BernerFachhochschule BFH. DasZiel: eine Assistenztechnologie zu schaffen, die Menschen mit Tetraplegie undanderen körperlichenEinschränkungenimAlltagunterstützt GabrielaPozziisteinesogenannte«Pilotin»undhatden Roboterarm im Rahmen desCybathlonsder ETHZürich im Herbst 2024 unter Wettkampfbedingungen getestet. Und daserfolgreich: DasTeam wurde für sein innovatives, benutzerfreundliches und praxisnahesDesignmit dem Jury-Award ausgezeichnet
TesteninderalltäglichenPraxis
Währenddie«Pilot*innen»amCybathlonstandardisierte Aufgaben unter gleichen Bedingungen bewältigten, steht nun dienächsteHerausforderung an: Wie bewährt sich der Roboterarm im häuslichen Umfeld? DasForschungsteam plant deshalb,den Roboterarm eine Wochelangbeietwa15MenschenmitTetraplegiezuHause zu testen. Dabeiwirdgenaudokumentiert,wie praktikabel die Technologie im Alltag istund welcheVerbesserungen notwendig sind. Am erstenTag der Testphase führen die Proband*innen standardisierteTests durch, beispielsweise dasAufheben einerFlasche vomBoden Nach sechsTagen kommtdas Forschungsteam zurück, führtdie gleichenTests wieder durchund misstallfällige Verbesserungen beider Geschwindigkeit und der Handhabung der Aufgaben. Zusätzlich erhebt dasTeam mit Fragebögen qualitative und quantitative Datenzur Nutzerfreundlichkeit und zur Gesundheitsökonomie.
Fürdie Koordination dieser Testsist AlineChristen verantwortlich. Siestudiert Gesundheitswissenschaften und Technologiemit derVertiefung Medizintechnikan der ETH Zürich und schreibtihre Masterarbeit an der BFH. Gemeinsam mit ihrem Team ausIngenieur*innen und Forschenden ausdem Gesundheitsbereich setzt sie
aufeinen besonderen Forschungsansatz:den iterativen Prozess. Im Gegensatzzuähnlichen Studien, beidenen alleTeilnehmendendieselbeTechnologietesten,wirdder Roboterarmhierschrittweiseoptimiert.Fallsnötigmacht dasTeamnachjedem Test kleinere Anpassungen. Nach fünf Proband*innenwird dasFeedbackgenutzt,umgrössere VerbesserungenamDesign undander Funktionalitätanzubringen.Ein Prozess, dersichübermehrere Runden erstreckt
SchrittweisezueinemoptimalenProdukt
«Bei diesemiterativenProzess können wir schnellerauf Fehler eingehen unddas Produktgezieltverbessern», erklärtAlineChristen.Dasistbesonderswichtig,dasich Technologien wie Sprach- und Bilderkennung rasant weiterentwickeln. Während iterative Prozesse in der Informatikweit verbreitetsind, sind sie in der Gesundheitsforschung noch selten. DerNachteil: Die Testergebnisse sind schwer vergleichbar,da sichdas Produkt währendderStudiestetigverändert.EinebesondereHerausforderung für Aline Christen, diezwischen den wissenschaftlichen Herangehensweisen des Ingenieurwesensund der Gesundheitsforschung balancierenmuss. «Aber genaudiese Herausforderung macht dasProjekt so spannend», sagtsie.
Aline Christengefällt der innovative und praxisnahe Ansatz der Forschung:«Wir wollen wirklich ein Produkt fürdenAlltagentwickeln.»SountersuchtdasTeamparallel zurTestphase, wiesich die Technologie marktfähig
umsetzenlässt.EineHerausforderungdabeiist,dassdie körperlichen Fähigkeiten der Betroffenen sehr unterschiedlichseinkönnen:WährendGabrielaPozzidenRoboterarmmitdenFingerknöchelnüberdasTabletsteuert, sindandereBetroffeneaufdieSprachsteuerungangewiesen. DerRoboterarm muss also unterschiedlichen Ansprüchengerechtwerden,umwirtschaftlichrealisierbar zu sein.
FürAline Christenstelltdie Arbeit mit Menschen, die starke körperliche Einschränkungen haben, einen faszinierenden Kontrast zu ihrem eigenen Alltag dar. Neben ihrem Studium istsie alsSportlehrerin tätig undspielt Fussball beim FC St.Gallen. «Es istbereichernd zu erleben, wie Menschen ihrLeben aktivergestalten können, wenn Barrieren abgebaut werden», erzählt sie. Umso mehr freutsie sich aufdie nächsten Testsimhäuslichen Umfeld–undaufeinWiedersehenmitGabrielaPozzi,die den Roboterarm erneutinder Praxis erproben wird.
MehrInformationen überdasForschungsprojekt
Autor: Sandro Nydegger,Kommunikation Departement Gesundheit
MobilitätundSicherheitinderLangzeitpflege
MehrBewegungstärktdasWohlbefindenältererMenschen,erhöhtaber auch dasSturzrisiko.Eineneue 3D-Radartechnologie soll helfen, Stürze frühzeitig zu erkennen unddie Prävention zu verbessern.Doch welchenNutzenbringtsietatsächlich?
nreichsten Ereignisseninder Langzeitpflege. Alterszentrenstehen vordemSpannungsfeld,Sicherheitzugewährleistenund gleichzeitig die Bewegungsfreiheit zu fördern. Rundein Viertel der über 65-Jährigen stürzt mindestens einmal pro Jahr,bei den über 80-Jährigen ist es sogar einDrittel (BFS, 2025). Nach einemSturz könnendie meistenBetroffenen nicht mehr selbstständig aufstehen und sind aufHilfe angewiesen.Besonders in Pflegeheimen kann dies gravierende Folgen haben: Verletzungen, längere Spitalaufenthalte, erhöhter Pflegebedarfund hohe Kosten.InderSchweizbelaufensichdieGesundheitskosten
durch Stürze älterer Menschen auf 1,8 Milliarden Franken pro Jahr(BFU, 2020). Doch oft istnicht der Sturz selbstdasHauptproblem,sonderndieZeit,bisHilfeeintrifft.Jeschneller eine gestürztePerson gefunden wird, desto besser sind dieHeilungschancen und destogeringer sind die Folgekosten.
TechnologiealsLösung:QUMEA-SensorimEinsatz Neuere Technologien, insbesondere Radar- und Sensortechnologien, bieten dasPotenzial, um Pflegende bei der Sturzerkennung und -prävention zu unterstützen und gleichzeitig die Bewegungsfreiheit und Sicherheit
der Bewohner*innen zu erhöhen. ImHaslibrunnen, einem Kompetenzzentrumfür dasAlter in Langenthal, wird mit den QUMEA-Sensoren erstmals eine 3D-RadartechnologieimLangzeitsettingeingesetzt. Die Berner Fachhochschule (BFH)begleitetdas Projekt mit der Studie «Safety First» und untersucht den Mehrwert dieser Technologie im Pflegealltag. Ursprünglichwurdendie QUMEA-Sensoren für den Einsatz in Akutspitälern entwickelt. DasSystem ist in denLampen der Zimmerund in den WCsder Bewohnendeninstalliert und erfasstBewegungenimRauminEchtzeit,ohnevisuelleDatenaufzuzeichnen,wodurchdiePrivatsphäregeschütztbleiben soll.EserkenntStürzeautomatischundregistriert,wenn Bewohner*innen dasBett oder einen festgelegten Bereichverlassen.DasPflegepersonalwirddirektübereine AppunddieRufanlageinformiert.InwieferndieTechnologie auch helfenkann, Stürze zu vermeiden, muss sich noch zeigen. Dies isteine Hoffnung vonHansjörg Lüthi, dem Geschäftsführer des Haslibrunnen: «Wir möchten, dass sich unsere Bewohnenden noch lange und so oft wie möglich freibewegen können undgleichzeitig ihre Sicherheitgewährleistetist.MitderQUMEA-Technologie strebenwirgezielteInterventionenfürmehrMobilitätan und beabsichtigen in der Sturzprävention einenSchritt weiter zu kommen.» Eine weitere Intention seies, dass sich die Mitarbeiter*innen vonder Technologie unterstützt fühlen.
WiePflegefachpersonendieneueTechnologie erleben
DiePflegefachpersonen im Haslibrunnensehen in der neuen Technologieviele Vorteile gegenüberder bisher genutzten Klingelmatte.Die Mattekonnte umgangen werden, war anfällig für Fehlalarme und erhöhtesogar die Sturzgefahr.Die Möglichkeit,Stürze durch densofortigenAlarmschnellerzuerkennenundentsprechend reagieren zu können, wird vonvielen begrüsst. Als weitere Pluspunktenennen sie die erhöhteSicherheit für Bewohnende, die Modernisierung und Praktikabilität und dasunauffällige Design, da der QUMEA-Sensor quasi unsichtbar ist.
DochdieEinführungneuerTechnologienbringtnicht nurChancen,sondernauchHerausforderungenmitsich. EinedergrösstenHürdendesSystemswardieAnpassung an dasLangzeitsetting.Fehlalarme durch Besucher*innen –insbesondere Kleinkinder –, Putzkräfteoder sogar HaustierestelltenanfangseinProblemdar.ZudemmusstesichdieTechnologieandiesehrlangsamenBewegungenderälterenMenschengewöhnen.InderAnfangsphase empfandenPflegefachpersonen dasSystem daher als zusätzliche Belastung undeswaren viele Feinjustierungen derSensoren notwendig
QUMEA
3D-Radar (Bilder:QUMEA)
Skepsisgegenüberder«unsichtbaren»Hilfe Nebenden technischenHerausforderungen gab es auch VorbehaltegegenüberderTechnologie.PflegefachpersonenäussertenBedenkenhinsichtlichderStrahlenbelastung und der Funktionssicherheit beiVerbindungsproblemen. Einigen fiel es schwer,einem «unsichtbaren» Gerätzuvertrauen. Auch beiden Bewohner*innen gab es Skepsis. Einige befürchteten, überwacht zu werden –insbesondereimSchlafoderimBadezimmer.Wiederandere sahen dieKostenkritisch. Angehörige zeigtensich weniger um den Datenschutz besorgt, da der QUMEASensor kein Kamerasystem nutzt,und hebenhervor, dass dasSystemnur nützlich ist, wenn die Pflegenden beieinem Alarm auch rechtzeitig reagieren.
VonderMehrbelastungzumMehrwert
Die Einführung neuer Technologien in der Pflege ist ein komplexerProzess, derviele Anpassungen erfordert undanfangs oft eine Mehrbelastungfür dasPersonalbedeutet. Inwiefern mithilfe derErkenntnisse der QUMEA-SensorentatsächlicheinBeitragzurMobilitätsförderung und Sturzprävention geleistetwerden kann oder dasPflegepersonal langfristig entlastet wird,lässt sich noch nicht abschliessend sagen. Die endgültigen Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie werden Ende 2025erwartet.Einesistjedochklar:DerErfolgvontechnologischenInnovationen in derLangzeitpflegehängt starkvon der Akzeptanz durch Pflegefachpersonen, Bewohner*innen und Angehörige ab.Nur wenn alle Beteiligten Vertrauenindas System gewinnen, kann es sein volles Potenzialentfalten
Referenzen: –BundesamtfürStatistik(BFS)(3.März2025).Schweizerische Gesundheitsbefragung.https://ind.obsan.admin.ch/de/indicator/ obsan/stuerze –BeratungsstellefürUnfallverhütungBFU.Status2020:Statistik derNichtberufsunfälleunddesSicherheitsniveausinder Schweiz.Strassenverkehr,Sport,HausundFreizeit.Bern:BFU; 2020.doi:10.13100/bfu.2.384.01
Autorinnen: Dr.Caroline Schneider,Wissenschaftliche Mitarbeiterin Pflege
Nicole Schaffner,Kommunikation Departement Gesundheit
ChronischeSchmerzenwerdenseitKurzemalseigenständige Erkrankunganerkannt–einParadigmenwechsel,derneueBehandlungsansätze erfordert. DasProjekt PrePaC verfolgt einen innovativenWeg:Esberücksichtigtmedizinischeundpsychosoziale FaktorenundbeziehtBetroffeneaktivindiePräventionein.
Chronische Schmerzen– also Schmerzen, dielängerals drei Monate andauern oder wiederkehrend auftreten –betreffen in derSchweiz schätzungsweise 1,5 Millionen Menschenundgehörenzudenamweitestenverbreiteten nichtübertragbarenKrankheiten.Dieaktuellenjährlichen volkswirtschaftlichenKostensindnichtbekannt,werden aber auf 4,3 bis 5,8 Milliarden Franken geschätzt. AlarmierendistdasVorkommenvonchronischenSchmerzen besonders auch beiKindern undJugendlichen. Gemäss Obsan-Bericht des BAG litten im Jahr 2022 34,9 Prozent der11-bis15-JährigeninderSchweizinnertsechsMonatenmehrmals pro Woche an Kopf-,Rücken-oder Bauchschmerzen.ImVergleichzumJahr2018istdieseZahlum 14,4 Prozent gestiegen. Nebenden sozioökonomischen Auswirkungen sind chronische Schmerzen vorallem für die Betroffenen und ihrUmfeld belastend und bedeuten langanhaltendesLeidenundEinschränkungenimAlltag
ZudenPersonen
Dr.Prof.Konrad Streitberger LeiterdesSchmerzzentrums undProjektleitervonPrePaC
GezieltePräventionalsSchlüssel Internationale Studien zeigen,dassviele Menschen mit akuten Schmerzen späterchronische Schmerzsyndrome entwickeln.ErstkürzlichwurdensievonderWeltgesundheitsorganisation (WHO)als eigenständige Diagnose anerkannt,wasdieNotwendigkeiteinesneuenVerständnissesund Umgangsmit dieser Erkrankung unterstreicht. Hier setzt dasForschungsprojekt PrePaC (Prevention of PainChronification)an,dasvomUniversitärenSchmerzzentrum des Inselspitals Bern unter Mitwirkung der Berner Fachhochschule (BFH) und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) geleitet wird. Ziel istes, Risikopatient*innenbesserzuidentifizierenundgezielte präventive Massnahmen anzubieten. Prof.Dr. med. Konrad Streitberger,Leiter desSchmerzzentrumsund ProjektleitervonPrePaC,erklärt:«ChronischerSchmerzentsteht durchMechanismen im zentralen Nervensystem, diedurch Ängste,StressoderSchlafstörungen verstärkt werden.DerEinbezugsozialerFaktorenindiePrävention wurde bisher vernachlässigt.PrePaC setzt deshalbauch aufdie frühzeitige Integration vonSozialarbeitenden.»
Yasmina Weerasekara Pflegefachpersonund ExpertinausErfahrung
FrühzeitigeHilfe–einPraxisbeispiel StreitbergerbetontdieBedeutungderkoordiniertenund vernetztenVersorgung:«WennsichPatient*innenimGesundheitssystemverlorenfühlenund voneiner Anlaufstellezurnächstengeschicktwerden,kanndasdieChronifizierungder Schmerzenbegünstigen.» Im Teilprojekt Gesundheitspfad wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit konkret umgesetzt.Hier werden Patient*innen mit akuten Schmerzen nicht nur medizinisch und physiotherapeutisch betreut, sondern es wird auch nach psychosozialen Belastungsfaktoren gefragt.«EinPatient kammitakutenRückenschmerzeninunsereNotaufnahme»,schildertStreitberger.«NachderUntersuchungwar klar,dasskeineOperationnötigist.BeiderErhebungder psychsozialen Faktoren stellten wir fest, dass ihnseine
Diese Patient Journey Map zeigt denWeg einer chronischen Schmerzpatientin im Gesundheitswesen auf.(Bild: Skizze aus dem Projekt PrePaC)
unsichere Arbeitssituation starkbelastete. Durch die Einbindung unserer Sozialarbeitenden konnten wirihn gezieltunterstützen und in denArbeitsprozess zurückführen.»AuchÄrzt*innenprofitierenvonderEinbindung sozialer Fackräfte: «Oft müssen wir unszufachfremden Themen wie IV-Renteoder Versicherungen äussern. Mit solchenFragensinddiePatient*innenbeiSozialarbeitenden besser aufgehoben.»
WarummultimodaleSchmerztherapienötigist Besonders herausfordernd istdie Behandlung von Patient*innen ausschwierigen sozialen Verhältnissen oder mit Sprachbarrieren, etwaGeflüchtetemit Traumaerfahrungen. «In solchen Fällen kann eine Operation sogar kontraproduktivsein undein weiteres Trauma auslösen»,warntStreitberger.«Wirmüssensensibelund interdisziplinärarbeiten,umsolcheRisikenzuminimieren.» Er kritisiert denhäufigen ärztlichen Aktionismus beichronischen Schmerzen. «Es wird operiert und Opioide werden verschrieben, weilman nicht weiter weiss. OftkaschierenOpioidepsychosozialeProbleme,stattdie Ursachen der Schmerzen zu behandeln.» Streitberger sieht in der multimodalen Schmerztherapie einen vielversprechenden Ansatz,warnt aber vordem Spardruck inderSchweiz.«WirmüssenwegvonderisoliertenFachmedizin hin zu integrierten Behandlungswegen.»
Er fasstdas oberste Ziel vonPrePaC zusammen: «Wir wollen die soziale Komponentegleichberechtigt in die biopsychosoziale Behandlung integrierenund dieVersorgungkoordinieren.Sovermeidenwir,dassBetroffene in eine Abwärtsspirale geraten, ihre Arbeit verlieren und weiter stigmatisiert werden.»
EinbezugvonchronischenSchmerzpatient*innen Massgeblich für die Erreichung dieses Ziel istdie Perspektive vonMenschen, diemit chronischen Schmerzen leben.EineigenesTeilprojektbeiPrePaCsorgtdafür,dass ihre Erfahrung undihr Wissen insProjekt einfliessen Yasmina Weerasekaraist eine vonden Expert*innen durch Erfahrung.Ursprünglich alsPflegefachperson tätig und jetzt chronisch krank,kennt sie beideSeitenund betontdieWichtigkeitfürdenEinbezugvonBetroffenen: «Auchwenn die Empathie seitensGesundheitsfachpersonengrossist,kannmansichalsAussenstehendenicht vorstellen, wie einschneidend derchronische Schmerz fürdenAlltagunddiePersönlichkeitistundwelcheHürdenBetroffene überwinden müssen.»
ErfahrenSiemehrzudenTeilprojekten undzumpartizipativenAnsatzdesProjekts imausführlichenArtikel.
Autorin: Nicole Schaffner,Kommunikation Departement Gesundheit
EininterdisziplinäresForschungsteamhateinenKI-gestütztenChatBot entwickelt,derPatient*innenunterstützenkönnte,dasErlernteaus derstationären Rehabilitation im Alltag zu integrieren. Mitdem PrototypsollenPotenzial undHerausforderungen dieserTechnologie für Care@homeerforschtwerden.
Fabrizio Mognetti hatein Problem:Der Physiotherapeut im Reha Zentrum Bern in Heiligenschwendi betreut täglich Patient*innenmit verschiedenen Erkrankungen –von muskuloskelettalen bis hin zu onkologischen –hoch über demThunersee.Durch dieBemühungen von Mognetti undseinen Kolleg*innen ausverschiedenen Disziplinen erzielen diemeistenPatient*innen gesundheitliche Fortschritte und können nach durchschnittlich drei Wochen wieder nachHause. Doch genauhier beginnt für den Physiotherapeuten dasProblem: Ohne kontinuierlicheUnterstützungvonFachpersonengelingt
ZurPerson FabrizioMognettihat2024anderBFHdenMaster ofScienceinPhysiotherapiemitdemSchwerpunkt Schmerzphysiotherapieabgeschlossen.Erarbeitet alsPhysiotherapeutimBernerRehaZentrumin Heiligenschwendi
esdenPatient*innenoftnicht,gesundheitsförderndeGewohnheiten beizubehalten.Viele kehren wiederholtin dieRehazurück.Dabeifälltauf,dassvondenFortschrittenbeimletzten Aufenthalt wenig hängengebliebenist Ohne die notwendige Unterstützung im häuslichen Umfeld gehtdas Gelernteaus der Reha verloren.
EinedigitaleSchnittstelle
UmdennahtlosenÜbergangvonderstationärenRehabilitation in den häuslichenAlltagzuunterstützen, haben Forschendeder BFHzusammenmit demReha Zentrum Bern und der ETHZürichden «RehaBot» entwickelt. Dieser digitale Assistent sollals Schnittstellezwischen FachleutenwieFabrizioMognettiunddenPatient*innen nach der Reha fungieren.Als solche hätteerZugriff auf eine persönliche Datenbankund könntemit Hilfe von KünstlicherIntelligenzaufdiePatient*innenzugeschnitteneTutorialsbereitstellen,häufigeFragenbeantworten und gezieltanÜbungenerinnern. Auch die Ernährung könntederAssistentoptimieren,indemerPläneanpasst und Empfehlungen gibt FürFabrizioMognettisinddie Vorteile gross: «Wir könntendieWirkungeinerTherapielangfristignachverfolgenundeinschreiten,wennAnpassungennötigsind.»
EininterdisziplinäresTeamausPhysiotherapeut*innen, Ernährungsberater*innen, Ärzt*innen und Pflegefachkräften ausdem Reha-Zentrum würde den digitalen Assistenten im Hintergrund überwachen und die Patient*innensoauchzuHausebetreuen.DieForscher*innen gehen davonaus,dassein solches digitales Angebot die Selbstständigkeit der Patient*innen fördert,indem es ihnendenZugangzuwichtigenInformationenerleichtert unddieKommunikationmitFachpersonenüberdenAssistenten direktermöglicht
NochgeringeAkzeptanzdesAssistenten Erfahrungen ausQuerschnittbefragungen und Stichproben beiPatient*innen in Heiligenschwendi zeigen aber die Schwierigkeiten und Grenzen einer solchen Technologie: Während vieledie Idee einesdigitalen Assistentenspannendfinden,wollteihnanschliessendniemand zu Hause ausprobieren.Die meisten bevorzugen denmenschlichen Kontakt, seiesdurch Hausärzt*innenoderFamilienmitglieder. «DieserUmstand könnte möglicherweise aufdas Alterder Betroffenen sowieauf die damit einhergehende, zum Teil fehlende technologische Affinität derPatient*innen zurückzuführen sein», meint Fabrizio Mognetti. DasDurchschnittsalter der Reha-Patient*innen inHeiligenschwendi liegt bei 72 Jahren.«BeijüngerenGenerationenkonntenwireine grössereBereitschaft feststellen,mit dieser Technologie zu arbeiten.»
Auch auftechnischer Ebene gibt es Hürden.Die aktuelle Version des«RehaBots» istnochnicht interaktiv genug,umeinelangfristigeNutzungattraktivzumachen. EinsolchesSystemmüsstedeutlichintelligenterundflexibler sein, um Patient*innen im Alltag wirklich zu unterstützen.Zudem spieltder Datenschutzeine zentrale Rolle. Gesundheitsdatensindsensibelund ihre sichere Speicherung sowie Verarbeitung müssen gewährleistet sein.DieBereitschaft,solcheDatenmiteinerKIzuteilen, variiertstark.
Dr.Googleentgegenwirken
Um die Akzeptanz undEffektivitäteinessolchen digitalenAssistentenzuerhöhen, wäre es laut Mognetti sinnvoll,ihnbereitspräventivindenAlltagderMenschenzu integrieren. Er sieht eine Zukunft,inder der «RehaBot» beispielsweise Bestandteil einerallgemeinen Gesundheits-App ist, die Menschen langfristig begleitet.So wäre er nach einemKlinikaufenthalt keinevölligneue Erfahrung mehr.Wearables könnten Gesundheitsdatenkontinuierlicherfassen und in Echtzeit personalisierteEmpfehlungen liefern. «Esist wichtig, dass wir eine vertrauenswürdige Alternative zu zweifelhaften Gesundheitsinformationen ausdem Internet bieten», betont Mognetti, «ansonstenholen sich die Menschen ihre Informationen vonDr. Google.»
FürFabrizio Mognetti istklar: DerRehaBot soll menschliche Fachpersonen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Besonders beider zunehmenden Verlagerung vonstationären Behandlungen hinzuCare@home sei es wichtig,eine durchgehende undqualitativhochwertige Betreuungzugewährleisten.
Autor:
Sandro Nydegger,Kommunikation DepartementGesundheit
DasGesundheitswesenverlagertsichvonstationärenInstitutionen zurambulantenVersorgungzuHause –mit Folgen fürdie Pflegefachberufe.DieExpertinnenFriederikeJ.S.Thilo,KerstinDeneckeund ManuelaGrieser diskutieren, welchenWandelsie fürPflegefachpersonenundihrePatient*innenerwarten.
Waswirdsichfür Pflegefachpersonendurch Care@ home ändern?
Thilo: Der Care@home-Ansatz will Spitaleinweisungenbei akuter Erkrankung vermeiden. Dieserfordert eine neueFlexibilität und Verfügbarkeit fürPflegefachpersonenundÄrzt*innen.Ausserdemerweiterndigitale WerkzeugeimLabor,beiderDiagnostik,inderTelekon-
ZudenPersonen
Prof.Dr.KerstinDeneckeist Co-Lead des Institute PatientcenteredDigitalHealthund entwickelt neue Technologien fürdasGesundheitswesen
Prof.Dr.FriederikeJ.S.Thilo leitet das Swiss Center for Care@home und forscht zurEntwicklungvonGesundheitsberufenindigitalen Care@home-Modellen.
ManuelaGrieser,diplomierte Pflegefachperson(RN,MA), leitet den Bereich Pflegean der BFH und entwickelt innovativeBildungsformate fürdiePflegepraxis.
sultation oder beim Monitoring vonVitalzeichen das HandlungsspektrumderPflegefachpersonen.
Grieser:EinezentraleVeränderungfürPflegefachpersonen ist die erhöhte Eigenverantwortung:Pflegefachpersonen arbeiten oft selbstständig, müssen komplexe Situationenschnell erfassen, therapeutische Entscheidungen treffen und dieseiminterprofessionellenTeam kompetent kommunizieren. Dieserforderterweiterte klinischeundtherapeutischeFähigkeiten,umsicherund selbstbewusst agieren zu können.Sie müssenmit dem NetzwerkrundumdiePatient*innenzusammenarbeiten. DasgehtweitüberpflegerischeTätigkeitenhinaus.
Waswirdsichfür betreute Personen ändern?
Grieser: Fürbetreute Personen bedeutet der Care@ home-Ansatzvorallem,dasssieinihrergewohntenUmgebung bleiben und dortversorgt werden können. Dies kann mehr Autonomie undWohlbefinden bedeuten, bringtaberauchneueHerausforderungenmitsich.
Denecke: BeispielsweisewerdenbetreutePersonen sicher noch stärker mit Technologie umgehen müssen, beispielsweise zum Management ihrer Gesundheit.Dafürmüssensiegeschultwerden.
Grieser: DerUmgang mitTechnologien –zum BeispielmitDatensicherheitundDokumentation–wirdin derTateinegrössereRollespielen,aberebensodieFähigkeit,sichselbstunddeneigenenKörpergutwahrzunehmen.Patient*innenwerdeninunsicherenMomenten selbstständigagierenmüssen–möglicherweisemitAnleitung,aberoftohnesofortigeprofessionelleUnterstützung.AuchfürAngehörigeverändertsichdieSituation: Siegeben ihre Liebsten nicht einfach «gesorgt» in ein Spital ab,sondern tragen aktivVerantwortung fürdie Betreuung. Dieses Mehr an Verantwortungwirdnicht allenentsprechen.
Thilo:Genau,deswegenmussCare@homefreiwillig bleibenundvonärztlicherundpflegerischerSeitegenehmigtwerden.DasUmdenkenlohntsichaberfürbetreute Personen,dennsieerleidenzuHausewenigerKomplikationen wieInfektionen oder Delir, habenoft besseren Appetit,genesenschnellerundbleibenselbstständiger, wiewirausinternationalenStudienwissen.
Wo sehenSie Schwierigkeitenbei derEntwicklung vonCare@home?
Grieser:SchwierigistCare@home,weilwirmitdem KonzepteinneuesSelbstverständnisfördernmüssen,in demsichMenschenwiederalskompetenteWesenwahrnehmen:MenschenmüsseninderLagesein,Herausforderungeneigenständigzubewältigen,richtigeEntscheidungen zu treffen und nur gezielt Unterstützungdurch FachpersoneninAnspruchzunehmen.DerUmgangmit der eigenen Unsicherheitwird hier eine zentraleRolle spielen.
Welche (neuen)Skillsbraucht es fürCare@home?
Thilo: Welche SkillsGesundheitsfachpersonen für Care@homebenötigen,wissenwirnochnichtabschliessend.IchgeheabervonneuenRollenaus,diesichspezialisiertmitinterprofessionellerZusammenarbeit,dem EinsatzvonTechnikundDatenoderderVersorgungvon spezifischenPatient*innengruppenbeschäftigen.Sicher ist,dass der Einbezug der Patient*innen sowiederen Zugehörigenintensiverwird.DennbeiCare@homesind die Gesundheitsfachpersonen zu Gast beiden Patient*innen.
Denecke:WirmüssenfürCare@homeneueWegefinden,umRisikenfürdiePatient*innensicherheitzuidentifizieren und zu managen.Das Krisenmanagement, rechtliche und ethische Fragestellungen werdeneine grössereRollespielenundentsprechendeFähigkeitenin derBewertungvonVersorgungssituationenerfordern.
Grieser:PflegefachpersonenimCare@home-Kontext sind aufein nochbreiteres Wissen angewiesen und arbeiten selbstständiger.Sie werdenimUmgang mit Patient*innenundmittechnologischenHilfsmittelnweitergeschultwerdenmüssen.SiemüssenFähigkeitenwie Selbstbewusstsein,Werteorientierung,Prozessverständnis,therapeutischesDenkenundHandeln,Achtsamkeitsbasierung,therapeutischeResonanzundSelbstregulierungmitbringen.
Autor: Hannes Tscherrig,Kommunikation BFH
WasistCare@home?
Das Konzept
Care@homeisteinefürdieSchweizneueForm derGesundheitsversorgung,beiderdiePatient*innenzuHauseanstattimSpitalbehandeltwerden. InterprofessionelleTeams,bestehendausÄrzt*innen,Pflegefachpersonen,Therapeut*innen,Sozialarbeiter*innenetc.,betreuendiePatient*innen inihrergewohntenWohnumgebung.Leistungserbringer*innenausderstationärenundambulantenVersorgungarbeitendafürzusammen.
Das Ziel
Mit diesem innovativen Ansatz sollen teure Spitalaufenthalteverkürztodervermieden werden.StudienundErfahrungenausanderen Ländern zeigen, dass damit dieEffizienz desGesundheitssystemsgesteigertwerden kann,ohnedieQualitätderVersorgungzuverschlechtern.
Das Netzwerk
UmsolcheModellezuentwickeln,hatdieBerner Fachhochschule(BFH)dasSwissCenterfor Care@home (SCC)aufgebaut,das am 1.Januar 2025seineTätigkeitaufgenommenhat.Das Zentrum vernetzt die Praxis mit Wissenschaft, Forschung,IndustrieundPolitik,wodurcheine starkeInnovationskraftentsteht.
AlsTeilderInitiativeunterstütztderKanton BernProjektideenwieden«RehaBot»(S 14) mitAnschubfinanzierungen.
MehrüberdasSwiss CenterforCare@home
DerForschungsstandzeigt:MüttersindmithebammengeleitetenGeburtenzufriedener,dochausserklinische Geburten stagnieren in der Schweiz.Geburt3000willdiesändern–mitneuenKooperationsformen zwischen klinischer undausserklinischerGeburtshilfe,die Frauen undFamilienechteWahlfreiheitbieten.
Nurgerade 4 von 100 Frauen in der Schweiz gebären in einemausserklinisch-hebammengeleitetenSetting.Und das, obwohlFrauenmit einemtiefen Risikoprofilmit einer hebammengeleiteten Geburt zufriedener sind und bessere mütterliche Outcomes haben, wie wissenschaftlicheStudien zeigen (Scarf et al 2018,Sandall et al., 2024). Warum entscheiden sich dennoch rund 95 Prozent der Frauen für dasSpitalals Geburtsort? Einer der GründedürfteimfehlendenAngebotliegen:Oftbefinden sich die Geburtshäuserzuweit vonden Wohnorten der Frauenentfernt(Rauchetal.,2022).«DieFrauenhaben somit nicht wirklich eine Wahlfreiheit.Sie entscheiden sich oft füreine klinische Geburt,auchwenn sie eigentlich ein ausserklinisches Setting bevorzugt hätten», so Dr.EvaCignacco,MitglieddesProjektteamsGeburt3000
DieInitiantinnen
RenateRuckstuhl-Meierist HebammemitMBAinHealth ServicesManagement,GründerineinerHebammenpraxisund ehemaligeCEOdesGeburtshausesTerraAlta.
Prof.Dr.EvaCignaccoist HebammeundDozentinander BFHunddieersteHebamme derSchweizmitDoktoratund Habilitation
undDozentinanderBFH.Hinzukommt,dassgutaufbereiteteInformationen zurausserklinischen Versorgung weitgehend fehlen. Ein weiterer Grund, warumsich Frauen häufigfür eine Geburt im Spitalentscheiden, ist dasGefühl der Sicherheit.Für viele Frauen istdas Spital derOrt,andem sie beiKomplikationen dienotwendige medizinische Versorgung erhalten.
AusserklinischeundklinischeGeburtshilfeHand inHand Fürdie beiden Initiantinnen des Pilotprojekts Geburt 3000,Renate Ruckstuhl-Meier und EvaCignacco,ist klar: Um die Wahlfreiheit vonFrauenund Familien zu erhöhen, brauchtesneueFormender Zusammenarbeit zwischen inner- und ausserklinischer Geburtshilfe. Kernstückdes Projekts sind hebammengeleiteteGeburtspavillons, die aufdem Gelände eines Partnerspitals entstehen. Durch die Nähe des Geburtspavillons zumSpitalwirdzumeinendieErreichbarkeitbegünstigt und zum anderen dasSicherheitsbedürfnisder Frauen erfüllt.Das Resultat:echteWahlfreiheit für Gebärende ohne Angstvor Unterversorgung.
Die Geburtspavillonswerden autonomvon Hebammenteamsbetrieben,Geburt3000unddasPartnerspital gehen jedoch eine strategische Allianz ein und stehen in engemAustausch.Dieausserklinischeunddieklinische Geburtshilfe stehen somit nicht länger in Konkurrenz, sondern pflegen eine enge Kooperationund lernen voneinander
DasGesundesollimZentrumstehen Geburt 3000 will aber noch in einemanderen Bereich neueWege gehen: Die Salutogenese sollals zentrales Prinzip in die unterschiedlichen Bereiche einfliessen. «Mit Geburt 3000 wollen wir den Fokusprimär weg vomKrankenhin zumGesundenlegen», erläutertProjektleiterinRenateRuckstuhl-Meier den Ansatz. «Wir
So könnteein Geburtspavillon aussehen (Bild:Geburt 3000;bearbeitet mit ChatGPT)
gehen im Grundsatz vongesunden Schwangerschaften und normalem Gebären aus.» Dies sollsich zum einen in der Betreuung der Schwangeren und ihrerFamilien widerspiegeln, die nach den Grundsätzen derSalutogenese erfolgen soll. Zumanderenwerden dieGeburtspavillonsnach salutogenetischen Ansätzen geplant und gebaut.Nutzer*innenorientiert und nach denGrundsätzender «healing architecture»erstellt, sollen diePavillonsGeborgenheit undSicherheit vermitteln und den Geburtsprozess positivunterstützen. «Oft wirdbei neu gebauten GeburtsräumenimSpitalumfeld kaum aufdie Bedürfnisseder Gebärenden eingegangen, mit Geburt 3000 wollen wir dasändern und die Architektur nach den Gebärenden ausrichten, nicht umgekehrt», wie Eva Cignacco erklärt
WissenschaftlicheValidierung
DasgesamteProjekt wird begleitet vonWissenschaftler*innenderBernerFachhochschule(BFH),umErkenntnissefestzuhaltenund einenintegrativen Lernprozessin Gangzusetzen.Gelerntessollevaluiertundvalidiertwerden, umesanschliessend wieder in den Betrieb einfliessenzulassen.ZudemistdieBFHbeauftragt,einKonzept zuentwickeln,umdiehebammengeleiteteGeburtshilfein der Weiterbildung zu stärken. DerCAS «Hebammengeleitete Geburtshilfe» wird ab September 2026 belegbarsein und verbindet theoretische Ansätze mit Praktika in EinrichtungenderausserklinischenGeburtshilfe.
Geburtshilfenachhaltigverändern Geburt 3000 setzt an unterschiedlichen Ansatzpunkten an, um die Geburtshilfe in der Schweiz nachhaltig zu verändern: vonder Betreuung der Gebärenden, über die wissenschaftlich fundierteund validierteAus-und Fortbildung der Hebammen bis hin zur «healing architecture» der geplanten Geburtspavillons. Die Geburtshilfe sollinihrer ganzen Vielfalt betrachtet und weiterentwickeltwerden mit dem Ziel, dashebammengeleitete ausserklinische Versorgungsangebot für alle zugänglich und leicht erreichbar zu machen. Finanziert wird das Pilotprojekt durch Stiftungen. Mit dem Geburtshaus Zürcher Oberland und dem SpitalUster konnteGeburt 3000 bereits die erstenPartner für die Umsetzung gewinnen.DiedreiParteienhabeneineAbsichtserklärung unterzeichnet,umgemeinsam eine strategische Allianz einzugehen. Geplantist,zuBeginndes Jahres 2027 einen erstenPavilloninunmittelbarem Umkreis des Spitals UsterinBetriebzunehmen.
Referenzen: DieLiteraturzudiesemTextkönnen Sieonlineeinsehen.
Autorin: Sabine Graf,Casalini
DieAnzahlhospitalisierterälterer Menschen steigt stetig.Dochsind Spitäler ausreichendauf ihre komplexenBedürfnissevorbereitet?
EinDoktoratsprojektinPflegewissenschafterprobtdazueineinnovative Lösung:das pflegegeleitete 4Ms-Programm.
Mobility Mobilität
Erhaltung der Mobilität und Funktionsfähigkeit
Mentation kognitiveFähigkeiten
Medication Medikation
RegelmässigeÜberprüfung derMedikation, um unerwünschte Nebenwirkungenzuvermeiden.
Whatmatters? Wasistamwichtigsten?
Der individuelle Bedarfder Patient*innen leitet die Pflegeund Behandlung
PflegefachpersonenalsSchlüsselakteur*innen Siegestalten, planen und koordinieren die Patientenversorgung im interprofessionellen Team und übernehmen eine führende Rolle bei der Umsetzung des 4Ms-Framework
MehralseinDrittelallerPatient*innen,dieimJahr2023 ineinSpitaleingewiesenwurden,waren65Jahrealtoder älter(Bundesamt für StatistikBFS, 2024). Dabeistellt diese Patient*innengruppespezifische Anforderungen an ihrenSpitalaufenthalt. Eine angepasste Spitalumgebung und Infrastruktur,verständliche Kommunikation, Empathie und ein optimalesSchmerzmanagement sind ebensowichtigwiedieAufrechterhaltungihrerMobilität, umnachderEntlassungindasgewohnteUmfeldzurückkehren zu können. Dabeibewerten ältere Patient*innen gerade dieBeziehungzum Gesundheitsfachpersonalals entscheidend für ein positivesHospitalisationserlebnis, wieeineUntersuchungvonMudgeetal.(2021)aufzeigt
KonzeptionelleNeuausrichtungderSpitälerist notwendig
Allerdings sindvieleSpitäler konzeptionellnochnicht aufälterePatient*innen mit ihren komplexenkörperlichen und sozialen Bedürfnissen ausgerichtet.Das Gesundheitswesen fokussiert primär aufdie Pflege und Behandlungvon akuten Erkrankungen,während ältere MenschenoftanchronischenKrankheitenundMehrfacherkrankungen leiden(z.B. Institute for Healthcare Improvement IfHI, 2024). Dies erhöht dasRisikofür Komplikationen. Beispielsweise sind ältere Patient*innen anfällig für unerwünschteArzneimittelereignisse durch die gleichzeitige Einnahme vonmehrerenoder potenziellungeeigneten Medikamenten. Eine nicht angepasste MedikationkannwiederumzuStürzenoderVerwirrtheit führen. Zudem werdenälterePatient*innen häufiger unnötigen Interventionenausgesetzt,wie derEinlage eines transurethralen Dauerkatheters, ausder eine Harnwegsinfektion resultieren kann. Auch ein Delir tritt beiälterenhospitalisiertenMenschenhäufigauf–soentwickelteine*rvon vier älterenPatient*innen während desSpitalaufenthaltseinenakutenVerwirrtheitszustand (Gibbetal.,2020).EinDelirkannlangfristigeFolgenhabenund dasRisiko für eine dauerhaftePflegeabhängigkeit steigern. Darüberhinaus zeigenStudien, dass biszu 30 Prozentder Patient*innenab 65 Jahren währendeinerHospitalisationdieFähigkeitverlieren,grundlegende Alltagsaktivitätenselbstständigauszuführen(Loydetal., 2019), waswiederumdie Dauerder Hospitalisation unnötig verlängern und die Rückkehr in ein unabhängiges Lebenerschwerenkann.
Das 4Ms-Framework:Ein neuer Ansatz in der Pflege
Eine Antwort aufdiese Herausforderung könntedas 4Ms-Frameworksein. Dievier Elementezeigen auf, was in der Behandlung und Pflege vonälteren Menschen wichtig istund bildeneine gute Grundlage, um dieser Patient*innengruppeeinebedarfsgerechteVersorgung im Spitalzukommen zu lassen (siehe Abbildung). Im Mittelpunkt steht dieFrage,was fürdie Patient*innen am wichtigstenist (WhatMatters).Ihre individuellen BedürfnisseundZielesollendiePflegeundBehandlung leiten. Gleichzeitig wird der Prävention, Früherkennung und Behandlung eines Delirs während einer Hospitalisation ein hoher Stellenwert beigemessen (Mentation). Die gezielte Förderung der Mobilität(Mobility) hilft, Funktionsverluste zu vermeidenund dieSelbstständigkeitzubewahren.Ein weitererwichtiger Aspekt istdie regelmässigeÜberprüfungderMedikation(Medication), umsicherzustellen,dassdieverabreichtenMedikamente
keinen Einfluss aufdie Mobilität(Mobility), diekognitivenAktivitäten(Mentation) und aufdas,was für die älteren Patient*innen wichtig ist(WhatMatters), nehmen (z.B.IfHI, 2024).
Das4Ms-Frameworkwirddurcheininterprofessionelles Team umgesetzt,wobei Pflegefachpersonen eine Schlüsselrolleeinnehmen.Siegestalten,planenundkoordinieren die Patient*innenversorgung im interprofessionellenTeamund sind deshalb prädestiniert, eine führendeRolle beider Umsetzungdes 4Ms-Framework zu übernehmen. Dazu bieten sich beispielsweise pflegegeleitete(nurse-led) Modelle an. Dieseumfassen die ErbringungundKoordinationderPflegeunterderFührung vonPflegefachpersonen in erweiterten Rollen (z.B. Advanced Practice Nurses) (Khair &Chaplin, 2017).
AnpassungandieSchweiz:Daspflegegeleitete 4Ms-Programm
Bevordas 4Ms-Frameworkinder Schweiz eingeführt werden kann, muss es zuerstandie spezifischen GegebenheitendesGesundheitswesensangepasstwerden.Im Rahmen eines Doktoratsprojekts mit dem Praxispartner Lindenhofgruppesolldas 4Ms-Frameworkzuerstinein pflegegeleitetes Programmadaptiert und anschliessend aufzwei Abteilungen eingeführt und evaluiert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dabei helfen, eine bedarfsgerechte, evidenzbasierteund koordinierte Versorgung zu etablieren. Daspflegegeleitete 4Ms-Programmbietet dabei einen vielversprechendenAnsatz, umdieGesundheitsversorgungvonälterenMenschenim Spitalzukunftsfähig zu gestalten –mit Pflegefachpersonenals treibendeKraft.
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Autorin: Iris Lipp,Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Doktorandin in Pflegewissenschaft
ChronischeSchmerzenundDepressionensindschwerbehandelbare Erkrankungen.Ein Forschungsprojektdes FachbereichsPhysiotherapie untersucht,wiegezielteHitzeanwendungennichtnurdieTherapien verbessern,sondern auch denUmgangmit klimabedingtenHerausforderungenbeeinflussenkönnten.
Depressionen und chronische Schmerzen sindweit verbreitet und oft schwer zu behandeln. Besonders herausforderndist die Therapie primär chronischer Schmerzerkrankungen wie Fibromyalgie, die nicht ausschliesslich aufstrukturelle, posturale oder biomechanische Ursachen zurückzuführen sind und alseigenständige Erkrankunggelten.GängigeBehandlungsmethodenzeigen häufignur begrenzteWirksamkeit.Ein vielversprechenderAnsatzistdiepassiveGanzkörperhyperthermie –eine therapeutischeHitzeanwendung. Physiotherapeut und ProjektleiterKay Hanusch sammelte bereitswährend seiner Ausbildung in Deutschland erste Erfahrungen mit dieser Methode beiRheumapatient*innen.Sie begleitete sein therapeutisches Handeln weiter in mehreren Kliniken: «Viele Patient*innen berichteten nach der Therapie voneiner spürbarenStimmungsaufhellung,was unszu weiteren Untersuchungen veranlasste», so Hanusch.
PassiveGanzkörperhyperthermie:Anwendung undWirkung
Beider moderatenpassivenGanzkörperhyperthermie wird die Körperkerntemperatur um etwa 1°C aufbis zu 38,5°C erhöht.«Die Patient*innen liegen in einem
ZurPerson
Dr.KayHanuschistProjektleiterunddoziertalsSchwerpunktleiter im Master of Sciencefür SchmerzphysiotherapieanderBFH.
Hyperthermiezelt, wo Hitzestrahler mitwassergefiltertenInfrarot-A-Lampen die Kammer aufetwa 55°C erwärmen», erklärt Hanusch. DasSchwitzenerhöht die LuftfeuchtigkeitinderKammer,wodurchdienatürliche KühlungdesKörperseingeschränktunddieKörperkerntemperatur gezielt angehoben wird.«Wiruntersuchen, wiesichdasTemperaturempfindengegenüberHitzeauf Schmerz undStimmung auswirken–sowohlbei gesunden Menschen alsauchbei Patient*innen mitDepressionen oder primär chronischen Schmerzen», erklärt Hanusch. Frühere Beobachtungen an einergesunden Triathletin zeigten,dassHitzetrainingzudeutlichen VeränderungenderKörperkerntemperaturführenkann. UndineinerFallstudieimRahmeneinerBFH-Masterarbeit mit Schmerzpatient*innen wurde beobachtet,dass sich diesensorische undnozizeptiveWahrnehmung thermischer Reize nach einer passivenGanzkörperhyperthermie verändert
ZusammenhangzwischenKörpertemperatur, DepressionundchronischenSchmerzen Untersuchungen zur Hyperthermie habenverschiedene Hypothesen hervorgebracht.Einebesagt,dassdurch die Hitzeanwendung bestimmteRezeptoren wie Kortisoloder Serotoninrezeptorengebildetwerden. Eine andere nennt die Stimulierung des Immunsystems,insbesondere durch die Aktivierung vonZytokinen. Dassind Botenstoffe, dieEntzündungsprozesse steuernund beider Schmerz- und Stressverarbeitung eine Rollezuspielen scheinen. «Zudem gibt es Hinweise, dass die passive Ganzkörperhyperthermie auch die Noziplastizitätim Gehirn, also die Ausweitung oder Reduktion vonHirnarealen derSchmerzentstehung,beeinflussen könnte, besondersindenüberlappendenHirnzentren,dieStress, Schmerz und Temperatur verarbeiten», so Hanusch.
Bereits 1997 stellten Forschende fest, dass depressive Patient*inneneineerhöhtezirkadianeKörperkerntemperatur aufwiesen, die sich nach einer Elektrokonvulsionstherapie EKTwieder normalisierte(Szuba et al.).Der Zusammenhang mit primär chronischenSchmerzen wurde kürzlichvonderForschungssgruppeumLanghorstet.al publiziert(2023).ZudemzeigtenMenschen,dieintropischenKlimazonenleben,AnpassungenderKörpertemperaturundeineerhöhteHitzetoleranzdurcheineveränderte Wahrnehmung thermischerReize(Tochiharaetal. 2022).InteressantistderZusammenhangzwischenThermoregulation und psychischen Erkrankungen: AngststörungensindoftmitschlechtererKälte-,Depressionenmit verminderterHitzeanpassungverbunden(Fischer2024).
HitzealsphysiotherapeutischerAnsatzbei stressbedingtenErkrankungen Hyperthermiekönntegezieltbei Depressionen und primär chronischenSchmerzeneingesetzt werden.Hanusch sieht Potenzial, depressive Patient*innen damit aufPsychotherapievorzubereiten:«Siekönntehelfen, die mentale Starre zu durchbrechen–ähnlich wieauch Antidepressivaeingesetztwerden». In Studienkonnte die depressive Symptomatikdurch Hyperthermie deutlich reduziert werden(Knobel 2022). «Bemerkenswert war dassehr rasche Ansprechen –imGegensatz zu Antidepressiva, die oft Wochen benötigen», berichtet Hanusch. Auch Schmerzpatient*innen könnten profitieren, indemdie Hyperthermie alsEinstieg in eineBewegungstherapie genutzt wird, da sie die nozizeptiven Signale vonBewegungsschmerzen reduziert
TemperaturtrainingfüreinebessereAnpassung andenKlimawandel Nebender therapeutischen Anwendung könnteeine adaptierteHyperthermieauchimZusammenhang mit dem Klimawandel helfen. «Wenn wir verstehen, wiethermischeAnpassungimKörper funktioniert,könnenwir gezielte Empfehlungen geben, um Menschen in Zeiten des Klimawandels besserzuschützen», so Hanusch. Fürdie LebensqualitätältererMenschenkannessinnvollsein, ihreHitzetoleranzdurchExpositionvonHitzekontrolliert zu verbessern, stattsie in kühlen Räumen zu isolieren. Thermotherapien haben in der Physiotherapie eine lange Geschichte– neueErkenntnisse könnten helfen, siegezieltindiemoderneSchmerz-undDepressionsbehandlung zu integrieren. Ansätze wie die passive Ganzkörperhyperthermie könnten den Zugang zu multimodalen Therapien erleichternund die Lebensqualität Betroffener nachhaltig verbessern. «Wir stehen erstam Anfangdieser spannendenForschung,aberdie bisherigen Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung».
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Autorin: Katja Wey, Kommunikation Departement Gesundheit
ArchitekturundDesignbeeinflussenGesundheitundWohlbefinden. Besonderszum Tragen kommtdas aufpsychiatrischen Akutstationen. EininterdisziplinäresForschungsteamderBFHuntersucht,wieeine partizipativePlanung Räumeermöglicht, die negative Erlebnisse für Patient*innenundMitarbeitendeverringernsollen.
Durch die zunehmende Verlagerung hin zu ambulanten Dienstleistungeninder Psychiatrie können stationäre Aufenthalte, Zwangsmassnahmen und unfreiwillige Aufnahmen nachweislich reduziert werden. Trotzdem gibt es Situationen,indenen Unterstützung nicht zu Hause oder ambulant angeboten werden kann. Wie können Zwangsmassnahmenund andere negativeErlebnisseimstationärenUmfeldverhindertwerden?Diese Fragewird in der Forschung noch wenig adressiert. EinAnsatzistdieAnpassungderphysischenUmgebung an die Bedürfnisse der Betroffenen.Eine interprofessionelle Forschungsgruppe der Berner Fachhochschule BFH untersucht,wie Architektur und Design vonpsychiatrischen Akutstationen neu gedacht und optimiert werden können, um eingenesungsförderndesUmfeld zu schaffen.
WieArchitektur dieGesundheit beeinflusst DerZusammenhang zwischen Architektur und Gesundheit wirdoft unterschätzt. Elke Reitmayer,Expertin für Architekturpsychologieund Neuroarchitektur,betont: «Die Auswirkungen des Raumsauf unserEmpfinden sind sehr wichtig.Leider istdie Forschung dazu noch immereine Nische.» Oft habenkleine architektonische Elementewie eine verschlossene Türoder einverriegeltesFenster besondersim Kontexteinerpsychiatrischen Akutstationgrosse Auswirkungenund können Aggressionen und Panikhervorrufen. Eindurchdachtes Raumkonzept hingegen kann dasWohlbefinden von Patient*innenund Mitarbeitenden erhöhen.Faktoren wie eine selbstständige Lichtsteuerung, Rückzugsorte oder dieMöglichkeit, Fensterzuöffnen,fördern die Selbstbestimmtheitund reduzieren dasKonfliktpotenzial. Reitmayer unterstreicht: «Esgeht um mehr alsangenehmeBaumaterialien undberuhigende Farben.Wir überdenkendenGrundrissvonGebäudenundwieerauf Menschen wirkt.»
GemeinsamePlanung:DieBedeutungvonUser Involvement
Die ProblemzoneneinerpsychiatrischenAkutstation werden vonden Forschenden nichtnur theoretisch identifiziert.Neben Fachpersonen ausden Bereichen Architektur,Design undPflege sind vonAnfang an Menschen mit psychischen Krankheitserfahrungen in das Projekt involviert.Sie überprüfen, ob die Perspektive der Nutzer*innen in dasProjekt einfliesst. «Diese Inklusion und Partizipation istinder Forschung einzigartig», sagtSabineRühleAndersson,diedasProjektalswissenschaftliche Mitarbeiterin begleitet.
Peers, Expert*innen ausErfahrung, Nutzende undService User
DerpartizipativeAnsatzdesProjektsPSYwithUS bezieht Peers, Expert*innen aus Erfahrungund ServiceUsermitein.Wasistdamitgemeint?
–PeerssindMenschenmiteinerpsychiatrischen Erkrankung,dieeineWeiterbildungabsolviert haben,umandereMenscheninähnlichenSituationenzuunterstützen,teilweiseaufAkutstationenoderinanderenSettings.
–Expert*innenausErfahrungsindMenschen miteinerpsychiatrischenKrankheitserfahrung, diedieseinverschiedenenBereichenund ProjektenderVersorgung,BildungoderForschungeinbringen.
–ServiceUseroderNutzendesindMenschenmit psychiatrischerKrankheitserfahrung,dieinder VergangenheitAngebotedesGesundheitswesens genutzthabenoderesimmernochtununddiese fürdieBewältigungderKrankheitbenötigen.
1 Im Swiss Center forDesign and HealthSCDHsoll ein Prototyp entwickelt und erprobt werden (Bild: Christian Burr)
2 Das Projektteam mit Dr.Christian Burr, Elke Reitmayer, Sabine Rühle Andersson und Claude Spiller (v.l.n.r.). (Bild: Christian Burr)
3 Gesundheitsdesignschafft Räume, dieGenesung und Wohlbefinden gezielt fördern.(3D-Visualisierung:JentePauwels und ElkeReitmayer)
DasForschungsteamführtInterviewsmitNutzer*innen und Mitarbeitenden in psychiatrischenKlinikendurch, analysiert bestehendeStrukturen und will daraus KonzeptefürdieArchitekturerstellen.IneinemerstenWorkshop wurde deutlich, wie essenziell eine angenehme Umgebung für die Nutzer*innen ist. Sieäusserten den Wunsch nach hellen,freundlichen Räumen, die Vertrauenschaffen,sowienachMaterialienundDüften,die nicht an ein Krankenhaus erinnern. Zudemwurde klar: Wenn Betroffene wissen, dassPeers an der Gestaltung der Station mitgearbeitet haben oder alsPeersauf den Stationen arbeiten, erhöht dies dasVertrauenund somit die Bereitschaft,sichineiner akuten Krise stationär behandeln zu lassen.«Co-Produktion undPartizipation sind essenziellfür die Akzeptanz und Wirksamkeit neuerKonzepte»,sagtSabineRühleAndersson,«derEinbezugvon Peers schafft Vertrauen.»
PartizipativerProzessalsErgebnis
DasForschungsteam erhofft sichHinweise aufChancen und Herausforderungen vonPartizipationund User Involvement in der Forschung.Das vorläufige Ziel des Projekts istnicht dieEntwicklung fixfertiger architektonischer Lösungen. «Wir wollen zunächsteinen Prozess entwickeln, der eine partizipative Planung einer psychiatrischen Akutstation ermöglicht», erläutertElkeReitmayer.Das sollEntscheidungsträger*innen helfen, bauliche Veränderungen vorzunehmen, die Patient*innen und Mitarbeitenden effektivnützen. Dieser Prozess soll exemplarischinZusammenarbeit mit dem Swiss Center forDesignandHealthSCDHinFormeinesPrototypsentwickeltund erprobt werden.
Autor:
Sandro Nydegger,Kommunikation Departement Gesundheit
BeiimmermehrArzneimittelnkommengeheimeRabattezumEinsatz. Daserschwert sowohl die Vergleichbarkeit alsauchdie Preisverhandlungen.Der eigentlicheNutzeneines Medikamentsbleibtdabei unberücksichtigt.EinneuesBerechnungsmodellsolldiesändern.
Medikamentewerdeninder Schweizimmerteurer und gleichzeitig häufiger eingesetzt 2023 gabendie Krankenversicherungen in der Schweiz pro Kopf fast 1000 Franken für Arzneimittelaus –mehr alsinjedem anderen europäischenLand. Dies belastet nicht nur die Versicherungen, sondern auch die Prämienzahler*innen. Medikamentemachen heute 22 Prozent der Kosten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aus.
DieGründe,warumwirinderSchweizsovielGeldfür Medikamenteausgeben, sind vielfältig. Einerdavon ist beispielsweise der nach wie vorgeringeEinsatz vonGenerikaoderBiosimilarsanstellevonOriginalpräparaten,
ein anderer die mengenmässige Zunahme des Medikamentenkonsumsineiner alternden Gesellschaft.Ein weiterer Treiber für dasKostenwachstum sindneue, hochpreisige Medikamente. Neuentwickelte Therapien, besondersimBereichKrebstherapie,Immunsuppressiva und Antidiabetika, werden zunehmend beimehr Menschen und über eine längere Dauereingesetzt.Lautdem Arzneimittelreport vonHelsana machen Krebs- und Immunsystemmittelrund30ProzentdergesamtenMedikamentenkostenaus, obwohlsie nur für 2,7 Prozent aller Bezüge verantwortlich sind.
MitVergleichenzumListenpreis
Doch wiekommen die Medikamentenpreise in der Schweiz überhauptzustande? Deroffizielle Prozess ist klar vorgegeben:Nachdem Wirkungund Risikeneines neuen Medikaments durch dasSchweizerische HeilmittelinstitutSwissmedic abgeklärtwurden, überprüft dasBundesamt für Gesundheit BAGdie sogenannten
WZW-Kriterien: Relative Wirksamkeit im Vergleich zu anderenMedikamenten, dieZweckmässigkeit und –für denPreisentscheidend–dieWirtschaftlichkeit.Letztere wird durch zwei Vergleiche erwogen:
–Der Auslandpreisvergleich (APV): Die Preise werden mit jenen in neun europäischen Ländern verglichen. Ziel istes, überhöhtePreise zu vermeiden.
–Der therapeutische Quervergleich (TQV): Hier wird geprüft,obder Preis eines neuen Medikaments im VerhältniszubestehendenBehandlungenangemessenist
Aufdieser Basis verhandeln dasBAG oder dieKrankenkassen den Preis mit derHerstellerfirma. Dervereinbarte Preis kommt schliesslich aufdie sogenannteSpezialitätenliste.Diese Liste umfasst alle Medikamente, die vonder obligatorischen Krankenversicherungerstattet werden. Siedient alsReferenz für Ärzt*innen und Apotheken,umsicherzustellen,dassnurwirtschaftlicheund medizinisch sinnvolleArzneimittel entsprechend der WZW-Kriterien erstattet werden.
MitgeheimenRabattenzu«Schaufensterpreisen» SoweitderoffizielleProzess.IndenletztenJahrenhaben sichjedochgeheimeVerhandlungenzwischendemBAG undden Herstellerfirmenetabliert.Umeinen möglichst raschen und kostengünstigen Zugang zu neuen und hochpreisigen Arzneimitteln –insbesondere in derOnkologieoderbeiseltenenKrankheiten–zuermöglichen, kommensogenanntePreismodellezurAnwendung.Das sind vertrauliche Rückerstattungenoder Rabatte, die vomoffiziellen Listenpreis abgezogen werden. DieFolge: DerPreis aufder offiziellenSpezialitätenliste stimmt nicht mit dem realen Nettopreis überein, er istein sogenannter «Schaufensterpreis».
Rabatte sind gut– wo liegt das Problem? Dassieht auch der Bundesratso. Er befürwortetdie Etablierung vertraulicher Preismodelle, um die Kosten für teure Medikamentezusenken. Dieses Vorgehen sollimKrankenversicherungsgesetz (KVG)verankert werden. Doch die Situation istkomplizierter: Da vieleLänder wiedie SchweizdieMedikamentenpreiseanhandinternationaler Vergleiche festlegen, führtein hoher Listenpreisinder Schweiz dazu, dass auch andere Staatenhöhere Preise akzeptieren –und umgekehrt ebenfalls. DerAuslandpreisvergleich (APV) verliertseine Aussagekraft,da «Schaufensterpreise»miteinanderverglichenwerden, ohne dass die vertraulichen Rabattebekannt sind.
MehrTransparenzdurchdasSwissDrugPricing Modell
Im ganzenProzess derPreisfindung fälltauf,dassder Nutzen eines neuen Medikaments nur eine untergeordnete Rollespielt. DabeikönntegenaudieserZusatznutzen die transparenteBasis für eine fairePreisverhandlung sein. So sieht es dasSwiss DrugPricingModel (SDPM)vor.Entwickeltvon Forschenden am Institutfür Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitikder BFH will dasModellmit Evidenz eine effizienteOrientierung fürdieVerhandlungsparteienbieten.AnhandderBewertung des Zusatznutzens und derKostender bisherigen StandardbehandlungschlägtdasModelleinePreisspanne für neue Therapien vor. DerZusatznutzenwird dabei anhand desGesamtüberlebens, derLebensqualität und derSicherheit berechnet
Mit dem SPDM alsVerhandlungsgrundlage geht auch dieHoffnungauffaireMedikamentenpreiseeinher.Mehr TransparenzfördertdenWettbewerb,daFirmenihrePreiseamNutzeneinerTherapieorientierenmüssten.Langfristig könntedies dieGesundheitskostensenkenund den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten verbessern.
Literatur:
–Helsana(2024).ReportArzneimittel.reports.helsana.ch/ arzneimittel2024 –BundesamtfürGesundheit(BAG)(2024).Faktenblatt:Starkes KostenwachstumbeiMedikamenten. –Blankart,K.&Meier,N.(2024).Arzneimittelpreise:DasSwiss DrugPricingModelkönnteKlarheitschaffen.In:Medinside,20 August2024 –Meier,N.&Pletscher,M.(2024).SwissDrugPricingModel (SDPM)-EinModellzurBerechnungwirtschaftlicherPreiseneuer TherapieninderSchweiz.doi:10.24451/arbor.22122
Autor:
Sandro Nydegger,Kommunikation Departement Gesundheit
InländlichenRegionensinddieHerausforderungenderGesundheitsversorgung besondersspürbar.Gleichzeitiggibtesinnovative Lösungsansätze,diezeigen,wieeinenachhaltigeVersorgungauchin peripherenRegionengesichertwerdenkann.
In denStädten gibt es 2,5-mal so viele Grundversorger*innen proEinwohner*innen wieauf demLand.
In derStadt istfastjede zweite Grundversorgerin weiblich,auf demLand nurgut jede dritte.
Die Gesundheitsversorgung in der Schweiz steht insbesondere in ländlichen Regionen vorgrossen Herausforderungen. Grundversorger*innen spielen eine zentrale Rolleinder medizinischen Erstversorgung und behandeln rund 90 Prozent aller Konsultationen abschliessend, doch geradeinperipheren Gebieten mangeltes an Nachwuchs. Derdemografische Wandel verschärft dasProblem:Die Hälfteder berufstätigen Ärzt*innen ist über 50 Jahre alt. Viele gehen in denRuhestand, ohne dass eine Nachfolge gefunden wird. Dadurch weichen Patient*innen immerhäufiger aufSpezialist*innen oder Spitäleraus,waszueinerFragmentierungderVersorgung führt.DieAuswirkungensindfüralleBeteiligtenspürbar: längere Wege für Patient*innen, steigende Wartezeiten undeineerschwerteKoordinationzwischen den Leistungserbringenden. Informationsverluste und Doppelspurigkeiten sind die Folge, wasdie Kosten im ohnehin belasteten Gesundheitssystem weiter in die Höhetreibt
Stadt-Land-VergleichindermedizinischenGrundversorgung Schweiz, 2021
Kennzahl
Grundversorgerdichte
Durchschnittliche Wochenarbeitszeit
Ausländische Ausbildungsabschlüsse
Frauenanteil unter Grundversorger*innen
Städtische Gebiete Ländliche Gebiete
1,0 VZÄ/1000 Ew 0,4 VZÄ/1000 Ew
38,1 h 41,3 h
28,8 % 32,5 %
49,4 % 37,1 %
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), Medizinische Grundversorgung in derSchweiz 2018–2021
VernetzungalsSchlüsselzurbesserenVersorgung
Ein Lösungsansatz istdie stärkereVernetzung der bestehendenVersorgungsstrukturen.Durchdiekoordinierte Zusammenarbeit vonmedizinischen Praxen,Spitex, Spitälern und weiterenGesundheitsdienstleister*innen kann eine integrierteVersorgung erreicht werden. Ein erfolgreichesBeispielistdas«GesundheitsnetzEmmental». DerVerein «Gesund i.E.» arbeitet dort mit Spitexorganisationen,Hausärzt*innen, Langzeitpflegeinstitutionen und dem SpitalEmmentalzusammen,umdie Abstimmung innerhalb der Versorgungskettezuverbessern. Ziel istes, Doppelspurigkeiten zu vermeiden und eineeffizientereBehandlungsicherzustellen–insbesondere für Menschen mitchronischenErkrankungen.
PatrikWalther,Co-PräsidentdesVereins«Gesundi.E.» und Geschäftsführer der Alterszentrum SumiswaldAG, betont dieBedeutungeiner integriertenHerangehensweise: «Einegut abgestimmteZusammenarbeitentlang dergesamtenVersorgungsketteistentscheidend,umdie Qualitätder Behandlung zu gewährleistenund dasGesundheitssystem nachhaltig zu entlasten.» Die BFHbegleitet dasGesundheitsnetz Emmentalwissenschaftlich und arbeitet seit 2022 an der Weiterentwicklung des Modells,umpraxisnaheLösungenfüreinezukunftsfähige Gesundheitsversorgung zu erarbeiten.
AdvancedPracticeNursesalsChance Insbesondere koordinierende Ansprechpersonen, welche diePatient*innen aufsuchen, begleiten, betreuen und behandeln, spieleninnerhalb des zukünftigen VersorgungssystemsaufdemLandeineentscheidendeRolle. Die BFH bildet hierfür seit 2010 Advanced Practice Nurses (APN) aufMaster-Stufeaus. Bereitsheute übernehmen diesehochqualifizierten Pflegefachpersonen Schlüsselaufgaben inPraxen, derSpitex,der Akut- und Langzeitversorgung.Trotz des Potenzialsdieser BerufsgruppeistihrEinsatzinderSchweiznochbegrenzt.Zwar steigt die Zahl der ausgebildeten APN, doch rechtliche undfinanzielleRahmenbedingungensindnochnichtabschliessend geklärt.Berufsverbände, wie derSchweizer BerufsverbandderPflegefachfrauenundPflegefachmänner(SBK),derVereinfürPflegewissenschaft(VfP)sowie
«Gesundheitsversorgung imEmmentalstärken»
LesenSieonlinedasInterviewmitPatrikWalther, Präsidentvon«Gesundi.E.».Ersprichtüberdie zentraleAufgabedesVereins,dieGesundheitsversorgungimEmmentalzusichern.Ererklärt,wiedas GesundheitsnetzEmmentaldieZusammenarbeit zwischendenDienstleister*innenstärktundwelche LösungengegenFachkräftemangel,Komplexitätund steigendeKostenangestrebtwerden.
Leistungserbringendesetzensichdaher füreineklare rechtliche VerankerungdieserRolle ein. So istderzeit vielinBewegung,umdenMaster-AbschlussinderPflege zuregulierenunddieAPNindasSchweizerGesundheitssystem zu integrieren,damit ihrEinsatz wirtschaftlich attraktiverwird.
SystemezurUnterstützungderVersorgung
Auch die Digitalisierung kann dieGesundheitsversorgung in ländlichen Regionen verbessern, so z.B. durch den Ausbautelemedizinischer Versorgungsstrukturen oder den flächendeckenden Einsatzeines elektronischen Patientendossiers. DerEinsatz vonkünstlicher Intelligenzkönntedie Wegleitung vonPatient*innen optimieren, indem sie gezieltandie jeweils passende Versorgungsebene weitergeleitet werden. Programme wie «Care@home» zeigen, dass auch komplexe Behandlungen mittechnologischerUnterstützung in derhäuslichen Umgebung durchgeführt werden können–eine AlternativezustationärenAufenthalten.Darüberhinaus gibt es im Kanton Bern unter Federführung derBFH bereitsPilotprojektezum Einsatzvon «SchoolNurses» in Schulen, dienicht nur Lehrpersonen entlasten, sondern auch die gesundheitliche Betreuung vonKindern und Jugendlichen verbessern sollen.
Damit solche Modelle erfolgreich umgesetzt werden können, braucht es eine bessere Koordination zwischen denLeistungserbringenden,neueFinanzierungsmodelle und den politischen Willen. «Wir möchten agieren statt reagieren»,sagtPatrikWalther.DasGesundheitsnetzEmmentalisteinersterSchrittaufdemWegzueinerkoordinierten Versorgung,die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert
Autor*innen: Christian Eissler,Leiter MSc Pflege Nicole Schaffner,Kommunikation Departement Gesundheit
Aufdem Land istdie medizinische Versorgung stärkervon ausländischem Personal abhängig.
Grundversorger*innen aufdem Land arbeiten im Schnittüber 8%mehr Stundenpro Wocheals ihre Kolleg*innen in derStadt.
ZumInterview
DieErfassung vonStürzen undDekubitus in SchweizerSpitälern war langemithohemAufwandverbunden.Nunbietendigitaleklinische RoutinedateneinevielversprechendeAlternative.DieBFHuntersucht ineinemPilotprojektmit70SpitälerndieAnwendung.
StellenSiesichvor,SiebrechensicheinBeinundmüssen insSpital. Nach der Operation entwickeltsichdurchdie eingeschränkteMobilitätein schmerzhafter Dekubitus am Gesäss, derden Spitalaufenthalt verlängert und täglicheVerbandswechselerfordert.Solcheunerwünschten Ereignissesindvermeidbar–mitoptimalerpflegerischer undinterdisziplinärerVersorgung.DiesesBeispielzeigt: Patient*innensicherheitimSpitalistessenziell–sowohl für dasWohlder Patient*innen alsauchaus ökonomischer Sicht. Die systematischeErfassung und Analyse vonunerwünschten Vorfällen hilft,potenzielleMissstände aufzudecken. Ein nationaleinheitliches Vorgehen ermöglicht es zudem, Verbesserungspotenziale zu identifizierenund Massnahmenabzuleiten.
MessungführtezuwenigerVorfällen
Die nationale Prävalenzmessung zu Sturz und Dekubitusmachtediesmöglich.Von2011bis2022erfasstedie BFH im Auftragdes ANQ,dem Kompetenzzentrum für QualitätsmessungeninSpitälernundKliniken,schweizweit die Sturz- und Dekubitusfälle. Die jährlicheErhebungverpflichteteSpitälerdazu,beiallenPatient*innen an einem festgelegten Stichtagstandardisiert Datenzu SturzundDekubituszuerheben.SieliefertewichtigeDatenzur Qualitätssicherung und ermöglichteVergleiche zwischendenSpitälern.DieÖffentlichkeitkonnteaufder Websitedes ANQ sehen, wie die einzelnen Spitälerim VergleichzumnationalenDurchschnittabschnitten.Die Einführung dieser Messung war ein bedeutender Fortschritt für die Qualitätsmessung und die unerwünschtenVorfällenahmendurchdieregelmässigeMessungab (Bernetetal.,2024;Thomann&Bernet,2024;Thomann et al., 2023).
Trotz ihrer Bedeutung geriet die Prävalenzmessung zunehmend in die Kritik. Die Datenerhebung war sehr zeitintensiv underforderteeinen erheblichenpersonellenAufwandimVerhältniszumNutzen.Zudemkonnten schwerbetroffenePatient*innenoftmalsihrEinverständnis zur Datenerhebung nicht geben und daher nicht teilnehmen,waszuverzerrtenErgebnissenführte.Durchdie ErhebunganeinemStichtagfehltedenDatendiezeitliche RelationbeispielsweiseimKontextderPräventionsmassnahmen.ZudemkonntendieErgebnissebeiSpitälernmit wenigenPatient*innenstarkschwanken:EinDekubitusVorfallineiner kleinen Patient*innengruppewirkt sich stärker aufdas Ergebnis ausals ein Dekubitus-Vorfallin einer grossenGruppe.
DerneueWeg:NutzungvonRoutinedaten
Die zunehmende Digitalisierung in den SpitälerneröffnetneueMöglichkeiten. Stattaufwendiger Stichtagsmessungen sollen künftig Datenaus dem Klinikinformationssystem(KIS) genutzt werden. Diese klinischen RoutinedatenwerdenohnehinwährendderBehandlung
Herausforderungen derbisherigenMessung
DerpersonelleAufwand fürdie Datenerhebungwar sehr hoch Schwer erkranktePatient*innen konntenoft nichtteilnehmen, was zu verzerrten Ergebnissenführte.
EinzelneErhebungstageboten wenigKontextzurtatsächlichen PflegequalitätundhattendadurchnurbegrenzteAussagekraft
Vorteileder digitalenMessung
DerErhebungsaufwandkann deutlichreduziertwerden,dadie Datenbereitsvorhandensind.
AllePatient*innenkönnenerfasst werden,wodurchVerzerrungen vermiedenwerden.
DurchdieNutzungvonRoutinedatenkönnenlängereZeiträume beobachtetwerden,wasdieAussagekraftstärkt
Messmethoden: Vorteile und HerausforderungenimÜberblick
erfasstundermöglicheneinekontinuierlicheundgenauereAnalyse.EineersteMachbarkeitsanalysehatvielversprechende Ergebnisse gezeigt. DerErhebungsaufwand kanndeutlichreduziertwerden,dadieDatenbereitsvorhanden sind. Zudem können alle Patient*innen erfasst werden, wodurch Verzerrungenvermiedenwerden. Die Nutzung vonRoutinedaten bietet ausserdem einen besserenKontext,daeinlängererZeitraumbeobachtetwerden kann anstelle eines Stichtags (Bernet et al., 2022).
HerausforderungenundPilotprojekt
Doch es gibt auch hier Hürden. JedesSpitalnutzt unterschiedliche KIS-Systeme, die sich in der Art der Datenerfassungunterscheiden. Definitionen, Zeitpunkt und Regelmässigkeit der Dokumentation variierenund nichtalleDaten sind in einem einheitlichenFormatexportierbar.Zudem hängtdie Datenqualität starkvon der internen Dokumentationspraxisab.
UmdieseHerausforderungenanzugehen,hatdieBFH zusammen mit dem ANQ ein nationales Pilotprojektgestartet.Dabei wurdenmit Verteter*innen ausden SpitälernunddemtechnischenUmsetzungspartner«whoch2 GmbH» Vorgaben zur Nutzung der KIS-Daten formuliert Aktuelltestenrund 70 Spitäler freiwillig die Umsetzbarkeit undVollständigkeit der Vorgaben. Die Ergebnisse
Herausforderungen derdigitalenMessung
JedesSpitalnutztunterschiedliche KIS-Systeme,diesichinderArt derDatenerfassungunterscheiden
Definitionen,ZeitpunktundRegelmässigkeitderDokumentation variieren,undnichtalleDatensind in einemeinheitlichen Format exportierbar
DieDatenqualitäthängtstarkvon derinternenDokumentationspraxis derSpitälerab,wasUnterschiede zwischendenInstitutionenmitsich bringt
werden zeigen, ob die Nutzung vonKIS-Daten für nationaleQualitätsmessungentragfähigist.Fallsdieszutrifft, wäre eine Ausweitung aufweitere Qualitätsindikatoren wieMangelernährung oder freiheitsbeschränkende Massnahmen denkbar Bereits heute istjedoch klar: Eine solide Datengrundlage warund wird auch in Zukunft wichtigsein,umdie Patient*innensicherheitimSpitalzuverbessern–undso dazu beizutragen, dass die eingangs beschriebene Situation in Zukunft möglichst vermieden werden kann.
Referenzen: DieLiteraturzudiesemTextkönnen Sieonlineeinsehen.
Autor*innen:
Dr.Niklaus Stefan Bernet
Co-Leitung Innovationsfeld Qualität im Gesundheitswesen
Dr.SilviaThomann
Co-Leitung Innovationsfeld Qualität im Gesundheitswesen
SteigendeKosten, Fachkräftemangel undkomplexeBehandlungen erfordernneueWegeinder Ernährungund Diätetik.Der CASInterprofessionelleErnährungsmedizinfördertinterprofessionellesWissen, stärktdieQualitätderErnährungsmedizinundvernetztFachkräftefür einebesserePatientenversorgung.
Im Bereich Ernährung steigtdie Zahl der polymorbiden Patient*innen, beidenen z.B. Mangelernährung ein grosses Problem ist. Die Menschen werden immerälter, weildie medizinische Versorgung,gerade auch im Bereich Onkologie,laufend verbessert wird. Dabeigeht oft vergessen, dass die Patient*innen auch in ihrerkörperlichen Substanz erhalten werden müssen.Begleitende TherapienwieErnährung,aberauchBewegung,wurden unter anderemaus ökonomischen Gründenweniger beforscht und anerkannt,dader Fokus bisher aufder medikamentösen Behandlung lag. Es gibt derzeit zu wenig Fachkräfte,geradeauchbeidenÄrzt*innen,diedieKompetenzen und dasWissenhaben,umdieses Thema gut anpacken zu können. «Hier besteht eindeutig ein Mismatch», meint Philipp Schütz. «Hinzu kommt der Kostendruck in den Spitälern: Allesmussschneller gehen und das Personaleffizienter werden. Dies führtedazu,
ZudenPersonen
Dr.med.PhilippSchütz, PräsidentGESKES,LeiterMed. Uniklinik,ChefarztInnere MedizinundEndokrinologie, KantonsspitalAarau
PascalTribolet,MScnutrmed, DozentundLeiterWeiterbildung, BFH
dass insbesondere beiden Ernährungsberater*innen abgebaut wurde.Sostehen wir nun im Bereich Ernährungsmedizin voreiner Versorgungslücke.»
InterprofessionelleWeiterbildungfürbessere Ernährungskonzepte DieseLückesollmiteinerneuenWeiterbildunggeschlossenwerden. Traditionellwird dieErnährung im Medizinstudiumnur am Rande behandelt. MitentsprechendenWeiterbildungsprogrammenkönnennunÄrzt*innen mit Ernährungsfachpersonen ihrWissen im interprofessionellen Setting theoretisch und praktisch vertiefen. Philipp Schütz sagt: «Das Ziel ist, dass pro Spitalmindestensein Ernährungs-Championaus derÄrzteschaft denLeadübernimmt undmit einemmultiprofessionellen Ernährungsteam gute Konzepteausarbeitet.» Dabei werdendieStrukturenundProzesseindenSpitälerngeprüft undneu organisiert. ZumErnährungsteamgehören z.B. Fachpersonen der Ernährungsberatung,Pflegefachpersonen,aberauch,Köch*innen,dieebenfallseine wichtige Rolleinder Verpflegung spielen und die ganze Logistikrundherum. Alldiese Fachpersonen nehmen Einfluss aufdie Behandlungsqualitätder Patient*innen. DurcheineguteZusammenarbeitkannderErfolgderBehandlungverbessertwerden.Deshalbisteswichtig,dass diese Konzepte–auchin finanzieller Hinsicht –einen Schubbekommen undden angemessenen Stellenwert im Gesundheitswesen erhalten.
BehandlungmitFokusaufQualitätund Patient*innen
DerCAS Interprofessionelle Ernährungsmedizin sollein übergreifendes Verständnis im Bereich der klinischen Ernährung bilden. Angesprochen werden in ersterLinie Mediziner*innen und Ernährungsberater*innen. Interessant könntedie Weiterbildung auch für Ernährungswissenschaftler*innen, Spitalapotheker*innen
Ernährungsmedizin ist Teamarbeit
und Pflegefachpersonen sein. «Esist unssehrwichtig, dass alle Berufsgruppen profitieren und ein klares Rollenverständnis bezüglich Funktionen, Aufgaben und Prozessenentwickeln,damitaufAugenhöhezusammengearbeitetwird», betont PascalTribolet.Zukünftig können somit Schnittstellen besser geklärt und Therapien gemeinsam definiert werden, was die Prozesse effizientermachtunddieQualitätderBehandlungmitFokusauf die Patient*innenoptimiert
DerCAS bietet zudem eine einzigartige Plattform zur Förderung eines spannenden Austauschs, indemverschiedeneProfessionenbzw.AbschlüssederErnährungsberater*innenauf Bachelor-und einintegriertesModul aufMaster-Level sowie der universitäre Abschlussder Mediziner*innenvereint werden. Die interprofessionellen Kontakte, die dabei auch mit Leader*innen im klinischenErnährungsbereich,mitFachpersonenderGESKES und der Ernährungsberatung entstehen, sind auch nach derWeiterbildungwichtigfüreinsichetablierendesNetzwerk. In diesem Netzwerk finden sich interessante Forschungspartner*innen,diedieGESKESfürihreverschiedenen Studien zur Wirkung derErnährungsmedizin nutzen kann.
DieZukunftderErnährungsmedizinsichern
DieGESKESstehtalsinterprofessionelleOrganisationvonÄrzt*innen,Ernährungsberater*innenund derPflegefürQualitätsowieAus-undWeiterbildunginderErnährungsmedizin.FürdenZusatztitel «InterdisziplinärerSchwerpunktErnährungsmedizin»wurdegemeinsammitdemSIWFundderFMH einWeiterbildungsprogrammentwickelt.Es ermöglichtFachärzt*innen,ihrWissenzuvertiefen –füreinekompetenteBegleitungihrer Patient*innen.
ZentralesElementistderCASInterprofessionelle Ernährungsmedizin,entwickeltmitderBerner Fachhochschule.ErstärktErnährungsteamsfür komplexeBehandlungen.PascalTriboletsieht darinauchdieChance,dieRolleder Ernährungsberater*innenimklinischenBereichzu stärkenundZusammenarbeitzufördern
MehrzumCASInterprofessionelle Ernährungsmedizin
«Unser klares Ziel istes, schweizweit die Qualitätder Ernährungsmedizin zu stärken», betont PhilippSchütz. «Wir erhoffen uns, dass dasInteresse unddie Freude an diesemBereichgefördertunddieFachpersonenvernetzt werden. So können auch wissenschaftliche Projekte entstehen, dieeine Weiterentwicklung derErnährungsmedizinermöglichen,denndieGESKESistauchwissenschaftlich aktiv.»Philipp Schütz möchteinsbesondere junge Mediziner*innen für diesesFachgebiet gewinnen, so dass auch die Zukunft der Ernährungsmedizin gesichertist.Für Pascal Tribolet hatdie Weiterbildung das Potenzial, der Ernährung während und nach dem Spitalaufenthalt einenhöheren Stellenwertinder Patiententherapie einzuräumen.
Interview: Isabelle Stupnicki, Kommunikation Departement Gesundheit
InderSchweizfehlenTherapieplätze,dieMütterndieBetreuung ihrerKinderermöglichen.Etwa20ProzentderMüttererlebennach derGeburtpsychischeBelastungen.EinForschungsprojektder BFHtesteteinModellzurBehandlungvonWochenbettdepressionen direktimZuhausederbetroffenenMütter.DasModellbieteteine flexible,wohnortnaheBetreuung,diedieBedürfnissevonMutterund Kindberücksichtigt
bfh.ch/ppe-zuhause-therapieren
ImmeramPuls–mitdemBFH-Newsletter
NeugierigaufneueForschung,spannendeProjekte undWeiterbildungsangebotederBFH?Unser NewsletterbringtdiewichtigstenEntwicklungen ausIhremFachbereichdirektinIhrPostfach–zwei- bis dreimal im Jahr,kompakt und aktuell
bfh.ch/gesundheit-newsletter
Jetztabonnierenundauf demLaufendenbleiben
WiemanStressstressfreimessenkann
Mit einem neuen Analyseansatzwollen Forschende der BFH arbeitsbedingtenStress messen, ohne zusätzlichen Stress zu verursachen. Durch den Einsatz vontragbaren Sensoren und innovativer Software können Stressoren im Arbeitsalltagerfasstundanalysiertwerden.DasZielistes,langfristigindividuelle Belastungenbesserzuverstehenundfrühzeitiggegensteuern zu können. Das Verfahren könnte eine wichtige Rolle in der GesundheitsförderungundPräventionamArbeitsplatzspielen.
bfh.ch/stress-messen
Eine Studie der BFHzeigt,dass viele Patient*inneninder stationärenRehabilitationanMangelernährungundSarkopenie leiden,ohneausreichendeErnährungsberatungzuerhalten. BesondersbetroffensindgeriatrischePatient*innensowiesolche mitpulmonalenoderinternistisch-onkologischenErkrankungen. Die Studie fordertdie Einführung verbesserter ScreeningProgrammeundeineintensivereIntegrationvonErnährungsberatungindieRehabilitation.
bfh.ch/mangelernaehrung-reha
NeuesBFH-InstitutfördertKollaborationimGesundheitswesen
DieBFHhateinneuesInstitutfürkollaborativeGesundheitsversorgungundLeadershipgegründet, umzukunftsweisendeKonzepteimGesundheitswesen zuentwickeln.EsfördertdieZusammenarbeitzwischenFachpersonen,Patient*innenundderÖffentlichkeitimGesundheitswesenundschafftinnovative ModellefüreineverbesserteVersorgung.Einweiterer SchwerpunktistdieAusbildungvonFührungspersonen,dieVeränderungenimGesundheitswesenerfolgreichumsetzenkönnen.
bfh.ch/neues-institut-kollaboration
MasterofScienceinErnährungundDiätetik
16.September,23.Oktober,21.November2025 18bis19Uhr
Online
bfh.ch/msc-ernaehrung
MasterofScienceHebamme
23.September,10.November2025 17bis18Uhr Online
16.Oktober,18.Dezember2025 18bis19Uhr
Online
bfh.ch/msc-hebamme
MasterofScienceinPflege
16.Oktober2025 1715bis1815Uhr Online
18.November2025 1715bis1815Uhr
VorOrt(Schwarztorstrasse48)
bfh.ch/msc-pflege
MasterofScienceinPhysiotherapie
15.September,20.Oktober,6.November2025 19bis20Uhr
Online
bfh.ch/msc-physiotherapie
MasterofScienceinHealthcareLeadership 1./24.September,14./29.Oktober2025 18bis19Uhr
Online
bfh.ch/msc-healthcare-leadership
BernerFachhochschule
DepartementGesundheit
Murtenstrasse10
3008Bern
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