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KINDER AN DIE MACHT!
»Kinder kuratieren_Takeover« ein Projekt der Stiftung Brandenburger Tor und des Gropius Bau
Von Natascha Driever
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Im Jahr 1986 proklamierte Herbert Grönemeyer in seinem Song »Kinder an die Macht« die Forderung, dass die Welt in Kinderhände gehöre. Gerade in den letzten Jahren ist dieser damals eher im Sinne einer Utopie geäußerte Wunsch immer konkreter in Erfüllung gegangen – seit der Gründung der Fridays-for-Future-Bewegung 2018 fordern Kinder und Jugendliche nicht nur im Klima bereich Mitsprache; auch die Rechte von Kindern werden immer weiter ausgebaut. Unser gesellschaftliches Klima wurde in dieser Frage in positive neue Bahnen gelenkt. Wie können wir unsere nachwachsenden Generationen gut ausrüsten für diese wichtige Aufgabe? Die Stiftung Brandenburger Tor hat 2019 zusammen mit dem Gropius Bau dank der Förderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ein bislang einmaliges Projekt initiiert: »Kinder kuratieren_Takeover« soll Kindern die Möglichkeit der Teilhabe an Prozessen der Kunstproduktion und der Arbeitsweise von Kulturinstitutionen geben. Sie erlernen durch das Projekt wichtige Kompetenzen und werden somit in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt.
Bedingt durch die Schließung der Ausstellungshäuser seit Beginn der Corona-Pandemie musste die zweite Projektphase – die Planung der Ausstellung – an den Schulen und im häuslichen Umfeld der Kinder stattfinden. In diesen für die kulturelle pädagogische Arbeit komplizierten Rahmenbedingungen wurden aber überraschend neue Wege erschlossen: Per Post, Paket und E-Mail wurde zwischen dem Zuhause der Schülerinnen und Schüler und den Workshopbeteiligten kommuniziert und produziert. Auf diese Weise wurden die Kinder zum Beispiel dazu angeleitet, ihr Zuhause in ein Ausstellungshaus zu verwandeln, indem sie Gegenstände aus ihrem Haushalt auswählten und in einem neuen Sinnzusammenhang arrangierten. Die dabei entstandenen »Ausstellungen« lenkten den Blick der Kinder darauf, dass eine künstlerische Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt an jedem Ort stattfinden kann. Der dadurch vollzogene Realitätsbezug war zwar ursprünglich so nicht geplant, hat sich aber als Glücksfall herausgestellt. Denn eine solche Beschäftigung mit Kunst und Kultur fängt Kinder gerade in Zeiten wie diesen emotional auf und initiiert Reflexionsprozesse. In den für alle Familien komplizierten Phasen des Homeschoolings und der Isolation von Freunden konnte »Kinder kuratieren_Takeover« einen positiven Beitrag für eine besseres Alltagsklima für die jüngsten unserer Gesellschaft leisten. Dort, wo sich die Beschäftigung mit Kunst auf die Schärfung der eigenen Wahrnehmung bezieht, ist die Teilhabe an Kultur so niedrigschwellig, so dass auch Kinder davon profitieren können, die aktuell durch die Coronakrise gesellschaftlich und in Bezug auf Bildung abgehängt werden.

Mini-Ausstellung zuhause kuratiert zum Thema »Grün« von Schüler*innen der Heinrich-von-Stephan-Schule …
Das dreijährige Projekt baut auf das bereits bestehende Programm »Max – Artists in Residence an Schulen« der Stiftung Brandenburger Tor, der Kulturstiftung der Berliner Sparkasse, auf. Das Programm ermöglicht es, in Kooperation mit der Universität der Künste Berlin Künstlerinnen und Künstler für zwei Jahre ihr Atelier in einer Schule einzurichten. Die Schülerinnen und Schüler erleben während dieser langen Zeitspanne künstlerische Arbeitsprozesse, die Künstlerinnen und Künstler erweitern ihre Perspektiven und erobern neue Tätigkeitsfelder in Zusammenarbeit mit der Schule.
Für »Kinder kuratieren_Takeover« haben Schülerinnen und Schüler aus dem Programm »Max – Artists in Residence an Schulen« regelmäßig den Gropius Bau besucht und wurden dort in die kuratorische Praxis der Kunst- und Ausstellungswelt eingebunden. Ziel war und ist es, die Abläufe, Prozesse und Berufe des Ausstellungshauses kennenzulernen, um abschließend selbst eine Ausstellung im Gropius Bau zu planen und umsetzen zu können – von der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler über die Ausstellungsarchitektur bis hin zum eigenen Vermittlungsprogramm. Diese Form der Begegnung mit Kunst ermöglicht den am Projekt teilnehmenden Schülerinnen und Schüler intensiv ihren Ideen und Lebenswelten Raum durch Kunst zu verschaffen.

… und zum Thema »Obst und Gemüse« von Schüler*innen der Grundschule im Blumenviertel.
Und trotz der vielen positiven Überraschungen innerhalb der vergangenen Projektphasen ist das Finale in diesem Jahr leider noch nicht gesichert: die für Juni geplante, von den Kindern kuratierte Ausstellung im Gropius Bau. Denn auch dies ist in den vergangenen Wochen immer deutlicher geworden: Ausstellungshäuser und Museen leisten einen der wertvollsten Aspekte im ganzen Prozess der Auseinandersetzung mit Kunst, nämlich die Möglichkeit der Kommunikation zwischen den Kunstwerken und den Personen, die sie betrachten. Fällt diese Form des Austausches weg, hat das massive Auswirkungen auf die Frage nach unserem gesellschaftlichen Klima. Wir drücken also fest die Daumen dafür, dass die Kinder im Sommer im Gropius Bau an die Macht kommen können! •
Weitere Informationen unter: www.stiftungbrandenburgertor.de/kinder-kuratieren_takeover/ und www.gropiusbau.de/kinderkuratieren