Faszinierende Vielfalt des Ehrenamts

Die Bürgerstiftung Berlin geht auf Tour

Von Andreas Monning

»Wir sind ausgezeichnet!« Das Jahr 2021 begann für Berlin mit einem Motivationsschub, zum ersten Mal durfte sich die deutsche Hauptstadt mit dem begehrten Wandertitel »Europas Hauptstadt des Ehrenamtlichen Engagements« schmücken. Die Bürgerstiftung Berlin nutzte die Gelegenheit für eine Ausstellung, die jetzt durch die Berliner Rathäuser tourt und die bunte Vielfalt des Engagements in der Hauptstadt zeigt. Mit an Bord: Die zahlreichen Freiwilligenagenturen der Bezirke.

Ola Shbat und ihr Ehemann Amin Lutfi beraten die Freiwilligenagenturen in Lichtenberg und Reinickendorf

Wenig bekannt, und doch so wichtig für die europäische Demokratie: Das Brüsseler Center for European Volunteering (CEV), das seit 1992 europaweit freiwilli ges Engagement unterstützt und 2013 den Wettbewerb »Europäische Freiwilligenhauptstadt« startete. Im ver gangenen Jahr ging der Wandertitel »Europas Haupt stadt des freiwilligen Engagements« zum ersten Mal an Berlin. Das war eine wirklich große Anerkennung für alle, die hier für das Ehrenamt stehen, ein lautes Lob, auf das man zu Recht stolz sein kann.

Gesichter des Ehrenamts: Lisa Bierbaum und die Sambakids

Bei der Bürgerstiftung Berlin erkannte man, dass die Ernennung nicht nur eine Auszeich nung war, sondern auch eine Einladung. »Schließlich wolle der Wettbewerb mit die sem Titel ja nicht nur loben, sondern auch die Freiwilligenarbeit auf lokaler Ebene fördern,« sagt Steffen Schröder, Geschäfts führer der Bürgerstiftung Berlin. Nach kreativen Gedankenflügen habe man sich entschlossen, eine Ausstellung zu gestal ten, die die Vielfalt des Ehrenamts zeigt und Besuchern Lust macht, sich ebenfalls zu engagieren. Am 10. Januar wurde die beeindruckende Ausstellung im Roten Rat haus eröffnet.

Gesichter des Ehrenamts: Doris Kappelt im Projekt »Zauberhafte Physik«

Zu sehen sind 32 eindrucksvoll fotografierte Porträts von Berlinerinnen und Ber linern, die ihr Engagement schildern, über berufliche Hintergründe, Motivationen und Erfahrungen sprechen – und denen wertvolle Tipps geben, die sich ebenfalls engagieren möchten. »Ich freue mich sehr, dass die Engagierten und ihre Geschichten einen gebührenden Platz im Roten Rat haus bekommen«, lobte Ana-Maria Trăsnea, Staatssekretärin für Engagement- und Demokratieförderung des Berliner Senats. Die Ausstellung gäbe dem Ehrenamt – im wahrsten Sinne – Gesicht und Stimme und zeige damit anschaulich den solidarischen Herzschlag Berlins. »Der Berliner Senat wird dieses großartige und vielfältige En gagement sowie neue Initiativen in dieser Legislaturperiode mit ganzer Kraft unter stützen,« versichert sie.

Immer unterwegs: Gerhard Pritzlaff bei einer Gruppenführung

Sehr deutlich wird in der Ausstellung auch die wichtige Rolle der Berliner Frei willigenagenturen. Wer es noch nicht wusste, erfährt hier, dass jeder, der den Wunsch verspürt sich in Berlin freiwillig zu engagieren, einfach zur Freiwilligenagen tur seines Bezirkes gehen kann. Dort erhält man eine kostenlose Rundumberatung, in der Wünsche und Möglichkeiten wie verfügbare Zeit, Wohnort, Interessen und Fähigkeiten geklärt werden. Mit den so gewonnenen Suchkriterien recherchieren die Berater anschließend in der umfassenden Daten bank der Agentur nach passenden Ehrenämtern und unterbreiten mehrere passende Vorschläge freier Plät ze. Da es die Kontaktdaten immer dazu gibt, kann man sich gleich beim entsprechenden Träger des Wunsch ehrenamts melden – und vielleicht sofort ein Kennen lernen vereinbaren.

Engagiert dabei: Everline Odero im Projekt Boxgirls Berlin e. V.

Vom Vermittlungsservice der Freiwilligenagentur Mitte profitiert hat zum Beispiel Cornelia Holl. Als die langjährige Kinder- und Jugendtherapeutin zum Be ginn ihrer Rente mit ihrem Mann aus einer Kleinstadt im Allgäu nach Berlin zog, war die Suche nach einem Ehrenamt für sie eine bewusst gewählte Maßnahme, um in einer völlig neuen Stadt und Umgebung anzu kommen. »Am Mierendorffplatz konnte ich zum ersten Mal in meinem Leben selber Nutzerin einer Bücher boxx sein und habe kennengelernt, was das für eine wunderschöne Einrichtung ist«, erinnert sie sich. Ent sprechend habe es sich wie ein Sechser im Lotto ange fühlt, als sie von der Freiwilligenagentur die Betreuung einer Bücherboxx angeboten bekam. »Heute kümmere ich mich um die Boxx, fülle den Bestand nach, räume die Boxx auf, reinige sie und sortiere Bücher«, schildert sie zufrieden. Dabei gäbe es immer wieder schöne Be gegnungen mit Menschen, die die Bücherboxx nutzen.

Cornelia Holl (links) kümmert sich um die Bücherboxx am Mierendorffplatz

»Wir finden für jeden das Ehrenamt, das seinen Wün schen entspricht«, versichert Amin Lutfi, der schon seit einigen Jahren ehrenamtlich bei der Freiwilligen agentur Reinickendorf berät. Seine Erfahrung ist, dass viele Menschen denken, Engagement sei immer an strengend, koste viel Zeit und sei mit besonderen Qua lifikationen verbunden. »Aber das ist gar nicht so«, weiß auch seine Frau Ola Shbat, die für die Freiwilli genagenturen Lichtenberg und Reinickendorf berät. Ihre Erfahrung sei, dass es so ziemlich für jeden ein thematisch, zeitlich, örtlich und zu den Begabungen passendes Engagement gibt. »Manchmal genügt es schon, wenn man gut zuhören kann«, sagt Ola Shbat. Das Angebot sei riesig, man müsse nur das richtige fin den – und dabei zu helfen sei der Job der Berater der Freiwilligenagenturen.

Engagiert dabei: Lionel Krauß in der »Lebendigen Bibliothek«

Aktuelle Ausstellungsorte sowie sämtliche ausgestellten Bilder und Interviews findet man auf der Homepage zur Ausstellung: www.berlin-ehrenamt.de