Behörden Spiegel August 2022

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Kommunale Sicherheit

Behörden Spiegel / August 2022

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Forderungen nach der Einstufung des IARC

Ausreichende Belege

Komplette Anerkennung von Krebs als Ziel

Feuerwehrarbeit als krebserregend eingestuft

(BS) Für die komplette Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit setzt sich Marcus Bätge, Feuerwehrmann und Geschäftsführer von FeuerKrebs, schon seit längerem ein. Mit der neuen Einstufung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist er einen Schritt weiter. Die Fragen stellte Bennet Klawon.

(BS/bk) Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hat Feuerwehrarbeit als krebserregend eingestuft. Dies gab die Agentur in einer neuen Monografie an. Bisher wurde die Arbeit von Feuerwehrfrauen und -männern von der Organisation als “möglicherweise krebserregend” eingestuft.

Behörden Spiegel: Wie ist die Situation der Anerkennung von Krebserkrankungen ?

Es gebe ausreichende Belege für Krebs beim Menschen infolge der Brandbekämpfung. Für die Krebsarten Hodenkrebs oder Melanome der Haut habe es genügend Hinweise gegeben. Feuerwehrleute seien durch ihre Arbeit einer Vielzahl von Stoffen ausgesetzt, die bei der Verbrennung von Material entstehen. Zu diesen Stoffen zählen u. a. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, flüchtige organische Verbindungen, Metalle und Feinstaub. Diese Stoffe könnten über eine Absorption durch die Haut in den Körper gelangen. Dadurch dass die Stoffe im Brandrauch enthalten seien, seien auch Kräfte im rückwärtigen Raum betroffen. Zudem gebe es weitere Gefahrenquellen wie Hitzestress, Schichtarbeit und andere Strahlungen, die krebserregend sein könnten. Welche Konsequenzen für eine Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit aus der neuen Einstufung resultieren, ist noch nicht absehbar.

Marcus Bätge: Es hat sich generell etwas beim Thema Krebsprävention im Feuerwehrdienst getan. D. h., wir haben eine große Aufmerksamkeit, was das Thema Einsatzhygiene betrifft. Die Feuerwehren denken darüber nach, was sie tun können, und ändern ihre Arbeitsweisen. Darunter fällt beispielsweise die Umsetzung einer nachhaltigen Schwarz/Weiß-Trennung. Dabei entkleiden sich die Einsatzkräfte nach dem Brandereignis entspre- Marcus Bätge ist Feuerwehrmann chend, packen das Equipment bei der Feuerwehr Hamburg und Gein Plastikbeutel und ziehen sau- schäftsführer von FeuerKrebs gUG. bere, extra vorgehaltene WechFoto: BS/Klawon selwäsche an. Es wird mit dem Thema anders umgegangen. Im Tätigkeiten von FeuerwehreinBereich der Anerkennung haben satzkräften als “ausreichend wir leider noch keine Fortschritte nachgewiesen“ bestätigt. Hier verzeichnen können. hat der Arbeitgeber künftig eine besondere Verantwortung gegenBehörden Spiegel: Wo ist die über seinen Mitarbeitern. Er hat Politik am dringendsten gefordert? ein geeignetes, risikobezogenes Maßnahmenkonzept anzuwenBätge: In der Kommunalpolitik den, um das Minimierungsgeist es immer noch ein Manko, bot umzusetzen. Hierbei sind dass die Gelder eher für Frei- die bekannt gegebenen Regeln, zeitangebote wie Schwimmbäder Erkenntnisse und Beurteilungsoder Spielplätze in der Gemeinde maßstäbe zu berücksichtigen. Ein Arbeitsplatzgrenzwert, wie eingesetzt werden. Nachsehen haben dabei meistens die örtli- er in der Gefahrstoffverordnung chen Feuerwehren. Diese Gelder durch den Ausschuss für Gefließen dann nicht in neue Aus- fahrstoffe festzulegen ist, kann rüstung, Gerätehäuser, Fahr- gerade für das Milieu, in dem zeuge und eben auch nicht in sich unsere Einsatzkräfte aufhalHygienemobile oder -anhänger. ten, nicht oder nur sehr schwer Das ist immer noch ein Problem. festgelegt werden. Zudem ist es Dabei wird immer gesagt: “Für nicht nur das Brandfolgeprodukt, diese zwei, drei Feuer im Jahr welches das Gremium der IARC braucht ihr ja keine Schutzklei- dazu bewegt hat, die Tätigkeit dung für Tausende von Euros.” der Feuerwehrleute entsprechend Die komplette Anerkennung von einzustufen. Hinzu kommen Krebs als Berufskrankheit ist Nachtschichtarbeit (unterbrounser größtes Ziel. Dafür müssen chener Schlaf), im Feuerwehrsich jedoch einige Dinge ändern. dienst eingesetzte Betriebsstoffe (PFAS- Imprägnierungsmittel zur Behörden Spiegel: Was muss Abweisung von Wasser oder auch aus der neuen Einstufung der PTFE bei Beschichtungen), DieIARC folgen? selpartikel, die physiologische und psychische Belastung durch Bätge: Mit Veröffentlichung der den Job oder auch die Gefahr von Einstufung durch die IARC in die ansteckenden Krankheiten, die Kategorie 1A (Stoffe, die auf den krebserregend/-fördernd sind. Menschen bekanntermaßen kar- All das muss selbstverständlich zinogen wirken), wird der Kau- erst noch von hiesigen wissensalzusammenhang zwischen der schaftlichen Mitarbeitern beExposition gegenüber Stoffen und wertet und anhand der 1.250 der Entstehung von Krebs, bei Seiten der Monografie Vol. 132

durchgearbeitet werden. Dies kann durchaus hilfreich sein, wenn es um die Neubewertung von Berufskrankheiten und die Aufnahme in den BK-Katalog geht. Behörden Spiegel: Welche Bemühungen gibt es seitens der Unfallversicherungen? Bätge: Vor zwei Jahren wurde von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine Biomonitoring-Studie (eine Studie zur Expositionserfassung Anm. d. Red.) durchgeführt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass, ich zitiere “die Tätigkeit als Feuerwehreinsatzkraft unter den gegenwärtigen Schutzmöglichkeiten, vor allem einer korrekt getragenen Persönlichen Schutzausrüstung, insgesamt als sicher angesehen werden kann”. Dennoch wird “grundsätzlich die Möglichkeit eines individuell erhöhten Krebsrisikos durch die Brandbekämpfung jedoch nicht ausgeschlossen”. Das beißt sich meiner Meinung nach. Das Ergebnis der Studie spiegelt nur einen begrenzten Zeitraum wider. Hier wurde lediglich bilanziert. Also nur nach dem Input und dem, was vermeintlich wieder herauskommt, geschaut. Es wurde nur der aktuelle Moment abgebildet. Dazu ein Beispiel: Wenn Sie am Abend Wein konsumieren, haben Sie am nächsten Morgen einen geringeren Alkoholgehalt im Blut als an dem vorherigen Abend. Der Alkohol wurde über Nacht abgebaut. Das Gleiche gilt möglicherweise jedoch nicht für die Exposition von Gefahrstoffen über die Haut. Wenn Sie am Abend ein Feuer bekämpft haben, findet sich am nächsten Morgen eine andere Konzentration von Gefahrstoffen im Blut/Urin als am vorherigen Abend. Die Gefahr besteht also, dass sich Stoffe, wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die bei jedem Brand vorkommen, zwischenzeitig im Körper verstoffwechselt und in Zellen festgesetzt haben. Dies ist nur noch schwer über den Urin nachweisbar. Langzeitfolgen, wie bspw. das Risiko einer Krebserkrankung wurden da gar nicht betrachtet.

nim Beirat nach einer Sprecherin des BMAS nicht statt. Die Beratungen erstreckten sich vielmehr auf einzelne Krankheiten und die jeweiligen potenziellen Ursachen. Da der vollständige Bericht des IARC erst 2023 erscheine, könne der Beirat diesen noch nicht prüfen. Derzeit umfasst die BK-Liste 82 Berufskrankheiten, darunter zum Beispiel das Mesotheliom oder den Blasenkrebs. “Sie gilt ebenso für Feuerwehren”, heißt es von der Deutschen Gesetz-

Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit zu stellen, erklärt die DGUV.

Nachweis wichtig für ­Leistungen Betroffene Einsatzkräfte müssen nachweisen können, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Feuerwehrdienst und der Krankheit besteht. Kritiker bemängeln, dass eine Kausalität schwer nachzuweisen sei, da zwischen den Einsätzen und der Erkrankung oftmals mehre-

Anerkennung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen Damit eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird, muss diese Erkrankung infolge der Tätigkeit erlitten werden und in der BerufskrankheitenListe (BK-Liste), der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung Viele Stoffe, die bei einer Verbrennung entstehen können, werden von der In(BKV), aufgeführt sein. Laut dem ternationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als krebserregend eingestuft. Bundesministerium für Arbeit Foto: BS/Benedict Rottmann, pixabay.com und Soziales (BMAS) seien die Berufskrankheiten im deutschen lichen Unfallversicherung e. V. re Jahre vergehen könnten und Recht regelmäßig nach Krank- (DGUV). Der Spitzenverband eine personenbezogene Einsatzheitsart und schädigender Ein- habe zudem auf die potenziel- dokumentation über einen entwirkung definiert, nicht nach len Gefährdungen der Feuer- sprechenden Zeitraum bislang einzelnen Berufszweigen. Die bei- wehrleute durch krebserregende flächendeckend nicht umgesetzt den Ausnahmen seien entweder Gefahrstoffe mit verstärkten Prä- werde. Eine Nicht-Anerkennung historisch bedingt (Augenzittern ventionsanstrengungen reagiert. könne zur Folge haben, dass bei bei Bergleuten) oder die spezifi- Für in der gesetzlichen Unfall- einer vorzeitigen Pensionierung sche Erkrankung komme nur in versicherung versicherte Feuer- die Versorgungsbezüge niedriger einer Berufsgruppe vor (Fokale wehrleute bestünden gesetzlich ausfielen. Zudem könnten BeDystonie bei Berufsmusikern). verankerte Meldepflichten für rufsgenossenschaften oder die Beides sei bei Feuerwehrleuten Ärztinnen und Ärzte, für Ar- Feuerwehrunfallkassen nur bei nicht der Fall. Ob eine Krankheit beitgeberinnen und Arbeitgeber Vorliegen einer Berufskrankheit in diese Liste aufgenommen wird, sowie für die gesetzlichen Kran- konkrete Leistungen und Mittel entscheidet die Bundesregierung kenkassen, wenn ein Verdacht freigeben. Bisher sei nur in Einauf Empfehlung des Ärztlichen auf eine durch die Tätigkeit bei zelfällen eine Krebserkrankung Sachverständigenbeirats Be- der Feuerwehr verursachte Er- anerkannt worden. Als Gegenbeirufskrankheiten, der das BMAS krankung bestehe. Komme es spiel wird dabei häufig Kanada berät. Speziell berufsbezogene trotz Präventionsmaßnahmen zu angeführt. Dort sind seit 2003 17 Beratungen zu Krebserkrankun- einer Erkrankung, hätten Feuer- Krebsarten als Berufskrankheit gen von Feuerwehrleuten finden wehrleute die Möglichkeit, einen anerkannt.

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