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Behörden Spiegel: Herr Prof. Jünemann, was ist der “OP der Zukunft?”

Klaus-Peter Jünemann: Der Begriff ist frei gewählt und ist in Zusammenarbeit mit meiner Arbeitsgruppe im Rahmen der Antragsstellung für das Forschungsprojekt in Kiel entstanden. Im Grunde genommen ist der Tenor: Wie stellt man sich den OP der Zukunft vor? Wir können davon ausgehen, dass in fünf Jahren alles, was sie aus einem Operationssaal kennen – vor allem in großen Kliniken, anders aussehen wird als heute. Man muss sich dort sehr rasch den neuen Standards anpassen, da 60 bis 65 Prozent der Einnahmen über operative Eingriffe generiert werden.

Behörden Spiegel: Welche Veränderungen wird man denn in fünf Jahren sehen können?

Jünemann: Bereits in den letzten zehn, zwölf Jahren haben wir feststellen können, wie die Chirurgie sich komplett verändert hat. Zum Beispiel durch die minimalinvasive Chirurgie, bei der man mit dem Da-Vinci-Operationssystem durch ein Roboterassistiertes Chirurgiesystem extrem risikoarm operieren kann. Dieses System erlaubt es, dass der Bauch nicht mehr großfl ächig aufgeschnitten werden muss und man quasi “aus dem Handgelenk” arbeiten kann. Alle Bewegungen, die sonst der Operateur tätigt, werden dann von einem Roboter durch vier Arme durchgeführt. Diese Roboter-assistierte Chirurgie hat in den letzten Jahren einen enormen Zuspruch erfahren, und das nicht nur in der Urologie, sondern auch bei der Allgemein- und Thorax-Chirurgie.

Behörden Spiegel: Welche Vorteile hat diese Roboter-assistierte Chirurgie noch?

Risikoarm mittels KI operieren

Technische Ausfälle unwahrscheinlich

(BS) Modelle zeigen, dass 2050 mehr Menschen an Infektionskrankheiten als an Krebs sterben werden. Minimalinvasive Eingriffe durch Roboterassistierte Chirugie können das Risiko von Wundinfektionen verhindern. Um den Einsatz dieser Systeme weiterzuentwickeln, wurde in Kiel im letzten Jahr das Leuchtturmprojekt “OP der Zukunft” vorgestellt. Im Interview mit Prof. Dr. Klaus-Peter Jünemann, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am UKSH, redeten wir über die weiteren Features der Technik und über mögliche Cyber-Risiken im Krankenhausbetrieb.

Jünemann: Durch die Pandemie sind wir Ärztinnen und Ärzte mehr als sonst der Infektionsgefahr ausgesetzt, weil es sein kann, dass wir einen Patienten behandeln, der Covid-19-positiv ist. Aktuell ist es so, dass der Chirurg drei, vier Meter entfernt vom Patienten an der Konsole arbeiten kann. Das Ziel ist es auch, die Assistenz – die aktuell noch direkt am OP-Tisch operiert – örtlich vom Patienten abzugrenzen. Im Rahmen des Forschungsprojektes entwickeln wir dafür einen “Assistenten-Roboter”.

Behörden Spiegel: Entwickeln sich dadurch Herausforderungen?

Jünemann: Wir müssen jetzt zusätzlich auf die Maschine-Maschine-Interaktion achten. Der “große” Roboter muss mit dem Assistenten-Roboter kommunizieren, ohne dass sie sich gegenseitig beeinträchtigen. Bis das Ganze vollständig implementiert ist, wird es vielleicht noch fünf oder zehn Jahre dauern, aber dann wird niemand mehr im OP-Saal stehen. Dann wird es dort nur noch den Patienten geben. Inklusive der Anästhesie werden dann alle Prozesse von außen gesteuert, was die Infektionsgefahr fast auf null reduzieren kann. Das ist besonders wichtig, weil Modelle zeigen, dass 2050 mehr Menschen an Infektionskrankheiten als an Krebs sterben werden. Da möchten wir wenigstens die Infektionsgefahr während des Eingriffs so weit wie möglich ausschließen. Behörden Spiegel: Welche “Features” bietet die Technologie noch?

Jünemann: Mithilfe eines Programms, das wir ebenfalls gerade entwickeln, können wir Bilder nutzen, die wir vor der OP aufgenommen haben und diese während der OP “über das eigentlich sichtbare Bild legen”, also im Grunde genommen Virtual Reality nutzen. Wir vergrößern und sehen Dinge, die Sie eigentlich im Verlauf der OP gar nicht wahrnehmen könnten: “See the unseen”. Dadurch wird die Chirurgie schonender und präziser und kann eine Komplettdarstellung des operierenden Bereichs zeigen und darstellen, was aus dem Körper des Patienten entfernt gehört.

Behörden Spiegel: Welche Daten können noch in die KI-gestützten Systeme implementiert werden?

Jünemann: Nun werden nicht alle Operationen von erfahrenen Oberärzten durchgeführt. Wenn ein junger Arzt jetzt an einer bestimmten Stelle nicht weiß, wie er verfahren soll, kann er durch Modelle lernen. Durch sogenannte Expert-Systeme können die Videoaufnahmen von verschiedenen Chirurgen in Modelle transferiert werden. So werden vom System beispielsweise 100 Videoaufnahmen von Chirurg A verarbeitet, die sich mit dem Problem auseinandersetzen, vor dem der junge Arzt in seinem Eingriff gerade steht. Das gleiche kann dann auch für Chirurg B oder C angefertigt werden. Somit kann sich der Operateur verschiedene Modelle anschauen, um ein Problem zu lösen. Ein zweites Feature ist die Arbeit mit einer zweiten Konsole. Das funktioniert im Prinzip wie in der Fahrschule. Der junge, noch unerfahrene Operator führt die OP auf der ersten Konsole durch. Der erfahrene Chirurg sitzt währenddessen an einer “Lehrkonsole” und kann spontan eingreifen und – wie der Fahrlehrer – die Instrumente steuern. Dadurch ist der Lerneffekt für den Novizen viel höher. Diese OP-Technik wird m. E. die ganze offene Chirurgie auf kurz oder lang verdrängen.

“Wir müssen anfangen, die Digitalisierung im klinischen Betrieb anzunehmen und nicht nur darüber zu reden.”

Prof. Dr. Klaus-Peter Jünemann ist Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am UKSH in Kiel.

Foto: BS/UKSH Behörden Spiegel: Welche Risiken ergeben sich durch diese digitale Hilfsmittel?

Jünemann: Das klassische Beispiel ist der Stromausfall. Unter normalen Umständen springt dann ein Hilfsgenerator an und es kann erst mal weitergehen. In Konfl iktgebieten ist das Risiko natürlich ein anderes, nehmen wir das Beispiel Ukraine. Wenn dort während einer Operation die Stromzufuhr durch Beschuss oder Ähnliches außer Gefecht gesetzt wird, muss die Situation manuell gelöst werden. Das sind aber Extremsituationen. Ich hatte in all den Jahren, in der wir diese Technik nutzen, erst ein Mal den Fall gehabt, dass ein Roboterarm ausgefallen ist. Dann musste die OP abgebrochen werden. Heute sind wir vor der Situation geschützt, weil wir in der Klinik in Kiel vier einsatzbereite Robotersysteme haben. Große Zentren, wie wir es sind, sind also in der Lage, Ersatz zu schaffen, sollte technisch etwas ausfallen – was extrem unwahrscheinlich ist. Von der Technik ist im Grundsatz also ein Ausfall nicht zu erwarten. Es kann etwas im Schnitt schiefgehen, aber das ist dann der individuelle Fehler des Chirurgen.

Behörden Spiegel: Wie sieht es bei der Cyber-Angriffsgefahr aus? Jüneman: Einer der Entwicklungsschritte, die wir auch beim OP der Zukunft weiterentwickeln wollen, ist die Tele-Medizin. Schon heute ist es möglich, dass ich hier in Kiel das Bild einer Operation aus München einsehen und dem Operateur behilfl ich sein kann. Schon bald wird es möglich sein, dass ich die komplette Operation aus Kiel durchführen kann. Daraus kann sich natürlich ein Problem bei der Cyber-Sicherheit ergeben. In der Theorie könnte dann jemand von außen auf die Steuerung zugreifen oder die Daten abgreifen. Aber das ist ja quasi ausgeschlossen, handelt es sich doch mehr oder weniger um einen closed job.

Behörden Spiegel: Kann man garantieren, dass niemand eingreift?

Jünemann: Garantieren kann man nichts, nur sich möglichst gut vorbereiten. Wir brauchen eine gesicherte Firewall und eine IT, die für diese Fälle geschult ist. Ich sehe da allerdings nur ein geringe Gefahr dafür, dass jemand eine OP gezielt stören könnte. Natürlich gibt es Kriminelle, die daraus einen ökonomischen Nutzen ziehen könnten, aber ich glaube, das Krankenhaus kommt an letzter Stelle. Ich halte das Risiko für extrem gering und wenn man sich den Nutzen dieser Systeme anschaut, muss man diese minimalen Risiken in Kauf nehmen. Bei Prostatakrebsoperationen hatten wir vor den KI-Systemen eine Wundinfektionsrate von 9,2 Prozent, heute sind es gerade mal 0,7 Prozent. Ich bin der Meinung, dass man die Potenziale der Digitalisierung und Neuentwickelungen nutzen sollte. Wir müssen anfangen, die Digitalisierung im klinischen Betrieb anzunehmen und nicht nur darüber zu reden. Dann haben wir bald nicht mehr das Problem, dass wir zu wenig Ärzte haben, sondern klären die Frage, wie wir noch schneller digitalisieren können.

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