Wehrtechnik
Behörden Spiegel / Januar 2017
Moderner Panzerschutz
“H
ardkill”-Systeme sind eine Form sogenannter abstandsaktiver Schutzmaßnahmen (“Active Protection Systems – APS). Kampfpanzer sind in der Regel vorne, d. h. an Bug und Turmfront stark, hingegen an Boden, Dach und Heck relativ schwach gepanzert. Nach aktuellem Entwicklungsstand können nur APS einen Rundumschutz vor modernen Panzerabwehr-Lenkwaffen oder Hochleistungs-Wuchtgeschossen gewährleisten, ohne dass dicke Panzerungen zu inakzeptabel hohem Gewicht führen würden. Anfliegende Lenkwaffen, Granaten oder Wuchtgeschosse sollen mittels “Hardkill”-System vor dem Auftreffen zerstört werden. Dazu müssen diese Geschosse zunächst durch Sensoren, zum Beispiel durch Radar, geortet werden. Entscheidet der Bordcomputer, dass eine Bedrohung vorliegt, leitet er in Sekundenbruchteilen den Bekämpfungsvorgang ein. Das Ziel wird dabei je nach Wirkmechanismus entweder durch Schrapnelle, eine Projektil-bildende Ladung oder eine Druckwelle zerstört. Allerdings stellen diese Systeme für eigene Soldaten im unmittelbaren Umkreis der Panzer eine Gefahrenzone dar. Weniger gefährlich für das eigene Umfeld sind sogenannte “Softkill”-Systeme, welche die Bedrohung neutralisieren, ohne sie zu zerstören. Dazu zählen unter anderem Täuschkörper (sogenannte “Flares”), Störsender und Vernebelung.
Die ADS GmbH Das 1981 gegründete deutsche Unternehmen IBD (Ingenieurbüro Deisenroth) Deisenroth Engineering hat die Panzerschutz-
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360-Grad-Rundumschutz ständig im Blick”, erläuterte ergänzend der Rheinmetall-Manager.
Abstandsaktive Hightech-Lösung
Rückblick auf Panzerungsentwicklung
(BS/Dr. Gerd Portugall) Auf der Rüstungsmesse Eurosatory 2016 in Villepinte bei Paris stellte Rheinmetall der Weltöffentlichkeit erstmals seinen Der Kampfpanzer ist seit 1917 neuen Schützenpanzer “Lynx” vor, der über eine ballistische Panzerung verfügt. Optional bietet der Hersteller, die Rheinmetall Landsysteme (britische Offensive bei CamGmbH aus dem niedersächsischen Unterlüß, das aktive “Hardkill”-Schutzsystem “Active Defence System” (ADS) als Einrüstsatz an. brai), d. h. seit genau 100 Jah-
Der Schützenpanzer “Lynx” auf der Eurosatory 2016
Produktfamilie AMAP (“Advanced Modular Armour Protection”) entwickelt, zu der auch die ADSTechnik gehört. 2007 gründeten IBD Deisenroth und Rheinmetall Defence die ADS Gesellschaft für aktive Schutzsysteme mbH (ADS
GmbH) als “Spin-off” der IBDEntwicklungstätigkeiten. Zunächst hielt IBD dabei 75 Prozent der Anteile am Unternehmen und Rheinmetall 25 Prozent. Im Februar 2011 stockte Rheinmetall seine Geschäftsanteile auf 74
Foto: BS/Portugall
Prozent auf. Die verbleibenden 26 Prozent der Anteile an der ADS GmbH befinden sich weiterhin im Besitz der Deisenroth-Familie. “ADS ist weltweit das einzige Schutzsystem, das sogar Angrif-
fe aus dem nächsten Umfeld des Fahrzeugs abwehren kann”, so Dr. Stefan Nehlsen, Leiter des Geschäftsbereichs “Protection Systems” bei Rheinmetall. “Hochleistungs-Sensoren haben die Fahrzeugumgebung als
ren, das dominierende Waffensystem der Landstreitkräfte. Die entscheidenden Parameter beim Panzerbau sind Feuerkraft, Schutz und Beweglichkeit. Insbesondere die beiden letzten Größen bedingen sich wechselseitig: Je dicker die Panzerung, desto schwerer das Fahrzeug, desto unbeweglicher ist es. Ursprünglich wurden Panzer durch gewalzte oder gegossene Stahlelemente geschützt – sogenannte “passive” Panzerung. Seit den 1970er-Jahren verfügen Kampfpanzer neben Panzerstahl zusätzlich über Komposit- beziehungsweise Verbundpanzerung aus Metall und Keramiken, deren genaue Zusammensetzung von den Herstellern geheim gehalten wird. Der sowjetische T-64, der ab 1964 in Serie produziert wurde, war der erste Panzer mit einem solchen Schutz. Die nächste Entwicklungsstufe stellten sogenannte Reaktivpanzerungen zur Verstärkung von Schwachstellen dar. Dabei werden Sprengstoff-Kacheln mit Metallplatten auf die passive Stahloder Verbundpanzerung aufgelegt. Trifft ein Projektil auf eine solche Kachel, so explodiert die Sprengstoffschicht und schleudert die Metallplatte dem Projektil entgegen. Pioniere dieser Technik waren die Sowjetunion und Israel. Die modernste Form stellen nun die abstandsaktiven Schutzmaßnahmen (APS) dar.
Nachfolger gesucht
Flottenergänzung
Bundeswehr braucht neuen Hubschrauber
Gebrauchter Airbus für Flugbereitschaft des BMVg
(BS/por) Der Sikorsky CH-53 “Sea Stallion” ist der mittlere Transporthubschrauber der Bundeswehr. Er wurde bereits in den 1970-er Jahren in Lizenz durch VFW-Fokker in Speyer gebaut. Um die Maschinen dieses Typs ersetzen zu können, benötigen die deutschen Streitkräfte einen Hubschrauber, der den in der Vergangenheit stetig gestiegenen Anforderungen – insbesondere durch die Auslandseinsätze – gerecht wird. Die Ausschreibung soll dieses Jahr erfolgen, die Vertragsunterzeichnung wird für 2018 avisiert und die Auslieferung könnte dann in 2022 beginnen.
(BS/por) Anfang Januar unterzeichneten Michael Engelmann, Erster Direktor beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Vertretung für dessen Vizepräsidenten, und Walter Heerdt, Bereichsleiter VIP & Special Mission Aircraft Services der Lufthansa Technik AG, den Vertrag über die Beschaffung Die Version CH-53GS der Bun- grund von Entwicklungsverzö- über drei General Electric- mon Avionics Architecture Sys- und Umrüstung eines gebrauchten Airbus A321 für die Flotte der Flugdeswehr sollte nach ursprüngli- gerungen bei der europäischen Triebwerke, durch die Nutzlast tem” (CAAS) von Rockwell Col- bereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg). chen Planungen aus dem Jahr 2006 durch das deutsch-französische Eurocopter-Projekt “Heavy Transport Helicopter” (HTH), später umbenannt in “Future Transport Helicopter” (FTH), ersetzt werden. Im Rahmen der 2010 begonnenen Neuausrichtung der Bundeswehr wurden jedoch die Mittleren Transporthubschrauberregimenter des Heeres aufgelöst und deren CH-53 an die Luftwaffe übergeben. Im Zuge dieses Transfers wurde die Flottengröße von einst 110 auf unter 70 Exemplare reduziert. Aufgrund dieser deutlich geringeren Stückzahl sowie auf-
Industrie entschied die deutsche Seite sich für “Commercial off-the-shelf” (COTS), d. h. ein bereits existierendes Muster zu beschaffen. Im Gespräch sollen dabei zwei US-amerikanische Modelle sein: der Sikorsky CH53K “King Stallion” und der Boeing CH-47F “Super Chinook”.
In der Auswahl Der “King Stallion” ist die modernste Version des CH-53. Das maximale Abfluggewicht verdoppelt sich im Vergleich zum CH-53GS von 19 auf 40 Tonnen. Diese Maschinen verfügen nicht wie die G-Reihe (G für “Germany”) nur über zwei, sondern
und Einsatzradius deutlich erhöht werden. Die 30 cm breitere Zelle ermöglicht unter anderem den internen Transport von “463L Master Pallets”, einer standardisierten Palette für den Transport von Militärluftfracht. Die anfänglich für 2015 geplante Einsatzbereitschaft wurde auf 2018 verschoben, nachdem der Jungfernflug erst im Oktober 2015 stattgefunden hat. Der CH-47F “Chinook” stellt eine mit überarbeiteter Zelle, stärkeren Triebwerken und moderner Avionik – d. h. Bordelektrik und -elektronik – ausgerüstete Variante dar. Das neue Glascockpit verfügt über das “Com-
Die Bundeswehr sucht ein Nachfolgemodell für den in die Jahre gekommenen Transporthubschrauber CH-53 der GReihe. Foto: BS/Portugall
lins. Zur Orientierung sind unter anderem ein Tiefflugradar und eine Wärmebildkamera (“Forward Looking Infrared” – FLIR) von Raytheon eingebaut. Der Erstflug erfolgte im Juni 2001 und die ersten Maschinen wurden ab 2006 ausgeliefert. Im September 2007 wurde die modernisierte CH-47F von der USArmee offiziell als einsatzbereit erklärt und mit der Lieferung an die ersten Einsatzverbände begonnen.
Innenpolitische Implikationen In den ersten Jahren übernahm VFW-Fokker auch die technische Betreuung und Wartung des CH-53. Später wurden diese Aufgaben von Eurocopter – heute Airbus Helicopters – wahrgenommen. Mittlerweile findet die Wartung des großen Transporthubschraubers der Bundeswehr im Airbus-Werk im schwäbischen Donauwörth statt. Rund 15 Prozent der Belegschaft dort sind in der Militärsparte tätig. Der Standort Donauwörth ist auch Sitz der Geschäftsführung der Airbus Helicopters Deutschland GmbH. Nach Informationen des Behörden Spiegel soll die Leitungsebene des BMVg darauf drängen, dass wenigstens die technische Betreuung und Wartung auch beim künftig zu beschaffenden Modell in Deutschland bleiben möge – nicht zuletzt unter ausdrücklichem Hinweis auf die Interessen des Mittelstandes hierzulande. Gerade in Wahlkampfzeiten kommt dabei dem Arbeitsplatz-Argument besondere Bedeutung zu.
Michael Engelmann (l.), Erster Direktor beim BAAINBw, und Walter Heerdt (r.), Bereichsleiter VIP & Special Mission Aircraft Services der Lufthansa Technik AG, bei der Vertragsunterzeichnung. Foto: BS/Bundeswehr, Schröder
Der Auftrag mit einem Gesamtvolumen von knapp 90 Millionen Euro schließt neben der Beschaffung und Umrüstung des Airbus A321 auch den Kauf von Ersatzteilen und die Anpassung des Flugzeugs an die Anforderungen der Flugbereitschaft ein. Die Firma Lufthansa Technik AG übernimmt zudem die technische und fliegerische Ausbildung des Personals für die Bundeswehr-Maschine. Die Umrüstung soll in der Basis der Lufthansa Technik in Hamburg erfolgen und wird mit einer zivilen Musterzulassung abgeschlossen. Anschließend ist geplant, dass das Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw) für das Flugzeug – einschließlich der zusätzlichen militärischen Komponenten – die militärische Musterzulassung erteilt.
Flotte der Flugbereitschaft “Der Airbus A321 kann 70 Passagiere inklusive Gepäck
über Entfernungen bis zu 2.800 Nautischen Meilen (ca. 5.200 km) nonstop transportieren und auch auf kleineren Flugplätzen landen”, erklärte Michael Engelmann anlässlich der Vertragsunterzeichnung in Koblenz. “Er fügt sich zudem nahtlos ein in das bestehende Betriebskonzept für die AirbusFlotte der Flugbereitschaft des BMVg, was Synergieeffekte unter anderem bei Betrieb, Wartung und Betreuung maximiert.” Zu den Aufgaben der Flugbereitschaft des BMVg gehören der Lufttransport von Personen des politisch-parlamentarischen Bereichs, von Verwundeten, Unfallverletzten und Kranken aus Einsatzgebieten sowie von Personal und Material im Rahmen militärischer Einsätze. Der A321 soll ab 2018 die bestehende Lang- und Mittelstreckenflotte ergänzen und in Köln-Wahn stationiert werden.