WINGbusiness Heft 02 2015

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ISSN 0256-7830; 48. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M

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WING

business

Flexibles Arbeiten

New World of Work – Warum kein Stein auf dem anderen bleibt

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Für manche ein Segen, für andere ein Fluch

Das Ende der Anwesenheitspflicht

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27.05.2015 14:27:44


Editorial

Flexibles Arbeiten

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Siegfried Vössner Liebe Leserin, lieber Leser, „Viva la revolución!“ dies war einst der Aufruf zum Umsturz, gegen Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiter, der Aufruf eine neue, bessere Weltordnung zu schaffen. Diese oftmals radikalen Veränderungen brachten selten die erhofften Verbesserungen dafür aber Krieg und Leid über die Menschen. Die wahren Revolutionen finden heute langsamer und leiser statt, die Auswirkungen sind aber umso dramatischer. Welche positiven Veränderungen sie bringen und welche Schattenseiten, wird die Zukunft zeigen und die Geschichte beurteilen. Sie denken sicher an die industrielle Revolution, die unsere Welt verändert hat. Oder aber an die Informatik, die unser Leben digitalisiert hat und mit deren Hilfe Computer Integrated Manufacturing (CIM) seit mehr als 30 Jahren die industrielle Produktion revolutioniert – beispielsweise in seiner gehypten Reinkarnation als Industrie 4.0. Ich möchte jedoch Ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Revolution lenken, eine stille, die im Schatten der Digitalisierung und Vernetzung unserer Welt schon beträchtliche Ausmaße erreicht hat: Die Revolutionierung unserer Arbeitswelt. Denkt man seit jeher, nicht nur seit den Anfängen der Arbeitswissenschaft vor über 100 Jahren, über die Optimierung menschlichen Arbeitseinsatzes nach, ist es die logische Konsequenz die gleichen Prinzipien und Ressourcen zu nutzen, die bei modernen vernetzten, flexiblen Maschinen angewandt werden. Heute ist es auch für Menschen möglich geworden, weitgehend die Zeit oder den Ort der Arbeitserbringung, ja sogar deren Inhalte zu flexibilisieren. „Tele-Working“, das Arbeiten von zu Hause aus, ist für viele Arbeitnehmer zur Normalität geworden. Viele Unternehmen kaufen ihren Mitarbeitern portable Arbeitsplatzrechner, die auch zu Hause und in der Freizeit benutzt werden dürfen. Viele dieser Unternehmen erwarten dann auch, dass ihre Mitarbeiter damit auch geschäftliche Aufgaben in der Freizeit erledigen. Teilweise ist dies durch „All-Inclusive“Verträge rechtlich gedeckt – teilweise wird es einfach nur „erwartet“. Außerdem gehört es für einen modernen Arbeitnehmer zum guten Ton, rund um die Uhr telefonisch oder zumindest per Email erreichbar zu sein. Das gilt natürlich

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auch im Urlaub. Zwar gilt hier selbstverständlich der Arbeitnehmerschutz, doch gegen freiwillige Selbstausbeutung ist er wirkungslos. Man darf hierbei nicht übersehen, dass die ständige Erreichbarkeit und das Bedürfnis nach permanenter Kommunikation auch im Privatleben durch soziale Netzwerke, wie beispielsweise Facebook, Einzug gehalten hat und allgemein akzeptiert ist und gelebt wird. Mit der Informationsflut müssen wir noch lernen umzugehen und dafür nachhaltige und gesunde Strategien entwickeln. EmailPostfächer, die sich in einer Woche mit mehreren hundert Emails füllen, die auch zu bearbeiten sind, sind keine Lösung. Aber auch die Arbeitsinhalte haben sich geändert. Auf digitalem Weg ist es möglich geworden, Teilarbeiten blitzschnell in andere Länder mit anderem Lohnniveau oder Zeitzone (oder beidem) zu verlagern oder sie in „micro-jobs“ zu zerteilen und diese von Mitgliedern der Internet-Cloud schnell und preisgünstig erledigen zu lassen. Damit entstehen, neben den offensichtlichen Gefahren und medizinischen Nebenwirkungen, wie vermehrte Burn-outRaten aber auch ungeheure Chancen durch eine Flexibilisierung der Arbeit. Richtig und sinnvoll eingesetzt wird flexibles Arbeiten unsere Welt hoffentlich positiv verändern. Wir haben den, mit dem Industrie 4.0 Hype wieder aktuell gewordenen Aspekt der Flexibilisierung der Arbeit im Kontext moderner Produktion zum Anlass genommen, „Flexibles Arbeiten“ an sich zum Thema unseres aktuellen WINGbusiness Heftes zu machen und einige, wie ich hoffe, interessante Artikel für Sie zusammengestellt. Wir beginnen den Themenschwerpunkt mit einem Überblick der Veränderungen unserer Arbeitswelten besonders in Österreich und beleuchten im Anschluss daran in einem Artikel die Chancen und Risiken der Flexibilisierung der Arbeit. Der darauffolgende Beitrag beschreibt die Ablösung des klassischen Büros durch Szenario-orientierte Formen der Zusammenarbeit und die zugehörigen Organisationsformen. Dass sich daraus auch Innovations-Ökosysteme bilden können, schildert dann ein weiterer Beitrag. Die Grundlagen der Kommunikation in flexiblen Arbeitsformen analysiert in diesem Zusammenhang ein Wing-Paper. Danach stellen wir mit visuellen Assistenzsystemen in der Fertigung noch ein konkretes Anwendungsbeispiel flexiblen Arbeitens vor. An dieser Stelle möchte ich mich bei Frau Professor Dr. Sabine Köszegi, Leiterin der Gruppe Arbeitswissenschaft und Organisation des Instituts für Managementwissenschaften der TU Wien, und bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Unterstützung bei der Zusammenstellung dieses Heftes bedanken. Ich hoffe, dass Sie die Artikel in diesem Heft interessant finden und verbleibe im Namen des Redaktionsteams mit freundlichen Grüßen. Ihr Sieg fried Vössner

Quelle: Jim Fitzpatrick

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Top-Thema: Flexibles Arbeiten Michael Bartz, Thomas Schmutzer

New World of Work – Warum kein Stein auf dem anderen bleibt Martina Hartner-Tiefenthaler

Für manche ein Segen, für andere ein Fluch

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Die Chancen und Risiken der Flexibilisierung der Arbeit

Franz Kühmayer

Das Ende der Anwesenheitspflicht Thomas Fundneider, Markus F. Peschl

Flexibles Arbeiten und Innovation: Vom Home Office zu Innovations-Ökosystemen Philipp Hold, Fabian Ranz, Vera Hummel, Wilfried Sihn

Durchblick im Variantendschungel

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Visuelle Assistenzsysteme als Flexibilitätshebel auf dem Shop Floor

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Inhaltsverzeichnis EDITORIAL

Flexibles Arbeiten

CALL FOR PAPERS Themenschwerpunkt „Recht am Bau“ in WINGbusiness Heft 04/2015

WING-PAPER

Franz Haas

Flexible Fertigungssysteme und 3D-Druck

Fern und doch so nah: Wie kann Kommunikation in flexiblen Arbeitsformen gut gelingen?

WINGregional

WING Studie 2014: Ergebnispräsentation in der Stiegl-Brauwelt in Salzburg

UNINACHRICHTEN

6. Kongress „Sustainability Management for Industries“ – Energieeffizienz im Fokus

Industrie 4.0 am Institut für Industrial Management

WINGnet

Andreas Reischl

IMPRESSUM

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Thomas Reuter

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Karin Tschiggerl, Milan Topic

Christopher Mallaschitz, Martin Wallner

ESTIEM Council Meeting in Riga

Felix Aumair

TIMES Semifinale Kiew 2015

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Alessandro Wärzner, Martina Hartner-Tiefenthaler, Sabine T. Koeszegi

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Impressum

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Top-Thema

Foto: Ricoh Austria GmbH

Michael Bartz, Thomas Schmutzer

New World of Work – Warum kein Stein auf dem anderen bleibt Im vorliegenden Beitrag geben die zwei Buchautoren – Michael Bartz und Thomas Schmutzer – des gleichnamigen Buches „New World of Work – Warum kein Stein auf dem anderen bleibt“ einen Überblick über die grundlegenden Veränderungen unserer Arbeitswelten mit besonderem Fokus auf Österreich. Es wird aufgezeigt, warum ArbeitnehmerInnen neue innovative Arbeitsweisen wichtig sind und warum sich die Unternehmenstransformation in Richtung New World of Work rechnet. Michael Bartz ist absolvierter Wirtschaftsingenieur und forscht als Professor an der IMC FH Krems zum Thema „New World of Work“. Thomas Schmutzer ist führender Unternehmensberater in diesem Bereich und Geschäftsführer der Firma HMP.

New World of Work – Das Arbeiten neu erfinden Unsere Arbeitswelten verändern sich derzeit grundlegend. Ein wesentlicher Treiber dahinter sind neue Informationstechnologien, die Kommunikation und Zusammenarbeit auf Distanz so einfach und kostengünstig, wie noch nie, ermöglichen. Dank dieser Technologien breiten sich vor allem zeitlich und räumlich flexible Arbeitsweisen aus. Immer mehr Menschen haben die Möglichkeit, außerhalb des Firmenbüros mobil zu arbeiten, z.B. im Home Office, und sich auch zeitlich selbständiger einzuteilen. Dies allein zieht viele Änderungen nach sich: Die Aufgaben und die Gestaltung von Firmenbüros verändern sich in Folge flexiblerer Arbeitsformen; Führungs-

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konzepte müssen neu überdacht werden. Es bleibt fast kein Stein auf dem anderen. Die Vorteile, die durch neue Arbeitsweisen für die Unternehmen und ihre MitarbeiterInnen erzielt werden, sind jedoch enorm. Deshalb setzt eine zunehmende Zahl von Firmen auf die „New World of Work“. Vorreiter in Österreich sind Technologieunternehmen wie Microsoft, IBM, HP, Fujitsu und Ricoh. Diese Unternehmen und ihre Arbeitsmodelle stoßen auf großes Interesse in der Öffentlichkeit. So wurde vor zwei Jahren die Gestaltung des neuen Microsoft Büros in Wien den Erfordernissen der neuen Arbeitswelten angepasst. Seitdem sind über 9.000 Besucher zu verzeichnen, die sich im Rahmen einer sogenannten Office

Tour über das neue Arbeiten in diesem Betrieb informiert haben. Die neuen Arbeitswelten sind jedoch ein industrieübergreifendes Thema. Insbesondere im Bankensektor arbeiten derzeit drei führende österreichische Bankunternehmen an der Einführung neuer Arbeitsformen. Ein Beispiel ist die Bank Austria, die eine schrittweise Weiterentwicklung der internen Arbeitsweisen gestartet hat. Der CEO Willibald Cernko dazu: „Unsere Bank setzt auf neue zeitgerechte Betreuungsmodelle für unsere Kunden unter Nutzung modernster Technologien. Das wird sich auch in den internen Arbeitsweisen widerspiegeln“. Wegweisend ist auch die New World of Work Initiative der AKNÖ. Mit der neuen Zentrale in St. Pölten halten auch Schritt für Schritt neue Arbeits-

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Top-Thema formen Einzug. AKNÖ-Direktor Mag. Helmut Guth dazu: „Es ist wichtig, die Potentiale neuer Arbeitsweisen und die Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen, in der eigenen Kammerorgani¬sation Schritt für Schritt zu erkunden. Über die eigene Erfahrung in unserer Organisation bauen wir zusätzliche Beratungskompetenzen zum Thema Neue Arbeitswelten auf“. Erfahrungswerte sind wichtig. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass in Österreich ca. 12 % der Unternehmen heute auf flexiblere mobile Arbeitsweisen setzen. In Großbritannien sind es bereits 50 % der Unternehmen. Es ist anzunehmen, dass auch die Zahl der New World of Work Unternehmen in Österreich weiter wächst. Warum das so ist, erklärt sich über den betriebswirtschaftlichen Nutzen neuer innovativer Arbeitsweisen; diesem Thema widmet sich der nächste Abschnitt. New World of Work – Wie rechnet sich das eigentlich? Eine zunehmende Zahl von Unternehmen setzt auf neue innovative Arbeitsformen. Dabei ist die Implementierung neuer innovativer Arbeitsformen für Firmen oft mühsam. Sie erfordert besonders Zeit und erhebliche Investitionen. Warum Unternehmen dennoch auf die neuen Arbeitswelten setzen, liegt daran, dass es sich am Ende rechnet. Das zeigt die langjährige Forschung am New World of Work Forschungszentrum an der IMC FH Krems. Das Forschungszentrum ist spezialisiert auf sogenannte New World of Work Erfolgsmessungen; hierbei wird über lange Zeiträume gemessen, wie sich die Einführung neuer Arbeitsformen auf Unternehmen in klaren Zahlen, Daten und Fakten auswirkt. Diese Auswirkungen lassen sich bereits nach kurzer Zeit in den Infrastrukturkosten erkennen. Bürokosten können durchschnittlich in der Größenordnung 20 bis 30 % reduziert werden. Dies ergibt sich durch die mögliche Verkleinerung von Büroflächen, wenn mobiles Arbeiten im Unternehmen eingeführt wird. Ricoh CEO Michael Raberger dazu: „In unserer Niederlassung in Ungarn haben wir 60 % Bürokosteneinsparungen erzielt, durch Einführung neuer Arbeitsformen in Kombination mit der Auswahl eines günstigeren Standorts“. Auch Reisekosten schrumpfen

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im Bereich von 30 bis 40 %, wenn virtuelle Arbeitsweisen unter Nutzung neuer Kommunikationstechnologien (z.B. Unified Communications, Video Conferencing) üblich werden. Das ist der unmittelbarste Effekt neuer Arbeitsformen. Noch bedeutsamer ist jedoch der Einfluss neuer Arbeitskonzepte auf die Menschen in Betrieben. Die Einführung moderner Arbeitskonzepte trägt in den meisten Fällen dazu bei, dass die Mitarbeiterzufriedenheit um 10 bis 20 % steigt; Einsatzbereitschaft und Identifikation mit der Firma nehmen zu. Das erklärt auch, warum sich Arbeitszeiten in New World of Work Unternehmen nicht reduzieren, obwohl die „Leinen länger werden“. Stattdessen wächst das Arbeitszeitvolumen tendenziell, um bis zu 10 bis 15 %. Gleichzeitig sinken Krankenstände um 20 bis 30 %. In Summe kann mit einer Produktivitätssteigerung im Bereich von 5 bis 15 % gerechnet werden.

tentielle Arbeitgeber für unattraktiv, die keine flexiblen Arbeitsweisen anbieten. Das bemerken Unternehmen, die auf neue Arbeitsformen setzen, sehr deutlich: Bewerberzahlen steigen, Recruitingkosten sinken um 20 bis 30 %, und im Mitarbeiterstamm reduziert sich die Fluktuation auf 2 und 5 %. Das ist eine große Verbesserung gegenüber den üblichen Fluktuationsquoten von 8 bis 12 % pro Jahr. In Summe zeigt sich: Neue innovative Arbeitsformen rechnen sich für Unternehmen unter dem Strich. Das Ergebnis ist eine Win-Win-Situation für Unternehmen und ihre MitarbeiterInnen. Im nächsten Abschnitt mehr dazu, wie sich der Weg für Unternehmen in Richtung New World of Work gestaltet.

Diese Werte müssen auch kritisch betrachtet werden, da z.B. die Reduktion von Krankenständen auch mit negativen Verhaltensänderungen zusammen¬hängen kann. Beispiel „Erkältung“: Bei bürozentrierter Arbeitsweise führt dies oft zu Krankmeldungen und Nicht-Erscheinen im Büro. In flexibleren Arbeitswelten wird stattdessen oft ohne Krankmeldung einfach von zu Hause aus weitergearbeitet. Vielleicht am ersten Tag etwas weniger. Aber ab Tag 2 versucht man wieder „voll dran zu bleiben“, um eMail-Stau und Arbeitsrückstand zu vermeiden. Das Beispiel zeigt, dass MitarbeiterInnen nicht einfach in die neuen Arbeitswelten hineingeworfen werden dürfen. Es ist wichtig, eine Organisation schrittweise auf neue innovative Arbeitsformen vorzubereiten und notwendige Kompetenzen für den Umgang mit flexibleren und virtuelleren Arbeitswelten bei MitarbeiterInnen und Führungskräften aufzubauen. Wenn das gelingt, dann wirkt sich die Einführung neuer Arbeitsformen auch positiv auf die Arbeitsgeberattraktivität aus – das sogenannte Employer Branding. Dies zeigt auch die aktuelle Studie „New World of Communication & Collaboration 2015“. Diese wird jährlich von HMP Consulting, IMC FH Krems und Report durchgeführt. Laut der aktuellen Studie halten über 70 % der StudienteilnehmerInnen po-

Die Einführung neuer innovativer Arbeitsweisen funktioniert nicht wie ein Elektroschalter- einfach einschalten und schon ist es hell. Die Transformati¬on einer Unternehmensorganisation muss stattdessen sorgsam schrittweise erfolgen. Denn sonst überfordern die Veränderungen die MitarbeiterInnen und gleichermaßen die Führungskräfte im Betrieb. Wichtig ist ebenfalls, dass alle Abteilungen mit an Bord sind. Denn die Veränderung betrifft die MitarbeiterInnen, Prozesse, Methoden und Technologien im Unternehmen ebenso wie die Gestaltung und die Nutzung der Büroinfrastruktur.

New World of Work Transformation – Schritte in die neue Welt des Arbeitens

Am Anfang des Transformationsprozesses steht das sogenannte „Envisioning“. Hier gilt es in strukturierten Workshops im Führungsteam zunächst eine New World of Work Vision zu entwickeln, die das Zielbild klar umreißt im Sinne von „Wie soll neues Arbeiten in unserem Betrieb ausschauen? Und was wollen wir damit erreichen?“. Wenn dieses Zielbild steht, dann kann die sogenannte Transformation Map aufgestellt werden – siehe bitte Abbildung nächste Seite: Mithilfe der Transformation Map wird festgelegt, wann welche Schritte auf dem Weg in Richtung neuer Arbeitsweisen in den nächsten Monaten und Jahren gesetzt werden sollen. Wichtiger Meilenstein in der Transfor-

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Top-Thema kleinerer und mittlerer Größe. Michael Raberger, CEO von Ricoh Ungarn dazu: „Wir sind bei der Einführung neuer Arbeitsformen in unserer Niederlassung in Budapest den umgekehrten Weg gegangen. So konnten wir innerhalb kurzer Zeit erhebliche Kosten- und Standortvorteile erzielen. Und die MitarbeiterInnen schätzen die gesteigerte Arbeitsflexibilität im Betrieb sehr und fühlen sich wohl mit dem Quantensprung in Richtung neuer Arbeitsformen.“ Viele Wege führen hier zum Ziel. Erfolgskritisch ist es, zu definieren, was durch die Einführung neuer Arbeitsformen wirklich erreicht werden soll und woran der Erfolg einer New World of Work Transformation am Ende gemessen werden kann. Abbildung „Transformation Map“ (Darstellung der Autoren)

Tiefer in das Thema einsteigen

mation Map ist die Workstyle Analyse. Hier geht es darum, die Arbeitsweisen der MitarbeiterInnen im Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen und zu eruieren, welche Mitarbeitergruppen in Zukunft in welchem Ausmaß mobiler Arbeiten können als bisher. Aus den Workstyles wird auch klar, welche Spielregeln für die Kommunikation und Zusammenarbeit in Zukunft erforderlich sind. Diese Spielregeln werden auch oft Rules of Engagement genannt. Beim Arbeiten auf Distanz sind die Rules of Engagement erfolgskritisch. Diese müssen sorgfältig ausgearbeitet und in der Organisation nach und nach implementiert werden. Dies ist Teil des notwendigen Kompetenzaufbaus in der Organisation, der MitarbeiterInnen und Führungskräfte gleichermaßen betrifft. Insbesondere Führungskräfte müssen grundlegend umdenken und deshalb sehr sorgfältig auf Führung in virtuelleren Arbeitssituationen vorbereitet werden. Eine wichtige Kernkompetenz, ohne die neue Arbeitswelten fast nicht funktionieren können, ist das Führen über Ziele. 70 bis 80 % der Führungskräfte verlassen sich heute noch auf Führungsprinzipien, die sehr ausgeprägt auf Verhaltenskontrolle beruhen. Das heißt, es wird neben der Aufgabenerfüllung beobachtet, wie sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz verhalten. Das führt zu Performismus im Betrieb. Performismus ist ein Begriff der im New World of Work Forschungszentrum an der

Wer mehr über das Thema New World of Work erfahren und tiefer in das Thema einsteigen möchte, kann seit Februar 2014 auf das „Buch New World of Work – Warum kein Stein auf dem anderen bleibt“ von Michael Bartz und Thomas Schmutzer zurückgreifen. Dieses Sachbuch ist in Romanform geschrieben und im Lindeverlag und Verlag Handelsblatt/Wirtschaftswoche erschienen (ISBN-10: 3709305357 oder ISBN-13: 978-3709305355).

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IMC FH Krems geprägt wurde und allgemein auch unter „Impression Management“ in der Wissenschaft bekannt ist. Performismus steht für Verhaltensweisen auf der Seite der Mitarbeiter, mit deren Hilfe Leistungsbereitschaft und Leistungswillen am Arbeitsplatz signalisiert wird (ohne, dass unbedingt Leistung dahinter stehen muss). Eine weit verbreitete performistische Verhaltensweise ist zum Beispiel: „Geh möglichst nicht vor Deiner Chefin nach Hause.“ oder „Nimm Anrufe Deiner Chefin auch am Abend an“. Wenn Führungskräften allerdings die erforderlichen Kompetenzen vermittelt werden, Mitarbei¬ter über Ziele zu führen, dann brechen diese Verhaltensmuster auf beiden Seiten auf. Ab diesem Zeitpunkt wird Leistung an Zielerreichung festgemacht, statt an Verhaltensweisen. Derartige Veränderungen brauchen Zeit. Die meisten Unternehmen planen zwei bis drei Jahre Zeit für die schrittweise Einführung neuer Arbeitsformen. Ganz wesentlich ist dabei, auf dem Weg die erzielten Fortschritte klar bewerten zu können, und zwar in klaren Zahlen, Daten und Fakten. Allerdings muss die Einführung neuer Arbeitsformen nicht immer Jahre auf sich warten lassen. Es geht auch umgekehrt, mittels Reverse Engineering. D.h. neue Arbeitsformen werden quasi über Nacht - mit nur zwei oder drei Monaten Vorlaufzeit - eingeführt und alle Anpassungsmaßnahmen erfolgen im Nachhinein. Diese Methode empfiehlt sich für Unternehmen

Autoren Michael Bartz ist langjähriger Industriemanager (Philips, Capgemini, Microsoft). 2010 hat er sich seinen Lebenstraum erfüllt und eine volle Professur an der IMC FH Krems angenommen. Dort leitet er das „New World of Work“ Forschungszentrum. Das Forschungszentrum ist spezialisiert auf die Erfolgsmessung von New World of Work Unternehmenstransformationen. Zielsetzung ist die Messung und Bewertung der betriebswirtschaftlichen Erfolge und Verbesserungen durch die Einführung neuer innovativer Arbeitsformen und -technologien in Unternehmen. Informationen und Ergebnisse aus laufenden Forschungsprojekten werden am New World of Work Blog (www. new worldof work.wordpress.com) regel¬mäßig veröffentlicht. www.newworldofwork.wordpress.com Das Bundesfinanzministerium hat anlässlich des Home Office Days 2015 ein

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Top-Thema Whitepaper der Autoren Michael Bartz und Thomas Schmutzer zum Thema „New World of Work“ veröffentlicht, dass hier zum Download bereitsteht (siehe „Materialien“): http://www.homeofficeday.at/ Kontakt Prof. (FH) DI Dipl.-Wirtsch.Ing. Michael Bartz, Prof. IMC FH Krems: contact@michaelbartz.com michael.bartz@fh-krems.ac.at Mag. Thomas Schmutzer, CMC, ist Geschäftsführer und Gesellschafter der HMP Beratungs GmbH (www.hmp-

consulting.com), einem internationalen Beratungsunternehmen. Die Firma ist spezialisiert auf Technologie- und Organisationsberatung aus einer Hand mit dem Beratungsschwerpunkt „New World of Work Unternehmenstransformation“. Die HMP Beratungs GmbH hat eine langjährige Kooperation mit dem New World of Work Forschungszentrum der IMC FH Krems. Ziel ist die Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und innovativer Technologie- und Organisationsberatung. Schmutzer hält internationale Vorträge, bloggt regelmäßig unter www.

Prof. (FH) Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Bartz Professor an der IMC FH Krems

thomasschmutzer.com, schreibt Kolumnen und ist seit vielen Jahren Jurymitglied des Ebiz Awards Österreichs. Alljährlich führen HMP und das New World of Work Forschungszentrum der IMC FH Krems eine New World of Work Studie durch. Erste Ergebnisse der diesjährigen New World of Work Studie sind unter dieser URL verfügbar: http://www.hmp-consulting.com/de/aktuelles/ Kontakt Mag. Thomas Schmutzer,CMC Geschäftsführer und Gesellschafter der HMP Beratungs GmbH: thomas.schmutzer@hmp.co.at

Mag. Thomas Schmutzer, CMC Geschäftsführer und Gesellschafter der HMP Beratungs GmbH

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Top-Thema

Foto: Alessandro Wärzner

Martina Hartner-Tiefenthaler

Für manche ein Segen, für andere ein Fluch Die Chancen und Risiken der Flexibilisierung der Arbeit Die zunehmende Flexibilisierung der Arbeit bringt wesentliche Veränderungen für die Arbeitswelt. Neben flexibleren Arbeitsverhältnissen für Beschäftigte, wird auch das tägliche Arbeiten flexibler. In den Medien spiegelt sich diese Veränderung der Arbeit durch Begriffe wie „New ways of working“, „New World of Work“, „Das Neue Arbeiten“, „mobile working“ und „nomad working“ wieder. Im Wesentlichen verbirgt sich hinter diesen Begriffen die Möglichkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnologien – selbst entscheiden zu können wann und wo sie arbeiten (Demerouti, Derks, ten Brummelhuis & Bakker, 2014). Wie verbreitet diese neue Arbeitsform tatsächlich ist, ist jedoch schwer zu sagen. Einer deutschen Studie zufolge arbeiten bereits 31% der Berufstätigen mehrere Tage pro Woche zu Hause (Bitkom, 2013). Arbeit findet aber auch im Zug, Auto, Hotel, Flugzeug, im Café oder Restaurant statt. Aktuelle und repräsentative Zahlen für Österreich fehlen noch. Eine aktuelle Studie (ww3.unipark.de/uc/nww) ist dabei, repräsentative Daten auch für den österreichischen Raum zu sammeln. Um die Potentiale des flexiblen Arbeitens wirklich gut ausschöpfen zu können, bedarf es allerdings sowohl auf Arbeitgeberseite als auch auf Seiten der Beschäftigten grundlegender Anpassungen. Führungskultur, Teamklima und Technologienutzung müssen den geänderten Kommunikationsanforderungen gerecht werden.

Die Veränderung der Kommunikation Durch die Flexibilisierung verändert sich die Kommunikation zwischen Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit den Vorgesetzten wesentlich, da nicht mehr von einem regelmäßigen persönlichen Kontakt im Büro ausgegangen werden kann. Wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter montags und dienstags und seine Kollegin donnerstags und freitags im Homeoffice ist, kann es sein, dass sich der direkte Kontakt die-

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ser beiden auf maximal einen Tag pro Woche beschränkt. Bedenkt man nun, dass dieser eine Tag häufig mit Besprechungen verplant ist, ist es naheliegend, dass sich mit einer Transformation in Richtung flexibleres Arbeiten auch das Kommunikationsverhalten zwischen Kollegen und Kolleginnen verändert. Elektronische Kommunikation wird essentiell und damit zum wesentlichen Erfolgsfaktor. Der Umgang mit Videokonferenzsystemen und anderen gängigen Werkzeugen sollte zur Selbstverständlichkeit

werden. MitarbeiterInnen müssen die Vorzüge und auch Nachteile der verschiedenen Kommunikationsmedien kennen, um diese optimal nutzen zu können. Beispielsweise kann ein Chat sehr effizient für kurze dringende Anfragen verwendet werden. In einer unserer Studien zur Evaluationsmessung formulierte es ein Mitarbeiter einer ITFirma im Interview folgendermaßen: „Ich verwende den Chat wenn ich eine dringende Information eines Kollegen benötige. Chat ist der... nein, der schnellste Weg ist es natürlich nicht, aber, wissen Sie,

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Top-Thema manchmal kann man sehen wer verfügbar ist und wer nicht.“ [Übersetzung der Autorin aus dem Englischen]. Dabei wird ein wesentlicher Vorteil des Chats im Vergleich zum Telefon angesprochen: Die Verfügbarkeit ist durch den Online-Status sichtbar. Außerdem ist die schriftliche Anfrage weniger invasiv, da eine kurze Nachricht, wann man antworten wird, gegeben werden kann. Damit ein Chat effektiv genutzt werden kann, müssen sich allerdings alle im Team konsequent elektronisch anmelden und rasch auf Anfragen reagieren. Zur Klärung komplizierter Sachverhalte ist ein Chat hingegen weniger geeignet. Eine Schattenseite der vermehrten elektronischen Kommunikation ist die Beeinträchtigung der spontanen, informellen Kommunikation. Ein kurzes Plaudern bei der Kaffeemaschine über aktuelle Problemstellungen im Job kommt nun nicht mehr zufällig zustande. Diese direkte, persönliche Kommunikation ist allerdings gerade für den Vertrauensaufbau und die Innovationsfähigkeit von MitarbeiterInnen wesentlich. Außerdem können Missverständnisse und Unstimmigkeiten durch direkte Kommunikation einfacher geklärt werden wie auch ein Mitarbeiter einer IT-Firma in unserer Studie betont: „Der große Nachteil dieses neuen Konzepts ist, dass wir uns nicht täglich treffen, sodass die Konflikte nicht mehr so einfach wie vorher gelöst werden können.” [Übersetzung der Autorin aus dem Englischen]. Oft verändert sich mit der reduzierten Anwesenheit der MitarbeiterInnen auch die Bürolandschaft, da Schreibtische nun weniger intensiv verwendet werden und ungenützte Büroflächen entstehen. Es werden sogenannte flexible Bürokonzepte (auch bekannt als „flexible office concepts“ oder „nicht-territoriale Arbeitswelten“) eingerichtet. Das bedeutet, dass innerhalb eines Büros verschiedene Arbeitsumgebungen zur Verfügung gestellt werden, welche unterschiedliche Arbeitstätigkeiten, wie beispielsweise Informationsaustausch oder Konzentration, optimal unterstützen sollen. Je nach Bedarf und Tätigkeit können die MitarbeiterInnen frei wählen welchen Arbeitsplatz sie verwenden („hot-desking“). Dadurch verlieren sie jedoch einen ihnen zugewiesenen persönlichen Arbeitsplatz.

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Das hat Vor- und Nachteile: Im Vergleich zu herkömmlichen Großraumbüros bergen die neuen Konzepte die Möglichkeit bei Bedarf ruhige Plätze für konzentrierte Arbeit aufzusuchen. Im Vergleich zu kleineren Büros verbessert sich die Kommunikation (vor allem außerhalb des Kernteams), da es weniger räumliche Barrieren zwischen MitarbeiterInnen gibt. Eine großangelegte Londoner Studie von Millward, Haslam und Postmes (2007) bestätigt, dass jene MitarbeiterInnen, die keinen zugewiesenen Arbeitsplatz hatten, im Vergleich zu MitarbeiterInnen mit zugewiesenem Arbeitsplatz mehr Wert auf elektronische Kommunikation legten. Außerdem identifizierten sich die MitarbeiterInnen ohne zugewiesenen Arbeitsplatz stärker mit der Organisation als mit dem Team während sich die MitarbeiterInnen mit zugewiesenem Arbeitsplatz stärker mit dem Team als mit der Organisation identifizierten. Wenn MitarbeiterInnen vermehrt mit anderen KollegInnen (als ihren TeamkollegInnen) kommunizieren, sind diese präsenter und somit tritt die Teamzugehörigkeit in den Hintergrund. Wesentlich für den Erfolg dieser neuen Bürokonzepte ist allerdings die optimale Nutzung. Durch die Veränderung des Bürokonzepts werden MitarbeiterInnen vor neue Herausforderungen gestellt, da sich ihre über die Jahre etablierten Strukturen und Routinen am Arbeitsplatz verändern sollen. Erste Studien zeigen, dass MitarbeiterInnen eher nach persönlichen Präferenzen agieren, wodurch die flexiblen Bürokonzepte oft kritisch beurteilt werden (Appel-Meulenbroek, Groenen & Janssen, 2011). Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass die Veränderung nicht einfach top-down erfolgt, sondern im Einklang mit den organisationalen Vorbedingungen partizipativ erarbeitet werden. Um möglichst effektiv und effizient zusammenarbeiten zu können, müssen Regeln vereinbart und auch eingehalten werden. Die Herausforderungen an die Führung Bei der Einführung von flexiblen Arbeitsformen sind jedoch nicht nur die MitarbeiterInnen gefordert. Beson-

ders Führungskräfte müssen sich an die neuen Gegebenheiten gewöhnen. Denn ist es nicht mehr möglich, die eigenen MitarbeiterInnen im persönlichen Gespräch anzuleiten und einen Überblick über die jeweilige Arbeitsbelastung zu haben. Führungskräfte sind herausgefordert, sicherzustellen, dass die Produktivität der MitarbeiterInnen durch die gewonnene Autonomie nicht leidet, ohne an die persönlichen Grenzen gehen zu müssen. Oft befürchten Führungskräfte, dass ihre MitarbeiterInnen ohne direkte Kontrolle ihre Leistungen reduzieren könnten. Ein Weg, diese Unsicherheit zu reduzieren, ist elektronische Beobachtung. Für WissensarbeiterInnen wird dazu häufig – implizit oder explizit – der Anmeldestatus bei Instant Messaging Systemen verwendet. VertriebsmitarbeiterInnen oder ServicetechnikerInnen mit KundInnenkontakt können durch GPS-Signale verfolgt werden oder müssen ihre erledigten Aufträge nach Beendigung sofort elektronisch übermitteln. Dies ist eine Möglichkeit der Sicherstellung der Produktivität, die aber eine klare Vorstellung über das gewünschte Verhalten voraussetzt, und nicht unbedingt auf Vertrauen in die MitarbeiterInnen beruht. Interpretieren MitarbeiterInnen diese Maßnahmen als Zeichen des Misstrauens, reduzieren sie ihr Engagement und finden Wege, der Kontrolle zu entgehen. Eine andere Möglichkeit der Steuerung ist eine gemeinsame Zielvereinbarung. Wenn Vorgesetzte mit ihren MitarbeiterInnen Ziele über das gewünschte Ergebnis vereinbaren, schafft dies die Möglichkeit, Leistung über Ergebnisse festzustellen. Eine Kontrolle der investierten Zeit oder eine Kontrolle der Anwesenheit wird überflüssig. Die gewünschten Ergebnisse müssen dabei jedoch definierbar und messbar sein. Dass damit auch die Führungsarbeit verändert wird, fasst eine Interviewpartnerin einer halböffentlichen Organisation folgendermaßen zusammen: „Es werden auch die Führungskräfte vor andere Aufgaben gestellt. Sie werden gezwungen, den Mitarbeitern mehr zu vertrauen. Sie müssen aber, glaub ich, auch die Arbeitspakete anders verteilen.“. Die Führungskräfte sind also gefordert, sich an die neuen Gegebenheiten

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Top-Thema anzupassen, und ihre Art der Führung zu überdenken.

Erholung wesentlich und erfordern besondere Beachtung.

Auswirkungen von flexiblen Arbeiten

Fazit: Flexibles Arbeiten ist nicht für jeden etwas und verändert das Teamklima

Die Vor- und Nachteile für flexibles Arbeiten sind vielfältig – es birgt Chancen und Risiken. Die direkt messbaren Auswirkungen für den Arbeitgeber betreffen die Kostenersparnisse für die Infrastruktur (z.B. Raum-, Energie- und Reinigungskosten) aufgrund der geringeren Anzahl an anwesenden MitarbeiterInnen. Für die ArbeitnehmerInnen stehen die Ersparnisse an Zeit und Geld für das Pendeln im Vordergrund, was sich unter anderem positiv auf die Umwelt auswirkt. Neben diesen harten Fakten, gibt es Studien zum Einfluss der Flexibilisierung auf die Produktivität der MitarbeiterInnen, die jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Fasst man diese Studien in einer Meta-Studie zusammen, so zeigt sich insgesamt eine leichte Tendenz zu Leistungssteigerungen und einer erhöhten Bindung zum Unternehmen (Martin & MacDonnell, 2012). Dieser Effekt wird durch die soziale Austauschtheorie (Blau, 1964) erklärt. MitarbeiterInnen erleben die gewonnene Selbstbestimmung in ihrer Arbeit positiv und investieren in Folge mehr Zeit und Energie in ihre Arbeit, was sich positiv auf ihre Leistung auswirkt. So meint zum Beispiel ein Interviewpartner, dass er abends noch öfters in seinen E-Mailaccount schaut, um zu sehen, ob etwas Wichtiges gekommen sei, weil „wenn ich zu Hause arbeite, muss ich natürlich auch was bringen“. Ein weiterer Vorteil der Selbstbestimmung ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Arbeit kann dadurch einfacher auf private Bedürfnisse abgestimmt werden und Betreuungspflichten kann besser nachgegangen werden. Dies führt allerdings auch dazu, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zunehmend verschwimmen, wodurch Konflikte innerhalb der Familie begünstigt werden. Außerdem entsteht oft eine Mentalität, rund um die Uhr verfügbar zu sein und innerhalb kürzester Zeit auf E-Mails zu antworten. Das kann letztlich zu einer Überforderung, Stress und Burnout führen. Daher sind das „psychologische Abschalten“ und die

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Insgesamt kann gesagt werden, dass die Flexibilisierung und damit die zunehmende Autonomie für die Beschäftigten durchaus Vorteile bringen können. Allerdings ist das flexible Arbeiten nicht für jedeN gleich gut geeignet. Wesentlich ist, dass die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen im Einklang mit den organisationalen Erfordernissen stehen müssen. Denn es bedarf sowohl organisationaler Voraussetzungen (z.B. technisches Equipment, Teamklima und Organisationskultur) als auch selbstregulativer Kompetenzen von MitarbeiterInnen, deren Beachtung nicht vernachlässigt werden dürfen. Daher ist es besonders wichtig, vor der Transformation zu überlegen, ob die Voraussetzungen gegeben sind. Außerdem wäre es wichtig, sich die Auswirkungen der Veränderung kontinuierlich anzusehen, um gegebenenfalls steuernd einzugreifen. Dazu bietet sich beispielsweise der Teamklimafragebogen für neues Arbeiten der TU Wien an. Darüber hinaus haben wir für Sie eine Checkliste erstellt, die Ihnen bei der Transformation zu flexiblen Arbeitsformen helfen kann: Überlegungen vor der Einführung Wer soll flexibel arbeiten? - Welche Tätigkeiten sind für flexibles Arbeiten geeignet? - WelchePersonenkönnenflexibelarbeiten? - Gibt es Zielvereinbarungen für diese ArbeitnehmerInnen? Womit soll gearbeitet werden? - Ist die vorhandene Infrastruktur und technische Ausrüstung ausreichend und passend? - Ist die Datensicherheit gewährleistet? - Welchen Mindeststandard wollen wir? - Verwenden MitarbeiterInnen eigene private Geräte für ihre Arbeit? - Beteiligen wir uns an den zusätzlichen Kosten, die den MitarbeiterInnen für das Arbeiten zu Hause entstehen?

Wie wird das Büro angepasst? - Welche Arbeiten führen welche MitarbeiterInnen aus? - Welche Arbeitszonen brauchen wir? Wie viele MitarbeiterInnen werden voraussichtlich gleichzeitig im Büro arbeiten? - Wie viel Platz für Arbeitsplätze / Stauraum / Besprechungen wird benötigt? - Wie können wir die vorhandenen Dokumente digitalisieren? Wie werden wir zusammenarbeiten? - Welche Tools verwenden wir? - Wie schnell muss auf Anfragen per Mail / Chat geantwortet werden? - Gibt es eine Mindestanwesenheit? Wenn ja, wie viele Tage / Stunden? - Wie signalisieren wir Anwesenheit und Verfügbarkeit? - Wie erfolgt die Zeitaufzeichnung? - Wie können wir auch die Führungskräfte auf ihre neue Aufgabe vorbereiten und unterstützen? Wie informieren wir? - Wie können die MitarbeiterInnen bei den Entscheidungen eingebunden werden? - Wie können die MitarbeiterInnen ausreichend und frühzeitig über die geplanten Veränderungen informiert werden? - Wer ist für die interne (und externe) Kommunikation zuständig? - Wie erlernen unsere MitarbeiterInnen die Funktionen und Regeln zu den Arbeitszonen? Überlegungen, deren Passung kontinuierlich evaluiert werden sollte Ist die Führungs- und Organisationskultur für new ways of working geeignet? Wie passend sind die vereinbarten Regeln? Brauchen wir Adaptionen? Werden die Arbeitszonen ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend genutzt? Wenn nein, was sind die Ursachen dafür? Wie stellen wir sicher, dass die spontane, informelle Kommunikation aufrecht erhalten bleibt? Wie stellen wir sicher, dass die MitarbeiterInnen zwar konsequent arbeiten, aber sich auf der anderen Seite nicht selbst ausbeuten?

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Top-Thema Autorin: Martina Hartner-Tiefenthaler ist Universitätsassistentin und Habilitandin am Institut für Managementwissenschaft, Arbeitswissenschaft und Organisation. Sie studierte Management, Business und Administration am New College Durham (UK) sowie Psychologie an der Universität Wien, wo sie 2010 promovierte. Von 2012 bis 2013 war sie als Gastprofessorin für Lehre und Diplomarbeitsbetreuung an der Universität Wien im Bereich Wirt-

schaftspsychologie tätig. In ihrer aktuellen Forschung beschäftigt sie sich sowohl mit den psychologischen als auch den organisationalen Einflussfaktoren des flexiblen Arbeitens und entwickelte einen Teamklimafragebogen für flexibles Arbeiten.

Mag.rer.nat. Dr.phil. Martina HartnerTiefenthaler, BA Universitätsassistentin Inst. f. Managementwissenschaften, Arbeitswissenschaft und Organisation, TU Wien

Schwerpunkt-Themen WINGbusiness 2015

Heft 03/2015: „Innovation Strategy“

Heft 04/2015: „Recht am Bau“

Call for Papers Themenschwerpunkt: Recht am Bau in WINGbusiness 04/2015 Beschreibung Für die Dezember-Ausgabe laden wir Sie herzlich ein, Beiträge zum Themenschwerpunkt „Recht am Bau“ einzureichen. Von Interesse sind Artikel zu Projekten und Forschungstätigkeiten, die sich mit rechtlichen Aspekten im Zusammenhang mit der Abwicklung von Bauprojekten ergeben. Fokus des Themenschwerpunktes sind sowohl die Ausschreibung und das Vergaberecht, als auch bauvertragliche und bauwirtschaftliche Fragestellungen (Mangel und Gewährleistungsrecht,

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Übergabe der Leistung, nachträgliche Änderungen, Leistungsanordnungsrecht des Auftraggebers, Risikozuordnung, etc.), ebenso Themen wie Haftung, Patentrecht, Unternehmensrecht, Arbeits- und Sozialrecht. Es können zwei unterschiedliche Beitragsarten übermittelt werden: Die Verfassung eines Textes als Bericht aus der Praxis. Die Einreichung eines wissenschaftlichen Beitrages in Form eines wissenschaftlichen Papers (WINGPaper mit Reviewverfahren; die Ergebnisse des Reviewverfahrens erhalten Sie

4-8 Wochen nach der Einreichfrist). Hinweise für AutorInnen: Vorlagen zur Erstellung eines WINGPapers und konkrete Layout-Richtlinien sind als Download unter http://www.wing-online.at/de/wingbusiness/medienfolder-anzeigenpreise/ oder unter der e-mail office@ wing-online.at verfügbar. Bitte senden Sie Ihre Beiträge als PDF an office@wing-online.at. Annahmeschluss: 27.10.2015

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Top-Thema

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Franz Kühmayer

Das Ende der Anwesenheitspflicht Szenario-orientiertes Arbeiten macht aus grauen Büros Orte der Vielfalt. Und fordert einen tiefgreifenden Wandel der Unternehmenskultur.

Die Geschichte des Büros ist die Geschichte des Duplizierens, Einordnens, Abrufens, Wiederauffindens. Das Büro ist das Gedächtnis des Unternehmens”, konzediert die NZZ1. Und in der Tat reflektieren aktuelle Arbeitsumgebungen recht treffend die transaktionsorientierte Arbeitswelt des frühen Wissenszeitalters, das von Routine, klar definierten Prozessen und stabilen Strukturen geprägt ist. Der Erfolg der Zukunft wird jedoch weniger von einer guten Gedächtnisleistung abhängen, als vielmehr von einer guten Innovationsleistung. Zukunftsorientierte Arbeitsumfelder fokussieren weniger auf Struktur und Ordnung als vielmehr auf Kreativität und Innovation.

Doch wozu überhaupt ins Büro gehen? In der Vergangenheit war es notwendig, ins Büro zu gehen (“in die Arbeit zu fahren”!), weil dort die Produktionsmittel des Wissensarbeiters versammelt waren: Akten, Schreibmaschine, Tele-

fon. All das passt heute in die Hosen-, oder zumindest in die Aktentasche: Mobilen Devices und permanent verfügbarem Datenzugriff sei Dank. Für individuelle Produktivität suchen immer weniger Menschen das Büro auf – im Gegenteil: Wer in Ruhe und konzentriert an etwas arbeiten möchte, wählt dafür eher Randzeiten, um ungestört arbeiten zu können, oder entzieht sich dem Trubel gleich durch Büroflucht ins Home Office. Ins Büro fährt man für Meetings, formelle und informelle Besprechungen und um dem Sozialsystem des Unternehmens verbunden zu bleiben. Konsequenz: Tendenziell leere Schreibtische und permanent überbuchte Besprechungsräume. Hinzu kommt: Nur 6 % geben von sich an, ihre besten Ideen am Arbeitsplatz zu haben – zum Vergleich: 14 % nennen Dusche oder WC2. Kreativität ist ein individuell sehr unterschiedlich ausgeformtes Prinzip: Der eine braucht Ruhe, Abgeschiedenheit zum Nachdenken, der andere findet Musik und bunte Umgebungen hilfreich; der eine denkt am besten alleine nach, der an-

1 Hans Peter Treichler, Vom Kontor zum Office, in: Neue Zürcher Zeitung Folio, Oktober 2003

2 Robert Gerlach, Alexander Greiling, Johannes Thürich, Ideenfindung, iQudo, 2010

Third Place Working

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dere sucht den Austausch mit anderen Menschen; manche haben beim Sport ihre Eingebungen, andere inspiriert die geschäftige Athmosphäre eines Kaffeehauses. Anders als im klassischen Taylorismus gilt in der Innovationsgesellschaft das Prinzip des “One best way”, also der definierbar besten Methode zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen, nicht mehr. Flexibles Arbeiten hinterfragt somit nicht nur die tradierte Rolle des Büros als Arbeitsort, sondern schafft auch Freiheitsgrade zur Arbeitserbringung an unterschiedlichen bzw. allen Orten. Mit dem Begriff „Third Place Working” wird das Arbeiten an vom Mitarbeiter selbstgewählten Orten, außerhalb von Büro (First Place) und zu Hause (Second Place) bezeichnet. Während also Überlegungen zu innovativen Büroumgebungen vielfach bei Facility-Kosten ihren Ausgangspunkt nehmen, geht es doch um viel mehr, als nur Flächeneffizienz. Szenario-orientierte Arbeitswelten Wo sich Desksharing-Konzepte nicht primär am geringeren Platzbedarf orientieren, setzt sich ein differenzierteres

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Top-Thema Bild über die Gestaltung zukünftiger Büros durch. Dort geht es nicht darum, an der Zahl der Schreibtische zu sparen, sondern eine vielschichtige Arbeitswelt zu erschaffen. In vielen Projekten, die wir als Berater begleiten, ist es uns zwar gelungen, die Bürofläche zu reduzieren und die Anzahl der fixen Schreibtische zum Teil deutlich zu verringern - doch schaffen wir gleichzeitig mehr Arbeitsorte, als das Unternehmen am jeweiligen Standort Mitarbeiter hat. Der Grund liegt darin, dass das Konzept der szenario-orientierten Arbeitswelt mit zwei Konzepten bricht: Einerseits mit dem klassischen BüroDualismus, der Arbeit nur entweder am Schreibtisch oder im Besprechungsraum verortet; und andererseits mit der Territorialität, die Mitarbeitern fest zugewiesene Arbeitsplätze zuordnet und damit auch die Aufbauorganisation in der Hierarchie abbildet: Abteilung X ist im 2. Stock, Abteilung Y im 3. Stock. Die zentrale Frage lautet stattdessen: Welche Arbeitssituationen erleben wir in Unternehmen, und wie müssen Arbeitsumgebungen gestaltet sein, um sie bestmöglich zu unterstützen? Entlang dieser Fragen entstehen Cafeterias und Loungebereiche, wo viel informeller Austausch gefordert ist; Ruhe-Zonen, in denen nicht telefoniert oder gesprochen werden soll, um Konzentration zu fördern; oder Call-Boxen, um vorhersehbar lange Telefonkonferenzen durchzuführen, ohne andere Büroteilnehmer zu stören oder als Einzelner einen ganzen Meetingraum dafür zu blockieren. Die Flächen im Büro werden somit auf konkrete Arbeitssituationen hin entwickelt: Austausch, Kreativität, Lernen, Präsentieren, Kommunikation, Rückzug werden an unterschiedlichen Orten im Bürogebäude ermöglicht. Für Mitarbeiter kommt neben der zeitlichen Planung ihres Bürotages noch die räumliche Planung hinzu: An welchem Ort im Büro kann ich die aktuell anfallende Aufgabenstellung am besten erfüllen? Strukturierte Vorgehensweise: Mensch, Ort, Infrastruktur Unternehmen fehlt häufig der strukturierte Zugang: Pierre Audoin hat 2013 in einer Studie erhoben, dass eine

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Workplace-Modernisierung zwar bei 85 Prozent der Unternehmen auf der Agenda steht, aber über 60 Prozent keine Workplace-Strategie definiert haben .3 Dabei ist eine solche Strategie Grundvoraussetzung für eine gelungene Implementierung. Komponenten dafür entstehen aus dem Dreisprung Architektur, Technologie und Organisation. Anhand von Arbeitstypologien lassen sich treffsichere Mengenabschätzungen für unterschiedliche Arbeitsumgebungen eruieren: Welcher Anteil der Arbeitnehmer braucht tatsächlich einen festen Arbeitsplatz – etwa, weil die Mobilität in manchen Rollen schlichtweg niedrig ist oder weil bestimmte Arbeitsplatzvoraussetzungen notwendig sind. Wer auch weiterhin viel mit Papier arbeitet, oder zwei große Monitore für seine Tätigkeit braucht, wird sich kaum mit dem iPad in die Lounge setzen und von dort arbeiten. Zudem muss die notwendige Technologie vorhanden sein – bspw. Mobile Devices, WiFi, Videokonferenz und Chat-Funktionen, Präsenzinformation zum leichten Auffinden von Mitarbeitern oder Sitzplatzreservierungssysteme. Außerdem macht ein Regelwerk für die Bespielung der Räumlichkeiten Sinn, etwa: Wer seinen Arbeitsplatz längere Zeit nicht nutzt, soll ihn räumen (Clean Desk Policy). Diese Spielregeln werden in enger Abstimmung mit dem Projektteam vor allem von den Mitarbeitern selbst entwickelt – eine Grundvoraussetzung für langfristiges Einhalten. Und schließlich geht es um die Frage der Führung und der Unternehmenskultur: Wie vertraut sind Manager mit solchen Arbeitskonzepten, wie sehr agieren sie als Vorbilder? Und: Wie sensibel sind sie auch jenen Mitarbeitern gegenüber, die gewonnene Freiheitsgrade nicht ausschließlich positiv beurteilen, sondern auch als Verlust von Stabilität wahrnehmen, der sie unter Stress setzt? Denn damit die Chancen auch tatsächlich ausgeschöpft werden können, ist die rechtzeitige Auseinandersetzung mit möglichen Problemen wichtig. Dazu gehört etwa die Herausforde3 Pierre Audoin Consultants, Deutsche Unternehmen stehen bei der Workplace-Modernisierung in den Startlöchern, 2013

rung, Leitlinien und Erwartungshaltungen nicht nur formuliert, sondern auch in allseitigem Verständnis verankert zu haben. Oder das Anerkennen, dass die Auflösung von gemeinsamen Arbeitsorten und -zeiten potentiell auch zur Reduktion von sozialem Austausch und geringerer Kohäsion führen kann. Bis hin zur Schwierigkeit für Führungskräfte, Mitarbeitern Feedback oder Leistungsbeurteilungen zu erteilen, die nur selten in der persönlichen Beobachtung stehen. Die Erfahrungen aus Praxisbeispielen zeigen, dass diese Risiken bei zielgerichteter Bearbeitung gut eingedämmt und überwunden werden können. Ein geeignetes Vorgehensmodell bei der Gestaltung von Kult-Büros umfasst daher insbesondere auch diese Faktoren. Mit Architektur alleine ist es jedenfalls im Büro der Zukunft nicht getan – sie untermauert vielmehr die Kompetenz und Haltung von Führungskräften. In der Traumbürofalle Was auf den ersten Moment glänzt, muss nicht tatsächlich vorbildlich sein. Das zeigen die Innovationsführer im Silicon Valley, die an ihren Arbeitsstätten mittlerweile weit über eine hierzulande übliche Grundversorgung ihrer Belegschaft hinausgehen: Im Traumbüro an der US-Westküste wird den Mitarbeitern die Putzfrau bezahlt, es gibt natürlich eine Mitgliedschaft im Fitnessclub (bzw. ist das Fitness-Center ins Bürogebäude integriert), Pilates-Angebote, Maniküre und Pediküre, einen Reinigungsservice für Kleidung und Autos, ein Handwerkerservice für zu Hause, Kinderbetreuungseinrichtungen, eigene Pendlerdienste (natürlich mit WLAN an Bord) – alles kostenlos oder subventioniert. Inzwischen hat das Angebot die Schwelle des Reizvollen überwunden und ist schon zur Voraussetzung geworden, um als Arbeitgeber überhaupt in Betracht gezogen zu werden. „Mindesteinsatz“ sei all das, sagte eine Führungskraft des Softwareunternehmens Autodesk in einem Gespräch mit dem Manager Magazin4. Im Silicon Valley zeigt sich die Speerspitze des Kampfes um die besten Ta4 Tal der Rücksichtslosen, in: Manager Magazin, Mai 2014 15


Top-Thema lente. Wie unter einem Brennglas lässt sich hier studieren, zu welchen Mitteln Unternehmen greifen, um Mitarbeiter anzuziehen, zu halten und zu Höchstleistungen zu treiben. Denn diese Maßnahmen sind selbstverständlich keine Wohlfühlprogramme von selbstlosen Firmen: „All diese Annehmlichkeiten erleichtern unser Leben, so sind wir weniger abgelenkt“, erklärt eine Mitarbeiterin bei Evernote. „Wenn wir nicht daran denken müssen, dass wir täglich drei Stunden unproduktiv im Auto im Stau stehen oder dass wir am Abend noch die Wohnung reinigen sollten, sind wir entspannter und können uns mehr auf die Arbeit konzentrieren.“4 Neben dem Aspekt des Employer Brandings sind also auch ganz klar produktivitätssteigernde Effekte eingerechnet. Zu den Arbeitsbedingungen hinzu kommt die atemberaubende Architektur. Ob Google Campus oder Apple Raumschiff: Die Gebäude der IT-Riesen haben so gar nichts mehr mit dem klassischen Verständnis von Büroarchitektur zu tun. Je nach persönlichem Geschmack werden sie als Vorbild bestaunt, oder mit mildem Unverständnis betrachtet. Braucht ein modernes Büro wirklich eine eingebaute Rutsche und Seilbahnkabinen als Meetingräume? Und ist künftig zu erwarten, dass ein Kandidat für einen Job als Lohnbuchhalter in einem mittelständischen europäischen Betrieb beim Bewerbungsgespräch nach dem firmeneigenen Pediküre-Service fragt? Die Antwort lautet: Nein – und das ist doppelt gut so. Denn einerseits passen die hypermodernen, durchdesignten Bürolandschaften durchaus nicht auf jede Branche und schon gar nicht auf jede Unternehmenskultur. Wer auf solche Projekte schielt, sollte sie nicht als Vorzeigeprojekte einordnen und zu kopieren versuchen, sondern sie als Inspirationsquelle für die entscheidende Frage heranziehen: Wie wird unser Büro zu einem Kult-Ort, der unsere eigene Geschichte ausdrückt, unsere Zukunftsvisionen symbolisiert und unseren Mitarbeitern eine optimale Umgebung bietet, um die besten Ergebnisse zu erreichen? Ein tiefes Erspüren der Firmenkultur ist ebenso Grundvoraussetzung für die Schaffung einer optimal passenden Arbeitsumgebung, wie der ernsthafte Wunsch, der Identität des

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Unternehmens auf die Spur zu kommen. Andererseit s zeigen Büros, die als nahezu hermetische Lebenswelt entworfen werden, auch die Schattenseiten der neuen Arbeitswelt auf. Wird der Arbeitsplatz immer mehr zum Zuhause, und löst sich damit die durch Technologie ohnehin schon fließende Grenze zwischen Arbeitsleben und Privatleben vollends auf, wird die Arbeitsumgebung zur Lebensumgebung. Wer nicht nur den überwiegenden Anteil seiner Wachzeit im Büro zubringt, sondern es auch als Mittelpunkt seines Soziallebens positioniert, empfindet das möglicherweise im Augenblick als praktisch und bequem. Spätestens mittelfristig leidet der Mensch in einem solchen Soziotop aber an emotionaler Entfremdung und sozialer Verarmung. Aus dem Traumbüro wird auf diese Weise eine perfide Falle. Denn in letzter Konsequenz führt es dazu, dass Mitarbeiter in einer eigenen Blase arbeiten und leben und vom Alltag “da draußen” abgekapselt sind. Damit verkümmert nicht nur der Mensch, sondern auch die Inspirationsquelle für neue Ideen und der Bezug zu Markt und Kunden. Kultstätte statt Traumbüro Das Büro der Zukunft wird neben seinen funktionalen Aufgaben vor allem die Identifikation mit dem Unternehmen erfüllen müssen. Dabei geht es aber nicht nur um die Sichtbarmachung von Marke nach innen und außen – Branding alleine reicht nicht aus. Viel mehr geht es darum, einen Raum zu erzeugen der die Unternehmenskultur widerspiegelt und prägt, Begeisterung erzeugt und Innovationskraft fördert. Es geht nicht um Oberflächlichkeiten und Gestaltung als Zierde, sondern um ein tiefgreifendes Verständnis für das Beziehungs- und Handlungsgeflecht in einem Unternehmen. Im Wandel der Arbeitswelten wird der Kultfaktor zum entscheidenden Element, da sich vor allem die-

Franz Kühmayer Geschäftsführender Gesellschafter des Consultingunternehmens KSPM und Trendforscher am Zukunftsinstitut besten Köpfe durch das Meta-Design eines Ortes angezogen fühlen. Das Büro der Zukunft soll bei aller Funktionalität vor allem auch attraktiv wirken, ein ikonischer Ort sein, und an dem man sein „muss“. Gelingen kann dies nur im Zusammenspiel zwischen Architektur und Leadership. Autor: Franz Kühmayer gilt als einer der europäischen Vordenker für die Themen Zukunft der Arbeit und Leadership. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter des Consultingunternehmens KSPM und Trendforscher am Zukunftsinstitut. In diesen Rollen berät er Entscheidungsträger renommierter Organisationen in Fragen der Gestaltung zukunftsorientierter Arbeitswelten. Zu seinen Kunden zählen u.A. Vodafone, Microsoft, Raiffeisen, REWE, Continental und das Bundeskanzleramt der Republik Österreich. Darüber hinaus ist er Mitglied des Beirats der Initiative Digitale Agenda der Europäischen Kommission in Österreich. Kühmayer blickt auf langjährige Erfahrung in internationalen FührungsPositionen in Top-Konzernen zurück, hat in Boston, Paris und Wien gelebt und gearbeitet. Er lehrt an mehreren Hochschulen und publiziert regelmäßig. Zuletzt erschienen sind “The Futurepreneur”5, “work:design - Die Zukunft der Arbeit gestalten”6 und “Leadership Report”7. 5 Franz Kühmayer et al, The Futurepreneur, Verlag Junge Wirtschaft, 2011 6 Harry Gatterer, Franz Kühmayer, work:design – Die Zukunft der Arbeit gestalten, Zukunftsinstitut, 2012 7 Franz Kühmayer, Leadership Report, Zukunftsinstitut, 2014 WINGbusiness 2/2015


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Top-Thema

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Thomas Fundneider, Markus F. Peschl

Flexibles Arbeiten und Innovation: Vom Home Office zu Innovations-Ökosystemen

1.1 Management Summary

1.2 Einleitung

Das Konzept des flexiblen Arbeitens wird oft im Bereich der Fragen der work-life balance, home office, Virtualisierung der Arbeit, oder wellness diskutiert. Diese z.T. arbeitspsychologischen Ansätze erachten wir als wichtig, wollen jedoch einen Schritt weiter gehen: Was ist eigentlich das Ziel des flexiblen Arbeitens jenseits der Perspektive des Arbeitnehmers? Wir schlagen einen Ansatz vor, in dem die Innovationsfähigkeit einer Organisation im Zentrum steht und entwickeln daraus das Argument, dass flexibles Arbeiten hier eine zentrale Rolle spielt und darüber hinaus eine neue Bedeutung erlangt. Es geht um das zur Verfügung Stellen ermöglichender Arbeitsumgebungen, die Innovationsarbeit bestmöglich unterstützen (sog. Enabling Spaces). Dieses Konzept wird noch einen Schritt weitergetrieben, wenn man sich industrieübergreifende Innovations-Ökosysteme ansieht. Dies wird anhand eines Praxisbeispiels exemplifiziert.

In einer endlosen Reihe an Zukunftsstudien, Presseberichten, in Diskussionsrunden, etc. ist das Thema „Flexibles Arbeiten“ seit einigen Jahren omnipräsent. Auch wenn der Begriff von Personalentwicklern, Firmenchefs und Studienautoren unterschiedlich interpretiert wird, so stehen meist ökonomische, organisationale, technologische und gesellschaftliche Veränderungen als Auslöser für die Forderung nach mehr Flexibilität im Arbeitsalltag dahinter (siehe z.B. Commission for Architecture and the Built Environment, 2005; Coradi, Heinzen, & Boutellier, 2015; Malone, 2004; The B Team, 2015): technologische Entwicklungen ermöglichen, dass wir etwa mit „smart devices“ immer online sind und somit ortsungebunden arbeiten könn(t)en; die hierarchischen und prozessorientierten Strukturen klassischer Unternehmen stehen in Widerspruch zu der flexibleren, offeneren und entrepreneurhaften Arbeitsweise der Generation „Y“ und „Z“; wirkungsvolle globale Zusammen-

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arbeit erfordert agile, kleine(re) Teams, die nicht nur an einem Standort physisch verortet sind, da die besten Personen für ein bestimmtes Projekt meist über mehrere Standorte verteilt und je nach Aufgabe variabel sind. Die treibenden Kräfte des flexiblen Arbeitens sind also bereits Realität – die daran anschließende Frage ist, wie Organisationen darauf reagieren und was letztendlich das Ziel flexiblen Arbeitens sein soll. In der Wahrnehmung der Autoren – sowohl im wissenschaftlichen Umfeld als auch in der unternehmerischen Praxis – greifen viele Konzepte des flexiblen Arbeitens zu kurz, indem sie etwa auf Work-Life-Integration oder „well-being“ reduziert werden (The B Team, 2015). Diese Aspekte sind sicherlich wichtig und berechtigt; sie treffen jedoch nicht den Kern, wenn es darum geht, notwendige Orientierung zu liefern, woraufhin örtlich und zeitlich flexibles Arbeiten im organisationalen Kontext führen soll. Home-Office, gleitendes Arbeitszeitkonto, etc. können wichtige Bestandteile flexiblen Arbeitens sein, wenn sie konsequent in das

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Top-Thema 1.4 Flexibles und agiles Arbeiten als Enabler von Innovation

organisationale Gesamtgefüge und -konzept integriert werden: so kann etwa bei einem Arbeitsplatz zu Hause viel Potential verloren gehen, wenn den Arbeitnehmern nicht klar ist, welche Arten von (Wissens-)Arbeit sich in diesem Umfeld gut erledigen lassen und welche nicht. So kann etwa Konzeptarbeit gut oder besser von zu Hause aus gemacht werden, während Kreativprozesse mit Kollegen z.B. über Telefonkonferenzen zum Scheitern verurteilt sind. Flexibles Arbeiten setzt also sowohl die organisationale Integration als auch eine höhere Eigenverantwortung des Mitarbeiters voraus.

generierung, Markteintritt vorbereiten, etc. sind in ihrer Qualität, aber auch in ihren Anforderungen sehr unterschiedlich und bedürfen dementsprechender Arbeitsumgebungen, die wir als Enabling Spaces bezeichnen (Peschl & Fundneider, 2012, 2014a, 2014b). Für das Prototyping etwa werden großzügige Werkstätten benötigt, in denen z.B. Modelle, Produktprototypen, etc. rasch gebaut werden können; ethnographische Kundenbeobachtung kann nicht vom Schreibtisch aus durchgeführt werden – die Mitarbeiter müssen dorthin gehen, wo sich ihre Kunden/ User aufhalten.

1.3 Innovation und kreative Prozesse als Orientierung für flexibles Arbeiten

Durch den Begriff „socio“ wird die Bedeutung von sozialen Aspekten hervorgehoben – es geht nicht so sehr um Techniken, Methoden, oder Kreativität, sondern primär um Menschen, die profund denken, reflektieren und von sich selber Abstand nehmen können und die eine Haltung der Offenheit, der Demut und des Respekts vor dem Anderen einnehmen können. Es geht also um Fragen wie z.B., ob bestimmte Innovationsprozesse als Individuum, als Kleingruppe oder als Großgruppe durchgeführt werden sollen; anhand welcher Kriterien die besten Innovationsteams zusammengestellt werden können, etc. In diesem Kontext spielt das Vertrauen der Teammitglieder untereinander eine zentrale Rolle – demensprechend muss das Vorgehen gestaltet werden und dies hat direkte Auswirkungen auf flexibles Arbeiten.

Der interessante Twist, der sich durch die Zielorientierung von flexiblen Arbeiten durch Innovation ergibt, ist, dass ein viel größerer Pool an Möglichkeiten für die Realisierung des Konzeptes des flexiblen Arbeitens zur Verfügung steht: es geht nicht mehr um die Frage, ob jemand etwa gerne im Home Office arbeitet, sondern darum, dass bestimmte Mitarbeiter in einem bestimmten Teilschritt des Innovationsprozesses (z.B. Research oder konzeptionelle Arbeit) spezielle (individuelle) Räume benötigen – für eine Mitarbeiterin ist ein Home Office der ideale Ort, für einen anderen Mitarbeiter ist ein Co-working Mietplatz die bessere Alternative, und für eine dritte Mitarbeiterin ist die Arbeit im Kaffeehaus am produktivsten. In dieser Sicht des flexiblen Arbeitens geht es also um das zur Verfügung Stellen von Optionen, die den jeweiligen Wissens- und Sozialprozess am besten ermöglichen.

Ein derart verstandener Innovationsbegriff macht deutlich, dass ein produktives Innovationssystem kein starres und festgeschriebenes Modell sein kann. Im Gegenteil, theoretische Überlegungen (Kauffman, 2014; Koppl, Kauffman, Felin, & Longo, 2014; Peschl & Fundneider, 2014a) ebenso wie erfolgreiche Unternehmen haben gezeigt, dass Innovation nicht mechanistisch – wie das Zusammensetzen der Bauteile eines Autos– „gemacht“ werden kann, sondern dass ermöglichende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, die ein optimales Umfeld für gelungene Innovationsprozesse und -aktivtäten bieten. Und dies hat direkte Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeitsumgebungen und des Modus des flexiblen Arbeitens.

Losgelöst von Work-Life-Balance, etc. vermag das Innovationsthema auf diese Weise dem flexiblen Arbeiten eine neue Bedeutung zu geben: es geht im Kern um Flexibilität und Agilität in Wissens- und sozialen Prozessen, da diese, wie oben beschrieben, nicht im Detail im vorhinein determiniert und ausgeführt werden können. Flexibles Arbeiten ermöglicht Innovation (z.B. stellt 3M seinen Mitarbeitern 20% der Arbeitszeit für eigene Projektinteressen zu Verfügung – hieraus sind einige der erfolgreichen Produkte des Unternehmens entstanden). Es gibt jedoch kein allgemein gültiges Setting, sondern je nachdem wie das Thema Innovation in einer Organisation verstanden und realisiert wird, lassen sich unterschiedliche Designs für das flexible Arbeiten identifizieren und umsetzen.

Für den zweiten Aspekt in der oben aufgeworfenen Frage, das Ziel flexiblen Arbeitens, liefert der Bereich Innovation interessante Antworten. Denn Innovation ist aufgrund seiner Definition „etwas Neues, das erfolgreich (Markt, Gesellschaft, etc.) ist“ (Dodgson & Gann, 2010; Fagerberg, Mowery, & Nelson, 2006; Schumpeter, 1934) auf ein Ziel hin, nämlich das Neue und dessen erfolgreiche Implementierung, ausgerichtet. Anders formuliert, ist flexibles Arbeiten somit nicht bloß eine Reaktion auf gesellschaftliche und/ oder technologische Trends, sondern eine Grundvoraussetzung dafür, dass Unternehmen erfolgreich Innovationen hervorbringen. Hierauf wird im Folgenden genauer eingegangen. Wir verstehen Innovation als socioepistemologischen Prozess (Peschl & Fundneider, 2008; Peschl, Raffl, Fundneider, & Blachfellner, 2010). Das bedeutet, dass Innovation nicht als ein allgemeiner Wissensprozess betrachtet werden kann, sondern dass Innovation eine Reihe von unterschiedlichen epistemologischen und sozialen Prozessen involviert: z.B. von der Idee (und eigentlich noch zeitlich davor, wie zum Beispiel die Exploration von InnovationsThemenfelder) über das Prototyping (Houde & Hill, 1997; Moggridge, Suri, & Bray, 2007) bis hin zur Realisierung (neues Produkt, neue Dienstleistung, neues Geschäftsmodell, etc.). Die involvierten (Wissens- und Sozial-)Prozesse, wie etwa ethnographische Kundenbeobachtung, Konkurrenzanalyse, Ideen-

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Wird Innovation als socio-epistemischer Prozess verstanden, so ist offensichtlich, dass Flexibilität ein wichtiger Bestandteil von Innovationssystemen sein muss. Im Kern bedeutet Flexibilität „Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umstände“ Diese Anpassungsfähigkeit ist unbedingt notwendig und erforderlich, damit das oben skizzierte Modell der ermöglichenden Rahmenbedingungen funktionieren kann.

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Top-Thema 1.5 Flexibles Arbeiten zwischen Unternehmen – Einführung Die beschriebene Flexibilität und Agilität kann einerseits innerhalb eines Unternehmens implementiert werden. Diesen Schritt sehen wir als wichtig und essentiell, um das Thema Innovation erfolgreich in das eigene Unternehmen zu integrieren. Betrachtet man jedoch die wirklich großen Herausforderungen unserer Gesellschaft (Energie, Artensterben, Umweltgifte, etc.), dann sind wir überzeugt, dass diese nur in der Zusammenarbeit von mehrerer Organisationen und Institutionen gelöst werden können. Es stellt sich somit die Frage, wie flexibles Arbeiten über Organisationsgrenzen hinaus realisiert werden kann. Nach einer kurzen geschichtlichen Einführung stellen wir ein Beispiel aus der Praxis vor, das auf diesen Prinzipien (Flexibilität, Agilität, Offenheit, Schnelligkeit, etc.) aufbaut und ein völlig neues InnovationsÖkosystem realisiert hat, das zu einem großen Teil auf den Ideen des flexiblen Arbeitens beruht. In den vergangenen 30 Jahren lässt sich eine Entwicklung von Strukturen beobachten, die auf eine Erhöhung der Innovationsleistung durch die Beteiligung mehrerer Organisationen ausgerichtet sind (Fagerberg et al., 2006). Die erste Form sind sogenannte Cluster. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von industriegleichen Unternehmen, die alle in der Nähe angesiedelt sind, und die in einer hohen gegenseitigen Wettbewerbsdynamik stehen. Dementsprechend gering sind der Informationsfluss und die Innovationsleistung. Die nächste Entwicklungsstufe wird als „value network“ bezeichnet. Diese Struktur zeichnet sich vor allem durch ein kooperativeres Modell aus. Unterschiedliche Industrien und Stakeholder partizipieren und das Netzwerk bekommt dadurch einen globalen Charakter. Die Informationsflüsse haben sich gegenüber dem ersten Modell verbessert, die Innovationsleistung ist aber immer noch gering. Die momentan neueste Form wird als „business oder innovation ecosystem“ bezeichnet. Die teilnehmenden Organisationen sehen sich nicht mehr als Teil einer Industrie, sondern als Partner eines Ökosystems, in dem sie an bestimmten Stellen wertvolle Beiträge

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liefern können. Das kooperative Modell des value networks weicht einem „Co-opetition“-Modell des innovation ecosystems: je nach Projekt kann sich die Rolle einer beteiligten Organisation von einem Kooperationspartner zu einem Konkurrenzunternehmen ändern. Dieser „gesunde Wettbewerb“ erzeugt hohe Informations- und Wissensflüsse, so dass dieser Ansatz auch die besten Innovationsleistungen hervorbringt. 1.6 Flexibles Arbeiten zwischen Unternehmen – ein erfolgreiches Beispiel aus der Praxis In diesem Kapitel stellen wir ein leading-edge unternehmensübergreifendes Innovationssystem vor, das völlig neue Elemente des flexiblen Arbeitens implementiert hat. Ein deutsches DAXUnternehmen hat vor 2 Jahren begonnen, die Idee eines „ICT Innovation Ecosystems“ zu realisieren, in dem die Folgen einer konsequenten Digitalisierung durch unterschiedliche Industrien und Großunternehmen in Innovationen umgesetzt werden sollen. Die beiden Autoren sind mit der Firma „theLivingCore“ und A. Kulick als Enabling Partner an diesem Ökosystem beteiligt und haben auch dessen Aufbau mitbegleitet und unterstützt. Die Motivation des ICT Innovation Ecosystem beruht auf drei Annahmen/Säulen: 1. Die ICT (information and communication technologies) wird eine zentrale Rolle als differenzierender Faktor im Wettbewerb spielen 2. Wer die Herausforderung der digitalen Transformation annimmt, wird digital clever und erfolgreicher 3. Interdisziplinärer Austausch von Wissen und Lernen von anderen Branchen ist die Grundlage für eine erfolgreiche digitale Transformation Anders, mit den Worten des Vice President für globale Märkte, ausgedrückt: „Neue Wertschöpfungsketten und Kundenerwartungen erfordern Geschäftsmodelle, in immer kürzeren Zyklen radikal zu hinterfragen. Wir erleben diese Transformation täglich, sowohl bei eigenen Services, als auch in den Geschäftsmodellen unserer Kunden und Partner. Ich bin überzeugt, dass erfolgreiche Geschäftsmodelle der Zukunft zunehmend durch eine

industrieübergreifende Innovationskooperation beeinflusst werden. Die einzigartige Plattform dafür ist das ICT Innovation Ecosystem. Es bietet uns die Chance, die digitale Transformation gemeinsam zu beschleunigen.“ Wie in der Beschreibung des ICT Innovation Ecosystems ersichtlich, geht dieses Ökosystem weit über klassische Cluster oder Netzwerke hinaus. Durch die Gründung eines Innovationsnetzwerkes von Industrie, Technologie-, Innovations- und Forschungspartnern sollen die Potentiale der digitalen Transformation erkannt, verstanden, weiterentwickelt und genutzt werden. Für diesen Anspruch gibt es (fast) keine Referenzerfahrungen, so dass in einem mehrmonatigen Prozess mit allen beteiligten Partnern das Konzept und die rechtlichen bzw. organisationalen Rahmenbedingungen entwickelt wurden. Agiles und flexibles Arbeiten ist eines der Kernbestandteile des ICT Innovation Ecosystem – so verstandenes flexibles Arbeiten ist eine conditio sine qua non: ohne diese Flexibilität kann das Ökosystem aufgrund seiner räumlich verteilten Partner und zeitlich versetzten Innovationsprozesse/projekte nicht funktionieren. Folgende Elemente und Formate stellen den Rahmen für flexibles Arbeiten innerhalb des ICT Innovation Ecosystem dar: Agenda Setting: Jahresgespräche mit Partnern über anstehende Projekten und Themen, um daraus eine konsolidierte, gemeinsame Agenda auf Jahresbasis zu generieren. Innovation Journey: sog. „Lernreisen“ zu anderen Kulturen und Firmen, um Innovations-Potentiale durch Beobachtung und Reflexion besser zu verstehen. Bootcamps: interaktives Workshopformat mit Input zu Zukunftsthemen, sowie Erarbeitung der Auswirkungen auf die eigene Industrie/ Firma. Projekt-Garagen Design Workshop: Konkretisierung von Innovationsprojekten mit interessierten Partnern zu einem bestimmten Thema (z.B. Industrie 4.0). Projekt-Garagen: Durchführung eines Innovationsprojektes an einem „neutralen“ Ort als Enabling Space (Peschl & Fundneider, 2014b) mit der Beteiligung von 3-6 Partnern über 6-8 Wochen.

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Top-Thema Ressourcenpool/Leistungskatalog: Beschreibung der Expertise der beteiligten Partner, um schnell und effektiv Innovationsprojekte zu initiieren und umzusetzen. Hochwertiger Eventkalender: Netzwerktreffen und Möglichkeit für die Initiierung von neuen Innovationsprojekten. Virtuelle Community: Information und Kommunikation der Partner untereinander unabhängig von Ort und Zeit. Momentan sind ca. 25 Organisationen in dem ICT Innovation Ecosystem vertreten. 2015 starten die ersten Innovationsgaragen – z.B. zum Thema intelligente Logistik. Das Ökosystem möchte Innovationsprojekte anstoßen, die nur durch die Kooperation von zwei oder mehr Organisationen möglich werden (vergleiche z.B den Fall der „intelligenten“ Kontaktlinse: Google und Novartis). Im Gegensatz zu bilateralen Projekten sieht das ICT Innovation Ecosystem seine Stärke in der permanenten Projektinitiierung und dem Zusammenbringen von Organisationen über relevante Zukunftsthemen. Bringt man das Konzept des flexiblen Arbeitens auf dieses Niveau, wird schnell klar, dass es hier nicht mehr nur um Fragen der work-life balance, home office, oder wellness geht, sondern um eine Kernkompetenz, die die Zukunftsfähigkeit nicht nur eines Unternehmens sichert. 1.7 Referenzen Commission for Architecture and the Built Environment. (2005). The impact of office design on business performance. London: Commission for Architecture and the Built Environment (CABE). Retrieved from http:// webarchive.nationalarchives.gov. uk/20110118095356/http:/www.cabe.org. uk/files/the-impact-of-office-designon-business-performance.pdf (date of download: 30.01.2012) Coradi, A., Heinzen, M., & Boutellier, R. (2015). A longitudinal study of workspace design for knowledge exploration and exploitation in the research and development process. Creativity and Innovation Management, 24(1), 55–71.

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Dodgson, M., & Gann, D. (2010). Innovation. A very short introduction. Oxford: Oxford University Press. Fagerberg, J., Mowery, D. C., & Nelson, R. R. (Eds.). (2006). The Oxford handbook of innovation. Oxford: Oxford University Press. Houde, S., & Hill, C. (1997). What do prototypes prototype? In M. Helander, T. Landauer, & P. Prabhu (Eds.), Handbook of human-computer interaction (second, pp. 367–381). Amsterdam: Elsevier. Retrieved from http://cleo. ics.uci.edu/teaching/Winter10/231/ readings/4a-HoudeHill-Prototypes.pd (date of download: 14.09.2012) Kauffman, S. A. (2014). Prolegomenon to patterns in evolution. BioSystems, 123(2014), 3–8. Koppl, R., Kauffman, S., Felin, T., & Longo, G. (2014). Economics for a creative world. Journal of Institutional Economics, 2014, 1–31. Malone, T. W. (2004). The future of work. How the new order of business will shape your organization, your management style, and your life. Boston: Harvard Business School Press. Moggridge, B., Suri, J. F., & Bray, D. (2007). People and prototypes. In B. Moggridge (Ed.), Designing interactions (pp. 641–735). Cambridge, MA: MIT Press. Peschl, M. F., & Fundneider, T. (2008). Emergent Innovation and Sustainable Knowledge Co-creation. A Socio-Epistemological Approach to „Innovation from within“. In M. D. Lytras, J. M. Carroll, E. Damiani, Tennyson, D, Avison, D, & Vossen, G. (Eds.), The Open Knowledge Society: A Computer Science and Information Systems Manifesto (Vol. CCIS (Communications in Computer and Information Science) 19, pp. 101–108). New York, Berlin, Heidelberg: Springer (CCIS 19). Peschl, M. F., & Fundneider, T. (2012). Spaces enabling game-changing and sustaining innovations: Why space matters for knowledge creation and innovation. Journal of Organisational Transformation and Social Change (OTSC), 9(1), 41–61. Peschl, M. F., & Fundneider, T. (2014a). Designing and enabling interfaces for collaborative knowledge creation and innovation. From managing to enabling innovation as socio-epistemological technology. Computers and Human Behavior, 37, 346–359.

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Top-Thema Im Besonderen setzt er sich mit der Frage der Wissensgenerierung/knowledge creation und deren theoretischen Grundlagen und Ermöglichung auseinander. Er entwickelt sozio-epistemologische Technologien, die diese Prozesse in unterschiedlichen Kontexten unter-

stützen: das Konzept der Emergenten Innovation zielt auf die Hervorbringung radikaler Innovationen ab. Sein Forschungsbereich „Enabling Spaces“ befindet sich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, angewandter Epistemologie und Wissenschaftstheorie,

Design und Architektur und fokussiert auf die Gestaltung von multidimensionalen Räumen, die Wissens- und Innovationsarbeit ermöglichen. Weitere Informationen: http://www. univie.ac.at/knowledge/peschl/

Dipl.-Ing. Thomas Fundneider, MBA

Geschäftsführer theLivingCore

Prof. Dipl.-Ing. Dr. Markus F. Peschl Professor für Wissenschaftstheorie und Kognitionswissenschaften an der Universität Wien.

WINGNET Andreas Reischl

ESTIEM Council Meeting in Riga

S

tudenten aus ganz Europa haben sich zum Council Meeting - der Generalversammlung des Netzwerks ESTIEM - in Riga getroffen und dort eine Woche an verschiedenen Workshops und Team-Building-Aktivitäten teilgenommen und natürlich im Rahmen der Generalversammlung über die Struktur des Vereins abgestimmt.

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In den Workshops teilen Trainer ihr Wissen in den Bereichen Recruiting, Motivation und Project Planning mit. Höhepunkt des teilnehmerstärksten Estiem-Events dürfte wohl die International Night sein. Dort präsentiert jede Local Group ihre kulinarischen Mitbringsel, die

Teilnehmer lernen sich näher kennen und werden auch auf freundschaftlicher Ebene zusammengeschweißt. Schlussendlich bleibt die Woche in Riga bei allen in guter Erinnerung und man freut sich schon auf das nächste Council Meeting, welches im kommenden Herbst in Wien stattfindet.

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Top-Thema

Foto: ESB Business School, Logistik-Lernfabrik, Reutlingen University:

Philipp Hold, Fabian Ranz, Vera Hummel, Wilfried Sihn

Durchblick im Variantendschungel Visuelle Assistenzsysteme als Flexibilitätshebel auf dem Shop Floor Die steigende Personalisierbarkeit von Produkten führt zu einem wachsenden Variantenspektrum in der Fertigung. Nicht zuletzt aufgrund der damit einhergehenden Produktionskomplexität und den hohen Wandlungsanforderungen an die Montage werden viele komplexe Stückgüter weiterhin überwiegend manuell montiert. Visuelle Assistenzsysteme geben den Mitarbeitern die nötige Handlungsunterstützung, wenn kein Produkt dem anderen gleicht und damit das Fehlerpotenzial steigt.

1. Einleitung Die aktuell häufig im Rahmen des deutschen Zukunftsprojekts Industrie 4.0 propagierte Vision der Produktion einer „Losgröße 1 zu Bedingungen der Großserie“ fordert auch von Montagesystemen in Bezug auf eine ökonomische wie auch humanorientierte Gestaltung Antworten zu deren Erreichung ein. Produzierende Unternehmen in Europa versuchen, sich in dieser Hinsicht die zahlreichen, vor allem wirtschaftlichen Vorteile der Fließfertigung auch in der variantengemischten Montage zu Nutze zu machen. An die Mitarbeiter, die in derartigen Systemen die manuelle Montage verrichten, werden hohe Anforderungen gestellt – im Rahmen des engen Vorgabetakts müssen sich häufig ändernde Montageaufgaben sowie -inhalte auf Anhieb sicher beherrscht werden. Sogenannte Wer-

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ker-Assistenzsysteme bieten die nötige Unterstützung. Unternehmen, die sich zur Einführung eines elektronischen Helfers zur Unterstützung der Mitarbeiter auf dem Shop-Floor entschlossen haben, müssen vielfältige Entscheidungen über die Konfiguration der Systemausführung treffen, welche die spätere Komplexität, aber auch die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems maßgeblich beeinflussen. Fraunhofer Austria/TU Wien und die ESB Business School der Hochschule Reutlingen haben gemeinsam eine industrieerprobte Vorgehensweise entwickelt, welche auf Basis eines konkreten Einführungsvorhabens und eines strukturierten Anforderungskomplexes ein passendes visuelles Assistenzsystem für ein Montagesystem identifiziert, merkmalsorientiert bewertet und

über eine Implementierung leistungsund kostenorientiert entscheidet. 2. Elektronische, visuelle Assistenzsysteme Der Funktionsumfang visueller Assistenzsysteme geht weit über die reine Anweisung von Arbeitsschritten hinaus und bietet durch die Vernetzung mit der Montagesystemperipherie eine echtzeitfähige, taktsynchrone und damit situative Unterstützung für den Mitarbeiter. Das bedeutet: Die Montageanweisungen sind automatisch synchronisiert mit dem Arbeitsfortschritt des Mitarbeiters, ohne dass eine manuelle Rückmeldung an das System erfolgen muss. Die Verwendung der richtigen Werkstückkomponenten und der Einsatz der richtigen Montagewerkzeuge, Hilfs-

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Top-Thema erschließen sich häufig Die weiteste Verbreitung bei Montain einer variantenge- geassistenzsystemen finden momentan mischten Montage nicht Tablet-Computer und herkömmliche intuitiv, wodurch für die Monitore. Sie eignen sich insbesondeoperativen Mitarbeiter re, wenn ein ein Informationsbedarf - hoher Informationsbedarf für einen entsteht. Die betrieb- einzelnen Arbeitsschritt, liche Praxis zeigt, dass - eine große Darstellung i.S. des Bildherkömmliche, papierge- schirms und bundene Informationen - ein vollständig freies Sichtfeld des und Anweisungen, von Mitarbeiters gefordert werden [KRI14]. den Mitarbeitern kaum beachtet werden und Steigende Verbreitung zeigen aber auch auch von Seiten der Ar- am Körper tragbare Geräte wie Headbeitsvorbereitung selten Mounted Displays (HMD), auch Daaktuell gehalten werden. tenbrillen genannt. Ihre wesentlichen Unabhängig von den ent- Vorteile liegt darin, dass haltenen Informationen - ihr Display sich zu jeder Zeit in unbesitzen solche lediglich mittelbarer Nähe zum oder sogar im für die betrachtete Pro- Sichtfeld des Mitarbeiters befindet und Abbildung 1: Schematische Systemskizze eines vi- duktvariante Gültigkeit sich dieser nicht zu einem ortsfest insuellen Werkerführungs- bzw. assistenzsystems und sind damit per se stallierten Monitor wenden muss, um nachteilig für die Bereit- Informationen zu erfassen, und Betriebsmittel werden sensor- und stellung von Informati- - beide Hände zu jeder Zeit „frei“ bleikameragestützt live überwacht. Über onen in Arbeitssystemen, welche durch ben [KRI14] und logische Relationen dieser Signale mit variante Produkte und sich dynamisch - sie modellabhängig Zusatzfunktientsprechenden Prozessdaten werden ändernde Arbeitstätigkeiten charakte- onen wie Bildaufnahme, Tonausgabe, montagebedingte Fehler durch die risiert sind. Gestenerkennung oder das Lesen von Software des Assistenzsystems identi1D- und 2D-Barcodes beherrschen. fiziert - und Entscheidungsunterstüt- 2.2 User Devices zung zur Korrektur dieser Fehler dem Vergleichende Studien der deutschen Mitarbeiter zur richtigen Zeit, am rich- Vereinfacht wurde die Entwicklung Bundesanstalt für Arbeitsschutz und tigen Ort und in der richtigen Qualität visueller Werker-Assistenzsysteme Arbeitsmedizin (BAuA) verweisen jezur Verfügung gestellt. durch die steigende Verfügbarkeit von doch auf steifere Bewegungsabläufe, Ebenso können beispielsweise Feh- mobilen elektronischen Endgeräten erhöhte Anspannung der Nackenmusler in der Materialbereitstellung sowie wie Tablet-Computern, Datenbrillen, kulatur, höhere Kopfschmerzneigung auch in der Qualität der zur Montage Smart Watches oder mobilen Projek- und schnellere visuelle Ermüdung bei bereitgestellten Bauteile identifiziert, toren, welche eine dezentrale Verfüg- Datenbrillenträgern – ohne GeschwinMontagereihenfolgen situativ durch barmachung digitaler Informationen digkeitsvorteile im Arbeitsablauf gedas System geändert und entsprechend direkt im Arbeitssystem ermöglichen - genüber der Bildschirm-Darstellung angepasste Informationen dem Mitar- verbunden mit der steigenden Verbrei- realisieren zu können [WIL13]. beiter zur Verfügung gestellt werden. tung vernetzbarer Betriebsmittel. Sie Lediglich für einzelne Vorgänge entbilden die physische Mensch-Maschine- lang eines typischen Montageprozesses 2.1 Informationsbereitstellung Schnittstelle und sind daher aus ergo- geeignet ist die Projektion von Infornomischer Sicht von hoher Relevanz. mationen direkt auf das Werkstück Um fehlerfrei und in der Vorgabezeit wechselnde Produktvarianten zu montieren, ist es erforderlich, dass Mitarbeiter ein zugeführtes Werkstück unmittelbar identifizieren können, die variantenspezifisch durchzuführenden Arbeitsvorgänge kennen, die korrekten Teile und Komponenten zur Durchführung der Arbeitsvorgänge auswählen und die richtige Arbeitsmethode und die richtigen Werkzeuge zur Anwendung bringen. Diese Informationen, die in der klassischen Montage trivial erscheinen, Abbildung 2: Medieneinsatz in der Montage [WIE14] WINGbusiness 2/2015

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Top-Thema

Abbildung 3: Ausführungsdauer von unterschiedlich instruierten Montagevorgängen [JES10] durch leistungsstarke Beamer. Hierüber lassen sich unter anderem Positionier- oder Schraubstellen sequenziell sprichwörtlich „anleuchten“, allerdings erfordert dies eine jederzeit freie Sichtverbindung zwischen Projektor und Werkstück. Zusatzinformationen lassen sich hierbei außerdem kaum einbinden. 2.3 Darstellungsmedien Aus dem Spektrum existierender Darstellungsmedien (s. Abb. 2) müssen die für den jeweiligen Montageschritt adäquaten in Abhängigkeit der gewünschten Informationstiefe ausgewählt werden. In dieser Hinsicht lassen sich in Anlehnung an [WIE14] vier Tiefenklassen unterteilen: - Informationen zur Prozess (was) - Informationen zur Geometrie (wo) - Informationen zum Operation (womit und mit welchen Parametern) - Informationen zur manipulativen Methode (wie) Nicht jedes Medium ist geeignet, jede Informationstiefe abzubilden. Studien der RWTH Aachen belegen darüber hinaus insbesondere in Anlauf- und Anlernphasen eine schnellere Ausführung von Montageschritten bei Instruktion über animierte Darstellungen im Vergleich zu statischen (vgl. Abb. 3).

Bei animierten Arbeitsinstruktionen sind im Wesentlichen zwei Formate zu unterscheiden: Videos wie der Utility Film werden im direkten Arbeitsumfeld gefilmt und erfordern damit besonders wenig Abstraktionsfähigkeit vom Mitarbeiter, da das Arbeitsumfeld und die tatsächliche Handhabung eines jeden Montageschritts mitaufgenommen werden. Alle Informationstiefenklassen werden hier mit einem einzigen Medium bedient. Sie erfordern bei ihrer Erstellung jedoch einen hohen Aufwand und müssen bei Produkt-, Anlagenoder Prozessänderung jedes Mal neu produziert werden. 3D-Animationen, die direkt aus den CAD-Konstruktionsdaten des zu montierenden Produkts abgeleitet werden können, sind hingegen aufwandsarm erstellbar und entsprechen bei Vorhandensein einer Manufacturing Bill of

Material (MBOM) direkt dem tatsächlichen Montageprozess. Konstruktive und prozessuale Änderungen lassen sich aufgrund der Datendurchgängigkeit mit dem PLM-System schnell durchführen. Auch im ERP-System hinterlegte, variantenspezifische Vorgangsfolgen können zur Sequenzierung der Informationen des Assistenzsystems verwendet werden. Untersuchungen von Fraunhofer Austria/TU Wien und der ESB Business School im Rahmen von Industrieprojekten zeigen allerdings, dass in typischen Montageprozessen nur rund die Hälfte aller Einzelvorgänge tatsächliche Fügevorgänge, die konstruktionsrelevant und damit in den CAD-Daten abgebildet, sind. Reinigungs-, Prüf-, Schmier- oder Handhabungsvorgänge müssen in diese Animationen in aller Regel separat

Abbildung 4: idealer Workflow

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Top-Thema

Abbildung 5: Methodische Vorgehensweise zur Selektion fallspezifischer passender Systeme über die Verwendung von Texten, Symbolen, Bildern visualisiert werden. Zur Sicherung der Nutzerakzeptanz und gleichzeitig der Systemziele, wie unterem anderem der Vorgabezeiteinhaltung und Fehlervermeidung, ist auf schnelle Erfassbarkeit und intuitive Verständlichkeit der Informationen zu achten. 2.4 Workflow Hoher Mengendurchsatz bei kurzen Taktzeiten in der Fließmontage fordern vom Werker-Assistenzsystem eine Unterstützung des Mitarbeiters ohne den Verlust von Prozesszeit. Aufgrund dessen ist eine manuelle Interaktion der Mitarbeiter mit dem System idealerweise zu vermeiden. Entsprechend der Zergliederung des Gesamtmontageprozesses in einzelne Vorgänge sind die Informationen und Instruktionen in einzelne Sequenzen zerlegt, die synchron zum Montagefortschritt aufgerufen und visualisiert werden. Ein idealer Workflow, im Gegensatz zu bislang verbreiteten Lösungen, meldet durchgeführte Vorgänge automatisiert an die Applikationsebene zurück.

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Eindeutig zuordenbare binäre Sensorsignale von Werkzeugen, Mess- und Betriebsmitteln, eine kameragestützte Montagefortschrittserkennung, Materialentnahme-Quittierungen eines Pick-Systems oder die Erkennung der räumlichen Position eines Werkstücks können hierzu beispielhaft verwendet werden. Bei Einsatz eines ERP- bzw. MES-Systems im Anwenderunternehmen können diese automatisierten Rückmeldungen aus der Feldebene der Montage nicht nur zur Taktsynchronisation des Assistenzsystems verwendet werden, sondern gleichzeitig als Bewegungsdaten zum einzelnen Auftrag dokumentiert werden, wodurch im selben Schritt eine durchgängige Traceability auf Werkstück- und Vorgangsebene in Echtzeit realisiert wird. 3. Methodische Vorgehensweise zur Selektion fallspezifischer Systeme Die von Fraunhofer Austria/ TU Wien und der ESB Business School entwickelte methodische Vorgehensweise zur Selektion fallspezifischer visueller Werkerführungs- und -assistenzsysteme baut auf fünf miteinander interagie-

renden Einzelphasen auf: Voranalyse, Requirements Definition, Meta- und Desktoprecherche, Selektionsphase und Entscheidungs- bzw. Implementierungsphase. Dabei sind in der Voranalysephasen zwei Planungsfälle zu differenzieren: Die Einführung eines visuellen Assistenzsystems im Rahmen der Umstellung von der variantengetrennten auf eine variantenreiche Montage und die Einführung eines gänzlich neues Montagesystem. In beiden Fällen werden im Rahmen der Voranalysephase die Montagevorgänge hinsichtlich ihrer Inhalte analysiert und in Anlehnung an DIN 8593, VDI 2860 und DIN 8580 geclustert. Für jedes Clusterelement existieren unterschiedliche Möglichkeiten zur visuellen Repräsentation. Je nach quantitativem Anteil eines Elements an der Gesamtheit der Vorgänge kann so bereits in frühen Planungsphasen eine tendenzielle Aussage über die Eignung eines Mediums für das Gesamtsystem getroffen werden. Weiterhin werden historische Fehlerquellen qualitativ und quantitativ bewertet, gegen welche das Assistenzsystem besonders unterstützen sollte.

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Top-Thema Eine Analyse der Systeminfrastruktur, sowohl auf Engineering- als auch auf Geschäftsprozessebene, zeigt Möglichkeiten zur Integration des Assistenzsystems in die bestehende ITLandschaft auf – um beispielsweise vorhandene Montageabläufe aus dem ERP-, oder Konstruktionsdaten aus dem PLM-System zur Unterfütterung des Assistenzsystems zu nutzen. Zusätzlich werden die vorhandenen oder geplanten Betriebsmittel im Hinblick auf ihre Unterstützung der Taktsynchronisation untersucht, woraus anschließend systematisch der Bedarf zusätzlicher Sensortechnologien (Signaldaten) zur Erreichung des Zielzustandes abgeleitet wird. In der Requirements Definiton werden die einzelnen und anwenderindividuellen Systemanforderungen innerhalb der drei Kerndimensionen eines Assistenzsystems (vgl. Abbildung 4) ausformuliert. Für die Ausgabegeräte, welche die physische Mensch-Maschine-Schnittstelle bilden, sind neben der darstellungsmäßigen Anforderungen (z.B. notwendige Darstellungsgröße) auch die technischen Gegebenheiten des Arbeitssystems der Montage sowie ergonomische Anforderungen zu berücksichtigen. Bezüglich der visuellen Mensch-Maschine-Schnittstelle werden die Anforderungen zur Integrationsfähigkeit der gewünschten Medientypen, auch in Kombination, zur Gestaltung der Nutzeroberfläche für Mitarbeiter und Arbeitsvorbereiter definiert. Die ermittelten Anforderungen werden schließlich in Mindestanforderungen und optionale Anforderungen gegliedert und schließlich gewichtet. Durch eine kontinuierliche Metaals auch Desktoprecherche verfügen Fraunhofer Austria/ TU Wien wie auch ESB Business School Reutlingen über umfassende Technologiekataloge, in welchen die wesentlichen auf dem Markt erhältlichen Technologien für Werker-Assistenzsysteme dokumentiert und nach ihren Anwendungsfeldern, Komponenten und Funktionen systematisiert sind. Aus diesen Daten gehen die Möglichkeiten zur Interaktion mit bestehenden Informationssystemen hervor. Da viele aktuelle Lösungen, vor allem unter Berücksichtigung vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologien, pilothafte Ergebnisse aktueller Forschungs- und Entwicklungsprojekte sind, sind Tech-

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nologiereporte aus diesen Projekten ebenso in den Katalogen aufgenommen und die Ergebnisse nach den Kriterien des Technology Readiness Level in Anlehnung an ISO 16290 bewertet. In der Selektionsphase werden in Anlehnung an die Quality-FunctionDeployment Methode [LUN07] die aus der Voranalyse sowie aus der Requirements Definiton ermittelten Anforderungen über alle Montageschritte gewichtet, nach ihrer gesamtsystemischen Bedeutung den potenziellen Technologielösungen aus den Technologiekatalogen gegenübergestellt. Über anschließende Korrelations- und Gap-Analysen erfolgen innerhalb dieser Systematik die Identifikation der für den spezifisch betrachteten Anwendungsfall geeigneten Technologien sowie eine Identifikation über benötigte Anpassungs- und Weiterentwicklungsschritte als auch -möglichkeiten. Die vorteilhaftesten Lösungen werden anschließend nach Ergebnissen einer Kosten- und Nutzenanalyse gerankt und die objektiv beste Technologielösung auf diese Weise identifiziert. In der anschließenden Entscheidungsphase wird innerhalb eines Workshops basierend auf den Ergebnissen der Selektionsphase sowie unter Beteiligung aller Stakeholder eine Entscheidung getroffen, ob die identifizierte Technologielösung inkrementell ganzheitlich oder punktuell innerhalb des betrachteten Montage- bzw. Arbeitssystems zu implementieren ist, oder ob eine Weiter- bzw. Eigenentwicklung eines entsprechenden Werkerführungsbzw. -assistenzsystems zu initialisieren ist. Für diesen letzten Fall unterhält die Fraunhofer Austria/ TU Wien Kontakte zu Entwicklungspartnern. Nachdem eine Technologieauswahl getroffen worden ist, schließt sich die Implementierung bzw. Umsetzungsphase an. Innerhalb dieser Phase erfolgt ein stufenweises Vorgehen entlang der Umsetzung eines Pilotprojektes. Das Pilotprojekt dient zum einen dazu möglichst frühzeitig erste Erfolge durch den Einsatz visueller Werker-Assistenzsysteme aufzuzeigen und zu verdeutlichen sowie der Akzeptanzabsicherung vor allem von Seiten des Bedienpersonals. Hierzu wurden von Fraunhofer Austria/TU Wien und der ESB Business School Reutlingen spezifische Versuchs- und Testreihen

entwickelt, deren Ergebnisse auch zur Feinanpassung und -verbesserung des Systems in der frühen Anwendungsphase beitragen. 4. Case Study Ein Hersteller von komplexen Automobilteilen möchte in einem spezifischen One-Piece-Flow-Konzept diverse Antriebskomponenten auf derselben Linie montieren, was bislang nur separat und in Arbeitsteilung durchgeführt wurde. 90% der Vorgabezeit setzt sich aus den Vorgängen Zusammensetzen, Verschrauben und Prüfen zusammen, welche für die Assistenz relevant sind. An allen neun Arbeitsstationen der Linie sind intelligente Schrauber, Ethernetfähige Messmittel sowie Kanban-Regale mit Entnahme-Sensorik vorgesehen, deren Signale zur Erkennung des Montagefortschritts genutzt werden können. Arbeitspläne für alle Produktvarianten sind in SAP hinterlegt. Die Analyse der historischen Montagefehler zeigt, dass im künftigen Variantenmix an einer Station besonders hohes Fehlerpotenzial herrscht, da bei allen Varianten mehrere filigrane Dichtungen von oben auf den Werkstücken positioniert werden müssen. Da dies bereits in der Vergangenheit häufig versäumt wurde, soll dieser Vorgang besonders instruiert und überwacht werden. An allen Stationen bewegen sich die Mitarbeiter frei um das Werkstück herum und arbeiten von allen Seiten daran. Jeder Montageschritt soll mit benötigter Zeit und Prüfergebnis im SAP abgelegt werden. Der Abgleich dieser und weiterer spezifischer Anforderungen mit dem Technologiekatalog führt zur Eingrenzung des Lösungsspektrums. Zur Absicherung der Dichtungsmontage wird eine Projektion der Platzierpositionen auf das Werkstück und eine zusätzliche kameragestützte Prüfung des Vorhandenseins der Dichtungen vorgesehen. Aufgrund der Mobilität der Mitarbeiter im Arbeitssystem sollen monokulare Datenbrillen zum Einsatz kommen, auf welchen Varianteninformationen textuell, Fügevorgänge über 3D-Animationen und Prüfvorgänge statisch über Bilder instruiert werden können. Fügevorgänge werden über Schraubersignale rückgemeldet, Prüfvorgänge über die Messwertgeber. Rein visuelle Prüfungen sollen vom Werker sprachgesteuert quittiert werden.

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Top-Thema Keiner der identifizierten Technologieanbieter erfüllt diese Anforderungen vollends. Letztlich wird ein marktverfügbares Assistenzsystem auf der Basis von Datenbrillen zunächst pilothaft unter Einbeziehung der Montagemitarbeiter und der Arbeitsvorbereiter zur Sicherung der Nutzerakzeptanz eingeführt und nach Feststellung der Eignung auf die gesamte Linie ausgerollt. Die Lösung zur Unterstützung der Dichtungsmontage wird zunächst separat durch einen zusätzlichen Partner entwickelt und dann in die Gesamtapplikation integriert.

auch für spezifischste Anforderungen adäquate Lösungen für Assistenzsysteme definieren und die Realisierung unterstützen. Mit der Weiterentwicklung der Technologien in diesem Kontext, insbesondere der Augmented Reality, ergeben sich ebenso neue Forschungsfragen, beispielsweise im Hinblick auf Ergonomie oder Rentabilität immer stärker technisierter Arbeitssysteme, welche die beteiligten Institute weiter intensiv beschäftigen und kooperativ bearbeiten werden.

5. Fazit und Ausblick

[JES10] Jeske, T.; Schlick, C.M.; Jochems, M.; Hasenau, K.; Tackenberg, S.: „Untersuchung des Einflusses der informatorischen Reichhaltigkeit von Arbeitsplänen auf die Anlernzeit sensumotorischer Fertigkeiten“ in: Wandlungsfähige Produktionssysteme, Nyhuis, Peter (Hrsg.) GITOVerlag Berlin 2010, S. 326-344 [KRI14] Krieger, C.: „Voller Durchblick – Datenbrillen im Produktionsprozess“. Vortrag. Tag der Wissenschaft, 18.06.2014, HTWK Leipzig [LUN07] Lunau, S. (Hrsg.): „Design for Six Sigma + Lean Toolset - Innovationen erfolgreich Realisieren“. Springer-Verlag, Berlin u. a. 2007. [WIE14] Wiesbeck, M.: „Struktur zur Repräsentation von Montagesequenzen für die situationsorientierte Werkerführung“, zugelassene Dissertation an der Technischen Universität München, 07.02.2014 [WIL13] Wille, M.; Grauen, B.: „HeadMounted Displays – Beanspruchung im Langzeiteinsatz“. Vortrag. 3. ExpertenWorkshop Datenbrillen, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 03.06.2013

Werker-Assistenzsysteme sind wichtige Befähiger zur Steigerung der begrenzten Flexibilität von Fließmontagesystemen, indem sie das menschliche Potenzial zur Verrichtung sich ständig ändernder Arbeitsaufgaben durch situative, kontextgerechte Informationsbereitstellung heben. Die Gesamtlösung geht dabei weit über die reine Visualisierung einer Information auf einem Endgerät hinaus und stellt ein komplexes Subsystem der Montage dar, welches mit Einführungs- und Administrationsaufwand, Investitionen in Soft- und Hardware sowie Schulungsmaßnahmen verbunden ist. Aus diesem Grund sind vor einer Implementierung alle Variablen des Gesamtsystems zielorientiert auszugestalten, Varianten abzuwägen und zu bewerten, damit letztlich ein zukunftsfähiges, mitarbeiterorientiertes und gleichzeitig die Rentabilität der Montage unterstützendes Assistenzsystem den Weg in den Einsatz findet, welches einen hohen Integrationsgrad in die bestehende IT-Landschaft aufweist. Durch ein ständiges Marktmonitoring und strukturierte Einführungsprozesse können Fraunhofer Austria/ TU Wien und die ESB Business School

Literatur:

Autoren: Dipl.-Wirtsch.-Ing. Philipp Hold, Jahrgang 1984, ist wissenschaftlicher Mit-

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Philipp Hold wissenschaftlicher Mitarbeiter im Geschäftsbereich Produktions- und Logistikmanagement der Fraunhofer Austria Research GmbH

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arbeiter im Geschäftsbereich Produktions- und Logistikmanagement der Fraunhofer Austria Research GmbH sowie am Institut für Managementwissenschaften an der TU Wien, Bereich Betriebstechnik und Systemplanung. Seine Hauptarbeitsgebiete liegen im Bereich der Entwicklung und Anwendung von Lösungen und Methoden für die Strategien, die Strukturen und die Organisation von Industrieunternehmen mit Fokus auf der Gestaltung von ergonomischen und alternsgerechten Arbeitssystemen. Als Doktorratsstudent an der TU Wien und Teilnehmer am Doktorats-Kolleg „Cyber Physischer Produktionssysteme“ (CPPS) erforscht Philipp Hold Planungs- und Steuerungsmethoden im IKT-dominierten Arbeitssystem mit Fokus auf den Menschen. Daneben betreut Philipp Hold mehrere Industrieprojekte, mit Schwerpunktsetzung nachhaltiger Produktivitätssteigerungen in Montagesystemen im Sinne des Industrial Engineerings. Fabian Ranz, M.Sc. geboren 1988, hat in Deutschland, USA und Mexiko International Business und Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Logistik studiert. Seit seinem Abschluss an der ESB Business School in Reutlingen 2014 ist er an selbiger Einrichtung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektkoordinator unter der Führung von Prof. Dr.-Ing. Vera Hummel tätig. In dieser Funktion ist er für den Aufbau und Betrieb der Logistik-Lernfabrik an der ESB Business School in Reutlingen verantwortlich, übernimmt Teile der Hochschullehre im Bereich Industrial Engineering, forscht im Bereich der Gestaltung hybrider Montage- und Logistikprozesse und unterstützt Wirtschaftsunternehmen im Rahmen von Auftragsforschungs- bzw. Beratungsprojekten, aber auch in der Fort- und Weiterbildung.

Fabian Ranz, M.Sc.

wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektkoordinator an der ESB Business School in Reutlingen

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Paper

Flexible Fertigungssysteme und 3D-Druck Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Franz Haas

Dieser Beitrag soll anhand eines Projektbeispiels aufzeigen, welche Bedeutung „Flexibles Arbeiten“ für die Gestaltung von Produktionsprozessen der Zukunft besitzt. Der aktuelle Trend der Individualisierung von Produkten führt zwangsläufig zu höchstmöglicher Flexibilität in der Produktion im Sinne von Industrie 4.0 und gleichzeitig zur Integration der Additiven Fertigung in die klassischen Produktionslinien. Das gegenständliche Projekt befasst sich mit der Automatisierung des Gesamtprozesses beim 3D-Drucken. Alle Nebentätigkeiten, wie der Materialwechsel oder das Bauteilhandling, werden mit einem Industrieroboter realisiert. Ziel ist es, die Vorteile eines Flexiblen Fertigungssystems für den 3D-Druck zu nutzen, um so das Potenzial dieser Technologie hinsichtlich Produktionskosten voll auszuschöpfen. 3D-Druck, Automatisierung, Flexible Fertigung, Industrie 4.0.

D

I. EINFÜHRUNG

ie Verfahren der Additiven Fertigung (3D-Druck) rücken immer mehr ins Rampenlicht des allgemeinen Interesses, da sie vor allem hinsichtlich Produktgestaltung und Flexibilität sehr viele Vorteile bieten. Einige Verfahren und Anlagen sind auch sehr preiswert und werden somit immer interessanter für kleine Unternehmen und Privatpersonen. Es Ausgangsmaterial:

Arbeitsweise:

Verfahren:

Folien

Schneiden und Verkleben

Laminated Object Manufacturing

Draht

Schmelzen und Auftragen

Fused Deposition Modeling (Fused Filament Fabrication)

Härten durch Bindemittel

3D Printing

Pulver

Flüssig

Aufschmelzen mit Laserstrahlen

Härten mit Laserstrahlen

Selective Laser Sintering

Selective Laser Molding

Stereolithographie

Abb. 1 Überblick „Additive Manufacturing“ (Breuninger et.al. 2013) Manuscript received March 31st 2015, revised June 1st 2015, accepted by Siegfried Vössner June 1st 2015.

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gibt zahlreiche Ansätze, mit denen man generativ fertigen kann. In der Regel arbeiten sie jedoch noch zu langsam, um sich gegen die industrielle Serienfertigung behaupten zu können. Dadurch werden diese Fertigungsverfahren hauptsächlich bei Sonderanfertigungen und für Prototypen genutzt. Abbildung 1 gibt einen Überblick zu den wichtigsten Verfahren des „Additive Manufacturing“. Als Merkmal zur Einteilung dient das Ausgangsmaterial, das entweder in fester (Folie, Draht, Pulver) oder flüssiger Form vorliegt. Da den in Bild 1 angeführten Bauprinzipien hinsichtlich Baugeschwindigkeit, Genauigkeit und Materialeigenschaften Grenzen gesetzt sind, ist die Prozessoptimierung das Gebot der Stunde. Das Institut für Fertigungstechnik hat den Versuch unternommen, die Nebenprozesse eines handelsüblichen 3D-Druckers soweit zu automatisieren, dass dieser autonom arbeiten kann. Dadurch wird es möglich, mehrere 3D-Drucker zu einem flexiblen Fertigungssystem zusammenzufassen und auf diese Weise eine wirtschaftliche Produktion für individualisierte Produkte für neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Durch die Automatisierung mit einem Industrieroboter können die Druckaufträge an mehreren „Low-Cost-Druckern“ ohne Personaleinsatz z.B. über Nacht bearbeitet werden. Tritt eine Störung auf, wird der 3D-Druck sofort abgebrochen und auf eine weitere Maschine umgeleitet, Material- und Werkzeugwechsel erfolgen automatisch. II. FLEXIBLE FERTIGUNGSSYSTEME Unter einem flexiblen Fertigungssystem versteht man eine Gruppe von numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen, die über ein gemeinsames Werkstück-Transportsystem verbunden sind und zentral gesteuert werden. Der Fertigungsdurchlauf erfolgt vollautomatisch. Wesentliche Merkmale eines Flexiblen Fertigungssystems (FFS) sind:  FFS-geeignete Maschinen mit Leitrechner  Werkstück- bzw. Materiallagersystem  Reinigungsstation, Messstation, In hoch automatisierten Systemen werden auch das Materiallager, die Spannvorrichtungen, die Qualitätskontrolle und die Werkzeugverwaltung ins Konzept mit einbezogen. Flexible Fertigungssysteme sind aus der industriellen Produktion nicht mehr wegzudenken. Sie haben sich besonders dort bewährt, wo Produkte nur in kleineren bis mittleren Stückzahlen bzw. als Einzelteile („Batch Size One“) gefertigt werden müssen (Kief et.al. 2013).

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III. ADDITIVE FERTIGUNG Additive Fertigungsverfahren beruhen auf dem Prinzip des schichtweisen Aufbaus von Bauteilen, d.h. das Bauteil wird durch die Erzeugung einzelner Schichten generativ erzeugt. Bild 2 zeigt den Verlauf der Fertigungs-Stückkosten, nicht wie meist üblich als Funktion der Stückzahl, sondern in Abhängigkeit der Bauteilkomplexität. Für die sehr komplexen Bauteile des Leichtbaus oder bei Integralbauteilen ist die Additive Fertigung deutlich wirtschaftlicher als die konventionelle Fertigung. Über eine CAD-CAM Kopplung werden digitale CAD-Datenmodelle direkt in reale Bauteile umgesetzt. Die vorgeschlagene Automatisierung des

Zirka 80 Prozent (siehe Bild 4) der Komponenten des Umbausatzes für einen üblichen 3D-Drucker werden durch generative Fertigung mit dem Drucker selbst hergestellt. Dies spart Zeit und Kosten. Des Weiteren wird dadurch der Umbau vereinfacht, da zur Produktion der Bauteile nur der Drucker erforderlich ist. Erfolgreich durchgeführte Versuche bestätigen die Funktionalität der Interaktion zwischen Roboter und 3D-Drucker. Hiermit ist eine Basis für den Aufbau flexibler 3D-Druck Fertigungszellen geschaffen. Drahtspeicher Druckkopf

Düse/Extruder

Fertigungskosten/Stück

Bauteil variabler Tisch

Bauteilkomplexität

Abb. 2 Vergleich „Konventionelle” und „Additive” Fertigung

Druckens (Kurve FFS-AM) zeigt eine signifikante, vom Bauteil unabhängige Kostenreduktion durch die Verkürzung der Durchlaufzeit und den reduzierten Personalaufwand. Prämisse für die Gültigkeit des Vergleichs sind Werkstücke gleicher Bauhöhe, die mit den additiven Verfahren schichtweise (Dicke ca. 0,05 bis 0,1 mm) erreicht wird.

Abb. 3 Fused Filament Fabrication Prinzip mit zwei Drahtrollen

Das am IFT entwickelte „Automation-Kit“ für den 3DDrucker besteht im Wesentlichen aus einer WerkstückTrägerplatte, einer Drahtrollenaufnahme, einer Einzugs- und Puffervorrichtung sowie der Kamerahalterung. Durch die Einzugsvorrichtung ist der komplexe Bewegungsvorgang der Drahtzuführung zum Druckkopf vom Roboter entkoppelt. Abbildung 4 zeigt den für die Automatisierung hochgerüsteten 3D-Drucker.

IV. AUTOMATISIERUNG DES 3D-DRUCKPROZESSES Das Institut für Fertigungstechnik der Technischen Universität Graz hat ein Projekt erfolgreich abgeschlossen, dessen Ziel die Automatisierung sämtlicher Nebenprozesse (z.B. Fertigteilwechsel, Filament-Wechsel) beim 3D-Druck ist. Ausgangsbasis ist ein Makerbot Replicator 2X. Dies ist ein Standard-3D-Drucker, welcher nach dem „Fused Filament Fabrication“ Verfahren arbeitet (siehe Abbildung 3). Bei diesem Projekt wurde neben der Funktionalität besonderes Augenmerk auf die Kosten gelegt. Um die Nebenprozesse beim 3D-Druck zu automatisieren, bedarf es einer Modifikation des Druckers. Bei dieser wurde sichergestellt, dass am Gerät selbst keine Nacharbeiten durchgeführt werden müssen. Dazu wird ein Umbausatz an den am Drucker vorhandenen Verbindungsstellen montiert. Dieser Umbausatz wurde am Institut für Fertigungstechnik entwickelt und ermöglicht die Bedienung des ausgewählten Druckers mit einem Knickarmroboter.

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Abb. 4 Drucker mit Anbauteilen („IFT-Automation-Kit“)

In Abbildung 5 ist eine mögliche Variante eines solchen Flexiblen Fertigungssystems dargestellt. Darin übernimmt ein Knickarmroboter, welcher auf einer Linearachse verfährt, die Bedienung von zwölf 3D-Druckern (Michelitsch 2014). Ein Video zur Automatisierung der Nebenprozesse des 3DDruckers ist auf www.ift.tugraz.at zu finden.

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Störungen während des Druckvorgangs werden automatisch detektiert und der jeweilige Auftrag an einem Ersatzdrucker abgearbeitet, wodurch Produktqualität und Liefertreue gewährleistet sind. Die erweiterte Sensorik am Drucker schafft mit der Vernetzung aller Einheiten eine Datenbasis, deren Auswertung auf Sicht den Prozess verbessert und das Flexible Fertigungssystem im Sinne von Industrie 4.0 optimiert. Jeder 3D-Drucker stellt für sich ein „Cyber Physical Production System“ dar, die Produkte werden direkt aus den CAD-Daten per Internetorder definiert. V. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Die Automatisierung folgender Nebenprozesse des 3DDruckprozesses führt zu niedrigen Druckkosten und kurzen Lieferzeiten:  Kopplung von CAD, „Slicer“, G-Code  Aufwärmen von Druckkopf und Druckbett  Filament-Zufuhr zum Druckkopf  Materialwechsel  Bauteilentnahme  Bauteilreinigung, Entfernen von Stützen Neue Geschäftsmodelle, die die kurzfristige Lieferung von Einzelteilen und Kleinserien über Internet-Plattformen anbieten, bekommen damit ein Werkzeug zur Hand, das es ermöglicht, noch rascher und kostengünstiger zu produzieren. Der Erweiterungsbausatz für die Automatisierung kann fast vollständig vom Drucker selbst gefertigt werden. Die Anordnung der Drucker rund um das Handhabungsgerät orientiert sich nach den räumlichen Gegebenheiten und soll die Erweiterbarkeit des Systems ermöglichen. So ist eine lineare Anordnung genauso denkbar wie ein sternförmiges Layout. Doch die Entwicklung der Additiven Verfahren ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Palette von Werkstoffen für voll funktionsfähige Teile muss noch erweitert werden. Die preisgünstigen Anlagen verfügen meist über zu geringe Prozesssicherheit und Genauigkeit. Abschließend sei ein Beispiel für eine komplett neue Technik in der Additiven Fertigung erwähnt. „Continuous liquid interface production of 3D objects“, kurz CLIP genannt, stellt einen Quantensprung in der Baugeschwindigkeit von 3D-Druckern in Aussicht (Tumbleston J.R. 2015). Demnach sollen mit diesem Stereolithographie-Verfahren die Bauzeiten um das Zwanzigfache und mehr verkürzt werden. Diese und noch viele weitere Innovationen werden künftig aufzeigen, in welche Richtung sich die 3D-Drucker entwickeln werden. Unabhängig von der Maschinentechnik wird aber die Automatisierung der Prozesse ein unverzichtbares Element für den nachhaltigen Erfolg dieser Technologie sein. Flexibles Arbeiten und Flexibilität in der Produktgestaltung erfordern intelligente Produktionskonzepte, die von Menschen für Menschen im Sinne von Industrie 4.0 geschaffen werden müssen.

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Abb. 5 Flexibles Fertigungssystem mit zwölf Maschinen (3D-Druckern)

REFERENCES 1. 2. 3. 4. 5.

Breuninger J., Becker R., Wolf A., Rommel S., Verl A., 2013. Generative Fertigung mit Kunststoffen. Springer Verlag. Kief H.B., Roschiwal H.A. 2013. CNC-Handbuch 2013/2014. Hanser Verlag. Michelitsch M. 2014. Automatisierung des Prozessablaufes beim 3D Drucken. Bachelorarbeit Institut für Fertigungstechnik TU Graz. Abele E., Reinhart G., 2011. Zukunft der Produktion. Hanser Verlag. Tumbleston J.R. et.al. 2015. Continuous liquid interface production of 3D objects. Onlinequelle sciencemag.org [30.03.2015]. Prof. Franz Haas ist seit Oktober 2013 Vorstand des Institutes für Fertigungstechnik an der TU Graz. Zuvor war er unter anderem als FH-Professor an der Fachhochschule Campus 02 in Forschung und Lehre sowie als Geschäftsführer im eigenen Maschinenbau-Unternehmen tätig.

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Fern und doch so nah: Wie kann Kommunikation in flexiblen Arbeitsformen gut gelingen? Alessandro Wärzner, Martina Hartner-Tiefenthaler & Sabine T. Koeszegi Abstract—Eine Umstellung auf flexibles Arbeiten geht mit der

Veränderung der Komplexität von Kommunikationsprozessen zwischen den Beteiligten einher. Traditionelle Kommunikationsmuster, die hauptsächlich vom face-to-face Kontakt geprägt waren, müssen nun durch computer-vermittelte Kommunikation – zumindest teilweise – ersetzt werden. Es wird zwischen zwei primären Kommunikationsprozessen (Informationsübermittlung und Informationsverdichtung) unterschieden, welche unterschiedliche Anforderungen an die Informations- und Kommunikationstechnologien stellen, um die Zusammenarbeit effektiv zu gestalten. Index Terms—flexibles Arbeiten, Kommunikation, Informations- und Kommunikationstechnologie, Mediensynchronizitätstheorie

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I. EINFÜHRUNG

LEXIBLES Arbeiten kennzeichnet sich durch die Wahlfreiheit von Arbeitnehmer_innen, selbst zu entscheiden wann und wo sie arbeiten. Diese Erhöhung der Freiheitsgrade bei der Art der Aufgabenausführung wird durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ermöglicht (Hill et al. 2008). Dennoch ist flexibles Arbeiten weit mehr als nur computervermittelte Kommunikation. Der Kern dieses Ansatzes stellt ein neues Verständnis von Arbeit dar. So sollen Mitarbeiter_innen selbst entscheiden wann sie arbeiten (flexible Arbeitszeiten), wo sie arbeiten (z.B. Telearbeit) und welche Kommunikationsmedien sie dazu benutzen (Demerouti et al. 2014). Im Jahr 2012 arbeitete bereits ungefähr ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer_innen an mehreren Tagen pro Woche von zu Hause aus (BITKOM, 2013). Für Österreich liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine aktuellen Zahlen vor. Für Unternehmen bieten flexible Arbeitskonzepte das Potential, Bürokosten einzusparen (Apgar, 1998), Stellen für Menschen mit einer körperlichen Behinderung zu schaffen (Pérez et al. 2002) und die Produktivität zu erhöhen (Conrad et al. 2000; Hill et al. 1998). Für Mitarbeiter_innen reduzieren flexible Arbeitskonzepte Pendelkosten und Fahrzeiten (Sardeshmukh et al. 2012). Darüber hinaus haben sie positive Auswirkungen auf die wahrgenommene Autonomie und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und resultieren in höherer Arbeitszufriedenheit bei den Mitarbeiter_innen (Kelliher et al. 2010), Manuscript received April 28th 2015, revised June 24th 2015, accepted by Siegfried Vössner July 1st 2015.

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Sowie einer geringeren Fluktuation im Unternehmen (Gajendran et al. 2007). Andererseits ergeben sich durch flexibles Arbeiten auch verschiedene Herausforderungen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich sozial isoliert fühlen (Golden et al. 2008), haben keine räumliche Trennung zwischen Berufs- und Privatleben (Kossek et al. 2006) und die sozialen Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen können sich verschlechtern (Gajendran et al. 2007). Führungskräfte sind mit Aspekten wie Performancekontrolle und Vertrauen in die Mitarbeiter_innen konfrontiert (Konradt et al. 2003). Eine erfolgreiche Umstellung von konventionellen Arbeitszeitmodellen hin zu flexiblem Arbeiten geht mit der Anpassung an sich verändernde Kommunikationsprozesse einher. Führungskräfte und Mitarbeiter_innen müssen ihre Kommunikation, die in konventioneller Zusammenarbeit durch direkten persönlichen Kontakt – sogenannte face-toface Kommunikation - geprägt ist, an die neuen Gegebenheiten anpassen. Es bedarf also eines oder mehrerer Kommunikationsmedien wie (Video-)Telefonie, Chat und Messaging Systemen bis hin zu internen social media Plattformen, um den Kontakt und Informationsaustausch zwischen den Akteur_innen zu gewährleisten. Es liegt auf der Hand, dass Kommunikationsprozesse durch die steigende Anzahl an Kommunikationsmedien komplexer werden. Anhand des kognitiv-affektiven Modells der Kommunikation in Organisationen (Te’eni, 2001) werden im Folgenden relevante Aspekte der Kommunikation beschrieben und im Kontext des flexiblen Arbeitens diskutiert. Das kognitiv-affektive Modell bietet im Gegensatz zu konventionellen Sender-Empfänger Modellen den Vorteil, dass es neben der reinen Informationsübermittelung auch kognitive Aspekte einbezieht (z.B. Informationsverarbeitungskapazität, Kommunikationsstrategien und gemeinsames Verständnis des kommunizierten Inhalts) und affektiven bzw. emotionalen Faktoren Rechnung trägt (Beziehung zwischen Sender_in und Empfänger_in). Abbildung 1 veranschaulicht die drei Hauptfaktoren der Kommunikation in Organisationen und deren Elemente. Zu Beginn werden Rahmenbedingungen (Input) und die Kommunikations(aus)wirkung beschrieben. Anschließend wird der Kommunikationsprozess mit besonderem Fokus auf Informationsund Kommunikationstechnologien ausgeführt und die Auswirkungen flexibler Arbeit auf die Komplexität des Kommunikationsprozesses diskutiert und praktische Implikationen vorgeschlagen.

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Abb. 1. Kognitiv-affektives Modell der Kommunikation in Organisationen nach Te’eni (2001)

II. INPUT UND RAHMENBEDINGUNGEN

Als Input werden Merkmale der Aufgabe, die kognitive und affektive Distanz zwischen Sender_in und Empfänger_in, sowie deren Normen (formale und informelle Kommunikationsregeln) und kulturelle Werte verstanden. Formale Kommunikationsregeln können beim flexiblen Arbeiten zum Beispiel geregelte und vor allem angemessene Antwortzeiten auf E-Mails und Anrufe oder ein Jour fixe sein (z.B. wöchentliches Meeting im Büro). Informelle Kommunikationsregeln beschreiben unausgesprochenen Regeln der Kommunikation innerhalb des sozialen Zusammenlebens. Beispielsweise begrüßt man sich, wenn man einen Raum betritt. Diese Regel wird meist auch in der schriftlichen Kommunikation beachtet. Wird eine Aufgabe im Team erledigt, ist es erforderlich, dass die benötigten Ausführungsschritte festgelegt werden, um die Aufgabe abzuschließen. Zumeist variieren diese Schritte über die Aufgabe hinweg und sind an zeitliche Rahmenbedingungen gebunden. Die unterschiedliche Wahrnehmung der Aufgabe und deren Ausführungsschritten drückt sich in der kognitiven und affektiven/emotionalen Distanz zwischen Sender_in und Empfänger_in aus und beschreibt den Unterschied ihrer Interpretationen der Situation vor dem Übermitteln einer Nachricht. Arbeiten Kolleg_innen bereits längere Zeit zusammen, müssen weniger Informationen explizit ausgesprochen werden. Werden z.B. neue Teams formiert, dann ist die kognitive und affektive Distanz zwischen Personen besonders groß, wenn sich die beteiligten Personen nicht kennen und deren kultureller Hintergrund, Weltanschauung und Werte erst kommuniziert werden müssen. Beim flexiblen Arbeiten kommt zudem der physischen Distanz zwischen Sender_in und Empfänger_in eine entscheidende Rolle zu (Hinds et al. 2005). Wenn Kolleg_innen außerhalb des Büros arbeiten, ist es nicht mehr möglich eine kurze Frage in den Raum zu stellen oder ein spontanes Gespräch über die Lösung eines Problems auf dem Flur zu führen. Spontane face-to-face Kommunikation ist

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beim flexiblen Arbeiten an die Nutzung von IKT gebunden, die eine Nachricht zwischen Sender_in und Empfänger_in übermittelt. III. KOMMUNIKATIONS(AUS)WIRKUNG

Die Kommunikations(aus)wirkung betrifft das geteilte Verständnis (Sachebene) sowie die Beziehung (Beziehungsebene) zwischen Sender und Empfänger. A. Sachebene - Gemeinsames Verständnis Um gemeinsam erfolgreich an einer Aufgabe zu arbeiten, muss ein gemeinsames Kontextverständnis erlangt werden. Wenn beispielsweise ein Bürogebäude gebaut werden soll, müssen alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis des zu bauenden Gebäudes entwickeln. Der Kontext wird dabei als Summe allen Wissens definiert, das die beteiligten Personen über eine Aufgabe haben. Eine Architektin verfügt über anderes Wissen als ein Statiker oder Fachpersonal für Elektronik, Sanitär oder IT. Innerhalb eines Entscheidungsprozesses werden diejenigen Teile des Wissens, die für die Aufgabe relevant sind (Kontextwissen), von irrelevanten Teilen (externes Wissen) abgegrenzt (Brézillon et al. 1999). Beispielsweise ist das Wissen der Architektin über Familienwohnungen weniger relevant, wenn ein Bürogebäude gebaut werden soll als wenn ein Einfamilienhaus gebaut werden soll. Eine Person hat nun die Möglichkeit ihr Kontextwissen bereit zu stellen. Dies bedeutet, dass sie ihr Kontextwissen durch Kommunikation teilt. Fachpersonal, das die Elektronik im Bürogebäude plant ist mit anderen Fragen konfrontiert als diejenigen Personen die für Sanitäranlagen verantwortlich sind. Die beteiligten Personen haben also einen unterschiedlichen Fokus auf eine Aufgabe und besitzen unterschiedliches Kontextwissen. Folglich haben sie verschiedene Zugänge zu und Sichtweisen auf die Aufgabe oder ein Problem und setzen unterschiedliche Prioritäten. Beispielsweise müssen zahlreiche Vorschriften und Vorgaben beim Bau eines Gebäudes eingehalten werden. Durch Kommunikation wird das Wissen für andere bewusst (explizit) gemacht und Teil des

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gemeinsamen bzw. geteilten Kontextwissens (Brézillon et al. 1999; Santoro et al., 2005). Wird der Kontext geteilt, so stärkt das auch die Beziehung zwischen Mitarbeiter_innen (Hinds et al. 2005). Außerdem haben sie dann Zugang zu den gleichen Informationen, nutzen die gleichen Arbeitsmittel und teilen Wissen über Arbeitsabläufe und Arbeitskulturen (Hinds et al. 2003). Kommunizieren Kolleg_innen die notwendigen Kontextinformationen nicht ausreichend untereinander um gemeinsames Kontextwissen zu generieren, wird hingegen die Entstehung von Aufgabenkonflikten begünstigt (Jehn, 1997). B. Beziehungsebene Kommunikation zwischen Sender_in und Empfänger_in wirkt sich auf deren Beziehung aus (Te’eni 2001; Schulz von Thun 1981; Watzlawick et al. 1974). Stellt der/die Empfänger_in einer Nachricht beispielsweise fest, dass die erhaltene Information falsch war, wird sich dies auf die Glaubwürdigkeit der sendenden Person und dem Vertrauen, das ihr entgegengebracht wird, auswirken. Der/die Empfänger_in der Nachricht wird sich beim nächsten Mal wahrscheinlich genau überlegen ob er/sie den Informationen des Senders/der Senderin vertrauen kann und eher schriftlich nachfragen, um über eine dokumentierte Antwort zu verfügen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen zu können. An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass sich Sach- und Beziehungsebene gegenseitig beeinflussen. Die Reduktion des face-to-face Kontakts, die mit flexiblem Arbeiten einhergeht, stellt eine mögliche Gefahr für die Beziehungen zwischen Kolleg_innen dar. Obwohl auf der Grundlage der sozialen Informationsverarbeitungstheorie (Walther, 1996) argumentiert werden kann, dass die computervermittelte Kommunikation ähnliches Potenzial wie face-to-face-Kommunikation für den Aufbau von Beziehungen und sozialer Interaktion hat, gibt es auch Ergebnisse, die zeigen, dass die Gefahr der Konflikteskalation bei computervermittelter Kommunikation erhöht wird (Friedman et al. 2004). Kiesler et al. (1984) legen nahe, dass enthemmtes Verhalten durch die Reduktion sozialer Hinweise/Stimuli in der computervermittelten Kommunikation entsteht. De-Individuationseffekte gehen mit geschwächter Verhaltenskontrolle, verringerter Bewertungsangst vor den Konsequenzen des eigenen Verhaltens und der Bewertung durch Andere, sowie mit geschwächten rationalen und normativen Urteilsprozesse einher (Kiesler et al. 1984). Gajendran und Harrison (2007) zeigen in einer MetaAnalyse, dass Telearbeit per se keine nachteiligen Auswirkungen auf die Qualität der Beziehungen am Arbeitsplatz hat. Allerdings kann sich die Beziehung zwischen Kolleg_innen verschlechtern, wenn der Großteil der Arbeitszeit außerhalb des eigentlichen Arbeitsplatzes im Unternehmen verbracht wird. Die Reduktion sozialer Interaktionen, die mit mobilem Arbeiten einhergeht, kann aber auch zu einem Gefühl der Loslösung und Distanz (Hylmo et al., 2002) bis hin zur sozialen Isolation führen (Golden et al. 2008). Mobil arbeitenden Mitarbeiter_innen fehlt oftmals die Möglichkeiten für spontane und informelle Interaktionen (Oertig et al. 2006). Hinds et al. (2005) vergleichen konventionelle mit dislozierten Teams und zeigen, dass dislozierte Teams häufiger mit

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Aufgaben- und Beziehungskonflikten konfrontiert sind als konventionelle Teams, die zusammen am selben Ort arbeiten. Beziehungskonflikte entstehen durch Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gruppenmitgliedern über zwischenmenschliche Themen und basieren auf Persönlichkeitsunterschieden oder unterschiedlichen Standpunkten hinsichtlich ihrer Normen und Werte (De Dreu et al. 2003). Hinds et al. (2005) betonen, dass spontane Kommunikation eine wichtige Rolle beim Aufbau und der Pflege guter Beziehungen zwischen den Teammitgliedern spielt. Spontane Kommunikation helfe darüber hinaus, eine ausgeprägte gemeinsame Identität innerhalb des Teams zu etablieren. Fay et al. (2011) zeigen, dass sich die Zufriedenheit mit der informellen Kommunikation auf die Zufriedenheit mit der Beziehung zu Kollege_innen auswirkt. Eine gute Beziehung zu den Kolleg_innen steht wiederum in positivem Zusammenhang mit deren Arbeitszufriedenheit und der Identifikation mit dem Unternehmen (Fay et al. 2012). Die Identifikation mit dem Unternehmen steht allerdings auch im direkten Zusammenhang mit der Häufigkeit informeller Kommunikation (Wiesenfeld et al. 2006). Diese Ergebnisse zeigen, Tabelle 1. Übersicht der Kommunikationsstrategien des kognitiv-affektiven Modells der Kommunikation in Organisationen (Te’eni, 2001) mit Beispielen.

Kommunikationsstrategien

Definition

Beispiel

Kontextualisierung Bereitstellung von wer, wie, wo, Wissen über die wann, was, Rahmenbedingungen warum Affektivität

Bereitstellung von affektiven Komponenten (Emotionen, Stimmungen)

! vielen Dank, das freut mich

Kontrolle durch testen und anpassen

Testen und anpassen des Kommunikationsprozess in Abhängigkeit von der Rückmeldungen des Empfängers/der Empfängerin

Was denken Sie darüber?

Kontrolle durch Planung

Planung der Kommunikationsmuster und Eventualitäten vor dem Prozess

Was soll im Gespräch geklärt werden?

Fokussierung der Aufmerksamkeit

Lenkung oder Manipulation der Informationsverarbeitung des Empfängers/der Empfängerin

Bitte denken Sie auch an das Protokoll.

Habe ich etwas Vergessen?

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welche immanente Bedeutung die adäquate Nutzung der IKT bei flexiblen Arbeitsformen hat. IV. KOMMUNIKATIONSPROZESS Der Kommunikationsprozess beinhaltet die Wahl eines oder mehrerer Kommunikationsstrategien (Mittel zur Erreichung des Kommunikationsziels), die Form der Nachricht und das Medium mit dem die Nachricht übermittelt wird, um ein bestimmtes Kommunikationsziel des Senders oder der Senderin zu erreichen. Kommunikationsziele können Handlungsanweisungen, die Koordination von einander abhängiger Handlungen, die Beeinflussung des Gegenübers sowie die Förderung von Beziehungen am Arbeitsplatz sein. Damit ein Kommunikationsziel erreicht werden kann, muss eine geeignete Kommunikationsstrategie gewählt werden. Beispielsweise können mittels Kontextualisierung Zusatzinformationen bereitgestellt werden, die die Interpretation des Senders bzw. der Senderin bezüglich der Aufgabe und deren Teilschritte erleichtert. Kommunikationsstrategien dienen der Reduktion der Komplexität der Kommunikation auf die später näher eingegangen wird. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über ausgewählte Kommunikationsstrategien des kognitivaffektiven Modells der Kommunikation in Organisationen (Te’eni, 2001). Die Form der Nachricht beschreibt die formalen Charakteristika einer Nachricht wie die Anzahl ihrer semantischen Einheiten (z.B. Worte oder Sätze), den Empfänger_innenkreis, die Strukturiertheit der Nachricht um das Verstehen ihres Inhalts zu fördern, sowie deren Ausmaß an Abstraktion (z.B. Entscheidungen aus einem Gespräch werden auf einem Memo für eine Kollegin festgehalten). A. Kommunikationsmedien Flexibles Arbeiten wird durch synchrone und asynchrone Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht. Gemäß der Mediensynchronizitätstheorie (Dennis et al. 1998) beeinflusst die Art der Kommunikationsaufgabe und deren Anforderung an die Informationsverarbeitungskapazität eines Mediums die Wahl des geeigneten Kommunikationsmediums. Kommunikationsaufgaben in Gruppen können in zwei Primärprozesse eingeteilt werden: Einerseits gibt es divergente Prozesse, die der Informationsübermittlung dienen. Dabei geht es darum, viele, leicht zu verarbeitende Informationen möglichst schnell zwischen den Mitgliedern auszutauschen. Ein geteiltes Verständnis oder der Fokus auf dieselbe Information ist überflüssig (Weigle et al. 2000). Andererseits gibt es konvergente Prozesse, die auf die Informationsverdichtung abzielen (Dennis et al. 1999). Informationsverdichtungsprozesse dienen der Strukturierung und Bündelung von Informationen um einer Informationsüberflutung entgegenzuwirken und ein gemeinsames Verständnis der Aufgabe zu schaffen (Dennis et al. 2008). B. Mediendimensionen Dennis et al. (1999) führen fünf Dimensionen zur Beschreibung der Eigenschaften verschiedener Kommunikationsmedien an: (i) Die Symbolvarietät beschreibt auf wie viele Arten Informationen übermittelt werden können. Beispielsweise hat Videotelefonie im Vergleich zur E-Mail eine

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Tabelle 2. Beurteilung der fünf Dimensionen der Kommunikation in Bezug auf divergente und konvergente Informationsprozesse

Informationsübertragung (divergent)

Informationsverdichtung (konvergent)

unbestimmt

unbestimmt

niedrig

hoch

Parallelität

hoch

niedrig

Wiederverarbeitbarkeit

hoch

hoch

Änderbarkeit

hoch

hoch

Kommunikationstyp / Mediendimension Symbolvarietät Unmittelbare Rückkopplung

hohe Symbolvarietät, da die Stimmlage, Mimik und Gestik in denselben Kommunikationsvorgang einfließen. (ii) Die Schnelligkeit der Rückkopplung beschreibt die Unmittelbarkeit des Feedbacks bidirektionaler Kommunikation. Während die Kommunikationsteilnehmer_innen bei asynchroner Kommunikation wie etwa mittels E-Mail oder Briefverkehr vergleichsweise lange auf eine Reaktion warten müssen, erhalten die Kommunikationspartner_innen bei synchroner Kommunikation wie etwa in einem persönlichen Gespräch oder im Chat unmittelbar Feedback auf ihre Aussagen. (iii) Die Parallelität oder Gleichzeitigkeit gibt die mögliche Anzahl gleichzeitig ablaufender effektiver Konversationen eines Mediums an. Beispielsweise kann am Telefon eine Konversation nur effektiv stattfinden, wenn die Teilnehmer_innen nicht parallel sprechen, während bei sogenannten Groupwaresystemen mehrere Konversationen parallel strukturiert werden und auch mehrere Teilnehmer_innen parallel kommunizieren können. (iv) Die Wiederverwendbarkeit zielt darauf ab, ob eine Nachricht nach dem Verschicken noch weiter zur Verfügung steht und zu späteren Zeitpunkten nochmals verwendet werden kann. Schriftliche Kommunikation eignet sich beispielsweise sehr gut dazu (zumindest in Ausschnitten) wieder verwendet zu werden, während das bei mündlicher Kommunikation kaum möglich ist. (v) Die Änderbarkeit oder Überarbeitbarkeit bezieht sich auf die Möglichkeit des Senders/der Senderin, eine Nachricht vor der Übermittlung zu überarbeiten. Ähnlich wie bei der Wiederverwendbarkeit ist das bei der mündlichen Kommunikation kaum möglich, bei schriftlicher jedoch schon. Die verschiedenen Kommunikationsmedien bergen unterschiedliche Möglichkeiten und Grenzen. Es ist wichtig zu beachten, dass es kein Medium gibt, welches in allen angeführten Dimensionen überlegen ist (Dennis et al. 1999). Es bedarf also des Bewusstseins des Senders/der Senderin der Information, ob diese „verteilt“ werden soll, oder ob das Ziel der Kommunikation darin liegt, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Die beiden primären Kommunikationsprozesse Informationsübertragung und Informationsverdichtung unterscheiden sich hinsichtlich der beiden Dimensionen Parallelität und

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Schnelligkeit der Rückkopplung (siehe Tabelle 2). So gibt es für bestimmte Informationen oder Problemstellungen bessere oder weniger geeignete Darstellungsmöglichkeiten und Medien. Beispielsweise lassen sich Informationen über die Entwicklung von Aktienkursen (divergent) am besten schriftlich und in Form von Graphen übermitteln (niedrige Synchronizität). Soll hingegen eine ausdifferenzierte Entscheidung getroffen werden (konvergent), ob eine spezielle Aktie verkauft werden soll oder nicht, bedarf eine Entscheidung die Verdichtung bzw. ein gemeinsames Verständnis der beteiligten Personen über die zur Verfügung stehenden Informationen. Beispielsweise sollten hier vor einem Verkauf der Aktie Informationen über deren Entwicklung über die Zeit, das Marktgeschehen, Erwartungen bezüglich der zukünftige Entwicklungen etc. ausgetauscht und von den beteiligten Personen auch verstanden werden. Es bedarf also einer direkten Rückmeldung der Beteiligten (hohe Synchronizität), welche durch synchrone Kommunikation (z.B. Telefon, faceto-face, Chat) erreicht werden kann. V. KOMPLEXITÄT DER KOMMUNIKATION Die Komplexität der Kommunikation ist Folge der begrenzten Nutzung von Ressourcen, die erfolgreiche Kommunikation in unsicheren und sich verändernden Umständen erfordert, und kann hinsichtlich dreier Kategorien unterschieden werden: (A) kognitive, (B) dynamische und (C) affektive Komplexität. Flexibles Arbeiten geht mit einer Erhöhung in allen drei Kategorien einher. Kognitive Komplexität wird maßgeblich durch die intensivere Nutzung von IKT erhöht. Die Erhöhung der dynamischen Komplexität geht auf die räumliche und zeitliche Flexibilisierung der Arbeit zurück. Sender_innen von Nachrichten müssen sich einerseits an die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten ihres eigenen Standorts anpassen, andererseits müssen sie auch die Situation der Empfängerin/des Empfängers berücksichtigen. Affektive Komplexität wird durch dich Reduktion des face-to-face Kontakts und der damit einhergehenden Verringerung sozialer Hinweisreize erhöht (siehe Abschnitt Beziehungsebene). A. Kognitive Komplexität Kognitive Komplexität entsteht durch Interdependenz (gegenseitige Abhängigkeit) und Intensität des Informationsaustausches zwischen den Gruppenmitgliedern welche zu Missverständnissen führen kann. Je mehr kommuniziert wird, desto mehr kann folglich auch falsch verstanden werden. Darüber hinaus erhöht die Vielfalt unterschiedlicher Ansichten der Gruppenmitglieder die Möglichkeit, dass Nachrichten in einem anderen Kontext wahrgenommen werden als vom Sender/der Senderin beabsichtigt. Die Inkompatibilität zwischen der Darstellung einer Information mittels eines Mediums und der nötigen Form für die Nutzung der Information erfordert eine Übersetzung der Nachricht, was die Anfälligkeit für Fehler erhöht (Te’eni, 2001). Erinnern wir uns an das Beispiel zur Übermittlung der Entwicklung von Aktienkursen. Wird diese Entwicklung mündlich beschrieben, müssen alle als relevant erachteten Aspekte berichtet werden und vom Empfänger oder der Empfängerin richtig interpretiert werden. Wird hingegen eine

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Grafik mit einem kurzen Begleittext gesendet, können die nötigen Informationen gezielt abgelesen werden. Die Fehleranfälligkeit wird reduziert und der Kommunikationsprozess wird effizienter, da nicht alle Informationen explizit ausgesprochen werden müssen. Beim flexiblen Arbeiten bietet es sich an, bewusst auf den Grad der Kontextualisierung (siehe Tab. 1) einer Nachricht zu achten, wenn das Kommunikationsziel einer hohen kognitiven Komplexität unterliegt. Beispielsweise können bei der Koordination von Aufgaben innerhalb eines Projekts die Rahmenbedingungen der jeweiligen Information abgeklärt und zusätzliche Informationen bereitgestellt werden. Hierdurch wird der interpretative Spielraum für das Verstehen einer Nachricht verringert. Ein Gespräch (face-to-face meeting, Videokonferenz, Telefon) bietet die Möglichkeit alle relevanten Informationen und Kontextualisierungen bereitzustellen. Ist der bzw. die Empfänger_in für ein Gespräch nicht verfügbar, oder werden die Informationen zu einem späteren Zeitpunkt nochmals benötigt, dann bietet sich E-Mail als das Medium der Wahl an. Sehen sich Sender_in und Empfänger_in nicht, so ist eine direkte visuelle Rückmeldung, ob die Nachricht verstanden wurde (z.B. durch Nicken oder Kopfschütteln) nicht gegeben. Ist die Kommunikationssituation durch hohe dynamische Komplexität gekennzeichnet sollten Kommunikationsmedien gewählt werden, die einen hohen Grad an Kontextualisierung zulassen und die Möglichkeit für direkte Rückmeldung geben. B. Dynamische Komplexität Herrscht eine Situation mit hoher kognitiver und hoher dynamischer Komplexität ist es ratsam, sich während des Kommunikationsprozesses, an die Rückmeldungen des Empfängers/der Empfängerin anzupassen. Diese Form der Kontrolle lässt sich am besten mit dem englischen Begriff monitoring (Überwachung) beschreiben. Um direkte Rückfragen zu ermöglichen ist ein Medium mit hoher Synchronizität von Vorteil. Probleme die aufgrund einer niedrigen dynamischen und hohen kognitiven Komplexität entstehen, können durch die Planung des Kommunikationsprozesses zumindest teilweise vermieden werden. Beispielsweise kann geklärt werden wann man erreichbar ist oder in welcher Zeit mit einer Antwort gerechnet werden kann. Ebenso macht es Sinn, sich im Vorfeld zu überlegen, welche relevanten Informationen gebraucht werden, um den Inhalt der Nachricht richtig zu interpretieren (Kontextualisierung). Die dynamische Komplexität entsteht durch zeitliche Rahmenbedingungen, unklare oder fehlerhafte Rückmeldungen und unvorhergesehene Veränderungen im Zuge einer koope-

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rativen Tätigkeit (Te’eni, 2001). Es ist also eine direkte Anpassung des Kommunikationsprozesses erforderlich. Durch die erhöhte räumliche und zeitliche Flexibilität von Kolleg_innen beim flexiblen Arbeiten kann es noch leichter als in konventionellen Arbeitsformen vorkommen, dass eine Person durch die erhöhte dynamische Komplexität fehlerhafte Rückmeldung gibt oder sich zeitliche Rahmenbedingungen verschieben. C. Affektive/Emotionale Komplexität Affektive Komplexität wird durch die Einstellungen der Personen zueinander oder zum Thema beeinflusst. Über die Zeit können sich Einstellungen verändern, was zu Misstrauen und emotional bedingten Beziehungskonflikten zwischen den Gruppenmitglieder führen kann (Te’eni 2001). Die unter 3B (Beziehungsebene) angeführte Wirkung reduzierten face-toface Kontakts verdeutlichen die Wichtigkeit der Beachtung und aktiven Regulation der affektiven Komplexität in Kommunikationsprozessen beim flexiblen Arbeiten. Herrscht eine Situation in der hohe kognitive und affektive Komplexität gegeben ist, beispielsweise wenn eine Entscheidung getroffen werden muss und der Gegenüber trotzig und beharrlich auf seinem Standpunkt bleibt, empfiehlt sich zur Reduktion der Komplexitäten und Erreichung des Kommunikationsziels (die Meinung des Gegenübers zu beeinflussen) die Perspektive des Gegenübers einzubeziehen. Ist das Kommunikationsziel der Aufbau oder das Aufrechterhalten der sozialen Beziehung zum Gegenüber in einer Situation mit hoher affektiver Komplexität (z.B. Empfänger_in der Nachricht ist noch verärgert, weil der Geburtstag vergessen wurde), sollte dem – zur Reduktion der affektiven Komplexität – durch den Ausdruck von Emotionen begegnet werden. In der schriftlichen Kommunikation können Emoticons eingesetzt werden (Gettinger et al. 2015). VI. CONCLUSION

Die Reduktion des face-to-face Kontakts, die mit der Umstellung auf neues Arbeiten einhergeht, muss durch moderne Kommunikationsmedien abgefangen werden, um effiziente Kommunikation zu erhalten. Wo früher der face-to-face Kontakt für dringliche Anfragen unter Kolleg_innen genutzt werden konnte (dynamische Komplexität), bieten Chatprogramme (im Gegensatz zu E-Mail) die Möglichkeit der Anforderung an hohe Synchronizität gerecht zu werden. Bewährte konvergente und divergente Kommunikationsmuster zwischen Kolleg_innen bedürfen also einer Anpassung an die neuen Umstände die durch die erhöhte Komplexität des Kommunikationsprozesses beim neuen Arbeiten gekennzeichnet ist. Dabei ist es wichtig, für Kommunikationsprozesse, die der Informationsübertragung dienen, das geeignete Kommunikationsmedium mit niedriger Synchronizität zu wählen. Hingegen sollen bei Informationsverdichtungspro-

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zessen Medien, die eine hohe Synchronizität sichern, gewählt werden. Die beiden Kommunikationsstrategien Kontextualisierung und Fokussierung der Aufmerksamkeit (attention focussing) stellen zwei sehr nützliche Strategien dar, um der erhöhten kognitiven Komplexität des Kommunikationsprozesses beim neuen Arbeiten gerecht zu werden. In der schriftlichen Kommunikation können zur Lenkung der Aufmerksamkeit Ausrufungszeichen und GROSSschreibung verwendet werden. Ebenso kann auf die Wahl der Worte geachtet werden (lexical choice). Die Etablierung von E-Mail zur Kommunikation in fast allen Belangen führt dazu, dass wichtige E-Mails in der Flut von Nachrichten untergehen können. Oftmals werden Nachrichten unter Zeitdruck nur überflogen und eine angemessene Informationsverarbeitung des Inhalts bleibt aus. Wichtige Informationen können manchmal nur schwer aus der Vielzahl an E-Mails wiedergefunden werden. Die stetig wachsende Anzahl an E-Mailanhängen führt dazu, dass Dokumente mehrfach abgespeichert werden und der Speicherplatz auf Servern stetig erweitert werden muss. Werden zu viele verschiedene Kommunikationsmedien innerhalb eines Unternehmens genutzt, kann dies zu Überforderung bezüglich der Nutzung der Medien führen. Daher ist es von Vorteil, bestimmte Kommunikationsformen für bestimmte Aufgaben zu standardisieren und Mitarbeiter_innen in der Handhabung der verschiedenen Medien zu schulen. Um eine mögliche Informationsüberflutung ebenso wie das Ausbleiben wichtiger Informationen zu verhindern (limitierte Ressourcen), sollten Spielregeln für die Kommunikation entwickelt oder vom Unternehmen vorgegeben werden. Kommunikationsstandards sichern den Kommunikationsfluss zwischen den beteiligten Akteur_innen und begünstigen die Entstehung gemeinsamen Kontextwissens. Führungskräfte sollten Mitarbeiter_innen dabei unterstützen, den Kontakt zu Kolleg_innen aufrecht zu halten, um gute Beziehungen zwischen den Mitarbeiter_innen zu ermöglichen und potentiellen Konflikten vorzubeugen (affektive/emotionale Komplexität). Hier bieten sich Präsenztag, an denen im Büro gearbeitet und intensiver Wert auf face-toface Kommunikation gelegt wird an. REFERENCES 1. 2. 3. 4. 5.

6.

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Martina Hartner-Tiefenthaler ist Universitätsassistentin und Habilitandin am Institut für Managementwissenschaft, Arbeitswissenschaft und Organisation. Sie studierte Management, Business und Administration am New College Durham (UK) sowie Psychologie an der Universität Wien, wo sie 2010 promovierte. Von 2012 bis 2013 war sie als Gastprofessorin für Lehre und Diplomarbeitsbetreuung an der Universität Wien im Bereich Wirtschaftspsychologie tätig. In ihrer aktuellen Forschung beschäftigt sie sich sowohl mit den psychologischen als auch den organisationalen Einflussfaktoren des flexiblen Arbeitens. Sabine Theresia Köszegi ist seit 2009 Professorin für Arbeitswissenschaft und Organisation, seit 2014 Vorstand des Instituts für Managementwissenschaften sowie akademische Leiterin des postgradualen Lehrgangs für Entrepreneurship und Innovation an der TU Wien. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach ihrem Doktorat der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien, habilitierte sie sich 2006 im Fach Betriebswirtschaftslehre. In ihrer aktuellen Forschung befasst sie sich u.a. mit Kooperation und Konflikt, dem Management kultureller und sozialer Diversität in Organisationen und mit neuen Arbeitsformen.

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WING-Regional

Fotos: Thomas Reuter

Thomas Reuter

WING Studie 2014: Ergebnispräsentation in der StieglBrauwelt in Salzburg Treffen der WirtschaftsingenieurInnen aus dem Regionalkreis Oberösterreich, Salzburg und Tirol, 16. April 2015: Stiegl-Brauwelt, Salzburg Im launischen April haben sich die WirtschaftsingenieurInnen einen ganz besonderen Ort zum Treffpunkt für ihre Regionalkreisveranstaltung ausgesucht: die Stieglbrauerei in Salzburg. In der Privatbrauerei der Österreicher wurde aber nicht nur Bier verkostet, sondern auch gearbeitet. Ganz nach dem Motto: zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.

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orgestellt wurden die Ergebnisse der WING-Studie 2014 von Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Ulrich Bauer, der extra aus Graz angereist kam. Die thematischen Steckenpferde waren die Ausbildungslandschaft, das Kompetenzprofil und der Karriereweg von WirtschaftsingenieurInnen. Festgestellt wurde, dass ein Teil der WirtschaftsingenieurInnen-Studien zu wenig technischen, dafür aber einen zu hohen wirtschaftlichen Inhalt aufweisen. Ein großes Ziel ist daher, dass mindestens 50 Prozent der zu absolvierenden Unterrichtseinheiten des WirtschaftsingenieurInnen-Studiums aus technischen Fächern stammen sollen. Ein weiteres Ergebnis der Studie befasst sich mit dem Fakt, dass AbsolventInnen von WirtschaftsingenieurInnen-Studien nach mehrmaligem Jobwechsel zu einem sehr hohen Prozentsatz eine Führungsposition bekleiden. Mitentscheidend sei auch hier der

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hohe Anteil des technischen Hintergrundwissens. Und wo lassen sich Ausbildungswege besser erkunden, als in der Privatbrauerei der Österreicher? Neben der ausgeklügelten technischen Abfüllanlage, die wir gemeinsam mit einem Guide der Stiegl-Brauwelt besucht haben, galt unser Interesse natürlich auch dem Weg des Bieres in die Flasche und wieder heraus. Eine kundige Biersommelière hat uns zu diesem Zweck in den hauseigenen Verkostungskeller entführt, wo die IngenieurInnen die Biere aus der ganzen Welt kritisch prüfen konnten. Passend dazu gab es Käse. Sollte jetzt Gusto aufgekommen sein, kann man die Verkostungen auch privat buchen. Alle Informationen findet man unter www.brauwelt.at

Wir bedanken uns ganz herzlich bei DI Thomas Reuter für die Einladung in die Stieglbrauerei und die Organisation der Präsentation und Verkostung vor Ort. Vielen Dank auch an alle TeilnehmerInnen, die den teilweise weiten Weg auf sich genommen und für angeregte Gespräche gesorgt haben.

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Uninachrichten

Foto:

Karin Tschiggerl, Milan Topic

6. Kongress „Sustainability Management for Industries“ – Energieeffizienz im Fokus Der Kongress Sustainability Management for Industries (SMI), veranstaltet vom Lehrstuhl für Wirtschafts- und Betriebswissenschaften an der Montanuniversität Leoben, fokussierte 2015 das Thema Innovation und Energieeffizienz in Unternehmen.

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ie Kongressbeiträge von namhaften Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft zeigten verschiedene Aspekte und neue Lösungsansätze zur Steigerung der Energieeffizienz in Unternehmen. Der Themenzugang erfolgte am Kongress umfassend: angefangen vom verantwortungsvollen Umgang mit den Rohstoffen über innovative Technologien, die Entwicklung von Maßnahmen für mehr Energie- und Ressourceneffizienz, die Betrachtung wirtschaftlicher Aspekte wie der Total Cost of Ownership-Methode, Geschäftsmodellinnovationen bis hin zum Eco-Design. Ziel des SMIKongresses ist der Wissenstransfer, um neue Entwicklungen und Best Practices aufzuzeigen, und in die breite industrielle Anwendung zu führen. Sehr oft werden Energieeffizienzpotentiale noch nicht genutzt, da es an Wissen und der kostenwirksamen technischen Umsetzung mangelt. Energieintensive Branchen zeichnen sich für 30 % des Energieendverbrauchs verantwortlich. Die Industrie ist nun

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gefordert und gesetzlich verpflichtet, ihren Verbrauch substantiell zu reduzieren. Angesichts standortspezifischer Energiekosten und einer zunehmenden Intensivierung des globalen Wettbewerbs eine große Herausforderung für heimische Unternehmen. Gleichzeitig eröffnen sich dadurch Chancen bisher ungenutztes Energieeffizienzpotential auszuschöpfen, Kosteneinsparungen und die Entwicklung innovativer Technologien und Prozesse zu realisieren. Damit Unternehmen ihren Energie- und Ressourcenverbrauch planen, steuern und kontrollieren können, benötigen sie Unterstützung durch geeignete Methoden und Instrumente. WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen zeigten ihre Entwicklungen zur Steigerung der Effizienz, von Planungsund Optimierungsinstrumenten, über Kennzahlen für effektives Energiecontrolling, sowie neue Software-Lösungen. Unternehmen müssen diese Werkzeuge ihren individuellen Bedürfnissen anpassen, um die erfolgverspre-

chendsten Effizienzmaßnahmen umzusetzen. Heiß in Diskussion stehen die rechtlichen Gegebenheiten durch das Energieeffizienzgesetz mit seinen Auswirkungen für die Unternehmen. Vor allem die Unsicherheiten betreffend die Messung und Bewertung von Maßnahmen, wie der institutionelle und rechtliche Rahmen standen dabei zur Debatte. 17 themenspezifische Beiträge anerkannter AutorInnen sind im Kongress-Tagungsband „Innovation und Nachhaltigkeit: Strategisch-operatives Energie- und Ressourcenmanagement“ erschienen im Hampp-Verlag (ISBN 978-3-95710-033-7) veröffentlicht. Dieser ist zum Sonderpreis am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Betriebswissenschaften erhältlich (solange der Vorrat reicht). Der Kongress findet zweijährlich statt: Weitere Informationen zur Kongressreihe finden Sie auf http://wbw. unileoben.ac.at/smi

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Uninachrichten

Foto: Industrial Management

Christopher Mallaschitz, Martin Wallner

Industrie 4.0 am Institut für Industrial Management Industrie 4.0 – die vierte industrielle Revolution schlägt breite Wellen. Auch am Institut für Industrial Management an der FH JOANNEUM in Kapfenberg tut sich einiges.

Neue Ausbildung Durch das Internet der Dinge, d.h. die Vernetzung von Objekten untereinander (wie z.B. Smartphones mit Häusern oder Produktionsmaschinen), verschmelzen die reale und die virtuelle Welt immer mehr. Auf diese Veränderung muss man reagieren – vor allem auch in der Ausbildung. Das Institut für Industrial Management hat ein neues Labor, wo die Studierenden die Welt der neuen Industrie selbst erleben können. Neueste Computer-Technologie HANA ist eine neue Datenbanktechnologie von SAP. Die gesamte Datenspeicherung findet im Gegensatz zu einem Standard-Computer nur im superschnellen Arbeitsspeicher statt (In-Memory-Computing). Das bedeutet vor allem im Hinblick auf Big Data neue Anwendungsmöglichkeiten (z.B. Echtzeit-Auswertung von riesigen Da-

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tenmengen aus Social Media wie Facebook oder aus der Produktion). Die HANA bei Industrial Management hat 1 Terabyte (1.000 Gigabyte) RAM (Arbeitsspeicher). Vertikale Integration Im Labor stehen zwei Produktionsanlagen zur Verfügung. Das modulare Produktionssystem (MPS) von FESTO ist ein verkleinerter Nachbau einer Produktionslinie, bei der ein Produkt vollautomatisiert bewegt und bearbeitet wird. Das Zusammenspiel der Komponenten ist vor allem für die Lehre in Automatisierungstechnik interessant. In einer weiteren Produktionsanlage wird ein Pneumatik-Zylinder durch die Studierenden montiert. In beiden Fällen steht die vertikale Integration – der Datenaustausch zwischen der Fertigung und dem ERP-System – im Vordergrund. In mehreren Lehrveranstaltungen werden dazu unterschiedliche Szenarien durchgespielt.

3D Druck 3D Druck ermöglicht es mittlerweile Dinge sofort am eigenen Schreibtisch herzustellen, ohne einen langwierigen, traditionellen Herstellungsprozess zu durchlaufen. Unternehmen nutzen diese Technologie u.a. zum Rapid Prototyping, also zum Erstellen von Prototypen ihrer Produkte. Das gewünschte Objekt wird additiv, d.h. durch schichtweise Auftragung von z.B. Kunststoff, erzeugt. In der Vorlesung Produktionstechnik wird das Urformen mit dem 3D Drucker zum Leben erweckt. Das Institut für Industrial Management ist eines von mehreren Instituten an der FH JOANNEUM die sich mit dem Thema 4.0 auseinandersetzen. Mehr Informationen dazu gibt es auf industrie40.fh-joanneum.at.

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WINGnet

WINGNET Felix Aumair

TIMES Semifinale Kiew 2015

Die lokalen Vorausscheidungen für den europäischen Fallstudienwettbewerb, der jedes Jahr von ESTIEM veranstaltet wird, fanden im Dezember in Kooperation mit McKinsey & Company in der Bundeshauptstadt Wien statt.

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as erfolgreiche Siegerteam, das sich knapp gegen die Konkurrenz durchsetzen konnte, durfte sich über eine Reisekostenförderung von 250€ und die Qualifikation für das Halbfinale im ukrainischen Kiew freuen. Seit vielen Jahren veranstaltet das WINGnet Wien schon diesen internationalen Fallstudienwettbewerb und schickt die Gewinnerteams nach ganz Europa. So konnten schon viele Studenten der TU Wien von diesem Angebot profitieren und wertvolle Erfahrung für ihre berufliche Zukunft sammeln. Die Reise nach Kiew führte das Wiener Team über Budapest, wo es seinen Flug in die Ukraine startete und am Zielflughafen freudig von den lokalen Organisatoren des Events empfangen wurde. Eine neue und fremde Welt für das junge Team, das zuvor nur selten so weit in den Osten von Europa vorgestoßen war. Vom Bürgerkrieg und den großen Protesten, die noch vor knapp einem Jahr hier stattgefunden hatten und die ganze Stadt zeichneten, war nichts mehr zu sehen. Alsbald in der Unterkunft angekommen, machte die ukrainische Gastfreundschaft ihrem Namen schon alle Ehre und die verschiedenen Teams aus den unterschiedlichsten Ländern Europas lernten einander bei einem Spaziergang mit ausführlichen Erklärungen zu der Umgebung kennen. Die Teilnehmer wurden danach zur Eröffnungszeremonie in den Festsaal des Polytechnischen Institut Kiews geführt, um dann von Repräsentanten der Universität, des TIMES Projekts und lokalen Organisatoren begrüßt zu werden. Zur Entspannung war für den Rest des Ankunftstages noch ein angenehmes Programm geplant, bevor am nächsten Tag die erste Fallstudie gelöst werden sollte. Trotz großer Bemühungen hielt sich auch aus diesem Grund die Feier in beschränktem Rahmen und alle fieberten auf den Wettkampf hin.

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Das entsandte Team war für den späten Vormittag eingeteilt worden und konnte so mit Ruhe in den Wettbewerb starten. Die vorgesehene Fallstudie erwies sich als machbare Herausforderung und es konnte konstruktiv mit der Arbeit begonnen werden. Nach 4 arbeitsreichen, aber hochspannenden Stunden wurde der Jury, gestellt aus einem Konsulenten, einem Unternehmer und dem Projektleiter von TIMES, die Lösung präsentiert. Für das Team aus Wien verlief alles nach Plan und in der anschließenden Fragerunde wurden letzte Unklarheiten beseitigt. Ein geglückter Start und alle waren zufrieden. Somit konnte anschließend das ukrainische Hauptstadtleben weiter erforscht werden, bevor am Abend das Programm mit einem Gemeinschaftsabend beendet und ausgiebig gefeiert wurde. Der anschließende Tag bot den Semifinalisten die Möglichkeit weiter in die osteuropäische Kultur vorzudringen. Dabei half ein organisierter Stadtspaziergang, wo sämtliche Sehenswürdigkeiten besichtigt wurden. Natürlich gipfelte dies in der Besichtigung des Maidan- Platzes, der Ausgangspunkt und Synonym für die aktuellen und vergangenen Geschehnisse in der Ukraine ist. Tief beeindruckt und mit Hintergrundwissen angereichert kehrten die Teilnehmer wieder zurück in ihre Unterkunft, um am folgenden Tag die zweite Fallstudie zu lösen. Das Wiener Team startete dieses Mal als erstes, da einer der Teilnehmer verfrüht abreisen musste. Dennoch blieb für ihn genug Zeit, um für die Fallstudie bereit zu stehen und mitzuarbeiten. Der zweite Fall stellte sich als schwieriger heraus und so wurde umso intensiver an einer geeigneten Lösung gearbeitet. Die Herausforderung war aber dennoch bewältigbar und so stellte sich das Quartett das letzte Mal der Jury, die diesmal aus 3 Konsulenten gestellt

wurde. Allerdings passierte ein kleiner Fehler und das Zeitmanagement war nicht optimal aufgeteilt worden, um alle Punkte der Lösung in der gegebenen Maximalzeit zu präsentieren. In der darauf folgenden Fragerunde gab es daher vieles zu besprechen und nicht ganz zufrieden wurde beim Mittagessen auf das vollendete Semifinale angestoßen. Nachdem sich nun ein Mitglied der österreichischen Delegation verabschieden musste und sich schon auf den Weg in die Heimat machte, wurde der Tag entspannt fortgesetzt und bei Sonnenschein ein Spaziergang unternommen. Die finale Entscheidung über die Gewinner wurde wieder im Festsaal des KPI abgehalten. Wieder fanden sich einige Repräsentanten der Universität, der Sponsoren und des TIMES Teams, sowie ein paar schaulustige Studierende der Universität ein. Nach einführenden Worten wurde die Platzierung in umgekehrter Reihenfolge bekannt gegeben. Das Team aus Wien landete im Mittelfeld und war damit durchaus zufrieden, da bei der zweiten Fallstudie das angesprochene Missgeschick passierte. Beim anschließenden Galadinner wurden den Gästen aus Europa die unterschiedlichsten Köstlichkeiten der ukrainischen Küche serviert. Alle Teilnehmer konnten nun ausgelassen feiern und die verbleibende Zeit gemeinsam bei einem Gläschen Wein genießen, bevor es wieder nach Hause in die vertraute Heimat ging. Damit war ein souveränes Semifinale geschlagen und weitere 4 Personen waren von dem Format des paneuropäischen Fallstudienwettbewerbs überzeugt. Für mindestens 2 von ihnen wird es nicht die letzte Teilnahme gewesen sein, wurde noch am Schluss zugesichert. Das Team von WINGnet Wien freut sich daher schon auf die nächste Austragung dieses Wettbewerbs im Herbst 2015.

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WINGnet

Mit einem Look IN der

WINGbusiness Impressum

Konkurrenz voraus!

Medieninhaber (Verleger) Österreichischer Verband der ­Wirtschaftsingenieure Kopernikusgasse 24, 8010 Graz ZVR-Zahl: 026865239

Das WINGnet Graz bietet Ihnen in enger Kooperation mit der Technischen Universität Graz exklusiv die Möglichkeit einer Firmenpräsentation mit Recruitingzweck in den Räumen der Universität mit einem ausgewählten Fachpublikum. 1987 zum ersten Mal veranstaltet, stellt ein LookIn eine der besten Möglichkeiten dar - unserem Anliegen als Verein entsprechend den Kontakt zwischen Unternehmen in der Wirtschaft und Studierenden, Professoren/innen und Universitätsassistenten/ innen zu forcieren. Auf diesem Weg können Sie Ihr Unternehmen bei zukünftigen Mitarbeitern und Entscheidungsträgern positionieren und Sie erhöhen Ihren Bekanntheitsgrad bei angehenden Absolventen/innen, Professor/innen und Universitätsassistent/innen. Ein Look IN ist eine der besten Möglichkeiten aktives Recruiting bei zukünftigen, hoch qualifizierten Arbeitnehmer/innen zu betreiben. Darüber hinaus können Sie die angehenden Absolventen/innen auf aktuelle Probleme, Strategien und Erwartungen des Managements sensibilisieren, damit diese den Anforderungen von morgen besser entsprechen können. Dermaßen qualifizierte Arbeitnehmer/innen bieten einen wettbewerbsentscheidenden Faktor, den Sie sich durch schnelles Entscheiden für unser Angebot sichern können. Einer unserer Projektleiter/innen wird die Organisation und Koordination der Veranstaltung übernehmen, sollten Sie unser Angebot annehmen. Dazu gehört die Bereitstellung der

Editor Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Siegfried Vössner E-Mail: voessner@tugraz.at Redaktion/Layout Chefin vom Dienst & Marketingleiterin: Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at Redakteure Dipl.-Ing. Julia Soos E-Mail: julia.soos@tugraz.at Dipl.-Ing. Thomas Böhm E-Mail: thomas.boehm@tugraz.at Dipl.-Ing. Christiana Müller E-Mail: christiana.mueller@tugraz.at Dipl.-Ing. Christoph Wolfsgruber E-Mail: christoph.wolfsgruber@tugraz.at Dipl.-Ing. Alfred Kinz E-Mail: alfred.kinz@wbw.unileoben.ac.at Dipl.-Ing. Jörg Koppelhuber E-Mail: joerg.koppelhuber@tugraz.at Anzeigenleitung/Anzeigenkontakt Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795,E-Mail: office@wing-online.at

Räumlichkeiten an der TU Graz, alle audio-visuellen Hilfsmittel und Betreuung dieser durch einen Techniker/in während der Präsentation und ein Buffet im Anschluss an die Veranstaltung. Wir übernehmen die Ankündigung der Veranstaltung mit Plakaten und Flyern, E-Mailankündigung, Eintragung auf Homepages und noch einige Möglichkeiten mehr. Wir dokumentieren für Sie die Veranstaltung mit Fotos, geben Ihnen ein Fragebogen-Feedback und sorgen für Berichterstattung in der Fachzeitschrift WING Business des WING Verbandes. Außerdem werden Sie auf der Partnerseite des TU Graz Career Info-Service mit Ihrem Logo und Firmenprofil für ein Jahr aufgenommen. In Ihrer Präsentation sollten Sie einen gesamtwirtschaftlichen Branchenüberblick schaffen, eine allgemeine Vorstellung Ihrer Unternehmung, deren Produkte und Dienstleistungen, sowie die Berufsmöglichkeiten, die Sie den Studierenden anbieten können. Mit diesem Erfolgsrezept erreichen Sie ein großes Publikumsinteresse, welches Ihnen eine nachhaltige Reputation bei den Bediensteten und Studierenden sichert und Ihnen einen Zugang zu einem großen Angebot an zukünftigen, hochqualifizierten Arbeitskräften bietet. Wir stehen Ihnen jederzeit unter veranstaltung@wingnet.at zur Verfügung.

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Druck Universitätsdruckerei Klampfer GmbH, 8181 St. Ruprecht/Raab, Barbara-Klampfer-Straße 347 Auflage: 2.500 Stk. Titelbild: Fotolia WING-Sekretariat Kopernikusgasse 24, 8010 Graz, Tel. (0316) 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at WING-Homepage: www.wing-online.at Erscheinungsweise 4 mal jährlich, jeweils März, Juni, Oktober sowie Dezember. Nachdruck oder Textauszug nach Rück­sprache mit dem Editor des „WINGbusiness“. Erscheint in wissenschaftlicher Zusammen­arbeit mit den einschlägigen Instituten an den Universitäten und Fachhochschulen Österreichs. Der Wirtschaftsingenieur (Dipl.-Wirtschaftsingenieur): Wirtschaftsingenieure sind wirtschaftswissenschaftlich ausgebildete Ingenieure mit akademischem Studienabschluss, die in ihrer beruflichen Tätigkeit ihre technische und ökonomische Kompetenz ganzheitlich verknüpfen. WING - Österreichischer Verband der Wirtschaftsingenieure ist die Netzwerkplattform der Wirtschaftsingenieure. ISSN 0256-7830

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